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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Dezember 1996, Zl. MA 65-8/675/96, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm auf die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der bekämpften Entziehungsmaßnahme liegt die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer besitze nicht die zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B nötige gesundheitliche Eignung. Diese Annahme beruht ihrerseits auf dem ärztlichen Gutachten eines Amtssachverständigen der Erstbehörde (der Bundespolizeidirektion Wien) vom 15. Mai 1996.
Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, den angefochtenen Bescheid auf ein unzulängliches Gutachten gestützt zu haben. Sie ist damit im Recht.
Das ärztliche Gutachten vom 15. Mai 1996 enthält in seinem Gutachten im engeren Sinn lediglich die Aussage, der Beschwerdeführer sei "wegen Methadoneinnahme" zum Lenken von Kraftfahrzeugen der genannten Gruppen nicht geeignet. Dabei handelt es sich um eine nicht näher begründete Behauptung, ohne nachvollziehbare Ausführungen darüber, wie der Sachverständige aufgrund des vorliegenden Befundes zu dieser Schlußfolgerung gekommen ist. Es bleibt insbesondere offen, ob nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand Methadoneinnahme schlechthin oder aber nur aufgrund der beim Betreffenden gegebenen Umstände (Menge, Gesundheitszustand, usw.) die gesundheitliche Eignung einer Person zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließt, und - sollte letzteres zutreffen - ob die Voraussetzungen beim Beschwerdeführer gegeben sind. Das amtsärztliche Gutachten vom 15. Mai 1996 ist nicht so begründet, daß es auf seine Schlüssigkeit hin überprüft werden kann. Es entspricht damit nicht den an ein Gutachten zu stellenden Anforderungen (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E. 70, 77 zu § 52 AVG angeführte Rechtsprechung). Das Gutachten ist weiters mit dem Mangel behaftet, daß aus ihm nicht hervorgeht, ob - was nach der Aktenlage zu vermuten ist - der Amtssachverständige beim Beschwerdeführer einen krankhaften Zustand iSd § 34 Abs. 1 lit. e KDV 1967 ("andere Süchtigkeit, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Kraftfahrzeug geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnte") festgestellt hat und es demnach auch einer Untersuchung des Beschwerdeführers durch einen entsprechenden Facharzt (einschließlich einer Prüfung seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeiten) bedurft hätte. Eine solche fachärztliche Untersuchung sieht § 34 Abs. 3 KDV 1967 bei Feststellung eines krankhaften Zustandes iSd Abs. 1 lit. e zwingend vor. Dies belastet den angefochtenen Bescheid, der sich ausschließlich auf dieses im besagten Sinne mangelhafte Gutachten stützt, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Für das fortzusetzende Verfahren wird bemerkt, daß der angefochtene Bescheid entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht mangels Festsetzung einer bestimmten Zeit im Sinne des § 73 Abs. 2 KFG 1967 rechtswidrig ist. Nach der ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe das Erkenntnis vom 6. August 1996, Zl. 96/11/0186, mwN) ist ein im Zusammenhang mit einer Entziehung der Lenkerberechtigung wegen geistiger oder körperlicher Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen erfolgter Ausspruch nach § 73 Abs. 2 KFG 1967, wonach dem Betreffenden für die Dauer dieser Nichteignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, rechtens. Ein konkreter Zeitraum wird sich in der Regel in diesem Zusammenhang gar nicht bestimmen lassen.
Aus dem zuvor angegebenen Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft einerseits geltend gemachte Umsatzsteuer (sie ist in dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung bereits enthalten) und andererseits Stempelgebühren (sie sind nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Umfang zu ersetzen; das ist hier für drei Ausfertigungen der Beschwerde und eine Kopie des angefochtenen Bescheides).
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten Überprüfung durch VwGH Sachverständiger ArztEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997110035.X00Im RIS seit
12.06.2001