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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §119 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der H in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 6. Dezember 1996, Zl. 50.489-5/96, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf "Stornierung bzw. Vergütung von Grunderwerbsteuer", zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde, der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, dem hg. Akt 95/16/0126 und einer gemäß § 35 Abs. 2 VwGG abgegebenen Stellungnahme der belangten Behörde ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin und S (= der Beschwerdeführer im hg. Verfahren 95/16/0126), die seinerzeit eine Heirat beabsichtigt hatten, schlossen am 8. Juni 1993 mit der P GmbH einen Kaufvertrag betreffend bestimmte Anteile an der Liegenschaft EZ 1702 GB nn1 J, je zur Hälfte, wobei mit den Anteilen Wohnungseigentum an der Wohnung Top 5 und am Garagenplatz Top TG 5 verbunden sein sollte. Der Kaufpreis betrug S 1,908.000,--.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Innsbruck (im folgenden kurz: Finanzamt) schrieb jeweils ausgehend vom halben Kaufpreis und den halben Vertragserrichtungskosten den beiden Käufern Grunderwerbsteuer vor.
Mit Eingabe vom 22. Oktober 1993 begehrte die Beschwerdeführerin "die Vorschreibung der Grunderwerbsteuer ... zu stornieren und den freiwerdenden Betrag auf den nunmehrigen Erwerber, Herrn S, zu verrechnen ", wozu sie sich auf eine Änderungsurkunde vom 30.9./6.10.1993 berief, derzufolge der Wohnungseigentumsvertrag insoweit einvernehmlich aufgehoben wurde, als er zwischen der Verkäuferin und ihr abgeschlossen worden sei. Die durch das Ausscheiden der Beschwerdeführerin frei gewordenen Anteile seien von S erworben worden.
Das Finanzamt gab dem Stornierungsantrag mit Bescheid vom 23. Februar 1994 keine Folge und vertrat die Auffassung, die Beschwerdeführerin hätte ihren Hälfteanteil nicht an die Verkäuferin zurückgegeben, sondern an S abgetreten. In diesem Zusammenhang wurde auch letzterem gegenüber neuerlich Grunderwerbsteuer vorgeschrieben. Eine von S dagegen erhobene Berufung blieb ebenso erfolglos wie die von ihm gegen die abweisliche Berufungsentscheidung erhobene Bescheidbeschwerde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1995, Zl. 95/16/0126).
Der gegenüber der Beschwerdeführerin ergangene Bescheid des Finanzamtes vom 23. Februar 1994, mit welchem das Stornierungsansuchen abgewiesen wurde, blieb unbekämpft und erwuchs daher in Rechtskraft.
Am 10. Juni 1996 stellte die Beschwerdeführerin neuerlich einen "Antrag auf Stornierung" bzw. Vergütung der Grunderwerbsteuer ", wozu sie sich auf eine zwischen ihr und der Verkäuferin errichtete Aufhebungsurkunde vom 30.5.1996 berief. Darin war vereinbart worden, den Kaufvertrag vom 28.6.1993 hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin erworbenen Hälfteanteile aufzulösen. Diesen Antrag wies das Finanzamt mit der Begründung zurück, daß in dieser Sache bereits mit Bescheid vom 23. Februar 1994 entschieden worden wäre.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit der Begründung, es liege ein anderer Sachverhalt vor, weshalb betreffend den Antrag vom 10. Juni 1996 eine Sachentscheidung zu treffen wäre. Gegen die abweisliche Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes stellte die Beschwerdeführerin rechtzeitig den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, es liege Identität der vorliegenden Sache mit jener vor, die mit rechtskräftigem Bescheid des Finanzamtes vom 23. Februar 1994 entschieden worden sei.
Auch in ihrer über hg. Auftrag vom 8. April 1997 gemäß § 35 Abs. 2 VwGG erstatteten Äußerung vertritt die belangte Behörde diesen Standpunkt; die Aufhebungsurkunde vom 30. Mai 1996 stelle eine "bloße Vertragswiederholung" der "Änderungsvereinbarung" vom 30.9./6.10.93 dar, weshalb sich die Sachverhalte nur in solchen Belangen unterschieden, die für die rechtliche Beurteilung unwesentlich seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 (früher § 11) Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 (idF BGBl. 1994/682) wird die Steuer auf Antrag unter anderem nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung ... rückgängig gemacht wird.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist, wenn (in den Fällen der Abs. 1 bis 3) die Steuer bereits festgesetzt ist, die Festsetzung auf Antrag entsprechend abzuändern.
Dies kann gegebenenfalls auch zur gänzlichen Aufhebung der Grunderwerbsteuervorschreibung führen (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band II, 3. Teil, Grunderwerbsteuergesetz 1987, Rz 3 Abs. 2 zu § 17 GrEStG).
Die Bestimmungen des § 17 GrEStG waren erforderlich, weil im allgemeinen für Verkehrsteuern der Grundsatz gilt, daß die einmal entstandene Steuerpflicht durch nachträgliche Ereignisse, insbesondere auch durch nachträgliche privatrechtliche Vereinbarungen nicht mehr beseitigt werden kann (Fellner a.a.O. Rz 5 und 6 zu § 17 GrEStG samt der dort angeführten hg. Judikatur).
Gemäß § 17 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. besteht bezogen auf den Beschwerdefall der geltend gemachte Begünstigungs(Steuervernichtungs)tatbestand in einer Vereinbarung, den die Beschwerdeführerin als Begünstigungswerber einwandfrei und unter Ausschluß jeden Zweifels darzulegen hat (vgl. Fellner a.a.O. Rz 6 Abs. 3 zu § 17 GrEStG). Die Rückgängigmachung iS des § 17 GrEStG erfolgt mit dem Abschluß der entsprechenden Vereinbarung; dieser Vorgang hat zwischen denselben Vertragsparteien stattzufinden, zwischen denen der seinerzeitige Erwerbsvorgang vereinbart wurde (Fellner a.a.O. Rz 9 Abs. 2 und 10 Abs. 1 zu § 17 GrEStG).
Im vorliegenden Fall stellt sich vor dem Hintergrund dieser Rechtslage allein die Frage, ob dem Antrag vom 10. Juni 1996 das Hindernis der durch den Bescheid vom 23. Februar 1994 bereits entschiedenen Sache (res iudicata) entgegensteht oder nicht.
Auch im Abgabenverfahren sind nämlich neuerliche (wiederholte) Anträge, denen die materielle Rechtskraft einer bereits vorliegenden Entscheidung entgegensteht, unzulässig (sog. Wiederholungsverbot; vgl. Stoll, BAO-Kommentar 944 Abs. 4). Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die bereits entschiedene Sache ident mit jener ist, deren Entscheidung im Wege des neuerlichen Antrages begehrt wird. Abgesehen von der Identität des Begehrens und der Partei(en) muß Identität des anspruchserzeugenden Sachverhaltes gegeben sein, damit das Verfahrenshindernis der res iudicata vorliegt (vgl. Stoll a. a.O.; ebenso z.B. Fasching, Zivilprozeßrecht, Lehr- und Handbuch2 Rz 1514 und 1515).
Da der anspruchserzeugende Sachverhalt bezogen auf § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG im Beschwerdefall eine von der Beschwerdeführerin behauptete Vereinbarung ist, stellt sich die Frage, ob jene Vereinbarung, die mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 23. Februar 1994 (abweislich) behandelt wurde, ident mit der Vereinbarung ist, auf die sich der jetzt zurückgewiesene Antrag vom 10. Juni 1996 stützt.
Diese Frage ist schon mit Rücksicht darauf zu verneinen, daß Grundlage des mit Bescheid vom 23. Februar 1994 abgewiesenen Antrages eine zwischen der Beschwerdeführerin, S und der Verkäuferin errichtete "Änderungsurkunde" vom 30.9./6.10.1993 war (welche die Rechtsgrundlage für den zusätzlichen Erwerb der freiwerdenden Anteile der Beschwerdeführerin durch S darstellte; siehe den Wortlaut dieser Urkunde im hg. Erkenntnis Zl. 95/16/0126); Basis des Antrages vom 10. Juni 1996 hingegen war eine nur zwischen der Verkäuferin und der Beschwerdeführerin errichtete "Aufhebungsurkunde" vom 30. Mai 1996. Zwei zwischen zum Teil verschiedenen Personen errichtete Vereinbarungen von ganz erheblicher zeitlicher Differenz stellen betreffend die Erfüllung des Steuervernichtungstatbestandes gemäß § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG jedenfalls verschiedene Sachverhalte dar, weil dabei schon mit Rücksicht auf die gesetzliche Bedeutung des Zeitpunktes der Vertragsaufhebung nicht mehr von Divergenzen in bloß unwesentlichen Belangen gesprochen werden kann. Demzufolge vermag auch der Hinweis der belangten Behörde auf die bereits zitierten Ausführungen von Stoll (a.a.O. 944 Abs. 4) nichts daran zu ändern, daß sich der Antrag vom 10. Juni 1996 auf einen anderen Sachverhalt stützte (der nach Meinung der Beschwerdeführerin den Steuervernichtungstatbestand des § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG erfüllt) als der mit rechtskräftigem Bescheid vom 23. Februar 1994 abgewiesene Antrag.
Aus diesem Grund stand dem Antrag vom 10. Juni 1996 nicht das Verfahrenshindernis der entschiedenen Sache entgegen und wurde die Beschwerdeführerin durch die vorgenommene Zurückweisung tatsächlich in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt.
Da sich dies bereits aus der Begründung des vorgelegten angefochtenen Bescheides ergab und weil die belangte Behörde nichts vorbringen konnte, was geeignet gewesen wäre, die Rechtsverletzung als nicht gegeben zu erachten, war der angefochtene Bescheid gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994; die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft S 120,-- zuviel begehrte Eingabengebühr.
Aus verfahrensökonomischen Gründen wird betreffend die zu fällende Sachentscheidung über den Antrag vom 10. Juni 1996 darauf hingewiesen, daß - unabhängig von der Frage, ob eine schon laut § 2 der Änderungsurkunde vom 30.9./6.10.1993 aufgehobene Vereinbarung überhaupt nochmals einer Aufhebung zugänglich war (allenfalls rechtliche Unmöglichkeit gemäß § 878 ABGB) - die Verkäuferin auch durch die Aufhebungsurkunde vom 30. Mai 1996 keinesfalls jene Rechtsstellung wiedererlangen konnte, die sie ursprünglich hatte. Zu beachten ist nämlich, daß ja (wie sich aus dem hg. Verfahren 95/16/0126 klar ergibt) die von der Beschwerdeführerin aufgegebenen Hälfteanteile bereits auf Basis der Änderungsurkunde vom 30.9./6.10.1993 auf S übergegangen sind. Damit von einem rückgängig gemachten Erwerbsvorgang iS des § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG gesprochen werden kann, muß aber der Verkäufer seine ursprünglich freie Verfügungsmöglichkeit über das Kaufobjekt
wiedererlangen (vgl. dazu die bei Fellner a.a.O. unter Rz 15 zu § 17 GrEStG, 12C Abs. 2 bis 4 sowie Ergänzung C13C Abs. 1 und 2 referierte hg. Judikatur).
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997160024.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008