TE Bvwg Beschluss 2020/8/17 L519 2233956-1

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Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

L519 2233956-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Rae DELLASEGA & KAPFERER, gegen Spruchpunkt V. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2020, Zl. 207263509-180991405, beschlossen:

A)       Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:


I.         Verfahrensgang und Sachverhalt

1.Der BF, ein STA der Türkei, hält sich seit Mai 2000 im Bundesgebiet auf. Seit 27.4.2011 verfügt der BF über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“. In Österreich leben auch die Eltern des BF, 2 Geschwister, eine Tante sowie Cousins und Cousinen.

2. Im Zeitraum von Juli 2010 bis November 2019 wurde der BF insgesamt 8 Mal wegen verschiedener Delikte ( §§ 125, 15 83(1), 83(1),84(1), 83(1), 83 (1), 84(2)Z.1, 85 Z.1, 85 Z.2, , 153c (1), 84(4)StGB sowie §§ 27 (1) und (2), 28a(1)5.Fall und 27(2) SMG) strafgerichtlich verurteilt. Derzeit befindet sich der BF in der JA XXXX in Haft.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.7.2020 wurde gem. § 52 Abs.5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung den BF betreffend erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in die Türkei gem. § 46 FPG zulässig ist. Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z.1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gem. § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Zur Aberkennung der aufschieben Wirkung führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist und überdies Fluchtgefahr bestehe. Der BF sei insgesamt 8 Mal verurteilt worden, davon 3 Mal wegen schwerer Körperverletzung, eine davon mit schweren Dauerfolgen. Außerdem sei der BF wegen des Verbrechens des Suchtmittelhandels und des Verbrechens des unerlaubten Umganges mit Suchtmitteln verurteilt worden. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei daher im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten.

Der BF sei für die Behörde nicht mit Sicherheit greifbar. Er habe zwar in Österreich eine Meldeadresse und soziale Anknüpfungspunkte, jedoch indiziere bereits seine Flucht aus der JA XXXX die Fluchtgefahr. Dass der BF freiwillig in die JA zurückgekehrt ist, könne nicht die Verlässlichkeit und die Minimierung der Fluchtgefahr untermauern. Dieses Verhalten zeige, dass der BF nicht bereit ist, sein Verhalten zu reflektieren oder gar zu ändern. Vielmehr handle es sich um einen deutlichen Hinweis, dass der BF keinerlei Interesse hat, die Sanktionen für sein Verhalten zu akzeptieren und die Verantwortung dafür zu tragen. Es konnte auch nicht erkannt werden, was den BF an Österreich binden und ein neuerliches Untertauchen innerhalb des Bundesgebietes nach der Haft verhindern sollte.

4. Der BF erhob gegen diesen Bescheid des BFA am 3.8.2020 Beschwerde und beantragte, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Begründet wurde dieser Antrag dahingehend, dass sich der BF derzeit in der JA XXXX befindet, weshalb die sofortige Ausreise einerseits nicht erforderlich und andererseits nicht möglich ist. In Österreich in Haft befindliche Kurden würden wegen drohender Verletzung der Art. 3 und 6 EMRK durch die Landesgerichte wegen der unfairen Verfahren und die unmenschlichen Haftbedingungen nicht an türkische Strafbehörden ausgeliefert. Beim BF handle es sich um einen Kurden aus XXXX , denen von der Türkei regelmäßig PKK-Nähe attestiert wird und welche bei einer Rückkehr in die Türkei regelmäßig inhaftiert werden. Außerdem habe der BF ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich.

5. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten, werden durch das BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) BGBl I 2012/87, geregelt. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt (§ 1 leg cit).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung in Senaten vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (AsylG, BFA-VG, VwGVG) nicht getroffen, es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 leg. cit. erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

A) Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

1. Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG ist vom Bundesamt die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung aberkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Z.3 leg.cit. setzt Fluchtgefahr voraus.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

2. Mit Spruchpunkt V. des gegenständlich angefochtenen Bescheides erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG ab.

Nach der derzeitigen Aktenlage und ausgehend vom Antrags- bzw. vom Beschwerdevorbringen besteht für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA –Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Entsprechend der nachvollziehbaren und schlüssigen Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde ist davon auszugehen, dass dem BF bei einer Überstellung in die Türkei keine Verletzung iSd Art 3 bzw. 8 EMRK droht.

Weiter ist weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus dem Akteninhalt ein Grund hervorgekommen, dass die BF in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK), auf Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung (Art. 3 EMRK), auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) oder in seinem Recht betreffend die Abschaffung der Todesstrafe sowohl in Friedens- als auch Kriegszeiten (Protokolle Nr. 6, Nr. 13 zur Konvention) ernsthaft bedroht werden würde, wenn er in seinen Herkunftsstaat Türkei zurückkehrt und dort das Ergebnis des Verfahrens abwartet.

Soweit in der Beschwerde behauptet wird, dass österreichische Strafgerichte kurdische Straftäter, die in Österreich in Haft sind, nicht an türkische Strafbehörden ausliefern, wird die Situation insofern erkannt, als es beim BF um keine Auslieferung an türkische Strafbehörden geht, sondern vielmehr darum, dass der BF nach Verbüßung seiner Strafhaft unverzüglich in die Türkei reist. Entgegen den Beschwerdeausführungen kann aus Sicht des BVwG nicht festgestellt werden, dass kurdische Türkeirückkehrer allein aufgrund des Umstandes, dass sie aus der Region XXXX stammen, systematisch inhaftiert würden. Den Kontakt zu seiner in Österreich lebenden Familie kann der BF auch telefonisch, via Skype, Zoom, e-mail etc. oder durch Besuche der Verwandten in der Türkei aufrechterhalten.

Auch ist weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Herkunftsstaat abzuleiten.

Vor diesem Hintergrund ist – jedenfalls im Rahmen des gegenständlichen Provisorialverfahrens – kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer den Ausgang des Beschwerdeverfahrens nicht auch in der Türkei abwarten könnte. Insofern erfolgte die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung seitens der belangten Behörde völlig zu Recht.

3. Da die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht erfolgte und die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L519.2233956.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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