TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/29 L526 2182969-1

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Veröffentlicht am 29.07.2020
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Entscheidungsdatum

29.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

L526 2182972-1/15E

L526 2182969-1/13E

L526 2182974-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch Mag. Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.7.2020, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch Mag. Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.7.2020, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch Mag. Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.7.2020, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge kurz als „BF“ oder gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch „BF1“ bis „BF3“ bezeichnet) sind Staatsangehörige der Republik Armenien. Der männliche BF1 und die weibliche BF2 sind Ehegatten und die Eltern des minderjährigen in Österreich geborenen BF3.

BF1 und BF2 brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 20.12.2016 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge auch kurz „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein.

I.2. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommandos XXXX am 21.12.2016 gaben die BF1 und BF2 an, die im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehörige Armeniens zu sein. Sie seien der armenischen Volksgruppe und dem christlich orthodoxen Glauben zugehörig.

Im Hinblick auf den Reiseweg brachten die BF zusammengefasst vor, Armenien legal von XXXX aus mit dem Flugzeug nach Athen verlassen zu haben und von dort direkt nach Wien geflogen zu seien. Ab Wien seien sie dann mit einem Minibus bzw. Kombi per Auto Stopp mitgefahren, es sei nicht geplant gewesen, dass die BF in Österreich aussteigen würden. Für den Transport hätte BF1 ca. EUR 600 bezahlt, die Reisepässe hätte der Fahrer gehabt, da diese für den Grenzübergang nötig gewesen seien. Als die BF auf die Toilette mussten, habe sie der Fahrer, vermutlich in der Nähe von XXXX , aussteigen lassen und sei dann einfach weitergefahren. Daher würden die BF jetzt in Österreich ihre Anträge auf internationalen Schutz stellen. Die Reise hätten die BF selbst organisiert und sei nicht schleppergestützt erfolgt.

Als Grund für die Flucht gaben die BF an, dass sie von einem Mann namens Artur verfolgt würden.

BF1 gab an, dass es viele Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates gegeben habe, der Hauptgrund jedoch die Probleme seiner Frau seien. Diese trage eine Perücke, da sie aufgrund von Stress ihre Haare verloren habe. BF1 habe die BF2 2012 kennengelernt, deren Probleme hätten aber schon vorher bestanden. BF2 sei nämlich 2011 von einem gewissen Artur, welcher sie zuvor bedrängt und für sich zu gewinnen versucht habe, entführt worden, da sie seine Avancen abgelehnt habe. Bei dieser Entführung sei es dann zu einem Autounfall gekommen, welcher BF2 schwer traumatisiert habe; vermutlich hätte sie ihren Haarausfall aufgrund dieser Stressfolgen. Zwischen 2012 und 2015 habe Artur dann keinen Kontakt mit BF2 aufnehmen wollen und hätten sich BF1 und BF2 im Jahr 2015 dann verlobt. Ungefähr zu dieser Zeit sei Artur, der vermutlich im Ausland gewesen sei, wieder zurückgekommen und habe erneut angefangen, BF2 zu bedrängen und auch zu bedrohen. Im Zuge dieser Bedrohungen habe Artur auch BF1 gemeinsam mit anderen Leuten verprügelt und hätte 2016 versucht, BF1 mit dem Auto abzudrängen. Die BF hätten aufgrund dieser Bedrohungen die Adresse gewechselt, um Artur zu entkommen.

BF2 führte zu dieser Verfolgung lediglich an, dass ihr Leben in Gefahr sei, da Artur, der Sohn eines bekannten armenischen Oligarchen, sie und ihren Mann verfolgen würde und versucht habe, sie beide umzubringen. Mehr wisse sie nicht zu Artur, andere Fluchtgründe habe sie keine.

I.3. Am 23.06.2017 wurden die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, im Beisein eines Dolmetschers für die armenische Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen.

Eingangs bestätigten die BF, der armenischen Sprache mächtig zu sein und die anwesende Dolmetscherin gut zu verstehen.

Zum Ausreisegrund befragt gab BF1 an, dass er und seine Frau von Artur verfolgt würden. Konkret brachte BF1 Folgendes vor:

„[…]

A.: Meine Frau ist krank, sie leidet an Haarausfall. Zudem hatte meine Frau Probleme mit einem gewissen Artur (Familienname…). Er hat versucht sie zu entführen, das war am 05.12.2011. Im Zuge der Entführung erlitt der Artur dann einen Autounfall und meine Frau wurde dabei verletzt.

Meine Frau ist am 05.12.2011 von Artur im Auto vergewaltigt worden und genau nach diesem Vorfall ist der Unfall passiert. Ich habe meine Frau aber zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gekannt.

Daraufhin ist Artur verschwunden. Er ließ sich bei meiner Frau nicht mehr blicken. Vermutlich war er ins Ausland gegangen. Dann am 08.03.2015 haben meine Frau und ich uns verlobt. Ungefähr zu dieser Zeit war Artur plötzlich wieder da und hat meine Frau wieder bedrängt.

Artur hat mich auch verprügelt. Da ich im meinem Heimatdort immer wieder Probleme mit Artur hatte, übersiedelte ich gemeinsam mit meiner Frau in die Eigentumswohnung in XXXX , welche meiner Frau gehört.

Als dann im Juli 2016 Artur versuchte mich mit dem Auto von der Straße zu drängen, entschloss ich mich zur Ausreise. Das ist alles, was ich dazu angeben möchte.

F.: Wie heißt Artur mit Familiennamen.

A.: Ich habe keine Ahnung.

F.: Wo hat Ihre Frau einen Verkehrsunfall gehabt.

A.: Das war am 05.12.2011, aber wo das war, weiß ich nicht. Auf Nachfrage gebe ich an, das Auto von Artur fuhr gegen einen Baum. Ich weiß sicher, dass Artur verletzt worden ist. Meine Frau hatte Prellungen im Gesicht, ein Vorderzahn ist abgebrochen, aber ernsthafte lebensbedrohliche Verletzungen erlitt meine Frau nicht. Meine Frau war gar nicht im Krankenhaus.

Ich weiß aber wenig über den Unfall vom 05.12.2011- meine Frau spricht nicht gerne darüber.

F.: Wann sind Sie von Artur verprügelt worden.

A.: Ich habe mich am 03.01.2015 mit ihm geprügelt, nachdem ich ihn am 01.01.2015 traf. Ich habe aber keine Anzeige gegen Artur erstattet, denn in Armenien regelt man das unter Männern. Ich bin damals am Gesicht verletzt worden – nach dem 01.01.2015 fühlte ich mich ständig verfolgt und meine Frau wurde nach dem 01.01.2015 regelmäßig am Telefon bedroht.

Aus diesem Grunde übersiedelte ich von 01.07.2015 bis 30.07.2015 nach XXXX . Wir wollten dort einfach unsere Ruhe haben. Ende Juli 2015 habe ich dann einen Autounfall gehabt, bei dem ich das Auto meines Cousins zu Schrott gefahren habe und welches ich dann auch ersetzen musste.

F.: Wann hat Artur versucht Sie mit dem Auto von der Straße zu drängen.

A.: Das genaue Datum ist mir nicht bekannt. Es war glaublich der 30.07.2016, aber ich vermute das nur.

F.: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben.

A.: Nein. Ich werde umgebracht. Meine Frau ist vergewaltigt worden.

F.: Wann ist Ihre Frau vergewaltigt worden.

A.: Meine Frau ist am 05.12.2011 vergewaltigt worden. Meine Frau ist an diesem Tag von Artur vergewaltigt worden. Meine Frau hat aber damals keine Anzeige erstattet.

F.: Ging Ihre Frau nach der Vergewaltigung zu einem Arzt oder ins Krankenhaus.

A.: Warum soll meine Frau nach der Vergewaltigung zum Arzt gehen, erklären Sie mir das. In Armenien geht eine Frau mit einer Vergewaltigung nicht an die Öffentlichkeit

V.: Nach einer Vergewaltigung geht man zum Arzt oder ins Krankenhaus um einen Nachweis zu liefern, dass eine Vergewaltigung stattgefunden hat. Mit diesem Nachweis sucht man dann die Polizei auf und erstattet Anzeige wegen der Vergewaltigung.

A.: In Armenien ist das nicht so. Zudem kann Artur in Armenien alles machen.

V.: Die Behörden in Armenien sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

A.: Das ist in Europa so, oder in Amerika, aber nicht in Armenien.

F.: Welche Funktion, Position hat Artur, dass er in Armenien alles machen kann.

A.: Ich weiß nichts über die Funktion oder Position von Artur, aber er ist ein Bekannter von XXXX .

F.: Wer ist XXXX .

A.: Schauen Sie im Internet nach. Es kann auch sein, dass man den Namen XXXX schreibt.

F.: Sagen Sie mir, wer XXXX ist. Ist er Politiker, oder welche Funktion hat er.

A.: Er ist Mitglied bei der Volkspartei, ich kann aber seine Funktion bei der Volkspartei nicht beschreiben.

F.: Warum sollten Sie umgebracht werden.

A.: Es gibt mehrere Gründe. Artur möchte meine Frau für sich gewinnen und will meinen Tod.

F.: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.

A.: Ja.

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten.

A.: Gibt es noch größere Probleme.

[…]“

Die BF2 gab zum Ausreisegrund befragt Folgendes an:

„[…]

F.: Welchen Beruf übt Ihr Gatte aus.

A.: Mein Mann ist ausgebildeter Sportlehrer, er hat im gleichen Möbelhaus wie ich gearbeitet. Er war dort Stellvertreter. Er machte, was ein Stellvertreter so macht. Er arbeitete dort weiter bis zu unserer Ausreise.

Mein Mann hatte einen Mordversuch zu gewärtigen, das war ca. Ende Juli des Jahres 2016. Aber Genaueres dazu kann ich nicht berichten. Mein Mann spricht nicht darüber mit mir.

Mein Mann hat Ende Juli 2016 auch einen Autounfall gehabt, aber wann genau er den Autounfall hatte, weiß ich nicht. Er wurde mit einem anderen Auto angeschoben und erlitt einen Unfall. Das Auto gehört glaublich seinem Cousin XXXX . Ob mein Mann dem Cousin das Auto hat ersetzten müssen, kann ich nicht angeben.

[…]

A.: Ich habe meine Heimat verlassen, weil ich am 05.12.2011 vergewaltigt worden bin. Das ist aber nicht der Grund, warum ich die Heimat verlassen habe.

Mein Mann ist von einer Person namens Artur Ende Juli 2016 mit dem Umbringen bedroht worden. Aufgrund dieser Bedrohung hat mein Mann einen Verkehrsunfall erlitten. Dieser Artur terrorisierte uns, beleidigte uns, verfolgte uns. Er hat meinen Mann verprügelt, das war am 03.01.2015. Nach dieser Schlägerei war mein Mann im Krankenhaus, er war vom 03.01.2015 bis 09.01.2015 im Krankenhaus XXXX , XXXX .

Ich habe meinen Mann im Dezember 2012 kennengelernt. Seit 2012 hat mein Problem auch meinen Mann betroffen, denn er ist am 03.01.2015 verprügelt worden. Wir haben nach meiner Vergewaltigung sechs Jahr mit der Ausreise gewartet, da wir eigentlich unser Vermögen in Armenien behalten wollten. Dennoch kamen wir hierher, wo wir von Null anfangen müssen. Der Mordversuch an meinem Mann hat uns dann veranlasst die Heimat zu verlassen.

F.: Wer ist dieser Artur. Was wissen Sie über ihn.

A.: Er ist ein Oligarch, ich kenne seinen Namen aber nicht. Er mit einem Licka verwandt.

F.: Woher haben Sie ihre Informationen, dass Artur mit einem Licka verwandt ist.

A.: Ich bin mir sicher, dass Artur mit Licka verwandt ist, weil Artur seine Probleme immer ohne Bestrafung bewältigen konnte.

F.: Woher wissen Sie, dass Artur immer seine Probleme ohne Bestrafung bewältigen konnte.

A.: Ich habe von Sommer 2009 bis Dezember 2011 in einem Supermarkt namens SAS als Verkaufsleiterin gearbeitet. Ich kenne Artur aus dem Supermarkt. Er hat andere Mitarbeiterinnen in dem Supermarkt SAS auch vergewaltigt. Er hat Frauen als Spielzeug betrachtet. Ich war zu dieser Zeit sehr attraktiv und Artur stellte mir nach. Er stellte aber auch anderen weiblichen Mitarbeiterinnen in dem Supermarkt nach.

Dieser Artur ist ein Gewalttäter – nach der Vergewaltigung und dem Verkehrsunfall am gleichen Tag (05.12.2011) ist Artur verschwunden. Er verschwand bis Ende 2014 von der Bildfläche. Ab dem Ende des Jahres 2014 hat er mich immer angerufen, obwohl ich zwei Mal die Telefonnummer wechselte.

F.: Wann haben Sie Artur zuletzt gesehen.

A.: Ich kann dazu nichts sagen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich ihn wiedergesehen habe. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich ihn jemals wiedergesehen habe.

Die Polizei in Armenien dient nicht der Bevölkerung, sondern solchen Leuten wie Artur.

F.: Haben Sie versucht polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

A.: Nein, denn ich hatte Angst vor dem Tode. Ein armenischer Polizeibeamter ist nicht schutzfähig und schutzwillig.

V.: Sie sind am 10.09.2015 nach XXXX geflogen und haben die Hochzeitsreise dorthin gemacht. Sie haben Ihren Mann dann in XXXX geheiratet und zwar am XXXX . Von XXXX reisten Sie wieder zurück nach XXXX . Von dort nach XXXX und dann zurück nach Armenien. Am 21.09.2015 kehrten Sie wieder nach Hause zurück. Wenn Sie und Ihr Gatte in Armenien verfolgt werden, hätten Sie doch gleich in XXXX bleiben können bzw. hätten auch in XXXX bleiben können. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben.

A.: In Ägypten leben Moslems und XXXX ist genau das selbe wie XXXX .

F.: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben.

A.: Nein. Die Polizei in Armenien hilft nicht.

F.: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.

A.: Ja.

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten.

A.: Mein Mann könnte sterben. Ich und mein Kind könnten sterben.

[…]“

Bezüglich ihrer Situation im Herkunftsstaat Armenien gaben die BF an, dass sie im Jahr 2015 in XXXX geheiratet hätten.

BF1 führte bezüglich seiner privaten und familiären Situation aus, dass er BF2 standesamtlich in Armenien geheiratet habe und dann in XXXX . BF1 würde in Armenien über eine Eigentumswohnung und ein Haus mit Grundstück besitzen, zudem habe er auch zwei Autos, wobei eines nicht mehr angemeldet sei. Bezüglich seiner Ausbildung gab BF1 an, dass er in Armenien die Grundschule und danach eine berufsbildende höhere Schule besucht habe, konkret eine Sportschule. Nach Abschluss seiner Schulbildung habe der BF1 seinen Militärdienst absolviert und danach die Sportuniversität besucht. Während des Studiums habe der BF1 in einem Möbelgeschäft gearbeitet, nach seiner Studienzeit habe er die Ausreise nach Europa geplant. Zudem habe BF1 auch mit Autoersatzteilen gehandelt und auch als Automechaniker gearbeitet. Im Möbelgeschäft, wo BF1 bis zum 30.09.2016 gearbeitet habe, sei er quasi das „Mädchen für alles“ gewesen und habe den Geschäftsführer unterstützt, angemeldet sei er aber nicht gewesen. Bis zu seiner Ausreise habe BF1 dann weiterhin von seiner Tätigkeit als Automechaniker gelebt. Seine Gattin habe BF1 bei seiner Arbeit im Möbelhaus kennengelernt.

Etwa am 25.07.2016 habe BF1 mit dem Auto seines Cousins einen Verkehrsunfall gehabt, dessen Schuld er getragen habe. Bei diesem Unfall sei BF1 selbst nicht schwer verletzt worden, das Auto habe jedoch einen Totalschaden davongetragen und habe er diesen Schaden in der Höhe von EUR 1.600 dem Cousin ersetzen müssen.

Die Mutter des BF1 sei Kindergärtnerin, sein Vater Landwirt, wobei beide mittlerweile eine Pension erhalten würden. Weiters habe der BF1 zwei in Armenien lebende Schwestern und weitere Verwandte wie Onkeln und Tanten, wobei einige auch im Ausland leben würden.

BF2 führte aus, dass sie in Armenien die Schule besucht und ein medizinisches College abgeschlossen habe. Danach habe sie als Verkaufsleiterin in einem Supermarkt gearbeitet. Im Dezember 2011 sei sie dann entführt und vergewaltigt worden und habe erst im Dezember 2012 als Verkaufsmanagerin in einem Möbelhaus wieder zu arbeiten begonnen; nach ihrer Heirat habe sie dann gekündigt und eine Zeit lang nicht gearbeitet. Im Jahr 2015 habe sie allerdings bis zum Sommer 2016 für ihren Vater, welcher Buchhalter sei, gearbeitet. BF2 besitze in Armenien eine Eigentumswohnung und ein Auto.

Verwandte der BF2, insbesondere ihre Eltern und ihre Schwester, würden noch in Armenien leben. Sowohl ihre Familie als auch die ihres Mannes würden über Vermögen verfügen.

Zu ihrem Gesundheitszustand befragt, gab die BF2 an, dass sie seit 2011 an Haarausfall leide. In Armenien sei sie deswegen beim Hautarzt in Behandlung gewesen und seien ihr Psychopharmaka verschrieben worden, da ihre Probleme nicht mit der Haut zusammenhängen würden. Psychotherapie habe sie keine gemacht, da sie nicht auf die Verschwiegenheit der armenischen Psychotherapeuten vertraut habe. In Österreich würde BF2 nun eine Psychotherapie machen und Salben benützten, Medikamente nehme sie keine.

In Österreich würden die BF nur einander haben und umgekehrt und beide von der Grundversorgung leben. Zurzeit würden die BF einen Deutschkurs auf dem Level A2 besuchen und planen die A1 Prüfung abzulegen.

BF1 hat das seine Einvernahme betreffende Protokoll unterzeichnet, BF2 nicht.

In einem Aktenvermerk vom 23.06.2017 wurde festgehalten, dass während der Einvernahme der BF2 eine Mitarbeiterin für einige Sekunden in das Einvernahmezimmer gekommen sei, um ein Glas abzugeben. Die BF2 habe nach der Rückübersetzung und vor der Unterschriftsleistung gefordert, dass dieser Umstand im Protokoll festgehalten werde und sei BF2 darüber informiert worden, dass sie diesen Umstand in einer Beschwerde monieren könne. Als die BF2 daraufhin ihren Mann zur Diskussion hinzuholte, habe sich dieser aggressiv gebärdet und BF2 geraten, dass Einvernahmeprotokoll nicht zu unterschreiben. Aufgrund des Verhaltens des BF1 seien beide BF aufgefordert worden, das Gebäude zu verlassen und wäre ihnen die Niederschrift postalisch übermittelt worden.

I.4. Am 11.08.2017 wurde BF2 zur Erstellung eines neurologisch psychiatrischen Gutachtens einer Begutachtung unterzogen. Dieses Gutachten langte am 11.08.2017 bei der belangten Behörde ein.

Die als relevant erachteten Passagen werden auszugsweise wiedergegeben:

„[…]

In Zusammenschau mit der Anamnese, der Klinik und dem Status sowie unter Zuhilfenahme des strukturierten Interviews für eine posttraumatische Belastungsstörung, aber auch unter Zuhilfenahme der Symptomliste für eine chronische posttraumatische Belastungsstörung lässt sich eine posttraumatische Belastungsstörung aktuell nicht diagnostizieren.

Die Diagnosekriterien nach ICD 10 liegen aktuell nicht vor.

[…]

Bei der Untersuchten, Frau XXXX , geb. am XXXX , sind keine neurologisch-psychiatrischen Vorerkrankungen bekannt.

[…]

In der Heimat war die Betroffene aufgrund von Schlafstörungen in Behandlung beim Neurologen. Eine stationäre Abklärung oder Therapie war nicht erforderlich.

Aktuell ist die Betroffene schwanger, eine medikamentöse Therapie wird daher nicht eingenommen.

Anamnestisch ist auch zu erheben, dass bereits in der Heimat, als sie psychische Beschwerden bemerkte, aufgrund der von ihr angegebenen Schwierigkeiten mit der fremden Person, einen Haarausfall bemerkte. Die Alopezie ist auch vom dermatologischen Facharzt in Österreich begutachtet worden, ein entsprechender Arztbrief liegt vor.

In ihrer Heimat hätte sie auch psychische Beschwerden gehabt, dies bedingt durch die Schwierigkeiten in ihrer Heimat.

Die Beschwerden haben sich nun deutlich gebessert, der Tagesablauf ist im Wesentlichen strukturiert.

Es bestehen noch Schlafstörungen im Sinne von Einschlafstörungen.

Im neurologischen Status findet sich ein unauffälliger Befund.

Im psychiatrischen Status zeigten sich bis auf leichte Konzentrationsleistungsstörungen keine wesentlichen Auffälligkeiten.

In Zusammenschau mit der Anamnese, der Klinik und dem Status leidet die Betroffene an einer Anpassungsstörung, in Remission.

Diese psychische Störung steht im Zusammenhang mit den von der Betroffenen angegebenen Ereignissen in der Heimat, aber auch mit den gegenwärtigen Lebensumständen und der derzeitigen psychosozialen Situation.

[…]

Von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit ist bei diesem Krankheitsbild nicht auszugehen.

Anzumerken ist hierbei, dass die Betroffene sich aktuell keiner medikamentösen Therapie unterzieht, dies auch bedingt durch die gegenwärtige Schwangerschaft.

Psychotherapien werden nach Angaben der Betroffenen durchgeführt.

4.)      Wenn zu 1.) Antwort ja, besteht im Falle einer Überstellung nach Armenien die reale Gefahr, dass die Antragstellerin aufgrund dieser psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand gerät oder sich die Krankheit in lebensbedrohlichem Ausmaß verschlechtert? (Wenn ja wird um Begründung ersucht)

Im Falle einer Überstellung des Betroffenen nach Armenien ist eine kurz- bis mittelfristige Verschlechterung des Krankheitsbildes möglich, da in diesem Falle der Wunsch in Österreich bleiben zu dürfen nicht erfüllt werden würde.

Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht besteht im Falle einer Überstellung aber nicht die reale Gefahr, dass der Antragsteller aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte.

Inwieweit der Betroffene in Armenien tatsächlich einem Bedrohungspotential ausgesetzt ist, kann der medizinische Gutachter nicht beurteilen.

[…]“

I.5. BF2 wurde für den 23.08.2017 zu einer ergänzenden Einvernahme geladen, ist zu dieser jedoch nicht erschienen und wurde ihr in Folge mit Schriftsatz vom 15.09.2017 das Gutachten vom 11.08.2017 zur Kenntnis gebracht und eine einwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Mit am 26.09.2017 eingelangten Schreiben führte die BF2 aus, dass sie schwanger sei und ihr Frauenarzt empfohlen hätte, Stresssituationen zu vermeiden. Zudem sei ihr der Dolmetscher nicht sympathisch gewesen und würde sie eine Einvernahme mit einer anderen Dolmetscherin wünschen. Eine konkrete Stellungnahme zum Gutachten gab die BF2 nicht ab.

I.6. Am XXXX wurde BF3 geboren, für welchen BF2 als gesetzliche Vertreterin am 25.10.2017 einen Asylantrag für ein nachgeborenes Kind stellte und gleichzeig beantragte, die Verfahren als Familienverfahren zu führen. Eigene Fluchtgründe brachte der BF3 nicht vor.

I.7. Am 14.11.2017 wurde BF2 neuerlich im Beisein der von ihr gewünschten Dolmetscherin niederschriftlich einvernommen. Folgende Stellen werden auszugsweise wie folgt wiedergegeben:

„[…]

Auf Nachfrage gebe ich an am XXXX wurde in Österreich mein Sohn XXXX geboren. Ich habe für ihn bereits einen Asylantrag gestellt. (Anm.: XXXX ).

F.: Vertreten Sie Ihren Sohn im Asylverfahren.

A.: Ja, ich vertrete diesen und gebe gleichzeitig an, dass dieser keine Fluchtgründe vorzubringen hat. Ich ersuche um eine Entscheidung im Familienverfahren.

V.: Sie gaben im Rahmen der letzten Einvernahme an, Sie würden unter psychischen Problemen leiden. Aus diesem Grunde wurde ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. Diese Gutachten erstellt von Herrn Prim. Dr. Röper langte hieramts am 22.08.2017 ein. Das Ergebnis dieses Gutachtens wurde Ihnen mit Schriftsatz vom 15.09.2017 zur Kenntnis gebracht. Sie haben die Gelegenheit zur Stellungnahme ungenützt verstreichen lassen. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben.

A.: Ja, bitte. Ich habe deswegen keine Stellungnahme abgegeben, da ich das Gutachten nicht lesen konnte.

F.: Der wesentliche Teil des Gutachtens wird Ihnen heute durch die Dolmetscherin neuerdings zur Kenntnis gebracht und Sie erhalten nachfolgend neuerlich eine Gelegenheit zur Stellungnahme.

[…]

Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben.

A.: Ich antwortete auf die Fragen des Arztes, damit ich den Anforderungen gerecht werde. Aber es fällt mir schwer mich an die Geschehnisse in der Heimat zu erinnern. Ich versuche vieles einfach zu verdrängen. Ich fühle mich in Österreich besser als in Armenien, aber die Angst begleitet mich ständig. In Armenien fühlte ich mich hoffnungslos und deswegen reiste ich aus. Ich musste dort meine Arbeit, meine Familie und meine Freunde zurücklassen.

F.: Nehmen Sie derzeit irgendwelche Medikamente.

A.: Nein, ich nehme derzeit keine Medikamente, da ich das Baby stille.

F.: Befinden Sie sich derzeit in einer Therapie (Psychotherapie) oder einer medikamentösen oder sonstigen Therapie.

A.: Ich nehme derzeit keine Medikamente. Ich nehme derzeit auch keine Psychotherapie in Anspruch.

F.: Verlief die Geburt Ihres Sohnes XXXX normal.

A.: Ja, die Geburt meines Sohnes XXXX verlief normal, das Kind ist gesund.

F.: Sie wurden am 23.07.2017 im Beisein eines männlichen Dolmetschers einvernommen, mit welchem Sie im Nachhinein nicht einverstanden gewesen sein wollen. Gibt es Ihren Fluchtgrund betreffend irgendwelche Änderungen oder Ergänzungen, welche Sie heute, da eine weibliche Dolmetscherin anwesend ist, mit der Sie einverstanden sind, anbringen wollen.

A.: Ich habe heute nichts Neues oder Anderes zu sagen. Ich befürchte nur, dass der Dolmetscher Herr Ivanov die Einvernahme vom 23.07.2017 nicht richtig rückübersetzt hat – aus diesem Grunde möchte ich heute den Fluchtgrund nochmals schildern.

In Armenien besteht Gefahr für mich und meinen Mann. Wir wollten unser Leben nicht riskieren und haben deswegen die Entscheidung getroffen Armenien zu verlassen. Ich bin am 05.12.2011 vergewaltigt worden und deswegen sind mein Mann und ich aus Armenien ausgereist. Nach der am 05.12.2011 statthabenden Vergewaltigung ging es mir psychisch schlecht und ich habe den Kontakt zur Außenwelt abgebrochen. Ich habe dann auch stellenweise meine Haare verloren. Bei der Person welche mich vergewaltigte handelt es sich um Artur (Familienname nicht bekannt). Dieser Artur hat Beziehungen zu Surik Khatchatryan, einem Oligarchen.

Ich weiß deshalb, von diesen Beziehungen des Artur (Familienname nicht bekannt) zu Surik Khatchatryan, da ich die beiden einmal in einer politischen Show sah im Fernsehen sah, aber wann diese politische Show ausgestrahlt wurde, kann ich heute nicht mehr sagen.

Ich bin im Zuge der Vergewaltigung entführt worden und im Zuge der Entführung passierte ein Verkehrsunfall, bei dem Artur auch verletzt worden ist, und ich habe im Zeitraum von 05.12.2011 bis 01.01.2015 nichts mehr von Artur gehört und gesehen.

Ich bin im Dezember des Monats 2014 mehrmals von einer mir unbekannten Person angerufen worden, aber als ich den Anruf entgegennahm und auf der anderen Seite nichts hörte, habe ich wieder aufgelegt. Das hat mich beunruhigt. Am 01.01.2015 hat mich Artur angerufen und mir berichtet, dass er nach dem Autounfall lange Zeit im Ausland eine medizinische Behandlung hätte in Anspruch nehmen müsse. Artur sagte auch, dass ich an seinem körperlichen Leid Schuld trüge. Mein Mann Arsen hat mit Artur am Telefon gesprochen und beide haben sich am 03.01.2015 mit Artur getroffen und mein Mann ist an diesem Tage geschlagen worden. Mein Mann ist im Anschluss daran von 06. bis 09.01.2015 im Krankenhaus XXXX behandelt worden.

F.: Warum hat Ihr Mann nach den Schlägen, welche er am 03.01.2015 erhalten haben will, mit dem Krankenhausaufenthalt bis 06.01.2015 zugewartet.

A.: Ich kann dazu keine Auskunft geben, ich fragte meinen Mann nicht. Zudem lebten wir damals nicht zusammen. Wahrscheinlich dachte mein Mann, die Schmerzen würden sich von selbst wieder geben.

Wir, Arsen und ich, haben am 14.08.2015 geheiratet (standesamtlich) und traditionell heirateten wir am XXXX . Ich habe oft lange Zeit nichts von Artur gehört und es ging mir gut und die Haare wuchsen nach, wenn er mich aber wieder kontaktierte, ging es mir wieder schlecht und ich habe wiederum meine Haare verloren. Ich habe immer Angst gehabt.

[…]

F.: Hat sich Ihr Privatleben betreffend in Österreich irgendeine Änderung oder Ergänzung ergeben.

A.: Nein, außer dass ich jetzt einen Sohn geboren habe und wir eine Familie sind. Zudem habe ich einen Sprachkurs absolviert und die Bestätigung vorgelegt.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass meine Angaben richtig und vollständig sind. Ich bin für eine Weiterbehandlung bei einem in Linz niedergelassenen Psychologen angemeldet, habe aber noch keinen Termin. Ich habe nicht nur aufgrund der Vergewaltigung, welche ich in meiner Heimat erleiden musste, Armenien verlassen, sondern aufgrund der Geschehnisse danach. Artur und sein Verwandter Surik Khatchatryan sind in Armenien berühmt. Ich kann aber über den Verwandtschaftsgrad keine Auskunft erteilen, ich kenne diesen nicht.

Ich warte derzeit auf einen Termin beim Psychologen.

F.: Wenn Artur so berühmt ist, frage ich mich, warum Sie dessen Familiennamen nicht kennen, wo Sie doch den Familiennamen von Surik Khatchatryan auch kennen.

A.: Ich weigerte mich seinen Familiennamen zu kennen, da ich ihn hasste.

[…]“

I.8. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB vom 27.11.2017 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).

Begründend führte die bB aus, dass sie das Vorbringen der BF in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen als nicht glaubhaft erachte und führte hierzu zusammengefasst aus, dass den von den BF geschilderten Ausreisegründen keine Asylrelevanz zukomme bzw. diese nicht glaubhaft seien.

Das Vorbringen des BF1 sei aus mehreren Gründen nicht glaubhaft. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die BF verfolgt würden und dann eine Hochzeitsreise nach XXXX bzw. nach XXXX unternommen hätten und bei einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht dort geblieben seien. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass die BF keine konkreten Angaben über ihren Verfolger, Artur machen könnten, wenn dieser sie doch derart bedrohen würde. Auch wäre es dem BF1 möglich gewesen, bis zu seiner Ausreise zu arbeiten und konnte den Ausführungen des BF1 nicht entnommen werden, dass ein Weiterleben im Herkunftsland aufgrund der Übergriffe unmöglich gewesen wäre. Allgemein nahm die belangte Behörde nicht an, dass die BF tatsächlich von Artur verfolgt würden und würde ungeachtet der Frage nach einer tatsächlichen Verfolgung durch Artur kein Hinweis bestehen, dass die Behörden Armeniens den BF keinen Schutz gewährt hätten.

Die bB ging davon aus, dass BF1 und BF2 Armenien aufgrund der gesundheitlichen Probleme der BF2 verlassen haben. Die BF würden an keiner schweren und lebensbedrohlichen Erkrankung leiden; die Krankheit der BF2 sei in Armenien jedenfalls behandelbar.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen ist. Ebenso sei in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die BF ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Ferner sei davon auszugehen, dass in Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen sei. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

Des Weiteren sei den BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen. Schließlich wurde ausgeführt, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

I.9. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2017 wurde den BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und die BF ferner mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

I.10. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

In dieser wird nach Zusammenfassung der Verfahrensergebnisse im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen der BF der Wahrheit entspreche und sich die BF nach dem durch Artur verursachten Autounfall des BF1 entschlossen hätten, Armenien zu verlassen.

Die BF2 hätte die damals erlittene Vergewaltigung nicht angezeigt, da Frauen in Armenien so etwas für sich behalten würden und sie auch nicht wollte, dass ihre Eltern davon erfahren würden. Die BF seien im Zuge ihrer Hochzeit trotz der Bedrohung durch Artur nicht im Ausland geblieben, da sie sich erst nach dem Autounfall, welcher nach der Hochzeit erfolgt sei, entschlossen hätten, Armenien endgültig zu verlassen. Zur Polizei seien sie nicht gegangen, da mächtige Leute wie Artur nicht von der Polizei verfolgt würden und die Polizei korrupt sei und ihnen daher nicht geholfen hätte. BF1 habe Artur nämlich einmal bei einer Versammlung der Partei mit einer Jacke mit Parteilogo gesehen und hätte Artur auch Freunde bei der armenischen republikanischen Partei gehabt. Bezüglich der Erkrankung der BF2 führte die Beschwerde aus, dass die BF2 in Armenien nur unzureichend behandelt worden wäre und sich der Zustand der BF2 sogar verschlechtert habe.

Insgesamt habe die Behörde den Sachverhalt unzureichend ermittelt und sei damit ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen.

I.11. Die Beschwerdevorlage langte am 16.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde bezüglich BF1 und BF3 zunächst der Gerichtsabteilung L518, zugewiesen. Aufgrund der Tatsache, dass BF2 einen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung vorbrachte, wurde das Beschwerdeverfahren mit 18.01.2018 der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen. Infolge Annexität der Rechtssache zu BF2 wurden auch die Beschwerdeverfahren des BF1 und des BF3 der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

I.12. Zur Vorbereitung der für 17.07.2020 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden den BF mit Note des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.06.2020 aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage in Armenien übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, bis eine Woche vor der mündlichen Verhandlung eine schriftliche Stellungnahme dazu abzugeben. Innerhalb der eingeräumten Frist langte keine Stellungnahme ein.

I.13. Mit Schreiben vom 15.06.2020 informierte die bB das ho. Gericht, dass an der Beschwerdeverhandlung ein informierter Vertreter des BFA teilnehmen werde.

I.14. Mit Schreiben vom 24.06.2020, eingelangt am 26.06.2020, legte die ARGE Rechtsberatung ihre Vollmacht zurück, da die BF einen Anwalt mit der rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt haben.

I.15. Mit Schreiben vom 08.07.2020 übermittelten die BF durch ihren gewillkürten Vertreter eine Stellungnahme, in welcher sie im Wesentlichen ausführten, dass das übermittelte Länderinformationsblatt die Angaben der BF über die verbreitete Korruption in Armenien bestätigen würde. Auch wenn es Versuche der Regierung gebe, die Korruption zu bekämpfen, würde zum Beispiel dem neuen Leiter der armenischen Antikorruptionsbehörde selbst Korruption vorgeworfen werden. So sei auch der Staat nicht sehr schutzfähig, wenn sich eine private Person in einem Konflikt mit einem Regierungsbeamten befinden würde. Das Vorbringen der BF sei daher glaubwürdig. Zur medizinischen Versorgung wird ausgeführt, dass diese in Armenien unzureichend und auch sehr teuer ist, wodurch es bei der BF2 bei einer Rückkehr zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes kommen würde.

Zudem wurden folgende Unterlagen übermittelt:

-        Anmeldebestätigung des BF1 zur Deutschprüfung A2 (BF2 hat die Prüfung bereits absolviert und wird in Kürze ihr Zeugnis erhalten)

-        Einen Gewerberegisterauszug betreffend BF1

I.16. Am 17.3.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die georgische Sprache, dem gewillkürten Vertreter der BF sowie einem Vertreter der Behörde, welcher der Befragung der BF2 zu ihrem Fluchtgrund nicht beiwohnte, eine mündliche Verhandlung statt. Anlässlich dieser Verhandlung wurden die BF noch einmal zu Ihrem Fluchtgrund, ihrem Aufenthalt in Österreich und ihrer Integration befragt und die vorab übermittelten Länderberichte erörtert.

Anlässlich dieser Verhandlung wurden weitere Unterlagen vorgelegt (Versicherungsdatenauszug betreffend BF1, Dokumente der SVA und SVS, eine Vollmacht, Umsatzlisten betreffend einen Herrn XXXX , verschiedenen Auszüge aus Datenbanken betreffend die Gewerbeberechtigung des BF1, eine Einnahmen/Ausgabenrechnung für Juni 2020, Rechnungen an einen Herrn XXXX aus den Jahren 2019 und 2020, bereits vorgelegte Arztbriefe BF2 betreffend aus dem Jahr 2017 und Auzüge aus einer armenischen Patientenkarte, ein (nicht vollständiges) Beschwerde-Schreiben der BF an einen unbekannten Empfänger, ein Antwortschreiben von UNHCR aus dem Jahr 2017 mit der Mittteilung, dass UNHCR kein Einzelfallberatung anbieten kann, ein Artikel über Folter und unmenschliche Bestrafungsarten des USDOS-US-Departure of State, datiert mit 30.06.2020, eine Bestätigung über die Teilnahme des BF1 an einem Werte- und Orientierungskurs vom 16.02.2018, ein Beschwerdeschreiben an einen unbekannten Empfänger, ein Antwortschreiben von UNHCR aus dem Jahr 2017, Niederschrift der Finanzpolizei mit BF1 als gem. § 26 Ausländerbeschäftigungsgesetz zur Auskunft verpflichtenden Person wegen des Verdachts nach Übertretung des AuslBG, eine „Vereinbarung zur Zusammenarbeit“, ärztliche Unterlagen der Abteilung für Allgemeine und Thorakale Chirurgie, Geburtsurkunden der BF.

Sämtliche Unterlagen wurden in Kopie vorgelegt.

I.17. Am 24.07.2020 wurden Unterlagen zu dem von BF1 betriebenen Gewerbe sowie ein Zeugnis über die Integratoinsprüfung zum Sprachniveau A2 und ein Arbeitsvorvertrag für BF1 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführende Parteien

Bei den BF handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Georgiern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.

BF1 und BF2 halten sich seit Ende Dezember 2016 im Bundesgebiet auf. Sie reisten mit einem erschlichenen Visum in das Bundesgebiet ein. BF4 wurde im Bundesgebiet geboren.

Die Identität der BF steht nicht fest.

BF1 und BF2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären und verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherten Existenzgrundlage.

BF1 hat in Armenien die Grundschule und danach eine berufsbildende höhere Schule besucht. Nach Abschluss seiner Schulbildung hat er den Militärdienst absolviert und danach die Sportuniversität besucht. Während des Studiums hat BF1 in einem Möbelgeschäft gearbeitet. Zudem hat er bis zu seiner Ausreise mit Autoersatzteilen gehandelt und auch als Automechaniker gearbeitet.

Die Mutter des BF1 hat als Kindergärtnerin, sein Vater als Landwirt gearbeitet. Mittlerweile erhalten beide eine Pension. Beide leben in Armenien. Weiters leben in Armenien zwei Schwestern des BF1 und verfügt er dort auch über ein weit verzweigtes verwandtschaftliches Netzwerk.

BF2 besuchte in Armenien die Schule und schloss ein medizinisches College ab. Danach arbeitete sie als Verkaufsleiterin in einem Geschäft und als Verkaufsmanagerin in einem Möbelhaus. Nach ihrer Verehelichung arbeitete sie für ihren Vater, welcher als Buchhalter tätig war. Dieser ist mittlerweile in Pension. Auch die Mutter und die Schwester der BF2 leben noch in Armenien. Die Schwester ist Verkaufsmanagerin in einem Supermarkt. Auch BF2 verfügt dort über ein weit verzweigtes Netz an Verwandten.

Der minderjährige BF3 verfügt im Herkunftsstaat über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage, ferner ist die Obsorge und Betreuung durch seine Eltern und den Familienverband sowie eine hinreichende Absicherung in seinen altersentsprechenden Grundbedürfnissen gegeben. Dem minderjährigen BF steht ferner kostenfreier und nichtdiskriminierender Zugang zum öffentlichen Schulwesen sowie leistbarer und nichtdiskriminierender Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung zur Verfügung.

BF1 leidet unter Haarausfall und einer Anpassungsstörung in Remission. Sie nimmt derzeit keine Medikamente und erhält derzeit auch keine Therapie in Österreich. Es kann nicht festgestellt werden, dass BF2 aktuell an einer schweren physischen oder psychischen Krankheit leidet, die im Herkunftsstaat nicht behandelbar wär.

II.1.2. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat und Rückkehrbefürchtungen

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF den behaupteten Gefährdungen ausgesetzt waren bzw. im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefahr ausgesetzt wären. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die BF wegen Ihrer Beziehung oder ihrer Ehe einer von einem gewissen Artur oder diesem nahestehenden mächtigen Politikern oder Oligarchen ausgehenden individuellen Gefährdung ausgesetzt waren oder ihnen aus diesem Grund im Fall einer Rückkehr nach Armenien eine solche Gefährdung drohen würde. Auch für BF3 lässt sich daraus keine Gefährdung ableiten.

Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in ihrem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine im Herkunftsstaat drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge oder organisierte kriminelle Handlungen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat von einer existentiellen Notlage betroffen waren oder einer solchen im Falle ihrer Rückkehr ausgesetzt sein würden.

II.1.3. Zur Lage der Beschwerdeführer im Bundesgebiet:

Die BF haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner ihnen nahe stehenden Person in Österreich zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten. BF1 und BF2 halten sich seit Ende Dezember 2016, nunmehr also etwas mehr als dreieinhalb Jahre, im Bundesgebiet auf. Sie reisten mit einem erschlichenen Visum in das Bundesgebiet ein, sind seither Asylwerber und verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel. BF3 wurde im Jahr 2017 im Bundesgebiet geboren.

Die Beschwerdeführer beziehen seit Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.

Sie haben Deutschkurse und einen Werte- und Orientierungskurs besucht. Sie können sich im Alltag in der deutschen Sprache, etwa auf dem Sprachniveau A2, verständigen.

BF1 hat ein Gewerbe angemeldet. Es kann nicht festgestellt werden, welche Einkünfte BF1 durch seine Tätigkeit erzielt. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob er Einnahmen aus der angemeldeten selbständigen Tätigkeit erzielt oder (zusätzlich) aus einer unselbständigen Tätigkeit. Festgestellt werden kann jedoch, dass BF1 Tätigkeiten gegen Entgelt erbringt, die nicht von seiner Gewerbeberechtigung umfasst.

BF1 konnte einen „Arbeitsvorvertrag“, abgeschlossen zwischen ihm und „ XXXX “ am 21.07.2020, vorlegen, welchem zufolge BF1 als Montagetischler eingestellt würde.

Die BF sind nicht Mitglied in Organisationen oder Vereinen. Sie betätigen sich auch nicht ehrenamtlich.

Die BF haben ein Empfehlungsschreiben vorgelegt.

Im Strafregister scheint keine Verurteilung der BF auf. BF1 hat jedoch eine Heiratsurkunde total gefälscht und wurde deshalb angezeigt. Die Staatsanwaltschaft ist von der Verfolgung dieser Tat nach Ablauf einer Probezeit zurückgetreten.

Die BF haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner ihnen nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist.

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

II. 1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

II.1.4.1. Zur Situation in Bezug auf die aktuell vorherrschende Pandemie durch den Corona-Virus werden folgende Feststellungen getroffen:

Am 26.07.2020 waren in Armenien 36996 Corona-Falle bekannt. 26243 Personen sind wieder genesen, 700 Personen starben.

Aufgrund der durch den Corona-Virus bedingten Atemwegserkrankung COVID-19 wurde am 16. März 2020 der Ausnahmezustand in Armenien verhängt, der bereits vier Mal verlängert wurde. Die aktuelle Verlängerung gilt bis 12.08.2020. Eine Einreise für Staatsangehörige der COVID-19 Risikoländer, darunter auch Österreich, ist mit gewissen Ausnahmen zurzeit nicht möglich. Der Aktionsplan der Regierung umfasst neben den Einreisebeschränkungen beispielsweise auch medizinische Kontrollen an den Grenzen, eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, eine Verpflichtung zum Tragen von Masken an öffentlichen Orten oder die Verhängung von Quarantäne für bestimmte Personen.

Quellen:

https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-armenien.html

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/armeniensicherheit/201872; https://am.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/

II.1.4.2. Zur aktuellen Lage in Armenien werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:

Politische Lage

Letzte Änderung: 18.3.2020

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a). Der Premierminister und der Präsident werden vom Parlament gewählt. Der Premierminister ist der Regierungsvorsitzende, während der Präsident vorwiegend zeremonielle Funktionen ausübt (USDOS 11.3.2020).

Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 7.5.2019

•        ARMENPRESS – Armenian News Agency (10.12.2018): My Step – 70.44%, Prosperous Armenia – 8.27%, Bright Armenia – 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 21.3.2019

•        ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/, Zugriff 8.5.2019

•        BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605, Zugriff 21.3.2019

•        CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 7.5.2019

•        OSCE/ODIHR – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true, Zugriff 21.3.2019

•        RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html, 21.3.2019

•        RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html, Zugriff 21.3.2019

•        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 13.3.2020

•        168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government’s economic policy – PM Pashinyan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html, Zugriff 21.3.2019

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Letzte Änderung: 18.3.2020

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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