TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/10 W112 2113695-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.07.2020
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Entscheidungsdatum

10.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2

Spruch

W112 2113695-1/39E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 25.11.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.07.2015, ZI. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 50, 52 Abs. 2 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt III. zu lauten hat:

„Ihnen wird gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen.

Es wird gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig ist."

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird gemäß § 55 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise auf 28 Tage verlängert wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste erstmals am 13.10.2008 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.10.2008 gab die Beschwerdeführerin befragt zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, medizinisch behandelt werden zu wollen, weil sie verletzt sei. Zudem wolle sie zu ihrem Sohn, der in Österreich lebe. Die Beschwerdeführerin gab weiters an, dass ihr im Falle einer Rückkehr nichts geschehen würde und sie keine Angst habe.

1.3. Österreich führte mit Polen DUBLIN-Konsultationen und beabsichtigte den Antrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen. Davon wurde die Beschwerdeführerin am 30.10.2008 verständigt. Am 16.11.2008 stimmte Polen nach der Bestimmung für Asylwerber, die während der Prüfung ihres Antrages das Land unerlaubt verließen, der Rücknahme der Beschwerdeführerin zu.

1.4. Am 29.11.2008 wurde die Beschwerdeführerin psychiatrisch begutachtet. Dabei gab sie an, dass sie, seit ihr Sohn nach Österreich gereist sei, alleine gelebt habe und seitdem regelmäßig uniformierte und maskierte Männer zu ihr gekommen seien. Sie sei mit Vergewaltigung und Ermordung bedroht und geschlagen worden. Laut der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren vom 29.11.2008 lagen bei der Beschwerdeführerin weder eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung noch sonstige psychische Krankheitssymptome vor. Sie war jedoch sehr schwach und konnte nach einer Operation kaum sitzen.

1.5. Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom 04.12.2008 das Verfahren zuzulassen, weil sie Witwe sei, keine nahen Angehörige im Herkunftsland habe und ihr einziger Sohn in Österreich lebe. Zudem benötige sie eine intensive, engmaschige medizinische Behandlung und sei aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation und den damit verbundenen psychischen Belastungen auch dringend auf die Unterstützung ihres Sohnes angewiesen. Sie sei in ihrem Herkunftsland zuletzt nur im Bett gelegen und habe keine Hilfe bekommen, weil sich auch ihre Nachbarn irgendwann nicht mehr um sie gekümmert haben.

Die Beschwerdeführerin wurde am 16.12.2008 im Zulassungsverfahren beim Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

1.6. Das Bundesasylamt wies den Antrag auf internationalen Schutz vom 13.10.2008 mit Bescheid vom 09.01.2009 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Dublin II-VO Polen zuständig sei. Die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 für zulässig erklärt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.02.2009 als unbegründet ab.

2.1. Am 03.06.2009 stellte die Beschwerdeführerin neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Sie gab an, dass sie untergetaucht sei als sie erfahren habe, dass über sie die Schubhaft verhängt werde. Sie habe vier Monate in einer Kirche verbracht und habe diese nie verlassen. Sie habe keine neuen Fluchtgründe und wolle nicht in ihre Heimat zurückkehren, weil dort Krieg herrsche.

2.2. Das Bundesasylamt vernahm die Beschwerdeführerin am 26.06.2009 niederschriftlich ein. Die Beschwerdeführerin gab im Zuge der Einvernahme im Wesentlichen an, dass sie sich aufgrund der negativen Entscheidung und ihrer Ausreisepflicht in XXXX versteckt habe. Nach der neuerlichen Antragstellung sei sie zu ihrem Sohn gegangen, bei dem sie nun lebe.

2.3. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 29.06.2009 den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 03.06.2009 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen aus.

Der Asylgerichtshof wies die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 27.07.2009 als unbegründet ab.

Die Beschwerdeführerin erklärte mit Schriftsatz vom 03.08.2009, eine freiwillige Rückkehr zu beabsichtigen und ihr Einverständnis, dass ihr Asylantrag vom 23.06.2009 [richtig: 03.06.2009] als gegenstandslos abgelegt werde.

Die Beschwerdeführerin kehrte im August 2009 unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe in die Russische Föderation zurück.

3.1. Die Beschwerdeführerin reiste im März 2014 erneut unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 31.03.2014 ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz.

3.2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 31.03.2014 gab die Beschwerdeführerin befragt zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass die russischen Behörden nach ihrer Rückkehr aus Österreich jede Woche zu ihr nach Hause gekommen seien und sich nach ihrem Sohn erkundigt sowie sie bedroht haben. Ihr sei mit dem Tod und Vergewaltigung gedroht worden, weil sie nicht gesagt habe, wo sich ihr Sohn aufhalte. Aus diesem Grund habe sie DAGESTAN wieder verlassen und sei nach Österreich gekommen. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie sich vor den russischen Behörden. Sie habe keine weiteren Fluchtgründe.

3.3. Die Beschwerdeführerin wurde am 01.06.2015 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen an, dass Leute von KADYROW, speziell die „ XXXX “ Leute immer wieder zu ihr gekommen seien und nach ihrem Sohn gesucht haben. Diese haben ihr Haus immer wieder durchsucht und sie nicht in Ruhe gelassen. Die Beschwerdeführerin kenne diese Leute nicht, sie seien maskiert gewesen und alle drei bis vier Tage zu ihr gekommen.

Nach ihrer Rückkehr aus Österreich im Jahr 2009 habe die Beschwerdeführerin Angst gehabt alleine zuhause zu leben, weshalb sie zunächst bei ihrer Schwester und nach deren Tod bei ihrem Bruder in XXXX gelebt habe. Dorthin seien die „Leute“ nicht gekommen, weil diese nicht gewusst haben, wo sie wohne. Nachdem die Frau ihres Bruders erkrankt sei, habe die Beschwerdeführerin die letzten eineinhalb Jahre vor ihrer erneuten Ausreise in ihrem Haus gelebt, in dem nunmehr der Sohn ihres Cousins lebe. Die Leute seien gut informiert und haben sofort erfahren, dass sie wieder zuhause lebe. Sie habe ihnen die Telefonnummer ihres Sohnes gegeben, sei jedoch dennoch nicht in Ruhe gelassen worden.

Der Sohn der Beschwerdeführerin habe die Rebellen während des Krieges mit Proviant versorgt. Er sei danach ständig verfolgt worden.

Die Beschwerdeführerin legte ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

3.4. Das Bundesamt wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 22.07.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkt II.) ab und erteilte der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005. Unter einem erließ es gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Der Beschwerdeführerin wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für ihre freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass die Beschwerdeführerin durch ihre Angaben, eine Verfolgung oder eine drohende Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ebenso wenig glaubhaft machen habe können, wie eine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung. Der Beschwerdeführerin drohe im Falle ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat auch keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, da sie bereits seit elf Jahren XXXX sei und sich auch schon in ihrem Herkunftsstaat in ärztlicher Behandlung befunden habe. Diese Möglichkeit stehe der Beschwerdeführerin nach wie vor offen. Die Rückkehrentscheidung greife nicht in das Familienleben der Beschwerdeführerin ein, da sie mit ihrem Sohn nicht im gemeinsamen Haushalt lebe und dieser auch nicht für sie sorge, sondern die Beschwerdeführerin von einer Pflegerin in der Flüchtlingsunterkunft gepflegt werde. Ihr Sohn hole die Beschwerdeführerin – wenn überhaupt – lediglich am Wochenende zu sich. Sonst habe sie keine Verwandten und Bekannten, die sich in Österreich aufhalten. Ebenso greife die Rückkehrentscheidung auch nicht in das Recht der Beschwerdeführerin auf Achtung des Privatlebens ein. Sie halte sich erst seit einem kurzen Zeitraum in Österreich auf und habe sich nicht besonders in Österreich integriert. So verfüge die Beschwerdeführerin weder über nennenswerte Sozialkontakte noch über Deutschkenntnisse. Sie sei auch nicht berufstätig oder selbsterhaltungsfähig. Zudem sei sin in der Russischen Föderation geboren und sozialisiert worden. Ihre Einreise nach Österreich unter Umgehung der Grenzkontrollen mit Hilfe von Schleppern stelle einen nicht bloß geringfügigen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dar.

3.5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsberater fristgerecht Beschwerde und focht den Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, wegen mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an.

Begründend führte die Beschwerde aus, dass das Bundesamt andere bzw. ergänzende Feststellungen treffen hätte müssen, hätte es ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt. Das Bundesamt habe die Feststellungen zur Lage in TSCHETSCHENIEN aus teils unvollständigen Länderberichten gezogen und zudem keine Berichte zur Lage älterer alleinstehender Frauen in TSCHETSCHENIEN herangezogen. Es hätte festgestellt werden müssen, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation jedenfalls das reale Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK implizieren würde.

Die Verfolger ihres Sohnes hätten der Beschwerdeführerin gedroht ihr Haus abzubrennen und ihr Drohbotschaften übermittelt. Dies sei vor den angeführten Berichten objektiv nachvollziehbar und realistisch. Zumal auch der Sohn der Beschwerdeführerin wegen seiner Verfolgung durch gerade diese Männer Asyl gewährt bekommen habe.

Die Beschwerdeführerin könne nicht von ihrem ihm Heimatland lebenden Bruder versorgt und gepflegt werden, weil dieser selbst schon ein sehr hohes Alter erreicht habe und neben seinen eigenen Altersgebrechen auch seine kranke Frau pflegen müsse. Sie habe nach ihrer Rückkehr in der Russischen Föderation bis zu ihrer neuerlichen Ausreise bei ihrem Bruder gelebt, weil sie sich nicht in ihr Haus zurück getraut habe. Sie sei nunmehr auch bei ihrem Bruder nicht mehr sicher, weil es nur eine Frage der Zeit wäre bis ihre Verfolger die Beschwerdeführerin ausfindig machen würden. Aufgrund des hohen Alters und ihrer wirtschaftlichen Lage könne sich die Beschwerdeführerin auch nicht mehr allein erhalten und benötige Pflege von dritter Seite.

Die in Österreich geplante XXXX operation ( XXXX ) habe bisher noch nicht durchgeführt werden können. Zudem sei es dem Sohn der Beschwerdeführerin und dessen Frau durchaus möglich, sie zu pflegen. Darüber hinaus sei dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen, dass in TSCHETSCHENIEN alle gefährdet seien, die nach einer langen Abwesenheit nach TSCHETSCHENIEN zurückkehren und die medizinischen Verhältnisse in der Russischen Föderation seien äußerst problematisch.

Zudem seien die engsten Familienangehörigen der Beschwerdeführerin in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigt. Die Beschwerdeführerin habe eine sehr enge emotionale Beziehung zu ihrem Sohn und ihren Enkeln. Sie habe vor zu ihrem Sohn zu ziehen und dort von dessen Familie im Alltag gepflegt und finanziell unterstützt zu werden. Zudem sei sie strafgerichtlich unbescholten und habe die die öffentliche Ordnung nicht verletzt. Aufgrund des hohen Alters der Beschwerdeführerin falle ihr eine soziale Integration sowie das Erlenen der deutschen Sprache besonders schwer und dürfe ein Mangel dahingehend nicht übermäßig zu ihrem Nachteil gewertet werden. Das Bundesamt hätte daher feststellen müssen, dass die Beschwerdeführerin in Österreich über ein schützenswertes Privat- und Familienleben verfüge und ein Eingriff in dieses unverhältnismäßig und daher unzulässig sei.

Die Beschwerdeführer habe lediglich Anspruch auf Beigabe eines Rechtsberaters. Dies sei nicht mit Verfahrenshilfe gleichwertig, zumal im Rahmen der Rechtsberatung die Beschwerdeführerin nur über die sie betreffende rechtliche Situation aufgeklärt werde, ihr aber kein Rechtsvertreter im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beigegeben werde. Es ergehe aufgrund des unionsrechtlichen Äquivalenzgrundsatzes in Bezug auf Art. 47 GRC daher der Antrag der Beschwerdeführerin einen Verfahrenshelfer beizugeben.

Die Beschwerdeführerin stellte die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge ihr einen Verfahrenshelfer beigeben, den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und der Beschwerdeführerin den Status einer Asylberechtigten zuerkennen; feststellen, dass der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat zukommt; in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen sowie feststellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG 2005 vorliegen und der Beschwerdeführerin gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen erteilen; in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG vorliegen und der Beschwerdeführerin daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz von Amts wegen erteilen; jedenfalls möge das Gericht eine mündliche Verhandlung durchführen.

Die Beschwerdeführerin legte mit der Beschwerde ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor.

3.6. Das Bundesverwaltungsgericht forderte die Beschwerdeführerin mit Parteiengehör vom 26.08.2019 auf, gravierende Veränderungen an ihrem Gesundheitszustand bekanntzugeben sowie alle damit in Zusammenhang stehenden Beweismittel vollständig vorzulegen und Bescheinigungs- bzw. Beweismittel zu den Umständen in ihrem Herkunftsstaat sowie Unterlagen und Dokumente betreffen ihre aktuellen Lebensverhältnisse und familiären Beziehungen in Österreich zu übermitteln.

Mit Stellungnahme vom 16.09.2019 wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin fast XXXX Jahre alt, gesundheitlich schwer angeschlagen und auf die Unterstützung ihres Sohnes angewiesen sei. Dieser kümmere sich auch um die Beschwerdeführerin. Im Heimatland habe sie hingegen keinerlei Familienangehörige und die medizinische Versorgung sei dort nicht gesichert. Die Beschwerdeführerin sei im Falle einer Rückkehr völlig auf sich alleine gestellt. Auch die Situation betreffend die Verfolgung in der Russischen Föderation habe sich nicht geändert. Die Beschwerdeführerin legte Dokumente betreffend ihre Gesundheit vor.

Am 20.09.2019 stellte das Bundesverwaltungsgericht auf Basis der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde eine Anfrage an die Medical Country of Origin Information. Die Anfragebeantwortung langte am 04.11.2019 ein.

3.7. Mit Beschluss vom 27.09.2019 wurde für das Verfahren die Gutachtenserstellung aus dem Fachbereich Innere Medizin in Auftrag gegeben. Dem Gutachten lag neben der Übermittlung des Befundkonvoluts der Beschwerdeführerin eine dolmetschergestützte persönliche Befundaufnahme durch den Gutachter am 21.10.2019 voraus.

Aus dem Gutachten aus dem Fachbereich der Inneren Medizin vom 22.10.2019 ging hervor, dass der Beschwerdeführerin seit etwa 20 Jahren eine Erkrankung an XXXX bekannt sei und diese seit fünf oder sechs Jahren XXXX sei. Sie leide an XXXX (Schädigung XXXX ), XXXX (Erkrankung der XXXX ), XXXX mit XXXX ( XXXX ) im Bereich XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX an XXXX . Sie zeige zudem einen Status nach einer XXXX operation XXXX im Jahr 2017. Notwendige Therapien seien eine XXXX mittels XXXX Therapie (einmal täglich XXXX und mehrmals täglich XXXX ), XXXX Medikamente, XXXX - und schmerzstillende Medikamente sowie regelmäßige Kontrolle des XXXX durch den Hausarzt oder Pflegedienst. Beim Aussetzen dieser Behandlungen bestehe das Risiko eines XXXX , eines XXXX oder einer XXXX im Bereich XXXX mit bis zu lebensbedrohenden Komplikationen. Unter Beibehaltung der entsprechenden Medikation bestehe aufgrund des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin bei einer Überstellung in die Russische Föderation keine Gefahr, dass sie in einen lebensbedrohlichen Zustand gerate oder sich ihr Gesundheitszustand in lebensbedrohlichem Ausmaß verschlechtere.

3.8. Am 25.11.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch statt. Das Bundesamt nahm an der Verhandlung nicht teil.

Die Befragung der Beschwerdeführerin gestaltete sich wie folgt:

„R: Ich entnehme dem Akt, dass Sie XXXX heißen, geb. XXXX in XXXX , Kasachstan, tschetschenische Volksgruppe, muslimsicher Glaube. Ist das korrekt?

BF: Ja, das ist korrekt.

R: Wann sind Sie von Kasachstan in die Russische Föderation gezogen?

BF: Ich war 4 oder 5 Jahre alt.

R: Ihr Familienstand ist verwitwet. Ihr Mann ist ca. 1987 bei einem Verkehrsunfall gestorben. Ist das richtig?

BF: Ja, ich habe es schon vergessen.

R: Ihr Vater ist 1954 verstorben. Ihre Mutter 1992 an einem Herzinfarkt. In der Russischen Föderation leben noch Ihre beiden Brüder XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , und Ihre Schwester XXXX , geb. XXXX , alle in XXXX . Ist das korrekt?

BF: Ja.

R: Sind alle noch am Leben?

BF: Meine Schwester ist verstorben, die einzige Schwester, die ich hatte.

R: Warum wohnte dann Ihre Schwägerin in XXXX ?

BF: Wer sagt das?

R: Sie haben angegeben, die Nacht vor der Ausreise bei Ihrer Schwägerin in XXXX geschlafen zu haben.

BF: Das war ein Freund meines Sohnes.

R: Warum bezeichnen Sie den Freund Ihres Sohnes als Schwäger[in]?

BF: Ich weiß nicht, was ich damals gesagt habe.

R: Sie haben also die Nacht vor der Ausreise bei einem Freund Ihres Sohnes geschlafen. Ist das korrekt?

BF: Ja.

R: Wie geht es Ihren Brüdern in der Russischen Föderation?

BF: Einer ist krank, der andere hat eine kranke Frau, ein Bruder ist schon älter.

R: Wovon leben diese?

BF: Sie leben von der Pension. Der eine hat eine Alterspension, der andere hat eine Invaliditätspension.

R: Ich entnehme dem Akt, dass Sie 7 Jahre lang bis 1964 in XXXX die Grundschule besucht und 1991 bis 1999 in XXXX als Reinigungskraft im Krankenhaus gearbeitet haben. Sind Sie mit XXXX Jahren in Pension gegangen?

BF: Ja.

R: Im dritten Asylverfahren gaben Sie an, dass Sie Krankenpflegerin im Bezirkskrankenhaus XXXX waren. Was stimmt?

BF: Ich habe dort geputzt und habe mich auch um die Kranken gekümmert. Ich habe das gemacht, was man mir gesagt hat.

R: Sie stellten am 13.10.2008 Ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Haben Sie vor OKTOBER 2008 als Erwachsene jemals außerhalb der Russischen Föderation gelebt?

BF: Ja, ich war in Österreich. Ich habe eine XXXX gehabt, ein XXXX .

R: Wie kamen Sie dann nach Österreich? Mit einem Visum?

BF: Nicht mit einem Visum, sondern mit einem Bus.

R: Was meinen Sie damit?

BF: Ich habe es vergessen. Ich habe schon die meisten Sachen vergessen.

R: Sie haben einmal 2008 und 2009 einen Asylantrag gestellt, meinen Sie das damit?

BF: Ja.

R: Sie hatten 1993 und 1994 drei Mal Visa für POLEN. Was machten Sie in POLEN?

BF: Ich weiß nicht, ich bin einfach mit einer Freundin dorthin gefahren. Wir haben uns erholt und wir haben Sachen gekauft, die wir kaufen wollten.

R: Sie waren also auf Urlaub?

BF: Ja. Ich war noch gesund und mich haben viele Sachen interessiert. Ich konnte auch gut gehen. Ich war wirklich gesund.

R: Sie reisten 2008 mit einem Reisepass, ausgestellt vom Innenministerium in XXXX von DAGESTAN aus, die Reise dauerte 4 Tage lang, zunächst mit einem Reisebus nach XXXX , von dort mit dem Zug nach XXXX , von dort mit der Lokalbahn nach XXXX . […]Gab es Probleme bei der Ausreise?

BF: Nein. Probleme hat es schon gegeben. Das 8. Jahr schon. Ich habe mich angesteckt. Ich wurde in XXXX 3 Mal operiert. Bis jetzt habe ich einen Verband. Ich habe eine Wunde.

R: Wie haben Sie in Ihrem Gesundheitszustand die Ausreise geschafft?

BF: Ich habe negative Bescheide bekommen 2 Mal.

R: [Fragewiederholung] Wie haben Sie es alleine geschafft oder hatten Sie Hilfe?

BF: Der Freund meines Sohnes hat mich hierhergebracht.

R: Hatten Sie einen oder 2 Begleiter?

BF: Ein Mann hat mich begleitet. Er hat mich hierhergebracht und ist weggefahren. Er hat Kinder hierhergebracht und da ging es um Fußball und um Ringen.

R: Sie reisten mit Ihrem Neffen und einem Bekannten. Wer war der Bekannte?

BF: Mit Neffen. Dem Neffen habe ich in XXXX gesagt, dass er zurückfahren soll.

R: Wie heißt der Neffe, wo lebt er jetzt und welchen Aufenthaltsstatus hat er?

BF: Ich weiß nicht, welchen Status er hat. Er ist ca. XXXX Jahre alt. Er ist ja schon erwachsen. Er heißt XXXX , er lebt im Bezirk XXXX . Das ist im Rayon XXXX .

R: Sie reisten nach drei Tagen in einem Flüchtlingslager in POLEN, wo Sie nach der erkennungsdienstlichen Behandlung einen Asylantrag stellten, nach Österreich weiter. War Österreich Ihr Reiseziel?

BF: Mein Sohn lebte in Österreich. Mein XXXX war auch so XXXX . Ich habe mich angesteckt.

R: Haben Sie jemals versucht, hier legal einzureisen, mittels eines Visums?

BF: Legal? Legal bin ich das 2 Mal gekommen.

R: Was meinen Sie damit?

BF: Das erste Mal bin ich auch legal gekommen, auch wegen der Erkrankung und das 2. Mal auch.

R: Verstehe ich Sie richtig? Sie sind in Österreich eingereist um sich hier behandeln zu lassen?

BF: Ja, und meine Familie ist hier.

R: Sie begründeten Ihren Asylantrag 2008 in der Erstbefragung damit, dass Sie sich medizinisch behandeln lassen wollen, weil Sie verletzt waren und Sie wollten zu Ihrem Sohn. Das sind keine Asylgründe. Welche Verletzung hatten Sie?

BF: Am XXXX . Da hat sich XXXX gebildet. In XXXX wurde ich 3 Mal operiert und in XXXX 2 Mal. Hier wurde es gereinigt.

R: Aus dem Befund vom 19.11.2008 geht hervor, dass Sie an XXXX an XXXX litten, die im Heimat-Krankenhaus operativ behandelt wurden. Ihren Angaben zufolge sogar 9 Mal bzw. 6 Mal. Wie oft wurden Sie operiert? Heute sagen Sie 5 Mal.

BF: So ist das Schicksal. 7 Mal hier, am XXXX und XXXX 3 Mal. Ich habe 20 Mal eine Narkose gehabt.

R: Sie gaben in der Erstbefragung 2008 an, dass Sie lieber nach Hause zurückkehren würden, als Ihr Asylverfahren in POLEN zu führen. Das spricht gegen eine Verfolgung in der Russischen Föderation! Sie gaben ausdrücklich nach einer Rückkehrbefürchtung befragt an, dass Ihnen nichts geschehen wird und dass Sie keine Angst haben!

BF: Ich bin hierher gekommen um behandelt zu werden und mein Sohn ist hier. Er ist hier und ich war in Polen. Ich wollte bei meinem Sohn leben.

R: Am 30.10.2008 wurde Ihnen mitgeteilt, dass Österreich DUBLIN-Konsultationen mit POLEN führt und beabsichtigt. Ihren Antrag zurückzuweisen. POLEN stimmte am 16.11.2008 nach der Bestimmung für Asylwerber, die während der Prüfung Ihres Antrages das Land unerlaubt verließen, zu. 29.10.-19.11.2008 waren Sie im Krankenhaus. Am 29.11.2008 gaben Sie bei der psychiatrischen Begutachtung erstmals an, dass Sie seit FÜNF Jahren, seit Ihr SOHN nach Österreich gereist ist, alleine gelebt haben und ab diesem Zeitpunkt regelmäßig uniformierte und maskierte Männer zu Ihnen gekommen sind und Sie mit dem Vergewaltigen und Ermorden bedroht und geschlagen haben. Warum gaben Sie das erst zu diesem Zeitpunkt und nicht bereits in der Erstbefragung an?

BF: Ich weiß es nicht. Ich weiß jetzt gar nichts. Ich habe alles vergessen.

R: Warum sollten Sie die Uniformierten FÜNF Jahre lang - erfolglos - bedrohen, dass Sie bald sterben, wenn Ihr Sohn sich nicht stellt? Das klingt nicht sehr effektiv...

BF: Ich kann mich an nichts mehr erinnern, an nichts mehr.

R: Warum blieben Sie 5 Jahre lang zu Hause, wenn Sie regelmäßig geschlagen und bedroht wurden, statt woanders hin zu ziehen oder früher auszureisen? Das ist nicht logisch!

BF: Mein Sohn lebt hier.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich weiß es nicht.

R: Eine krankheitswertige psychische Störung wurde in der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren nicht festgestellt, aber, dass Sie sehr schwach waren und nach einer Operation kaum sitzen konnten. In Ihrem Antrag auf Verfahrenszulassung vom 04.12.2008 gaben Sie an, dass Sie im Herkunftsstaat im Bett lagen und keine Hilfe bekamen, auch die Nachbarn haben sich irgendwann nicht mehr um sie gekümmert. Wie geht das mit dem Befund XXXX bei der Einreise zusammen und wie konnten Sie so überleben, nach Österreich kommen und Ihre Ausreise organisieren (Erstbefragung: selbst organisiert)?

BF: Ich weiß es nicht. Ich habe alles vergessen.

R: Am 16.12.2008 wurden Sie niederschriftlich einvernommen. Zwei Tage später wurden Sie wegen XXXX stationär behandelt. XXXX Sie nicht regemäßig XXXX ?

BF: Ich nehme schon die Arzneimittel. Am Abend und in der Früh. In der Früh nehme ich XXXX .

R: Seit wann sind Sie XXXX ?

BF: Seit 20 Jahren habe ich es schon.

R: Mit Bescheid vom 09.01.2009, Ihnen zugestellt am 12.01.2009, wies das Bundesasylamt Ihren ersten Asylantrag wegen der Zuständigkeit POLENS zurück und Sie nach POLEN aus. Es stellte fest, dass Ihre Abschiebung nach POLEN zulässig ist. Dagegen erhoben Sie mit Schriftsatz vom 25.01.2009 Beschwerde. Diese wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.02.2009, Ihnen zugestellt zu Händen Ihrer Vertreterin am 05.02.2009, als unbegründet ab. Sind Sie der Ausreiseverpflichtung nach POLEN nachgekommen?

BF: Ja. Ich bin ausgereist, weil man mir negative Bescheide geschickt hat.

R: Wann sind Sie ausgereist?

BF: Ein Jahr nachdem ich hierhergekommen bin.

R: Sie stellten den zweiten Asylantrag in Österreich am 03.06.2009. Wo haben Sie sich zwischen FEBRUAR 2009 und JUNI 2009 aufgehalten?

BF: Ich war bei meiner Schwester, ich war krank. Aber sie ist jetzt gestorben. Wohin soll ich jetzt gehen? Ich war in der Pension.

R: In der Erstbefragung am 03.06.2009 gaben Sie an, dass Sie untergetaucht sind, als Sie hörten, dass Sie in Schubhaft genommen werden sollten. Stimmt das?

BF: Ja.

R: Sie sagten, im ersten Verfahren, dass Sie außer Ihrem Sohn in Österreich niemanden kennen. Wer waren dann die Bekannten, die Sie in einer Kirche im XXXX unter Verletzung des Meldegesetzes beherbergten und welche Kirche war das?

BF: XXXX in XXXX . Ich hatte eine Cousine und ich war dort. Ich war auch bei einem Cousin von mir. Ich habe überall gelebt. Dann habe ich das Verfahren einstellen lassen und bin ausgereist. Ich hatte damals noch eine Einvernahme. Man hat meinen Antrag abgelehnt.

R: Ihr Sohn gab in seiner Verhandlung vor dem AsylGH an, dass ein Cousin seiner Mutter, also von Ihnen, in XXXX lebt, XXXX . Warum erwähnen Sie ihn nicht?

BF: Ich habe hier auch einen Cousin.

R: Beschreiben Sie die Beziehung zu diesem Cousin.

BF: Wir haben ein gutes Verhältnis zueinander. Wir telefonieren miteinander. Aber sie sind auch schon zu mir gekommen und wieder weggereist.

R: Und Ihre Cousine?

BF: Sie lebt in XXXX . Sie heißt XXXX . Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Wir telefonieren.

R: Ist Sie mit dem Präsidenten XXXX verwandt?

BF: Nein. Sie haben nur den gleichen Familiennamen.

R: Am Tag nach der Folgeasylantragstellung kamen Sie wegen XXXX ins Krankenhaus. Haben Sie während Sie als Uboot in XXXX lebten XXXX genommen?

BF: Schon. Natürlich habe ich es eingenommen.

R: Mit Bescheid vom 29.06.2009, Ihnen zugestellt am selben Tag, wies das Bundesasylamt Ihren zweiten Asylantrag wegen entschiedener Sache zurück und Sie nach Polen aus. Gegen diesen Bescheid erhoben Sie am 10.07.2009 Beschwerde. Diese wies der Asylgerichtshof am 27.07.2009, Ihnen zugestellt zu Händen Ihrer Vertreterin am 29.07.2009, als unbegründet ab. Sind Sie diesmal der Ausreiseverpflichtung nachgekommen?

BF: Ja.

R: Sie erklärten am 03.08.2009 die freiwillige Rückkehr. Wie sind Sie zurückgekehrt?

BF: Um das Geld zu bekommen, mit dem Flieger.

R: Sind Sie alleine gereist oder hat Sie jemand begleitet?

BF: Es waren schon andere Leute mit mir. In XXXX wird man dann erwartet und begleitet.

R: Von wem wurden Sie erwartet?

BF: Ein Mann ist dort gestanden mit einem Papierdokument.

R: Was war das für ein Dokument?

BF: Ich weiß es nicht, dass derjenige abgeschoben wurde.

R: Wie kamen Sie von XXXX nach Hause.

BF: Dort waren Busse und diese fahren nach XXXX .

R: Sie sind ganz alleine von XXXX nach XXXX gereist?

BF: Ja.

R: Gab es Probleme bei der Rückkehr?

BF: Nein.

R: Mit welchen Dokumenten kehrten Sie zurück?

BF: Mit einem Heimreisezertifikat. Das war ein Blatt Papier mit meinem Foto. In XXXX sind alle Nichten und Neffen zur Schwester gekommen.

R: Wo haben Sie nach der Rückkehr gelebt?

BF: Bei mir Zuhause. Meine Schwester war bei mir. Nicht immer, aber doch.

R: Waren Sie die ganze Zeit Zuhause oder haben Sie auch woanders gelebt?

BF: Zu meiner Schwester bin ich gefahren. Bei uns hat es Erdbeben gegeben. Das Dach war kaputt. Man musste dort nachher erst Ordnung machen. Alles Mögliche ist kaputtgegangen und ich konnte das nicht selber machen. Die Verwandten haben das für mich gemacht.

R: Sind Sie dann in das Haus zurückgezogen?

BF: Ja.

R: Haben Sie dort bis zur Ausreise gelebt?

BF: Ja. Als die Schwester gelebt hat, war das Leben dort gut. Aber jetzt gibt es sie nicht mehr. Ich habe niemanden mehr. Und die Mädels haben geheiratet.

R: Meinen Sie Ihre Nichten?

BF: Ja, alle haben schon geheiratet. Sie haben schon Kinder und teilweise Enkelkinder.

R: Was ist mit Ihren Brüdern?

BF: Einer wurde von einem Auto von hinten angefahren als er von der Arbeit nach Hause ging. Der 2. war krank. Seine Frau war auch krank. Da hat es Probleme gegeben.

R: Was meinen Sie damit?

BF: Meine Mutter ist gestorben und meine Schwester ist gestorben und ich habe keine Tochter, ich habe niemanden mehr. Mit den 2 Brüdern ist es so, einer ist behindert und der andere Pensionist.

R: Wo haben Sie zwischen 2009 und 2014 Ihre Medikamente bezogen?

BF: In der Apotheke. Bei uns sind die Arzneimittel nicht gut.

R: Waren Sie in der Zeit auch im Krankenhaus?

BF: Ja.

R: Wurden Sie dort auch behandelt?

BF: Naja, schon. Aber das war die Behandlung nach der dortigen Art. Ich bekam ein XXXX . Bei uns ist es so, dass man nicht einmal eine XXXX machen kann. Damit meine ich, keine XXXX richtig setzen kann. Dort bekommt man ein XXXX davon.

R: In der Erstbefragung am 31.03.2014 gaben Sie an, dass die russischen Behörden ab 2008 jede Woche zu Ihnen nach Hause kamen und sich nach Ihrem Sohn erkundigten und Sie bedrohten. Am 29.11.2008 hatten Sie noch angegeben, dass Ihre Verfolger bereits seit 5 Jahren, seit der Ausreise Ihres Sohnes kamen. Was stimmt?

BF: Seit ich dorthin fuhr. Ich habe dann den Leuten gezeigt, wo mein Sohn lebt. Ich habe ihnen die österreichische Telefonnummer gezeigt. Dann sind sie nicht mehr gekommen. Als ich ihnen die Telefonnummer und Adresse gezeigt habe.

R: Wann?

BF: Als ich dort war und dann weggefahren war?

BF: Welches Jahr war das?

BF: Als ich in Österreich war und wieder zurückgekehrt bin.

R: Also zwischen 2009 und 2014?

BF: Ja. Ich weiß es nicht. Ich habe 20 Mal eine Narkose bekommen und deswegen habe ich kein Gedächtnis mehr.

R: Ihr neuer Reisepass wurde Ihnen am XXXX ausgestellt. Wie passt das mit Angst vor den Behörden zusammen?

BF: Als ich von hier weggegangen bin, dachte ich nicht, dass ich dortbleibe. Ich habe mir den Pass ausstellen lassen, damit ich möglichst schnell hierherkomme.

R: Warum sind Sie dann 5 Jahre geblieben?

BF: Man hat mir gesagt, dass ich nach 3 oder 4 Jahren ausreisen kann.

R: Wer?

BF: Die Leute dort, man spricht mit den Leuten dort.

R: Leute in Russland oder in Österreich?

BF: Nein, bei uns zu Hause.

R: Warum soll man Ihnen einen Reisepass ausstellen und sagen, Sie sollen ihn in ein paar Jahren verwenden?

BF: Ich habe den Pass gleich bekommen. Ich habe geglaubt, dass ich gleich ausreisen kann.

R: Waren das private Leute, die Ihnen das gesagt haben?

BF: Ja, die Leute in der Nachbarschaft und so.

R: Gab es Probleme bei der Ausreise aus DAGESTAN und der Reise nach Österreich?

BF: Nein. Keine.

R: Wie haben Sie es alleine von Dagestan nach Österreich geschafft?

BF: Ich weiß nicht. Ich habe es schon vergessen. Gute Leute haben mir geholfen.

R: Wer waren diese guten Leute?

BF: Ich weiß es nicht. Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Mein Zustand war sehr schwer. Ich hatte ein sehr XXXX . Man hat mich XXXX abgeholt und XXXX gebracht.

R: Sie wurden XXXX von Dagestan nach Österreich gebracht?

BF: Nein. Man hat mich vom Bus bis zum Flieger mit XXXX gebracht.

R: Von wo bis wo sind Sie geflogen?

BF: Hierher nach Österreich.

R: Sie sind mit dem Flugzeug nach Österreich eingereist?

BF: Ja, ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich hierhergekommen bin.

R: Wie funktioniert das? Sie hatten kein Visum für Österreich. Sind Sie unter fremdem Namen gereist?

BF: Nein, unter meinem Namen.

R: Verstehe ich Sie richtig: Sie sind mit einem Flugzeug 2014 nach Österreich gereist?

BF: Das ist nicht ganz richtig. Ich bin mit dem Flugzeug von XXXX nach Österreich eingereist. Von Dagestan nach XXXX bin ich mit dem Bus gereist.

R: Wie sind Sie alleine vom Bus zum Flugzeug gekommen?

BF: Man hat mir geholfen.

R: Wer?

BF: Gute Leute. Sie haben mir geholfen. Bekannte von meinem Sohn, seine Freunde. Sie haben mich an der Bushaltestelle erwartet und haben mich zum Flieger gebracht.

R: Woher wussten Sie, mit wem Sie mitgehen müssen?

BF: Die Leute haben mir das gesagt, […] sie [mich] gekannt haben.

R: Nach einem Krankenhausaufenthalt wurden Sie am 01.06.2015 polizeilich erstbefragt. Demnach ist Ihre Schwester 2012 verstorben. Gab es sonst noch Änderungen betreffend Ihre Familie im Herkunftsstaat?

BF: Ja. Heute geht es mir nicht gut. Ich habe XXXX und der XXXX ist XXXX .

R: Können Sie die Verhandlung fortsetzen?

BF: Ja, ich sitze ja da und antworte auf Ihre Fragen.

R: Welche Änderungen gab es noch?

BF: Zuhause hatte ich eine Schwester, eine Tochter und eine Mutter. Auf Nachfrage: Ich hatte auch eine Tochter aber sie ist verstorben.

R: Gab es seit 2012 sonst noch Änderungen in Ihrer Familie in Ihrem Herkunftsstaat?

BF: Ich weiß es nicht, ich kann mich nicht erinnern.

R: Besitzen Sie außer dem asylrechtlichen Aufenthaltstitel in Österreich noch ein weiteres Aufenthaltsrecht?

BF: Nein.

R: Haben Sie seit Ihrer Asylantragstellung 2014 in Österreich das Bundesgebiet einmal verlassen?

BF: Nein. Nirgends. Ich bin die ganze Zeit, schon seit 6 Jahren, da.

R: Wovon bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt, seit Sie in Österreich sind?

BF: Mein Sohn gibt mir Geld. Und ich bekomme auch 25 Euro pro Woche.

R: Und sie beziehen Grundversorgung?

BF: Ja.

R: Sprechen Sie Deutsch?

BF: Ein bisschen verstehe ich, aber ich kann nicht antworten.

R: Erzählen Sie mir auf Deutsch, was Sie am liebsten kochen.

BF: Ich kann das nicht auf Deutsch sagen.

R: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

BF: Für mich wird hier gekocht, geputzt, die Mitarbeiter dort machen auch Einkäufe für mich. Jeden Tag kommt jemand und putzt und schaut, wieviel XXXX ich XXXX habe.

R: Wohnen Sie in Ihrem Quartier alleine oder mit jemand zusammen?

BF: Dort leben viele Leute, aber im Zimmer bin ich allein. Ich habe eine XXXX , deswegen kann ich nicht mit anderen leben. Ich kann nämlich XXXX . Deswegen ist das beschämend, wenn wer fremder dabei ist.

R: Wie schaut ein typischer Tag von Ihnen aus?

BF: Ich mache nichts. Ich schaue nur fern, trinke Tee oder schlafe.

R: Beschreiben Sie die Beziehung zu Ihrem Sohn und Ihrer Schwiegertochter!

BF: Sehr gut. Die Kinder mögen mich und ich mag die Kinder. Ich liebe meine Kinder sehr. Die Kinder fragen immer ob die Großmutter nicht wegfahrt.

R: Sehen Sie sich täglich?

BF: Nein. Ich bin eine Woche bei mir und eine Woche beim Sohn. Wenn ich eine Erlaubnis bekomme, dorthin zu fahren, dann fahre ich.

R: Haben Sie Bekannte und Freunde in Österreich und wenn ja, wann haben Sie diese kennengelernt?

BF: Hier gibt es auch Leute aus unserem Dorf. Es gibt auch Bekannte. Sie kommen zu mir. Ich habe mit jedem ein gutes Verhältnis.

R: Sind Sie in Österreich und Ihrem Herkunftsland strafgerichtlich unbescholten?

BF: Ja. Von uns ist keiner vorbestraft. Unsere Leute machen das nicht.

R: Sind sie auf andere Art und Weise mit der österreichischen Rechtsordnung in Konflikt geraten?

BF: Nein. Ich bin hier eine Asylantin. Sie sind bei sich zu Hause. Ich habe ein gutes Verhältnis zu allen.

R: Wurden Sie in Österreich Opfer häuslicher Gewalt?

BF: Nein.

R: Am 01.06.2015 wurden Sie niederschriftlich einvernommen. Dabei gaben Sie an, dass Sie in Österreich leben wollen, weil Ihr einziger Sohn hier lebt. Sie waren im WINTER 2014 in XXXX im Krankenhaus, wo man Ihnen sagte, dass man XXXX muss, das wollten Sie aber nicht, „deswegen bin ich im MÄRZ 2014 ausgereist" (3x). Sind Sie wieder nach Österreich gereist, um sich hier behandeln zu lassen?

BF: Ich wollte in der Nähe meines Sohnes leben.

R: Sie sagten, dass Sie in der Russischen Föderation niemanden mehr hatten - aber Ihr Bruder hat 1000 € bezahlt, um Ihnen die Ausreise zu finanzieren. Er unterstützte sie offenbar!

BF: Nicht der Bruder, das war der Neffe. Alle Verwandten haben zusammengelegt. Die Kinder von dem Bruder und der Schwester.

R: Was ist mit Ihrem Haus in der Russischen Föderation?

BF: Bei uns hat es ein Erdbeben gegeben. Alles ist kaputt, die Fenster und das Dach.

R: Dann haben Ihre Verwandten Ordnung gemacht. Was war dann?

BF: So gut schaut es nicht mehr aus.

R: Wer lebt in diesem Haus?

BF: Niemand, ich hatte zwar Mieter, aber sie haben die Strom und Gasrechnungen nicht bezahlt und alles Mögliche kaputt gemacht.

R: War der Verwandte der Mieter?

BF: Ja. Das waren Verwandte, aber sie haben die Rechnungen nicht bezahlt. Als ich ihnen gesagt haben, dass sie es in Ordnung bringen sollen, sind sie weggefahren. Dann hat mein Sohn bezahlt für Strom und Gas und dann wurde die Leitung abgedreht.

R: Wo war dieses Haus? ( XXXX , DAGESTAN)

BF: Vor XXXX . Im Dorf XXXX .

R: Sie gaben in der Einvernahme an, dass die XXXX alle 3-4 Tage zu Ihnen kamen, um das Haus zu durchsuchen und nach Ihrem Sohn zu fragen. Halten Sie dieses Vorbringen aufrecht?

BF. Ja, das was ich gesagt habe, halte ich aufrecht. Ich werde Ihnen das sagen, woran ich mich erinnern kann.

R: Vorhin haben Sie gesagt, es gab keine Probleme mehr nachdem Sie die Telefonnummer und Adresse Ihres Sohnes bekanntgegeben haben. Stimmt das jetzt oder nicht?

BF: Ja. Das ist die Wahrheit.

R: Wann war das jetzt?

BF: Sie sind immer wieder gekommen. In der Früh, in der Nacht. Sie fragten wo mein Sohn lebt. Dann habe ich die österreichische Telefonnummer und Adresse aufgeschrieben. Ich habe ihnen gesagt, dass sie hierher kommen und sich erkundigen können und dann haben sie aufgehört.

R: Dann gab es keine Probleme mehr mit dem XXXX ?

BF: Nein. Dann haben die Probleme aufgehört.

R: Wie hielten Sie von der Russischen Föderation aus Kontakt mit Ihrem Sohn und Ihrer Schwiegertochter?

BF: Über Telefon.

R: Haben Sie 2009 - 2014 jemals versucht, legal nach Österreich zu reisen, mit einem Visum?

BF: Natürlich.

R: Warum hat das nicht funktioniert?

BF: Ich weiß nicht warum. Es ist nicht gelungen. Wenn XXXX nicht XXXX geworden wäre, wäre ich auch jetzt nicht gekommen.

R: Mit Bescheid vom 22.07.2015, Ihnen zugestellt am 19.08.2015, wies das Bundesamt Ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte Ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen Sie und stellte fest, dass Ihre Abschiebung zulässig ist. Es räumte Ihnen eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ein. Gegen diesen Bescheid erhoben Sie Beschwerde am 31.08.2015. Dass die Verfolger Ihres Sohnes drohten, Ihr Haus abzubrennen, gaben Sie erstmals in der Beschwerde am 31.08.2015 an. Warum?

BF: Man kann das nicht in Worte fassen.

R: In der Einvernahme am 01.06.2015 gaben Sie an, die letzten 1,5 Jahre in Ihrem Haus verbracht zu haben, in der Beschwerde, dass Sie bis zur Ausreise bei Ihrem Bruder lebten, weil Sie sich nicht in Ihr Haus zurücktrauten. Heute geben Sie an, dass Sie abgesehen von der Zeit des Erdbebens in Ihrem Haus gelebt haben und dass die Probleme mit den XXXX vorbei waren, als Sie die Telefonnummer Ihres Sohnes bekanntgegeben haben. Was stimmt?

BF: Ich war nicht immer Zuhause, wenn ich traurig war oder was gebraucht habe, bin ich zu meinem Bruder gegangen. Zu XXXX , er lebt auch in unserem Dorf.

R: In der Beschwerde gaben Sie an, dass Sie sich versteckt in TSCHETSCHENIEN aufgehalten haben. Ihren Angaben zufolge leben Ihre Geschwister in DAGESTAN, auch Ihr Haus liegt in DAGESTAN. Was stimmt?

BF: Nicht in Tschetschenien, in Dagestan, in Tschetschenien war ich nicht.

R: In der Beschwerde führen Sie erstmals aus, dass Ihnen Drohbotschaften übermittelt wurden. Warum und wie?

BF: Die Leute haben es gesagt. Und auch in den Hof haben die Leute kleine Zettel mit Drohungen hineingeworfen.

R: Beschreiben Sie, wie Sie von wem bedroht wurden!

BF: Man wollte wissen, wo mein Sohn ist. Man hat mir vorgeworfen, dass ich meinem Sohn helfe oder seinen Freunden.

R: Waren das die XXXX oder andere Leute?

BF: Ich weiß es nicht, ich kenne mich da nicht aus.

R: Gab es diese Drohungen bis zur Ausreise?

BF: Dann hat es aufgehört, als ich die Telefonnummer bekanntgegeben habe.

R: Ihr Reisepass wurde übersetzt und auf Echtheit kriminaltechnisch untersucht. Der Fomularvordruck ist authentisch, es wurden keine Bearbeitungsspuren festgestellt. Es sind keine Visa oder Grenzübertrittsvermerke festgehalten. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ich kann nichts dazu sagen.

R verliest das internistische Sachverständigengutachten OZ 25. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ich falle immer wieder um. Ich habe hier XXXX gehabt und hier. Ich war im XXXX .

R verliest die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation OZ 26. Möchten Sie dazu etwas angeben?

RV: Eine Stellungnahme wird am Ende der Verhandlung abgegeben.

R: Möchten Sie eine Stellungnahme zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 2019 abgeben?

RV: Eine Stellungnahme wird am Ende der Verhandlung abgegeben.

RV: Sie haben erwähnt, dass Sie täglich Medikamente nehmen und XXXX . Machen Sie das selbst oder wer macht das?

BF: Die Mitarbeiter vom Büro.

RV: Könnten Sie selbständig Ihre Medikamente einordnen und XXXX ?

BF: Nein, die XXXX kann ich nicht. Da gibt es eine Medikamentenschachtel. Da steht in der Früh und am Abend drauf. Ich muss ständig die Medikamente nehmen.

RV: Ordnen Sie die Medikamente selber ein oder macht das jemand für Sie?

BF: Die Mitarbeiter vom Büro machen das. Sie kommen in der Früh zu mir.

RV: Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Machen Sie das selbst?

BF: In der Früh esse ich ein Käsebrot oder Butterbrot mit Tee. Das Abendessen und Mittagessen wird für mich zubereitet.

RV: Wer macht Ihnen die Wäsche?

BF: Die Leute vom Büro. Sie putzen auch bei mir. Sie machen alles. Sie putzen und räumen zusammen, alles was anfällt. Ich kaufe auch kein Waschmittel.

RV: Könnten Sie diese Dinge selber machen?

BF: Nein, ich kann das nicht.

RV: Ihre tägliche Pflege, waschen, baden, hilft Ihnen da jemand dabei, oder können Sie das selbst?

BF: Ja, es hilft mir jemand dabei, aber manchmal bade ich mich auch selbst.

RV: Gehen Sie alleine auf die Toilette?

BF: Ja, zu Hause habe ich 2 Krücken. Das ist so wie vom Zeugentisch zur Wand, 3 Schritte. Die Küche ist dort und auch das Klo.

RV: Ist das eine Spezialtoilette?

BF: Ja. Natürlich.

RV: Sie sind heute mit dem XXXX hier. Ich habe gelesen. Sie haben auch einen XXXX . Wie lange am Tag sind Sie mit dem XXXX unterwegs, wie lange mit dem XXXX ?

BF: Den XXXX hat mir mein Sohn gekauft. Einen XXXX habe ich nicht. Es wäre gut, wenn ich einen hätte.

RV: Wie lange am Tag sind Sie mit dem XXXX unterwegs?

BF: Vielleich 5 oder 10 Minuten. Ich werde gleich müde.

RV: Ist es richtig, dass Sie die restliche Zeit sitzen oder liegen?

BF: Ich sitze oder liege. Ich kann aber auch nicht so lange sitzen, weil mein Rücken weh tut. Seitdem ich umfalle, tut mir der Rücken weh.

RV: Sie haben erwähnt, dass Sie Verwandte in Russland haben. Gibt es jemand der diese Pflege für sie übernehmen könnte?

BF: Mein Sohn wird bei mir sein. Seine Kinder sind 15 und 19.

RV: Ich meinte bei einer theoretischen Rückkehr nach Russland.

BF: Das wird eine Katastrophe sein. Zu wem soll ich fahren? Wer braucht mich dort?

RV: Fragewiederholung.

BF: Niemand.

RV: Wissen Sie, wie hoch die Pension Ihrer beiden Brüder ist?

BF: Der erste bekommt XXXX und der andere über XXXX .

RV: Sie haben vorhin erwähnt, dass die Medikamente die Sie von 2009 - 2014 genommen haben, nicht gut wären und keine richtigen Arzneimittel. Was meinten Sie damit?

BF: Sie helfen nicht. Im Gegenteil, sie schaden nur. Das sind falsche. Die meisten Medikamente dort sind gefälscht.

Die vorläufige Fassung der bisherigen Niederschrift wird durch die Dolmetscherin der BF rückübersetzt.

Die Verhandlung wird für den Zeitraum der Übersetzung um 15:04 Uhr unterbrochen.

Fortsetzung der Verhandlung um 15:59 Uhr.

R: Wurde das rückübersetzt was Sie vorher angegeben haben oder wollen Sie Korrekturen anbringen?

BF: Danke.“

Der Sohn der Beschwerdeführerin machte als Zeuge in der auf Russisch durchgeführten Einvernahme folgende Angaben:

„R: Bitte geben Sie Ihren vollen Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Staatsangehörigkeit an.

Z1: XXXX , XXXX .

R: Welche Sprachen sprechen Sie auf welchem Niveau?

Z1: Ich spreche Russisch, Tschetschenisch und Deutsch. Ich kann mit jedem Österreicher sprechen. Ich weiß nicht, welches Niveau.

R: Wünschen Sie die Dolmetschung der Einvernahme?

Z1: Ja.

R: In welcher Beziehung stehen Sie zur BF?

Z1: Sie ist meine Mutter.

[Belehrung]

R: Sie halten sich seit 25.08.2004 in Österreich auf. Mit wem haben Sie vor Ihrer Ausreise nach Österreich zusammengelebt?

Z1: Mit meiner Frau und einem Sohn.

R: Haben Sie mit Ihrer Mutter im gemeinsamen Haushalt gelebt?

Z1: Bis 2004. Aber nicht immer, weil Zuhause leben ist auch ein Problem.

R: Sie lebten seit JÄNNER 2004 nicht mehr zuhause, weil Sie sich bei Verwandten und Bekannten versteckten. Ist das korrekt?

Z1: Ja. Weil ich mich versteckt gehalten habe.

R: Sie gaben in der Verhandlung vor dem AsylGH 2009 an, dass Sie außer einem Cousin in XXXX keine Verwandten im Herkunftsstaat haben. Ihre Mutter gab zwei Brüder und eine Schwester in DAGESTAN und eine SCHWÄGERIN in XXXX an. Was stimmt? (Erinnerung an Wahrheitspflicht)

Z1: Ja, dort gab es einen Verwandten von mir. Jetzt ist er auch noch dort. Das ist ein Cousin 3. Grades. Er heißt XXXX . Ich habe damals gesagt, dass ich der einzige Sohn meiner Mutter bin. Ich hatte zwar einen Bruder, aber der ist verstorben, 1997. Ich habe noch einen Halbbruder. Der Vater ist der gleiche, die Mutter eine andere. Er heißt XXXX .

R: Also der Bruder von dem Sie gesprochen haben, ist der Halbbruder?

Z1: Ja.

R: Haben Sie sonst noch Geschwister?

Z1: Nein.

R: Ihre Mutter hat angegeben, dass sie noch eine Tochter hatte die verstorben ist?

Z1: Das war schon viel früher. Sie war klein.

R: Welche Verwandten haben Sie noch in der Russischen Föderation?

Z1: Ich habe noch einen Cousin und seine Kinder. Ein Bruder ist in XXXX und einer in XXXX . Damit meine ich die Kinder der Brüder meines Vaters, also meine Cousins.

R: Haben Sie jetzt noch 2 Onkel in Russland? Ja oder nein?

Z1: Einer heißt XXXX und der andere XXXX .

R: Sie wurden verfolgt, weil ein Freund Kämpfer war und Sie immer wieder besuchte, weil Sie Medikamente und Lebensmittel für die Rebellen gesammelt und Ihnen übergeben haben und Ihnen geholfen haben, über die Grenze zu kommen. Sie selbst haben nie an Kampfhandlungen teilgenommen. Ist das korrekt?

Z1: Ja, das ist korrekt.

R: Mit Erkenntnis vom 18.05.2009 wurde Ihnen der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Waren Sie seither in der Russischen Föderation?

Z1: Nein.

R: Haben Sie während Ihres Asylverfahrens 2004-2009 Österreich jemals verlassen?

Z1: Nein. In der Russischen Föderation nicht. Ich bin einmal nach Polen gefahren

R: Warum?

Z1: Ich bin früher nach Polen gefahren. Vor 10 Jahren.

R: Wann waren Sie in Polen?

Z1: 2007 oder 2008. Aber so genau weiß ich es nicht. Meine Mutter ist dorthin gekommen.

R: Wie haben Sie nach der Ausreise 2004 Kontakt mit Ihrer Mutter gehalten?

Z1: Über Telefon.

R: Haben Sie Ihre Mutter nach Österreich geholt? (Hinweis auf Aussageverweigerungsrecht)

Z1: Man hätte mich dort ins Gefängnis gebracht. Nein.

R: Laut AS 143 vom 18.10.2008 sind Sie […] zehn Tage [davor] mit Ihrer kranken Mutter nach Polen ausgereist um sie zu begleiten und wurden daher auch von der Grundversorgung abgemeldet. Was sagen Sie dazu?

Z1: Nein. Ja. Aber das Geld wurde mir wirklich aberkannt. Aber ich war dort nicht mit meiner Mutter.

R: Was haben Sie genau in Polen gemacht?

Z1: Ich bin dorthin gefahren, um meine Mutter dort zu treffen. Sie ist nämlich nach Polen gekommen.

R: Beschreiben Sie mir genau, was passiert ist.

Z1: Sie war krank, ich habe mich um sie gekümmert. Das ist alles. Dann wurde ich festgenommen. 40 Tage war ich in Haft.

R: Beschreiben Sie mir genau, wie ich mir Ihren Polenaufenthalt vorstellen darf.

Z1: Mein Freund hat mich angerufen und hat gesagt, dass sie nach Polen gekommen ist. Ich hatte keinen telefonischen Kontakt mit ihr und fuhr an die Grenze. Und ich wurde festgenommen.

R: Sie wurden bereits beim Versuch nach Polen einzureisen, festgenommen?

Z1: In XXXX , an der Grenze zwischen Weißrussland und Polen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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