Entscheidungsdatum
27.08.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W110 2216862-1/43E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und den Richter Dr. Christian EISNER sowie den Richter Dr. Thomas HORVATH als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid der Schienen-Control Kommission vom 18.2.2019, Zl. SCK-18-030, betreffend Maßnahmen der Wettbewerbsaufsicht, nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.8.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 74 Abs. 1 Z 5 iVm § 59 Abs. 8 und § 67d Abs. 7 Eisenbahngesetz als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG iVm Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.2.2019 erklärte die Schienen-Control Kommission als nunmehr belangte Behörde gemäß § 74 Abs. 1 Z 3, 5 und 6 Eisenbahngesetz 1957, BGBl. 60/1957 idF BGBl. I 60/2019 (im Folgenden: EisbG), die in Spruchpunkt 1. wörtlich wiedergegebenen Passagen der auf der Internetseite der nunmehrigen Beschwerdeführerin veröffentlichten „Information über geplante wesentliche Änderungen der Entgeltregelungen für Marktaufschläge im Wegeentgeltmodell 2020 in Abhängigkeit vom Ausgang der anhängigen Genehmigungsverfahren für Marktaufschläge der Wegeentgeltmodelle 2018 und 2019“ (im Folgenden: Marktinformation) für unwirksam.
In Spruchpunkt 2. trug die belangte Behörde der Beschwerdeführerin auf, die für unwirksam erklärten Teile der Marktinformation binnen fünf Arbeitstagen ab Bescheidzustellung aus dem auf ihrer Internetseite abrufbaren Dokument zu entfernen und ab Bescheidzustellung jede Berufung auf diese Passagen zu unterlassen (Spruchpunkt 3.).
In ihrer Bescheidbegründung stellte die Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges die Marktinformation der Beschwerdeführerin samt den darin tabellarisch dargestellten Verrechnungsalternativen zum Wegeentgeltmodell 2020, das in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2020 (im Folgenden: SNNB 2020) veröffentlicht wurde, fest. Der Antrag auf Genehmigung der zum Wegeentgelt 2020 begehrten Aufschläge sei von der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 7.9.2018 eingebracht worden und das Verfahren noch anhängig. Die Frist für die Bestellung von Fahrwegkapazität für die Netzfahrplanperiode 2020 werde in den SNNB 2020 mit 8.4.2019 festgelegt. Die Genehmigungsverfahren zu den begehrten Aufschlägen für die Wegeentgeltmodelle 2018 und 2019 würden zu den genannten Geschäftszahlen bei der belangten Behörde geführt.
Rechtlich setzte sich die belangte Behörde zunächst mit ihrer Zuständigkeit zur Unwirksamerklärung der gegenständlichen Passagen der Marktinformation auseinander. Die Marktinformation sei als Veröffentlichung iSd § 67d Abs. 7 EisbG zu qualifizieren und angesichts ihres Inhalts sowie der normierten Frist als vorgezogener Teil der SNNB 2020 anzusehen. Dass die Marktinformation nicht in den SNNB 2020, sondern in einem separaten Dokument veröffentlicht worden sei, ändere nichts daran, dass die Marktinformation die Wegeentgelte für die Nutzung der Schieneninfrastruktur und damit einen Regelungsinhalt der SNNB 2020 betreffe.
Was den Inhalt der Marktinformation anbelangt, ging die belangte Behörde davon aus, dass sich die Beschwerdeführerin Änderungen der Wegeentgelte für die Netzfahrplanperiode 2020 in Abhängigkeit vom Ausgang der verwaltungsbehördlichen Genehmigungsverfahren „in jede Richtung hin“ vorbehalten und somit gegebenenfalls auch erhöhen habe wollen. Dies stehe im Widerspruch zu den Vorgaben der §§ 59 und 67d EisbG, nämlich insbesondere zu den Veröffentlichungsfristen, die an die Frist für die Einbringung von Begehren auf Zuweisungskapazität anknüpften. Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen habe drei Monate vor Ablauf dieser Frist beabsichtigte Änderungen wesentlicher Bestandteile der Entgeltregel im Hinblick auf Aufschläge zum Wegeentgelt für künftige Netzfahrplanperioden zu veröffentlichen. Nachträgliche Änderungen in Umsetzung behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen ließen nur eine Reduktion oder Entfernung veröffentlichter Entgelte zu.
Die Beschwerdeführerin habe – so die belangte Behörde – mit ihren Entgeltvarianten nicht eine Umsetzung behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen, sondern – in Reaktion auf den Ausgang des jeweiligen Verfahrens – eine Anwendung anderer Wegeentgelte und Aufschläge (als ursprünglich vorgesehen) beabsichtigt. Diese Vorgehensweise widerspreche jedoch dem Zweck der materiengesetzlichen Vorgaben, die einer Planbarkeit und Vorhersehbarkeit der Zugangsbedingungen dienten, und konterkariere die unionsrechtliche Zielsetzung im Hinblick auf das Transparenzgebot und die effiziente Nutzung der Eisenbahninfrastruktur. Die Veröffentlichung mehrerer alternativer Entgeltmodelle biete den Fahrwegkapazitätsberechtigten gerade keine Unterstützung ihrer unternehmerischen Planungen. Die Empfehlung der Beschwerdeführerin an die Eisenbahnverkehrsunternehmen, jeweils die Kalkulation mit der preislich ungünstigsten Variante ihren Planungen zugrunde zu legen, würde zu Zugangsbarrieren für den Eintritt neuer Eisenbahnverkehrsunternehmen führen und damit eine diskriminierende Wirkung im Hinblick auf potenzielle Marktteilnehmer entfalten.
2. Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende Beschwerde vom 22.3.2019, in der die Unzuständigkeit der belangten Behörde, die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheids sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurden. U.a. bestritt die Beschwerdeführerin die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Überprüfung der vorliegenden Marktinformation. Die von der belangten Behörde dazu vertretene Ansicht, wonach es sich bei der Marktinformation um einen vorgezogenen Teil der SNNB 2020 handle, gehe am Regelungsinhalt der gesetzlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Überprüfung von SNNB vorbei. Selbst wenn die vorliegende Marktinformation als vorgezogener Teil bzw. als Entwurf zu den SNNB anzusehen sei, wäre sie mit der Veröffentlichung der endgültigen und verbindlichen SNNB 2020 für die bevorstehende Netzfahrplanperiode überholt und das diesbezüglich eingeleitete wettbewerbliche Aufsichtsverfahren von der belangten Behörde einzustellen gewesen.
Inhaltlich nahm die Beschwerdeführerin den Standpunkt ein, dass der veröffentlichte Inhalt der Marktinformation jedenfalls als „kommerzielle Kommunikation“ durch die Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 10 EMRK und Art. 11 der Grundrechtecharta geschützt sei. In verfassungs- und unionsrechtskonformer Interpretation seien die entsprechenden eisenbahnrechtlichen Bestimmungen unter Beachtung der Meinungsäußerungsfreiheit auszulegen und der angefochtene Bescheid wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte aufzuheben. Im Übrigen sei es nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, ob der Beschwerdeführerin überhaupt ein subjektives Recht auf Vornahme zukünftiger Entgeltänderungen zustehe; nur dann, wenn ein subjektives Recht der Beschwerdeführerin nicht bestehe, könnte auch der Vorbehalt der Ausübung unzulässig sein. Die Annahme der belangten Behörde, dass nach der fristgerechten Veröffentlichung der SNNB nur noch eine Entgeltreduktion (nicht aber eine Erhöhung) zulässig sei, stehe in Widerspruch zu § 59 Abs. 2 EisbG, wonach die SNNB auf dem neuesten Stand zu halten und bei Bedarf zu ändern seien. Eine Zuständigkeit zur Bestimmung des ministeriell vorgegebenen Kostendeckungsniveaus komme der belangten Behörde nicht zu. Für den Fall, dass die erwarteten behördlichen bzw. gerichtlichen Entscheidungen in den Genehmigungsverfahren vom ursprünglichen Antrag der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Gestaltung der Wegeentgelte 2020 abwichen, wäre zwingend eine Anpassung vorzunehmen, die gegebenenfalls eine Nach- bzw. Rückverrechnung erfordern würde. Es liege daher vor allem im Interesse der Eisenbahnverkehrsunternehmen, vorab Informationen über die in einem solchen Fall möglicherweise zu erwartenden finanziellen Auswirkungen zu erhalten, um ihnen eine bessere Planbarkeit zu ermöglichen. Mit der vorliegenden Marktinformation habe die Beschwerdeführerin lediglich bekannt gegeben, dass sie wesentliche Bestandteile des Marktaufschlagsmodells 2020 abhängig vom Ausgang der anhängigen Verfahren ändern werde, um den verbindlichen Vorgaben der belangten Behörde rückwirkend entsprechen zu können. In ihren SNNB 2020 habe sie nur ein Entgeltmodell veröffentlicht und beabsichtige an sich auch nicht, das Modell abzuändern. Abschließend machte die Beschwerdeführerin die Verletzung des Parteiengehörs sowie den Umstand geltend, dass die belangte Behörde die übrigen Eisenbahnverkehrsunternehmen, die sich im verwaltungsbehördlichen Verfahren trotz Gelegenheit zur Stellungnahme nicht geäußert hatten, nicht einvernommen habe: Dies hätte zutage treten lassen, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen – entgegen der „Besorgnis“ der belangten Behörde – die Inhalte der Marktinformation als eine Hilfestellung für ihre Planungen bzw. als Zusatzinformation begrüßt hätten.
3. Mit Beschluss vom 8.4.2019 gab das Bundesverwaltungsgericht dem Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht statt.
4. In ihrer Beschwerdebeantwortung vom 13.5.2019 vertrat die XXXX GmbH als erstmitbeteiligte Partei u.a. die Ansicht, dass die von der Beschwerdeführerin behaupteten „erheblichen Rechtsunsicherheiten“ infolge noch offener Genehmigungsverfahren und die in diesem Zusammenhang dargestellten Alternativszenarien nur dazu dienen würden, eine Rückverrechnung nicht beantragter Entgelte zu gewährleisten. Die in der Marktinformation angeführten Varianten einer möglichen Verrechnung seien für die Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht hilfreich, sondern irreführend und zielten letztlich nur darauf ab, andere als die begehrten Kosten verrechnen zu dürfen. Eine Marktinformation, aus der sich nicht bestimmen lasse, welche konkreten Änderungen die Beschwerdeführerin tatsächlich anstrebe, sei weder transparent, noch entspreche dies den gesetzlichen Vorgaben.
5. Mit Erkenntnis vom 2.8.2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ab. In den Entscheidungsgründen ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die belangte Behörde zur rechtlichen Kontrolle der Marktinformation zuständig gewesen und eine Änderung der SNNB nach Ablauf der gesetzlichen Vorlauffristen in dem hier in Rede stehenden Umfang unzulässig sei. Die Revision wurde wegen des Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für zulässig erklärt.
6. Anlässlich der dagegen erhobenen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25.2.2020, Ro 2019/03/0029, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Der Verwaltungsgerichtshof ging davon aus, dass die in Rede stehenden Passagen der Marktinformation der Kontrolle der belangten Behörde unterliegen. Es könne keinen Unterschied machen, ob Informationen, die von Gesetzes wegen zwingend in den SNNB enthalten sein müssen, auch tatsächlich in diesen abgebildet sind, andernfalls stünde es in der Disposition des Infrastrukturbetreibers, die Bedingungen für die Nutzung der Schieneninfrastruktur der Wettbewerbskontrolle zu entziehen. Was die Rechtsfrage, ob die in der Marktinformation angekündigten Änderungen der in den SNNB veröffentlichten Entgeltregelungen zulässig sind, anbelangt, stelle dies - so der Verwaltungsgerichtshof - eine komplexe Rechtsfrage iSd Judikatur des EGMR dar und hätte eine Verhandlung durchgeführt werden müssen.
7. Im fortgesetzten Verfahren gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab, in der sie ihren Standpunkt, nämlich die Rechtmäßigkeit des Inhalts der Marktinformation bekräftigte. Auch die erstmitbeteiligte Partei wiederholte ihre Rechtsansicht im Lichte des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes.
8. Am 11.8.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an der die Verfahrensbeteiligten, darunter auch Vertreter mehrerer Eisenbahnverkehrsunternehmen (nämlich der XXXX [Zweitmitbeteiligte], der XXXX [Drittmitbeteiligte] und der XXXX [Viertmitbeteiligte]), teilnahmen und in der die offenen Rechtsfragen erörtert wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitig erhobene und zulässige Beschwerde – durch einen gemäß § 7 Abs. 1 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz gebildeten Senat – erwogen:
1. Folgender Sachverhalt steht fest:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen gemäß § 1a EisbG, Zuweisungsstelle iSd § 62 Abs. 1 Z 1 EisbG sowie entgelterhebende Stelle iSd § 62b Abs. 1 Z 1 EisbG.
1.2. Die mit Stand 7.9.2018 auf der Internetseite der Beschwerdeführerin veröffentlichte Information über geplante wesentliche Änderungen der Entgeltregelungen für Marktaufschläge hatte (samt Überschrift) folgenden Inhalt (die von der belangten Behörde für unwirksam erklärten Textteile sind hervorgehoben; die in den Unterpunkten b. – d. enthaltenen Tabellen wurden ebenfalls für unwirksam erklärt):
„Information über geplante wesentliche Änderungen der Entgeltregelungen für Marktaufschläge im Wegeentgeltmodell 2020 in Abhängigkeit vom Ausgang der anhängigen Genehmigungsverfahren für Marktaufschläge der Wegeentgeltmodelle 2018 und 2019
(Stand 7.September 2018)
[…]
2. Für die Netzfahrplanperiode 2020 geplantes Vorgehen
Nunmehr steht das Genehmigungsverfahren betreffend Marktaufschläge in der Netzfahrplanperiode 2020 an. Die in Bälde erwarteten erstinstanzlichen Entscheidungen über die Höhe der Marktaufschläge für die Netzfahrplanperioden 2018 bzw. 2019 können – ebenso wie die beantragte Entscheidung der Schienen-Control Kommission (SCK) für die Netzfahrplanperiode 2020 – daher noch Auswirkungen auf das geplante Wegeentgeltmodell für die Netzfahrplanperiode 2020 haben. Insbesondere können sich Änderungen bei der Marktsegmentierung, in der Höhe der unmittelbar aufgrund des Zugbetriebes anfallenden Kosten bzw. den Marktaufschlägen für jedes einzelne EVU und in jede Richtung ergeben.
Daher behält sich die XXXX explizit vor, aufgrund erfolgter Entscheidungen der SCK und diese überprüfender Instanzen (auch unterjährige) Änderungen hinsichtlich der tatsächlichen Wegeentgelthöhe in beide Richtungen für jedes Marktsegment vorzunehmen. Insbesondere können auch Änderungen in der Höhe der unmittelbar aufgrund des Zugbetriebes anfallenden Kosten („direkte Kosten“) bzw. der Marktaufschläge (jeweils in beide Richtungen) als Folge dieser Entscheidungen erforderlich werden.
[…]
Die XXXX beabsichtigt allerdings für den Fall, dass die in Kürze erwarteten erstinstanzliche[n] Bescheide in den Genehmigungsverfahren betreffend Marktaufschläge für 2018 bzw 2019 Abweichungen vom beantragten Wegeentgeltmodell vorsehen, die Notwendigkeit einer bescheidkonformen Adaptierung des Wegeentgeltmodells im Rahmen der ihr alleine obliegenden freien Methodenwahl auch für die Netzfahrplanperiode 2020 zu prüfen und eine solche Adaptierung allenfalls vorzunehmen. Dasselbe Vorgehen ist für den Fall geplant, dass im Rechtsweg ergehende Entscheidungen wiederum Änderungen vorsehen sollten.
Wenngleich der Ausgang der Genehmigungsverfahren für Marktaufschläge 2018 bzw. 2019 nicht prognostiziert werden kann, da die diesbezüglichen SCK-Verfahren noch im Laufen (bzw. abhängig von den im Rechtsgang ergehenden Entscheidungen) sind, hat die XXXX auf Grundlage der derzeit in den anhängigen Verfahren vorliegenden „Gutachten zum Antrag der XXXX zur Genehmigung von Aufschlägen gem. § 67d Abs. 6 EisbG“ des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. Götz („Götz-Gutachten“) alternativ in Betracht kommende Modelle der Berechnung der Marktaufschläge identifiziert. Weitere alternative Modelle könnten sich aus dem Umstand ergeben, dass die SCK von der Ansicht der XXXX abweichende Berechnungen der direkten Kosten vornimmt, aus denen sich dann Änderungen der Marktaufschläge ergeben können, die zur Erfüllung des vom bmvit zwingend vorgegebenen Erlösziels notwendig werden können.
Auf dieser Basis vermag die XXXX nicht einzuschätzen, welche tatsächliche Wegeentgelthöhe in den jeweiligen Marktsegmenten letztlich aufgrund diesbezüglich richtungweisender Entscheidungen der SCK zu verrechnen sein wird. Gesetzt den Fall, dass nicht der von der XXXX derzeit ihren Anträgen zugrundegelegten Modellvariante für 2018 bzw. 2019 sowie 2020 gefolgt wird, könnten sich teils gravierende Abweichungen der tatsächlichen Wegeentgelthöhe in den jeweiligen Marktsegmenten ergeben.
Um den Eisenbahnverkehrsunternehmen die unter diesen Bedingungen weitestmögliche Planungssicherheit zu geben, hat die XXXX die nach derzeitigem Kenntnisstand möglicherweise in Betracht kommenden alternativen Modelle auf Basis des Götz-Gutachtens gerechnet und stellt diese in dieser Veröffentlichung dar (siehe dazu unten Kapitel 3.).
Ausdrücklich festgehalten wird, dass die XXXX in den laufenden Verfahren allen möglichen Änderungen des von ihr beantragten Modells ausdrücklich entgegengetreten ist. Da sie sich als Ergebnis ihrer Prüfung der erwarteten Bescheide für 2018 bzw. 2019 möglicherweise dennoch gezwungen sehen wird, das Wegeentgeltmodell 2020 im Sinne der unten näher dargestellten (oder ähnlich gestalteter) Alternativen zu ändern, wird den Eisenbahnverkehrsunternehmen dringend nahegelegt, unter Anwendung des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht zwischen den unten dargestellten Wegeentgelten (siehe Kapitel 3. Unterpunkt a. bis d.) jeweils das für sie ungünstigste zu identifizieren und ihrer Planung für das Netzfahrplanjahr 2020 zugrunde zu legen.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die nachstehenden Informationen den aktuellen Planungsstand des Wegeentgeltmodells bzw. der bisher identifizierten Alternativen wiedergeben. Änderungen können sich insbesondere aufgrund der ausstehenden Entscheidungen seitens der SCK ergeben.
3. Darstellung der Wegeentgelte in den einzelnen Modellvarianten
Die Darstellung erfolgt in der Art und Weise, wie sie in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2020 zu veröffentlichen wären, nämlich in €/Zugkilometer (Zugkilometerkomponente - bestehend aus direkten Kosten und Marktaufschlag) und €/Bruttotonnenkilometer (Bruttotonnenkilometerkomponente - bestehend aus den direkten Kosten). Die nachstehend unter a. bis d. angeführten Marktsegmente bzw die Höhe der direkten Kosten stellt den aktuellen Planungsstand dar, diesbezüglich können sich insbesondere noch Änderungen aufgrund der ausstehenden regulatorischen Entscheidungen ergeben.
a. Wegeentgelt 2020 basierend auf dem derzeitigen Antrag auf Genehmigung von Marktaufschlägen
Die nachstehend angeführten Wegeentgelte ergeben sich auf Grundlage des Antrags der XXXX vom 7. September 2018 an die SCK auf Genehmigung von Marktaufschlägen.
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1 Dienstzüge (Lokzugfahrten und Leerpersonenzüge) stellen kein eigenes Marktsegment dar.
2 Dienstzüge (Lokzugfahrten und Leerpersonenzüge) stellen kein eigenes Marktsegment dar.
b. Modell I Götz-Gutachten3 für die Netzfahrplanperiode 2020
Im Modell I des Götz-Gutachtens müsste das Marktsegment „Güterverkehr manipuliert“ getrennt werden in den „Güterverkehr manipuliert – Kombinierter Verkehr“ und „Güterverkehr manipuliert – Einzelwagenverkehr“, da in diesem Modell die Wegeentgelte für den gesamten „Güterverkehr manipuliert“ nicht in Höhe der direkten Kosten festgelegt werden.
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3 Seite 77ff des Götz-Gutachtens
4 Dienstzüge (Lokzugfahrten und Leerpersonenzüge) stellen kein eigenes Marktsegment dar.
5 Dienstzüge (Lokzugfahrten und Leerpersonenzüge) stellen kein eigenes Marktsegment dar.
c) Modell II Götz-Gutachten6 für die Netzfahrplanperiode 2020
Im Modell II des Götz-Gutachtens wird aufgrund der geringeren Tragfähigkeit und im Einklang mit dem Schreiben des bmvit7 vom 16. März 2018 für das Marktsegment „Güterverkehr manipuliert“ (bestehend aus „Kombinierten Verkehr“ bzw „Einzelwagenverkehr“) kein Marktaufschlag festgelegt.8
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6 Seite 94f des Götz-Gutachtens
7 Ersuchen der Schienen-Control Kommission um Amtshilfe zu den Verfahren SCK-16-012 und SCK-17-009 an das bmvit“
8 Dies gilt vorbehaltlich einer anderslautenden Entscheidung in den anhängigen Verfahren, die zum Schluss kommen könnte, dass entweder der „Kombinierte Verkehr“ oder der „Einzelwagenverkehr“ tragfähig ist und daher Marktaufschläge für einen dieser beiden Verkehre festgelegt werden müssen. In diesem Fall wäre der Marktaufschlag für diesen Verkehr höher als nach dem Modell I des Götz-Gutachtens (siehe b)
9 Dienstzüge (Lokzugfahrten und Leerpersonenzüge) stellen kein eigenes Marktsegment dar.
10 Dienstzüge (Lokzugfahrten und Leerpersonenzüge) stellen kein eigenes Marktsegment dar.
d. Modell III Götz-Gutachten11 für die Netzfahrplanperiode 2020
Im Modell III des Götz-Gutachtens wird aufgrund der geringeren Tragfähigkeit und im Einklang mit dem Schreiben des bmvit12 vom 16. März 2018 für das Marktsegment „Güterverkehr manipuliert“ (bestehend aus „Kombinierten Verkehr“ bzw „Einzelwagenverkehr“) kein Marktaufschlag festgelegt.13
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11 Seite 96f des Götz-Gutachtens
12 Ersuchen der Schienen-Control Kommission um Amtshilfe zu den Verfahren SCK-16-012 und SCK-17-009 an das bmvit
13 Dies gilt vorbehaltlich einer anderslautenden Entscheidung in den anhängigen Verfahren, die zum Schluss kommen könnte, dass entweder der „Kombinierte Verkehr“ oder „Einzelwagenverkehr“ tragfähig ist und daher Marktaufschläge für einen dieser beiden Verkehre festgelegt werden müssen. In diesem Fall wäre der Marktaufschlag für diesen Verkehr höher als nach dem Modell I des Götz-Gutachtens (siehe b)
14 Dienstzüge (Lokzugfahrten und Leerpersonenzüge) stellen kein eigenes Marktsegment dar.
15 Dienstzüge (Lokzugfahrten und Leerpersonenzüge) stellen kein eigenes Marktsegment dar.
1.3. Die für das Jahr 2020 veröffentlichten SNNB, gültig vom 15.12.2019 bis 12.12.2020, enthalten unter Punkt 6.1.5 die unter Punkt 3.a) der Version Stand 7.9.2018 angeführten Entgeltsätze zum Wegeentgeltmodell 2020. Als Termin für den Wechsel der Netzfahrplanperiode legte die Beschwerdeführerin den zweiten Samstag im Dezember 24.00 Uhr fest. Die SNNB 2020 sind daher vom 15.12.2019, 0.00 Uhr, bis 12.12.2020, 24.00 Uhr, gültig. Die Frist für die Bestellung von Fahrwegkapazität für die Netzfahrplanperiode 2020 ist in den SNNB 2020 mit 8.4.2019 festgelegt.
1.4. Mit Schriftsatz vom 7.9.2018 hat die Beschwerdeführerin gemäß § 67d Abs. 6 EisbG die Genehmigung der oben unter Punkt 3.a) der Marktinformation (Stand 7.9.2018) dargestellten Aufschläge zum Wegeentgelt 2020 beantragt. Das Verfahren ist bei der belangten Behörde zu GZ: SCK-18-025 anhängig.
Das Genehmigungsverfahren zu den von der Beschwerdeführerin für die Netzfahrplanperiode 2019 beantragten Aufschlägen zum Wegeentgelt wird bei der belangten Behörde zu GZ: SCK-17-009 geführt. Das Verfahren zur Genehmigung der begehrten Marktaufschläge für die Netzfahrplanperiode 2018 ist bei der belangten Behörde zu GZ: SCK-16-012 anhängig.
2. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsakts. Der Sachverhalt konnte auf Grund der Aktenlage festgestellt werden und war bereits im Verfahren vor der belangten Behörde unstrittig.
3. Rechtlich folgt daraus:
Zu A) In der Sache
3.1. Die maßgebenden Bestimmungen des EisbG lauten auszugsweise wie folgt:
„Schienennetz-Nutzungsbedingungen
§ 59. (1) […]
(2) Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen hat seine Schienennetz-Nutzungsbedingungen auf dem neuesten Stand zu halten, bei Bedarf zu ändern und gegenüber jedem Fahrwegkapazitätsberechtigten in gleicher Weise anzuwenden.
[…]
(4) In den Schienennetz-Nutzungsbedingungen haben Angaben zur Eisenbahninfrastruktur, die Fahrwegkapazitätsberechtigten zur Verfügung steht, und Angaben über die Zugangsbedingungen zur Eisenbahninfrastruktur einschließlich der wesentlichen administrativen, technischen und finanzielle Modalitäten enthalten zu sein. Darüber hinaus haben in Schienennetz-Nutzungsbedingungen Informationen über die Bedingungen, einschließlich der administrativen, technischen und finanziellen Modalitäten für den Zugang zu an ihre Eisenbahninfrastruktur angeschlossenen Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und über die Gewährung der Serviceleistungen, die in solchen Serviceeinrichtungen erbracht werden, enthalten zu sein oder es hat ein Verweis auf eine Internetseite enthalten zu sein, in der diese Informationen unentgeltlich in elektronischer Form in für jedermann zugänglicher Weise veröffentlicht sind. In den Schienennetz-Nutzungsbedingungen haben insbesondere enthalten zu sein:
1. ein Abschnitt, der die Art der Eisenbahninfrastruktur, die den Zugangsberechtigten zur Verfügung steht, und Zugangsbedingungen angibt, wobei diese Angaben auf Jahresbasis mit dem veröffentlichten Eisenbahninfrastrukturregister im Einklang zu stehen oder auf dieses zu verweisen haben; insbesondere hat dieser Abschnitt zu enthalten:
a) die technische Beschreibung und betrieblichen Bedingungen für den Zugang zu den einzelnen Strecken, Streckenteilen oder sonstigen Abschnitten der Eisenbahninfrastruktur;
b) die nicht schon in Rechtsvorschriften vorgegebenen, in betrieblichen Vorschriften des Eisenbahninfrastrukturunternehmens enthaltenen Anforderungen, deren Einhaltung für die und bei der Ausübung des Zugangs vorgeschrieben werden soll;
2. ein Abschnitt, der die Entgeltgrundsätze und die Tarife darlegt und insbesondere beinhaltet
a) hinreichende Einzelheiten der Entgeltregelung;
b) ausreichende Informationen zu den Entgelten;
c) andere für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur relevante Angaben zum Mindestzugangspaket und den Zugang zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und zur Gewährung von Serviceleistungen, die in den Serviceeinrichtungen erbracht werden, wenn all dies nur durch einen einzigen Anbieter erbracht wird;
d) Ausführungen im Einzelnen, welche Verfahren, Regeln und gegebenenfalls Tabellen zur Durchführung der §§ 67a, 67d, 67e und 69a Abs. 2 angewandt werden;
e) Angaben zu beschlossenen oder, soweit verfügbar, in den nächsten fünf Jahren vorgesehenen Entgeltänderungen
[…]
(5) Die Bestimmungen in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen müssen so gefasst sein, dass sie der Zuweisungsstelle und der entgelterhebenden Stelle keinen Ermessensspielraum ermöglichen, Fahrwegkapazitätsberechtigte diskriminieren zu können.
(6) Betreiber von Serviceeinrichtungen haben dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen folgende Informationen, die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen enthalten zu sein haben, entweder mitzuteilen, oder diesem eine Internetseite bekanntzugeben, auf der diese Informationen unentgeltlich und in elektronischer Form in für jedermann zugänglicher Weise veröffentlicht sind:
1. entgeltbezogene Informationen;
2. Informationen über die Bedingungen, einschließlich der administrativen, technischen und finanziellen Modalitäten, für den Zugang zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung der Serviceleistungen, die in diesen Serviceeinrichtungen erbracht werden.
(7) Ein Entwurf der Schienennetz-Nutzungsbedingungen ist der Schienen-Control Kommission unverzüglich nach dessen Erstellung vorzulegen.
(8) Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen haben die Schienennetz-Nutzungsbedingungen sowie deren Änderungen mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist (§ 65 Abs. 4) für die Einbringung von Begehren auf Zuweisung von Fahrwegkapazität unentgeltlich in elektronischer Form auf ihrer Internetseite in für jedermann zugänglicher Weise zu veröffentlichen und der Schienen-Control Kommission innerhalb eines Monats ab Erstellung oder Änderung derselben vorzulegen.
[…]
Netzfahrplanerstellung
§ 65. (1) […]
(4) Die Frist für die Einbringung von Begehren von Fahrwegkapazitätsberechtigten auf Zuweisung von Fahrwegkapazität, die in den Netzfahrplan aufgenommen werden soll, darf nicht mehr als zwölf Monate vor dem Inkrafttreten des Netzfahrplanes ablaufen. Spätestens vier Monate nach Ablauf der Frist für die Einbringung von Begehren auf Zuweisung von Fahrwegkapazität durch die Fahrwegkapazitätsberechtigten hat die Zuweisungsstelle einen Netzfahrplanentwurf zu erstellen.
[…]
Ausnahme von den Entgeltgrundsätzen für das Wegeentgelt
Volle Kostendeckung der Wegeentgelte
§ 67d. (1) Sofern die Wegeentgelte und sonstige Erlöse aus dem Betreiben der Eisenbahninfrastruktur nicht ausreichen, um eine volle Deckung der Kosten zu erreichen, können hiezu weitere Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze festgesetzt werden, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist. Die Höhe der Wegeentgelte darf jedoch die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur durch Marktsegmente nicht ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebes anfallen, sowie eine marktgerechte Rendite erbringen können.
(2) Vor Festsetzung weiterer Aufschläge hat das Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu prüfen, inwieweit die Aufschläge für bestimmte Marktsegmente relevant sind; dabei hat es mindestens die im Anhang VI Nr. 1 der Richtlinie 2012/34/EU genannten Verkehrsdienst-Paare in Betracht zu ziehen und die zutreffenden auszuwählen.
(3) Die weitere Untergliederung von Marktsegmenten je nach Art der Güter- oder Personenbeförderung ist zulässig.
(4) Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen hat eine Liste der von ihm festgelegten Marktsegmente zu erstellen, diese in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen zu veröffentlichen und alle fünf Jahre zu überprüfen. In diese Liste sind mindestens die drei folgenden Segmente aufzunehmen:
1. Güterverkehrsdienste,
2. Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages und
3. andere Personenverkehrsdienste.
(5) In der Liste der festgelegten Marktsegmente sind auch Marktsegmente festzulegen, in denen Zugangsberechtigte gegenwärtig nicht tätig sind, in denen sie aber möglicherweise während der Laufzeit der Entgeltregelung Leistungen erbringen werden.
(6) Die Festsetzung weiterer Aufschläge bedarf der Genehmigung der Schienen-Control Kommission, die zu erteilen ist, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Dem Antrag ist die Liste der festgelegten Marktsegmente und das Ergebnis der gemäß Abs. 2 durchzuführenden Prüfung vorzulegen.
(7) Beabsichtigt ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen, wesentliche Bestandteile der im Abs. 1 bis 5 angeführten Entgeltregel zu verändern, hat es diese Veränderung mindestens drei Monate vor Ablauf der im § 59 Abs. 8 angeführten Frist für die Veröffentlichung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen.
[…]“
Diese innerstaatliche Rechtslage ist vor allem vor dem Hintergrund der RL 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.11.2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, ABl L 343 vom 14.12.2012, S. 32, mit der die RL 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.2.2001, ABl L 75 vom 15.3.2001, S. 29, aufgehoben wurde, in der Fassung der Richtlinie 2016/2370/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.12.2016, ABl L 352 vom 23.12.2016, S. 1, zu sehen, deren maßgebliche Bestimmungen lauten:
„Artikel 27
Schienennetz-Nutzungsbedingungen
(1) Der Infrastrukturbetreiber erstellt und veröffentlicht nach Konsultation mit den Beteiligten Schienennetz-Nutzungsbedingungen, die gegen Zahlung einer Gebühr, die nicht höher sein darf als die Kosten für die Veröffentlichung dieser Unterlagen erhältlich sind. […]
[…]
(3) Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen sind auf dem neuesten Stand zu halten und bei Bedarf zu ändern.
(4) Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen sind mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist für die Beantragung von Fahrwegkapazität zu veröffentlichen.
[…]
Artikel 29
Festsetzung, Berechnung und Erhebung von Entgelten
(1) Die Mitgliedstaaten schaffen eine Entgeltrahmenregelung, wobei die Unabhängigkeit der Geschäftsführung gemäß Artikel 4 zu wahren ist.
Vorbehaltlich dieser Bedingung legen die Mitgliedstaaten auch einzelne Entgeltregeln fest oder delegieren diese Befugnisse an den Infrastrukturbetreiber.
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Schienennetz-Nutzungsbedingungen die Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Entgelterhebung enthalten oder auf eine Website verweisen, auf der die Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Entgelterhebung veröffentlicht sind.
Der Infrastrukturbetreiber nimmt die Berechnung und Erhebung des Wegeentgeltes gemäß den geltenden Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Entgelterhebung vor.
[…]
(2) Außer im Fall besonderer Maßnahmen gemäß Artikel 32 Absatz 3 tragen die Infrastrukturbetreiber dafür Sorge, dass die Entgeltregelung in ihrem gesamten Netz auf denselben Grundsätzen beruht.
(3) Die Infrastrukturbetreiber tragen dafür Sorge, dass die Anwendung der Entgeltregelung zu gleichwertigen und nichtdiskriminierenden Entgelten für unterschiedliche Eisenbahnunternehmen führen, die Dienste gleichwertiger Art in ähnlichen Teilen des Markts erbringen, und dass die tatsächlich erhobenen Entgelte den in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen vorgesehenen Regeln entsprechen.
[…]
Artikel 31
Entgeltgrundsätze
[...]
(2) Die Mitgliedstaaten verpflichten den Infrastrukturbetreiber und den Betreiber der Serviceeinrichtung, der Regulierungsstelle alle erforderlichen Informationen zu den erhobenen Entgelten vorzulegen, damit diese ihre in Artikel 56 genannten Funktionen wahrnehmen kann. Diesbezüglich müssen der Infrastrukturbetreiber und der Betreiber der Serviceeinrichtung den Eisenbahnunternehmen nachweisen können, dass die dem Eisenbahnunternehmen gemäß den Artikeln 30 bis 37 tatsächlich berechneten Wege- und Dienstleistungsentgelte den in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen vorgesehenen Verfahren, Regeln und gegebenenfalls Tabellen entsprechen.
[...]
Artikel 32
Ausnahmen von den Entgeltgrundsätzen
(1) Um eine volle Deckung der dem Infrastrukturbetreiber entstehenden Kosten zu erhalten, kann ein Mitgliedstaat, sofern der Markt dies tragen kann, Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist. Die Entgeltregelung muss dem von den Eisenbahnunternehmen erzielten Produktivitätszuwachs Rechnung tragen.
[…]
(3) Im Falle von künftigen spezifischen Investitionsvorhaben, oder von spezifischen Investitionsvorhaben, die nach 1988 abgeschlossen wurden, darf der Infrastrukturbetreiber auf der Grundlage der langfristigen Kosten dieser Vorhaben höhere Entgelte festlegen oder beibehalten, wenn die Vorhaben eine Steigerung der Effizienz oder der Kostenwirksamkeit oder beides bewirken und sonst nicht durchgeführt werden könnten oder durchgeführt worden wären. Eine solche Entgeltregelung kann auch Vereinbarungen zur Aufteilung des mit neuen Investitionen verbundenen Risikos einschließen.
[…]
(5) Zur Vermeidung von Diskriminierung stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die durchschnittlichen Entgelte und die grenzkostenbasierten Entgelte eines bestimmten Infrastrukturbetreibers für gleichartige Nutzungen seiner Fahrwege vergleichbar sind und dass für vergleichbare Verkehrsdienste in ein und demselben Marktsegment dieselben Entgelte erhoben werden. Der Infrastrukturbetreiber hat in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen darzulegen, dass die Entgeltregelung diesen Anforderungen entspricht, soweit dies ohne Offenlegung vertraulicher Geschäftsdaten möglich ist.
(6) Beabsichtigt ein Infrastrukturbetreiber, die wesentlichen Bestandteile der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Entgeltregelung zu ändern, veröffentlicht er diese mindestens drei Monate vor Ablauf der in Artikel 27 Absatz 4 genannten Frist für die Veröffentlichung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen.
[…]“
3.2. Zur rechtlichen Einordnung der Marktinformation
In seinem Erkenntnis vom 25.2.2020, Ro 2019/03/0029, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die verfahrensgegenständlichen Passagen der Marktinformation in untrennbarem Zusammenhang mit den in den SNNB 2020 festgelegten Entgeltregelungen stehen und - da sie aufgrund ihres Inhalts gemäß § 59 Abs. 4 Z 2 EisbG in den SNNB enthalten sein sollten - der Wettbewerbsüberwachung iSd § 74 EisbG durch die belangte Behörde unterlagen.
3.3. Zum Inhalt der Marktinformation
3.3.1. Die SNNB sowie deren Änderungen sind gemäß § 59 Abs. 8 EisbG mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist für die Einbringung von Begehren auf Zuweisung von Fahrwegkapazität unentgeltlich im Internet zu veröffentlichen; mindestens drei Monate vor Ablauf dieser Frist sind gemäß § 67d Abs. 7 EisbG Änderungen wesentlicher Bestandteile der Entgeltregel zur Verrechnung von Aufschlägen zu den Wegeentgelten im Internet zu publizieren (damit wurden die Art. 27 Abs. 4 bzw. Art. 32 Abs. 6 der RL 2012/34/EU umgesetzt).
Da die SNNB gemäß § 59 Abs. 2 EisbG auf dem neuesten Stand zu halten und bei Bedarf zu ändern sind, stellt sich die – für das vorliegende Verfahren maßgebliche – Frage, inwieweit bzw. in welchem Umfang auch nach Ablauf der gesetzlichen Vorlauffristen noch Änderungen der SNNB zulässig sind:
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich in seinem Erk. vom 16.2.2015, 2013/03/0034, mit einer solchen nachträglichen Aufnahme von Entgeltsätzen für bestimmte Leistungen in die SNNB auseinanderzusetzen: Die Infrastrukturbetreiberin hatte die Entgelte als Konsequenz einer behördlichen Entscheidung in die SNNB aufgenommen, da die Regulierungsbehörde die ursprüngliche Annahme der Infrastrukturbetreiberin, dass bestimmte Entgelte nicht in die SNNB aufzunehmen wären, verworfen hatte. Die nachträgliche Aufnahme der Entgelte in die SNNB erklärte die Regulierungsbehörde jedoch mit dem Hinweis auf den Ablauf der Publikationsfrist für unwirksam. Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu – im Hinblick auf die Vorgängerregelung des aktuellen § 59 Abs. 8 EisbG, nämlich § 59 Abs. 2 EisbG idF BGBl. I 38/2004 – Folgendes aus:
„Mit der die beschwerdeführende Partei treffenden Verpflichtung, die Schienennetz-Nutzungsbedingungen auf dem neuesten Stand zu halten und bei Bedarf zu ändern, ist es nicht vereinbar, wenn die belangte Behörde die von der beschwerdeführenden Partei vorgenommene Änderung deshalb für unwirksam erklärt hat, weil dabei die Frist für die Einbringung von Begehren auf Zuweisung von Zugtrassen nicht eingehalten wurde. § 59 Abs. 2 EisbG steht einer ‚bei Bedarf‘ erfolgenden Änderung bereits – unter Einhaltung der in dieser Frist normierten Frist – veröffentlichten SNNB, um einer behördlichen Entscheidung zu entsprechen, nicht entgegen“.
Demnach war nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes eine Änderung der SNNB nach Ablauf der Vorlauffrist zulässig, wenn dies die Folge einer behördlichen Entscheidung war, weil die Infrastrukturbetreiberin schließlich auch gehalten war, der behördlichen Entscheidung nachzukommen (iSd Erk. des VwGH vgl. BVwG 11.1.2019, W110 2186901-1).
An diese Judikatur knüpfte die Beschwerdeführerin in ihrer Marktinformation zwar an, wenn sie auf einen Änderungsbedarf der SNNB durch allfällige behördliche oder verwaltungsgerichtliche Entscheidungen hinwies. Sie ging aber auch über die vom Verwaltungsgerichtshof als zulässig erachtete (nachträgliche) Änderungsmöglichkeit der SNNB hinaus, indem sie nicht nur eine Änderung der SNNB in den Raum stellte, mit der einer rechtskräftigen hoheitlichen Entscheidung entsprochen werden würde, sondern anlässlich einer solchen Entscheidung auch eine „Adaptierung“ des in den SNNB bereits publizierten Wegeentgeltmodells „in beide Richtungen für jedes Marktsegment“ aufgrund „der ihr alleine obliegenden Methodenwahl“ (unter Anführung verschiedener Modellvarianten nach Maßgabe eines im laufenden verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens) in Aussicht stellte (siehe unter 2. der Marktinformation sowie die Erläuterung dazu in der Beschwerde S. 15).
In der Beschwerdeverhandlung behauptete der Beschwerdevertreter zwar ein Missverständnis und trat der Annahme eines Vorbehaltes zugunsten einer Entgeltänderung in jede beliebige Richtung entgegen, weil - so die Darstellung - die in der Marktinformation enthaltenen Entgeltmodelle lediglich den prognostizierten Inhalt allfälliger Entscheidungen der belangten Behörde über die noch offenen Anträge darstellen würden (S. 5 und 6f. der Verhandlungsniederschrift). Dieser Standpunkt findet jedoch in der Marktinformation keine Deckung, deren Wortlaut und Inhalt einer Interpretation, wonach lediglich die behördliche Entscheidung umgesetzt werden soll, eindeutig entgegensteht (siehe unter Punkt 2. der Marktinformation: „Daher behält sich die XXXX explizit vor, … Änderungen … in beide Richtungen … vorzunehmen. … im Rahmen der ihr alleine obliegenden freien Methodenwahl auch … zu prüfen und eine solche Adaptierung allenfalls vorzunehmen. … Da sie [die Beschwerdeführerin] sich als Ergebnis ihrer Prüfung der erwarteten Bescheide … möglicherweise dennoch gezwungen sehen wird, das Wegeentgeltmodell 2020 … zu ändern ...“ [Hervorhebungen nicht im Original]). Dass die Marktinformation durchaus eine Änderung des beantragten Modells - über den bescheidmäßigen Abspruch der Behörde hinausgehend - ankündigt, wird auch an den Ausführungen des Beschwerdevertreters in der Beschwerdeverhandlung, wenn er eine allfällige Erhöhung der Entgelte u.a. von der Höhe des „Zielerlöses“, den das zuständige Bundesministerium als Eigentümervertreter der Beschwerdeführerin vorgegeben habe, abhängig machte (S. 7 der Verhandlungsniederschrift).
Der erkennende Senat vermag sich einem Verständnis der § 59 Abs. 8 EisbG sowie § 67d Abs. 7 EisbG - wie es im Inhalt der Marktinformation zum Ausdruck kommt - nicht anzuschließen:
Die gesetzlichen Vorlauffristen für die SNNB und ihre Änderungen sollen die bessere Planbarkeit des Verkehrsangebotes der Eisenbahnverkehrsunternehmen und die effizient-wirtschaftliche Nutzung der Schieneninfrastruktur bewirken. Eisenbahnverkehrsunternehmen sollen als Marktteilnehmer und Zugangsberechtigte zeitgerecht die Kundenentgelte kalkulieren und ihr Leistungsangebot planen können (vgl. BVwG 11.1.2019, W110 2186901-1). Vor diesem Hintergrund kann die Regelung des § 59 Abs. 2 EisbG, wonach die SNNB bei Bedarf zu ändern sind, nicht dahingehend interpretiert werden, dass jede beliebige Änderung der SNNB ungeachtet der Veröffentlichungsfristen zulässig wäre. Das oben referierte Erk. des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.2.2015, 2013/03/0034, demzufolge eine Änderung der SNNB im Gefolge einer behördlichen oder verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zulässig bzw. sogar rechtlich geboten ist, verdeutlicht vielmehr, dass eine solche Änderung der SNNB bzw. Änderung wesentlicher Bestandteile der Entgeltregel bezüglich Aufschläge nach Ablauf der Veröffentlichungsfristen nur noch in engen Grenzen in Betracht kommt: Daraus folgt, dass die Umsetzung einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung zu einer Änderung der SNNB berechtigt bzw. verpflichtet, sich dies jedoch nach Ablauf der gesetzlichen Frist ausschließlich auf den Inhalt der jeweiligen Entscheidung beschränkt und nicht dazu ermächtigt, vom Inhalt der behördlichen oder gerichtlichen Anordnung abweichende Änderungen der SNNB vorzunehmen oder vom Entscheidungsinhalt nicht betroffene Regelungen in den SNNB einer Änderung zu unterziehen.
Soweit die Marktinformation der Beschwerdeführerin die zeitliche Geltungsdauer des Wegeentgeltmodells in den SNNB insofern modifiziert, als die Entgeltregelungen (unter Vorbehalt stehend) bis zu einer allfälligen behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung gelten und anlässlich einer solchen Entscheidung – auch wenn sie nicht von ihr betroffen sind – grundlegend abgeändert werden können, widersprechen diese Textteile der Marktinformation, die einen derartigen weitreichenden Dispositions- und Gestaltungsfreiraum abseits der gesetzlichen Veröffentlichungsfristen (und über die Umsetzung einer behördlichen Entscheidung hinaus) konstituieren, den § 59 Abs. 8 und § 67d Abs. 7 EisbG. Damit erübrigt sich auch die Frage der Beschwerdeführerin hinsichtlich diesbezüglicher subjektiver Rechte (S. 13 f. der Beschwerde). Die Unwirksamerklärung der in Rede stehenden Passagen der Marktinformation steht im Einklang mit den Vorschriften des sechsten Teiles des EisbG.
3.3.2. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Veröffentlichung von „möglicherweise in Betracht kommenden“ Entgeltmodellen weder eine konsequente Festlegung künftiger Änderungen der Entgeltregel für die Berechnung von Aufschlägen darstellt, noch dadurch eine Vereinheitlichung der Zugangsbedingungen erreicht wird, was nicht zuletzt in dem Hinweis an die Eisenbahnverkehrsunternehmen zum Ausdruck kommt, jeweils das für sie ungünstigste Kostenmodell zu identifizieren und ihrer Planung für das Netzfahrplanjahr 2020 zu Grunde zu legen. Auch aus diesem Grund vermag sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Marktinformation nicht auf § 59 Abs. 2 EisbG zu stützen, da im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung kein Bedarf für eine Änderung der SNNB 2020 gegeben war bzw. bis dato ist. Dies zeigt im Übrigen der Umstand deutlich, dass es bislang an jenen behördlichen Entscheidungen zum Wegeentgeltmodell fehlt, aus welchen die Beschwerdeführerin den Bedarf ableiten will, die SNNB zu aktualisieren und so iSd § 59 Abs. 2 EisbG auf dem „neuesten Stand“ zu halten; letztlich will die Beschwerdeführerin also Spekulationen über den Ausgang der betreffenden behördlichen Verfahren ins Treffen führen.
Aufschläge sind gemäß § 67d Abs. 1 EisbG auf Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze zu erheben. Anreize für den Markteintritt neuer Mitbewerber werden insbesondere auf Grund fehlender Planungssicherheit gerade nicht geschaffen. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin, wonach die Marktinformation Transparenz und Planungssicherheit für die Eisenbahnverkehrsunternehmen fördern sollte, bewirkt die Marktinformation für die Marktteilnehmer Rechtsunsicherheit, da nicht nur behördliche Entscheidungen, sondern darüber hinaus auch aus deren Anlass weitreichende „Adaptierungen“ angekündigt wurden (siehe auch die Anmerkung der zweitmitbeteiligten Partei in der Beschwerdeverhandlung: „Was wir brauchen ist Rechtssicherheit. Unsicherheit hat auch betriebswirtschaftliche negative Konsequenzen.“ [S. 7 der Verhandlungsniederschrift]).
3.4. Was den Umfang der Unwirksamerklärung der Marktinformation anbelangt, ist davon auszugehen, dass nicht mehr Teile der Marktinformation für unwirksam zu erklären sind, als zur Beseitigung der Rechtswidrigkeit erforderlich ist. Anders als in der Fallkonstellation, die dem Erk. des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.6.2015, 2012/03/0087, zugrunde lag, bezieht sich die Rechtswidrigkeit im vorliegenden Fall nicht auf den gesamten Inhalt der Marktinformation. Der erkennende Senat kann auch nicht erkennen, dass die verbliebenen Textteile der Marktinformation, die inhaltlich unbedenklich erscheinen, in einem untrennbaren Zusammenhang mit den für unwirksam erklärten Teilen stünden. Vor diesem Hintergrund begegnet die Vorgangsweise der belangten Behörde keinen Bedenken.
3.5. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Grundrechts auf Meinungsäußerungsfreiheit behauptet, ist Folgendes zu bemerken:
Vom Schutzumfang des Art. 10 Abs. 1 EMRK sind neben Meinungskundgaben und Tatsachenäußerungen auch Werbemaßnahmen erfasst. Art. 10 Abs. 2 EMRK sieht allerdings im Hinblick darauf, dass die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung notwendig sind. Ein verfassungsrechtlich zulässiger Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung muss sohin, wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen hat (zB EGMR 26.4.1979, Sunday Times, EuGRZ 1979, 390; 25.3.1985, Barthold, EuGRZ 1985, 173), gesetzlich vorgesehen sein, einen oder mehrere der in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke verfolgen und zur Erreichung dieses Zweckes oder dieser Zwecke "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" sein (vgl. VfSlg. 12.886/1991, 14.218/1995, 14.899/1997, 16.267/2001 16.555/2002 und 20.128/2016).
Geht man davon aus, dass die für unwirksam erklärten Inhalte der Marktinformation eisenbahnrechtlichen Vorschriften widersprechen, die der Transparenz und dem Wettbewerb im Bereich des Eisenbahnverkehrs dienen, liegen Gründe vor, die den Eingriff in die nach Art. 10 EMRK geschützten Rechte rechtfertigen. Von einem unverhältnismäßigen bzw. zur Erreichung der öffentlichen Interessen ungeeigneten und damit unzulässigen Eingriff kann nicht gesprochen werden. Es ist daher weder eine Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Gesetzesbestimmungen noch deren verfassungswidrige Anwendung erkennbar.
3.6. Die im Rahmen der Verfahrensrüge von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Verletzung des rechtlichen Gehörs geht schon deshalb ins Leere, weil nach ständiger Rechtsprechung auch eine tatsächlich unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs durch die Gewährung von Parteiengehör im Rechtsmittelverfahren geheilt wird (vgl. z.B. VwGH 28.3.2012, 2009/08/0084).
Soweit die Beschwerdeführerin das Fehlen von Feststellungen bemängelte, wonach sich (abgesehen von der erstmitbeteiligten Partei) im Verfahren kein weiteres Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Marktinformation geäußert hat, und des Weiteren rügte, dass die belangte Behörde nicht die Eisenbahnverkehrsunternehmen über den Wert der Marktinformation als „Hilfestellung“ bzw. „Zusatzinformation“ befragt habe, ist keine Entscheidungswesentlichkeit im Hinblick auf die – rechtliche – Frage ersichtlich, ob der Inhalt der Veröffentlichung den eisenbahnrechtlichen Vorschriften (insb. § 59 Abs. 8 und § 67d Abs. 7 EisbG) entspricht (d.h. ob der Inhalt der Marktinformation als Teil der SNNB zu betrachten ist und ob die darin zum Ausdruck kommenden Ausführungen das EisbG verletzen). Auch im Rahmen der Erörterung dieser Frage in der Beschwerdeverhandlung ist keine Relevanz dieses Aspekts in Bezug auf die Lösung der Rechtsfrage hervorgekommen (siehe S. 6 der Verhandlungsniederschrift). Die Ausübung der Wettbewerbsaufsicht nach § 74 EisbG ist von der belangten Behörde von Amts wegen wahrzunehmen und richtet sich nicht danach, wie das Marktverhalten der Beschwerdeführerin von den übrigen Marktteilnehmern bewertet wird. Auch die von der Beschwerdeführerin gerügte Aktenwidrigkeit bezüglich der Bedenken der belangten Behörde betreffend die beabsichtigte Beantragung einer neuerlichen Genehmigung für die neu festgesetzten Aufschläge (vgl. S. 17 des Beschwerdeschriftsatzes) ist ebenfalls nicht entscheidungswesentlich.
Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision
Für das vorliegende Verfahren ist die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG iVm Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, da der gegenständliche Fall von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt:
In diesem Sinne existiert noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Inhalte der SNNB als solche qualifiziert werden, wenn sie nicht als Teil der SNNB publiziert werden, aber gemäß § 59 Abs. 4 Z 2 EisbG Bestandteil der SNNB zu sein haben. Ungeachtet des Erk. vom 16.12.2015, 2013/03/0034, liegt auch noch keine abschließende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob in Umsetzung behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen nicht nur die von diesen Entscheidungen betroffenen Teile der SNNB nach Ablauf der Publikationsfristen geändert, sondern auch darüber hinaus gehende Änderungen bzw. eine Neuregelung des Wegeentgelts vorgenommen werden dürfen.
Schlagworte
Aufsicht Berechnung Entgelt Entgeltfestlegung Ersatzentscheidung fairer Wettbewerb Kalkulation Kontrolle Marktbedingungen Meinungsäußerung mündliche Verhandlung Revision zulässig Transparenz Veröffentlichung vorhersehbare Umstände WettbewerbEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W110.2216862.1.00Im RIS seit
21.01.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021