TE Bvwg Beschluss 2020/7/13 L510 2229914-1

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Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L510 2229914-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch BURGER REST Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2020, Zahl XXXX :

A)

Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom 20.02.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer (I.) gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen, es wurde (II.) gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG zulässig sei, (III.) wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und (IV.) wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (AS 333ff).

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen gewillkürten ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde (AS 439ff).

3. Mit Schreiben vom 25.05.2020 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Beschwerde als verspätet erachtet werde und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen (OZ 3). Diese Möglichkeit nahm der Beschwerdeführer in Anspruch (OZ 4).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Der gegenständlich angefochtene Bescheid wurde am 20.02.2020 (Donnerstag) vom BFA erstellt und noch am selben Tag vom BFA an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers per E-Mail übermittelt (AS 407). Der Rechtsvertreter hat jenes E-Mail am 20.02.2020 (Donnerstag) gelesen (AS 415).

1.2. Die gegenständliche Beschwerde wurde am 20.03.2020 (Freitag) erstellt und an diesem Tag an das BFA per E-Mail übermittelt (AS 439, 471).

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Übermittlung des gegenständlichen Bescheides vom BFA an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers per E-Mail ergibt sich aus diesem E-Mail vom 20.02.2020 (AS 407). Dass der Rechtsvertreter dieses E-Mail am 20.02.2020 gelesen hat, ergibt sich aus einer vom Rechtsvertreter an das BFA am 20.02.2020 gesendeten Lesebestätigung (AS 415). Die Übermittlung des Bescheides am 20.02.2020 wird auch in der Beschwerde mehrfach bestätigt (AS 439, 441, 445) und auch in der Stellungnahme vom 08.06.2020 erneut bestätigt (OZ 4, S. 4).

2.2. Die Erstellung der Beschwerde und deren Einbringung beim BFA ergeben sich einerseits aus dem Deckblatt der Beschwerde (AS 439) und andererseits aus dem E-Mail mit dem die Beschwerde vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers an das BFA gesendet wurde (AS 471).

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

3.1. Zunächst ist im vom BFA geführten Verfahren auffällig, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid vom Bescheidersteller direkt an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers per E-Mail versendet wurde. Die Frage, ob diese Versendung ohne die Benützung eines elektronischen Zustelldienstes bzw. ohne Rückschein überhaupt zu einer rechtswirksamen Zustellung führten könnte, kann gegenständlich jedoch dahingestellt werden, da gemäß § 7 Zustellgesetz die Zustellung, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen sind, als in dem Zeitpunkt in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist, dennoch als bewirkt gilt.

Diese Vorgehensweise wird auch durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestärkt, wonach nicht überprüft werden muss, ob die Zustellung eines Erkenntnisses des BVwG überhaupt ohne Zustellnachweis erfolgen durfte (vgl. dazu § 17 VwGVG 2014 in Verbindung mit § 22 AVG); wenn nämlich feststehe, dass die Sendung dem Empfänger tatsächlich zugekommen sei, wären allfällige Mängel der Zustellung gemäß § 7 ZustG geheilt (VwGH 17.12.2014, Fr 2014/18/0033).

3.2. Tatsächlich zugekommen ist ein Dokument bei einer elektronischen Zustellung in jenem Zeitpunkt, in dem der Empfänger durch Zugriff auf das elektronisch bereitgehaltene Dokument Kenntnis davon erlangt hat (VwGH 05.09.2018, Ro 2017/12/0010; 21.11.2017, Ro 2015/12/0017; 14.12.2016, Ra 2016/19/0131, 9.11.2016, Ra 2016/19/0156).

Nach dem festgestellten Sachverhalt wurde der Bescheid dem Rechtsvertreter am 20.02.2020 (Donnerstag) zugestellt (vgl. Lesebestätigung vom 20.02.2020).

3.3. Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Die Beschwerdefrist hinsichtlich des am 20.02.2020 (Donnerstag) zugestellten Bescheides endete daher am Donnerstag den 19.03.2020. Die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 20.03.2020 erstellte und dem BFA übermittelte Beschwerde erweist sich daher als verspätet.

3.4. Gemäß § 1 Abs. 1 erster Satz Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes (Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz – COVID-19-VwBG) werden in anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG, BGBl. Nr. 53/1991) anzuwenden sind, alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen.

Gemäß § 6 COVID-19-VwBG sind auf das Verfahren der Verwaltungsgerichte die §§ 1 bis 5 dann sinngemäß anzuwenden, wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das AVG anzuwenden ist.

Kraft Verweises und der Anordnung sinngemäßer Anwendung in § 6 Abs. 1 COVID-19-VwBG werden – wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das AVG anzuwenden ist – Fristen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ebenfalls unterbrochen. Insbesondere sind die Fristen zur Erhebung der Bescheidbeschwerde erfasst (nähere Ausführungen vgl Greifeneder in Resch, Corona-HB 1.01 Kap 15 (Stand 15.5.2020, rdb.at).

Gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 treten die hier einschlägigen Bestimmungen des COVID-19-VwBG mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Gesetzes in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft. Das COVID-19-VwBG wurde mit BGBl. I Nr. 16/2020 am 21.03.2020 Kund gemacht und trat damit mit Ablauf des 21.03.2020 in Kraft.

3.4.1. Die Beschwerdefrist des gegenständlich angefochtenen Bescheides endete mit Ablauf des 19.03.2020. Die Frist war somit bereits abgelaufen, als das COVID-19-VwBG in Kraft trat. Eine Unterbrechung der Beschwerdefrist aufgrund der Bestimmungen des COVID-19-VwBG ist somit ausgeschlossen.

3.4.2. Der Rechtsvertreter vermeint im Zeitraum zwischen 13.03.2020 und dem Inkrafttreten des COVID-19-VwBG mit Ablauf des 19.03.2020 eine planwidrige Gesetzeslücke.

Voraussetzung für die analoge Anwendung ist das Bestehen einer echten (also planwidrigen) Rechtslücke, dass also das Gesetz - gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie - unvollständig (ergänzungsbedürftig) ist und seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt etwa dann in Betracht, wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl. VwGH 29.10.2015, Ro 2015/07/0019; 25.04.2019, Ro 2019/13/0014).

Insoweit der rechtlich vertretene Beschwerdeführer ausführt, dass gegenständlich von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen sei, da bereits am 13.03.2020 aufgrund des grassierenden Coronavirus ein sog. „lockdown“ über Österreich verhängt worden sei und somit bereits ab 13.03.2020 die Unterbrechung der Fristen gemäß COVID-19-VwBG eingetreten sein müsste, kann dem nichts abgewonnen werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer vier Wochen zur Verfügung gestanden sind, eine fristgerechte Beschwerde einzubringen und keine Hinweise darauf vorliegen, dass die Erstellung der Beschwerde aufgrund besonderer Umstände nur innerhalb der letzten Tage möglich gewesen wäre. Insofern es am Beschwerdeführer selbst gelegen haben könnte, dass die Beschwerde erst gegen Ende der Frist erstellt worden ist – der Rechtsvertreter führt diesbezüglich aus, dass er vom Beschwerdeführer selbst Anfang der Kalenderwoche 12 (16.-22.03.2020) um „Fristerstreckung“ ersucht worden sei – so ist darauf hinzuweisen, dass der Rechtsvertreter bereits aufgrund der anwaltlichen Sorgfaltspflichten nicht zur weiteren Verzögerung der Beschwerdeerstellung geraten haben kann. Weiters war ein persönliches Treffen zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsvertreter zur Beschwerdeerstellung nicht zwingend erforderlich, sondern wäre es auch möglich gewesen, dass sich die beiden unter Zuhilfenahme aktueller Kommunikationsmöglichkeiten über die wesentlichen Beschwerdeinhalte besprechen hätten können. Diesbezüglich wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht verkannt, dass dies schwieriger ist, als bei einem persönlichen Gespräch. Eine gesundheitliche Gefährdung des Beschwerdeführers als auch dessen Rechtsvertreter hätte somit von vornherein ausgeschlossen werden können. Dass der Kanzleibetrieb von Behörden, Gerichten, Rechtsanwälten etc. insbesondere in der ersten Zeit des sog. „lockdowns“ besonderen Herausforderungen standhalten musste, ist unbestritten. Es kann aber nicht gesagt werden, dass es der Kanzlei des gegenständlichen Rechtsvertreters unmöglich gewesen wäre, die dringlichen und unaufschiebbaren Angelegenheiten noch fristgerecht zu erledigen, zumal nach Ablauf des 19.03.2020 ohnehin eine Phase der Aufarbeitung bereits angefallener Angelegenheiten begonnen hat, viele Fristen bis Ende April unterbrochen waren und der Eingang neuer Angelegenheiten zwischen Mitte März und Ende April als reduziert erachtet wird.

Eine planwidrige - durch Analogie zu schließende - Lücke hinsichtlich des Zeitraumes zwischen Beginn des sog. „lockdowns“ 13.03.2020 und Ablauf des 19.03.2020 kann somit nicht erkannt werden.

3.4.3. Aus diesen Gründen wird vom Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Inkrafttreten des COVID-19-VwBG mit Ablauf des 19.03.2020 beabsichtigt war und nicht etwa ein rückwirkendes, bereits früheres Inkrafttreten vom Gesetzgeber eigentlich geplant gewesen wäre. Auf den gegenständlich zu beurteilenden Sachverhalt treffen nicht dieselben Wertungsgesichtspunkte zu wie sie für Fristen zutreffen, die zwischen dem 20.03.2020, 0 Uhr, und dem 30.04.2020, 24 Uhr, abgelaufen sind bzw. wären.

3.5. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass gesetzliche Fristen im Allgemeinen unveränderlich sind und von der Behörde – auch auf Antrag der Partei – nicht erstreckt werden können (VwGH 27.11.2012, 2012/10/0134).

3.6. Die Beschwerde war daher als verspätet zurückzuweisen

Entfall der mündlichen Verhandlung

Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Rechtslage ist eindeutig (vgl. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Gesetzeslücke Pandemie Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung Zustellmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L510.2229914.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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