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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §66 Abs2 litf idF 1994/654;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der Mag. K in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Februar 1995, Zl. MA 65-8/534/94, betreffend Androhung der Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem einen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. Oktober 1994 bestätigenden angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 74 Abs. 3 KFG 1967 die Entziehung ihrer Lenkerberechtigung angedroht.
In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; sie beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 74 Abs. 3 KFG 1967 kann die Behörde von der Entziehung der Lenkerberechtigung absehen und die Entziehung androhen, wenn dadurch der Verwaltungszweck als gesichert angesehen werden kann.
Der bekämpften Maßnahme liegt die rechtskräftige Bestrafung der Beschwerdeführerin mit mündlich verkündetem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Simmering, vom 18. Juli 1994 zugrunde. Danach hat die Beschwerdeführerin am 28. Mai 1994 zwischen 19.02 Uhr und 19.07 Uhr als Lenkerin eines Pkw"s
"1) in Wien 11., A 4, Fahrtrichtung Schwechat, zwischen LM C 27 und C 40 die durch Vorschriftszeichen gem. § 52 (10)a StVO kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 60 km/h, und somit erheblich überschritten,
2) in Wien 11., A 4, Fahrtrichtung Schwechat, zwischen LM C 45 und E 10 keinen entsprechenden Abstand vom nächsten vor ihr fahrenden Fahrzeug eingehalten, sondern lediglich max. 2-3 m bei einer Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h, und hat somit mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstoßen,
3) in Wien 11., A 4, Fahrtrichtung Schwechat, in Höhe des LM E 7, mindestens drei Mal vorschriftswidrig optische Warnzeichen (Lichthupe) gegeben,
4) in Wien 11., A 4, Fahrtrichtung Schwechat, Höhe LM E 12, keinen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand vom überholten Fahrzeug eingehalten, sondern lediglich maximal 30-40 cm, und hat dadurch mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstoßen,
5) in Wien 11., A 4, Fahrtrichtung Schwechat, zwischen LM I 48 und 121 die durch Vorschriftszeichen gem. § 52 (10)a StVO kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 65 km/h, und somit erheblich überschritten,"
und dadurch gegen folgende Rechtsvorschriften verstoßen:
(zu 1) § 52 Z. 10a StVO 1960,
(zu 2) § 18 Abs. 1 StVO 1960,
(zu 3) § 100 KFG 1967,
(zu 4) § 15 Abs. 4 StVO 1960,
(zu 5) § 52 Z. 10a StVO 1960.
Die Bestrafung wegen der unter 2. und 4. genannten Delikte erfolgte nach dem Straftatbestand des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960. Insbesondere in diesem Verhalten erblickte die belangte Behörde eine die Verkehrsunzuverlässigkeit der Beschwerdeführerin indizierende bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967, wobei für sie im Rahmen der Wertung vor allem die "enorme Erhöhung des Unfallrisikos" maßgebend war. Angesichts der gänzlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin im Straßenverkehr seit dem Erwerb der Lenkerberechtigung im Jahre 1983 erachtete die belangte Behörde die Androhung der Entziehung für ausreichend, um die Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit der Beschwerdeführerin zu bewirken.
Soweit die Beschwerdeführerin das ihr zur Last gelegte strafbare Verhalten in Abrede stellt, ist sie auf die von der belangten Behörde zu Recht angenommene Rechtskraft des Straferkenntnisses vom 18. Juli 1994 (und nicht - wie von der Erstbehörde verfehlterweise angenommen - der vorangegangenen Strafverfügung) hinzuweisen. An die dort enthaltenen Schuldsprüche war die belangte Behörde gebunden. Damit gehen die Verfahrensrügen betreffend vermeintlich mangelhafte Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes ins Leere. Für diese Bindung ist die von der Beschwerdeführerin behauptete Unkenntnis vom genauen Inhalt des Straferkenntnisses ohne Belang. Gleiches gilt für den ins Treffen geführten Umstand, daß der Inhalt des Straferkenntnisses in der schriftlichen Mitteilung der Strafbehörde an die Kraftfahrbehörde verkürzt wiedergegeben wurde, und für das Motiv für den Berufungsverzicht der Beschwerdeführerin im Strafverfahren ("wirtschaftliche Interessen"). Das Vorbringen, es sei keine Bestrafung nach dem erschwerenden Strafsatz des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 erfolgt und es sei der Beschwerdeführerin niemals ein Bescheid mündlich verkündet oder eine Entscheidung zugestellt worden, geht an der Aktenlage vorbei. Aus der im Strafakt Zl. Pst. 1796/Sg/94 der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Simmering, erliegenden Niederschrift vom 18. Juli 1994 ist ersichtlich, daß der Beschwerdeführerin an diesem Tag ein Straferkenntnis mit dem oben wiedergegebenen Inhalt mündlich verkündet wurde; die Beschwerdeführerin erklärte ausdrücklich, auf eine Berufung zu verzichten.
Die Beschwerdeführerin weist zu Recht darauf hin, daß eine Androhung der Entziehung der Lenkerberechtigung nur zulässig ist, wenn die Voraussetzungen für die Entziehung selbst gegeben sind (vgl. die bei Grundtner/Stratil, KFG4, auf Seite 459 wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 74 Abs. 3 KFG 1967). Sie ist aber nicht im Recht, soweit sie das Vorliegen einer ihre Verkehrsunzuverlässigkeit indizierenden bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (betreffend das Erfordernis des Hinzutretens eines weiteren Sachverhaltselementes zur Annahme eines Verstoßes gegen bestimmte Verkehrsvorschriften unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit) bestreitet. Dazu genügt der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 in der von der belangten Behörde (verfehlterweise) zitierten Fassung vor der 17. KFG-Novelle, wonach aufgrund einer rechtskräftigen Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach der erstgenannten Gesetzesstelle bindend feststeht (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 22. September 1989, Slg. Nr. 13002/A, mwN). Im Beschwerdefall war allerdings § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 nicht in der genannten, sondern in der bereits bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides geltenden Fassung der 17. KFG-Novelle ungeachtet dessen anzuwenden, daß zur Tatzeit noch die frühere Fassung in Geltung stand (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ähnlich gelagerten Fall einer Änderung des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 im Zuge des Entziehungsverfahrens: Erkenntnis vom 28. September 1982, Zl. 82/11/0078, Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.237/A). § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 in der nunmehr geltenden Fassung setzt nicht mehr einen Verstoß gegen maßgebende Verkehrsvorschriften unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern voraus. Vielmehr liegt nunmehr eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 KFG 1967 bereits dann vor, wenn der Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung der maßgebenden Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/11/0290). Bei dieser Rechtslage hatte die belangte Behörde in Anbetracht der Bindungswirkung der rechtskräftigen Bestrafung der Beschwerdeführerin jedenfalls auch vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 idFd 17. KFG-Novelle auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0208). Die belangte Behörde hat im Rahmen der Wertung nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 mit Recht die besondere Gefährlichkeit des in Rede stehenden Fahrverhaltens hervorgehoben. Zum Nachteil der Beschwerdeführerin fallen überdies die weiteren von ihr im Zuge des gegenständlichen Vorfalles begangenen Verwaltungsübertretungen ins Gewicht. Angesichts dessen begegnet die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit der Beschwerdeführerin, und damit die Bejahung dieser notwendigen Voraussetzung für die bekämpfte Maßnahme durch die belangte Behörde, keinen Bedenken.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995110147.X00Im RIS seit
19.03.2001