TE Bvwg Beschluss 2020/9/8 L521 2233893-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2020
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Entscheidungsdatum

08.09.2020

Norm

AVG §18 Abs3
AVG §18 Abs4
B-VG Art133 Abs4
GEG §6b Abs1
GOG §79
VwGVG §28 Abs1

Spruch


L521 2233893-1/3E

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. in der Beschwerdesache der XXXX , vertreten durch Dr. Fabian Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/11, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts Wels vom 15.06.2020, Zl. Jv 1443/20k-33, betreffend Einbringung einer Geldstrafe nach dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz (GEG) den

BESCHLUSS

gefasst:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

1. Die beschwerdeführenden Partei ist verpflichtete Partei des vor dem Bezirksgericht Wels zu XXXX geführten Vollstreckungsverfahrens zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Erwirkung einer unvertretbaren Handlung aufgrund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteils des Landesgerichtes Wels vom 18.12.2015 zur Zahl XXXX , wonach es die beschwerdeführenden Partei zu unterlassen habe, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellen und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, vor allem im Lokal XXXX , solange sie oder Dritte, denen sie die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermögliche, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügen und/oder nicht die Bestimmungen über den Spielerschutz nach den glückspielrechtlichen Vorschriften einhalte.

2. Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom 25.02.2020, XXXX , wurde über die beschwerdeführende Partei aufgrund eines Strafantrages der im Vollstreckungsverfahrens betreibenden Partei wegen Zuwiderhandelns gegen das unter Punkt 1 beschriebene Verbot eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 100.000,00 für einen Verstoß am 20.02.2020 verhängt.

3. Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 30.04.2020, der rechtsfreundlichen Vertretung der beschwerdeführende Partei zugegangen am 04.05.2020, wurde die beschwerdeführende Partei zur Zahlung der mit Beschluss vom 25.02.2020 verhängten Geldstrafe von EUR 100.0000,00 sowie einer Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) in Höhe von EUR 8,00, somit eines Gesamtbetrages in der Höhe von EUR 100.008,00 binnen 14 Tagen bei sonstiger zwangsweiser Einbringung verhalten.

4. Die beschwerdeführende Partei erhob gegen den vorstehend angeführten Mandatsbescheid durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht (und zum wiederholten Mal aufgrund von „EDV-Problemen“ im Postweg) Vorstellung. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, das Exekutionsgericht verkenne bei der Bemessung der Geldstrafe, dass der Leistungsfähigkeit der Verpflichteten ein besonderer Stellenwert zuzumessen sei. Bei einem Unternehmen mit einem Jahresumsatz von wenig mehr als EUR 100.000,00 könne der Beugezweck mit einer Geldstrafe in der Höhe von höchstens EUR 1.000,00 erreicht werden. Weiters sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig nur durch die Kostenbeamtin in Vertretung unterfertigt worden. Der Europäische Gerichtshof habe darüber hinaus erkannt, dass eine Unionsrechtswidrigkeit des gesamten Glücksspielgesetzes vorliegen könnte. Die daraus folgende Unanwendbarkeit des Gesetzes müsse sich zwingend auf die Verhängung von Beugestrafen auswirken und sei der Mandatsbescheid daher ersatzlos zu beheben.

5. Infolge der erhobenen Vorstellungen erging die nunmehr angefochtene und als Bescheid bezeichnete Erledigung der Präsidentin des Landesgerichts Wels 15.06.2020, womit die beschwerdeführende Partei neuerlich zur Zahlung der verhängten Geldstrafe und einer Einhebungsgebühr im Gesamtbetrag von EUR 100.008,00 verpflichtet wurde.

Begründend wird nach Wiedergabe des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes und der zur Anwendung gelangten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, dass der dem Zahlungsauftrag zugrundeliegenden Beschluss in Rechtskraft erwachsen und vollstreckbar geworden und die Einhebung der Geldstrafe gerichtlich verfügt worden sei. Durch die rechtzeitige Erhebung der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid sei dieser gemäß § 7 Abs. 2 GEG idF BGBl. I Nr. 156/2015 ex lege außer Kraft getreten. Infolge der Bindung an die dem Einbringungsverfahren zu Grunde liegende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über die Verpflichtung zur Leistung einer Geldstrafe sei bezüglich der Rechtmäßigkeit dieser gerichtlichen Entscheidung keine Prüfungsbefugnis der Verwaltungsbehörde gegeben. Die vorgebrachten Einwendungen, die sich gegen die gerichtliche Entscheidung richten würden, wären daher nicht im justizverwaltungsbehördlichen Verfahren, sondern bereits im Verfahren zur Verhängung der Geldstrafe geltend zu machen gewesen.

6. Gegen den vorstehend angeführten, dem rechtsfreundlichen Vertreter der beschwerdeführenden Partei am 19.06.2020 zugestellte Elrdigung der Präsidentin des Landesgerichts Wels richtet sich die fristgerecht (und neuerlich zum wiederholten Male aufgrund „plötzlicher EDV-Probleme“ im Postweg) eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet, da keine Feststellungen zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt getroffen worden wären. Weiters sei der Justizverwaltungsbehörde anzulasten, nicht innerhalb von 14 Tagen nach Einbringung der Vorstellung Ermittlungstätigkeiten aufgenommen zu haben, sodass der Mandatsbescheid ex lege außer Kraft getreten sei. Soweit die belangte Behörde anführe, eine gerichtliche Entscheidung könne nicht noch einmal im Verwaltungsverfahren überprüft werden, so müsse dies jedoch erfolgen, zumal sich in gegenständlicher Angelegenheit die Rechtsprechung aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 30.04.2014, C 390/12, geändert habe. Hätte die belangte Behörde die Tatsachen nochmals überprüft, hätte sie festgestellt, dass die Erlassung der Mandatsbescheide aufgrund von vorliegender Unionsrechtswidrigkeit im Grundverfahren unzulässig gewesen sei. Die zur Untermauerung der behaupteten Unionrechtswidrigkeit ins Treffen geführte Rechtsprechung des EuGH samt Literaturhinweisen wird letztlich dahingehend zusammengefasst, dass nach österreichischem Recht ein Glücksspiel im Sinn des § 1 Abs. 2 des Glücksspielgesetzes grundsätzlich und daher auch im Zeitraum des Anbietens durch die beschwerdeführenden Partei zwar nur dann zulässig sei, wenn es im Rahmen einer aufgrund des Glücksspielmonopols erteilten Konzession nach dem Glücksspielgesetz durchgeführt worden sei. Das Glücksspielgesetz sei jedoch hinsichtlich jener Bestimmungen als unionsrechtswidrig anzusehen, die das Glücksspielmonopol regeln würden und deshalb von den österreichischen Behörden und Gericht nicht anzuwenden. Schließlich wäre angesichts der Leistungsfähigkeit der beschwerdeführenden Partei mit einer Geldstrafe in der Höhe von maximal EUR 100,00 das Auslangen zu finden gewesen. Es werde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

7. Die Beschwerdevorlage langte am 11.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

1.1. Die im Akt der Justizverwaltungsbehörde erliegende und mittels eines Textverarbeitungsprogrammes erstellte Urschrift der schriftlichen Erledigung trägt keine Unterschrift des Genehmigenden und wurde auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters (etwa durch elektronische Genehmigung bzw. Anbringung einer Amtssignatur) genehmigt.

Im Verwaltungsverfahrensakt der belangten Behörde liegt auch keine Durchschrift oder Kopie einer vom Genehmigenden gefertigten Urschrift der Erledigung vom 15.06.2020 auf.

1.2. Die vorstehend getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der seitens der Justizverwaltungsbehörde vollständig vorgelegten Akten des justizverwaltungsbehördlichen Verfahrens Jv 1443/20k der Präsidentin des Landesgerichts Wels.

1.3. Die im vorgelegten Akt erliegende Urschrift (AS 29 - 33) weist auf ihrer letzten Seite keine eigenhändige Unterschrift des Genehmigenden ( XXXX ) auf, sondern lediglich eine Paraphe der die Erledigung konzipierenden Sachbearbeiterin sowie einen Abfertigungsvermerk der Kanzlei. Hinweise auf eine elektronische Genehmigung enthält der vorgelegte Akt nicht, zumal auf der Urschrift weder eine elektronische Signatur des Genehmigenden angebracht ist, noch der Urschrift ein Nachweis über die Verwendung eines anderen technischen Verfahrens zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität der Erledigung beigefügt ist.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

2.1. Gemäß § 6b Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG), BGBl. Nr. 288/1962 idF BGBl. I Nr. 61/2018 sind für das Verfahren zur Einbringung die Bestimmungen des GOG mit Ausnahme des § 91, und subsidiär des AVG anzuwenden, soweit nichts anderes vorgesehen ist.

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG idF BGBl. I Nr. 58/2018 sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

2.2. Von der Frage der Genehmigung einer Erledigung – somit der behördlichen Willensbildung, verkörpert in der Urschrift – ist jene der Frage der Bekanntgabe der Erledigung durch die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der Erledigung zu unterscheiden. Die behördeninterne Genehmigung der Entscheidung wird § 18 Abs. 3 AVG, die Ausfertigung dieser Entscheidung an die Partei in § 18 Abs. 4 AVG geregelt.

Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss die interne Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor, selbst dann nicht, wenn die der Partei zugestellte Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG genügt (VwGH 19.02.2019, Ra 2019/12/0026; 11.11.2014, Ra 2014/08/0018). Die unterbliebene Genehmigung der Urschrift kann nämlich nicht durch eine fehlerfreie Ausfertigung saniert werden. Vielmehr kann eine Ausfertigung nur dann rechtliche Wirkungen zeitigen, wenn ihr eine gemäß § 18 Abs. 3 AVG genehmigte Erledigung (und nicht bloß ein Bescheidentwurf) zugrunde liegt (VwGH 04.06.2020, Ra 2020/22/0042).

2.3. Im gegenständlichen Fall wurde die im vorgelegten Akt der Justizverwaltungsbehörde erliegende und mittels eines Textverarbeitungsprogrammes erstellte Urschrift der schriftlichen Erledigung vom 15.06.2020 vom Genehmigungsberechtigten weder mit seiner Unterschrift genehmigt, noch wurde ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität der Erledigung eingesetzt. Die der der beschwerdeführenden Partei zugestellten Ausfertigung zugrundeliegende Urschrift wurde somit nicht genehmigt und zeitigt der dargestellten Rechtsprechung zufolge keine Rechtswirkungen.

2.4. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die auf der Urschrift unter der Fertigungsklausel angebrachte Wortfolge „elektronisch gefertigt gemäß § 79 GOG“ zu keinem anderen Ergebnis führt. § 79 GOG betrifft schon seinem Titel zufolge lediglich die Ausfertigung von Erledigungen und sieht in seinem Abs. 1 insbesondere vor, dass in Justizverwaltungssachen auf den Ausfertigungen an die Stelle der Unterschrift dessen, der die Erledigung genehmigt hat, die Beglaubigung durch die Gerichtskanzlei treten. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung (Hervorhebungen durch das Bundesverwaltungsgericht). Hinsichtlich der notwendige Genehmigung der Urschrift wird in § 79 GOG keine von § 18 AVG abweichende Regelung getroffen (vgl. dazu in einem sachverhaltsmäßig gleich gelagerten Fall VwGH 05.04.2011, Zl. 2011/16/0010).

2.5. Die Frage der (eigenen) sachlichen und örtlichen Zuständigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht in jeder Lage von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 K10 unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG).

Die vom Beschwerdeführer gegenständlich erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht richtet sich ausweislich der vorstehenden Erwägungen mangels gehöriger Genehmigung der angefochtenen Erledigung gegen einen Nichtbescheid, was entsprechend oben zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Mangel der Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge hat (VwGH 20.04.2017, Ra 2017/20/0095).

Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2.6. Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde aus den dargestellten Gründen konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen. Darüber hinaus gebietet Art. 6 EMRK bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0073, mwN).

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausfertigung Bescheidqualität Einhebungsgebühr Geldstrafe Genehmigung Nichtbescheid Unterfertigung Unterschrift Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L521.2233893.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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