Entscheidungsdatum
29.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1Spruch
W259 2221643-1/20E
Schriftliche Ausfertigung des am 23.07.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Kurden, reiste ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge „belangte Behörde“) vom XXXX 2017, Zl. XXXX wurde diesem Antrag stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
3. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX 2018, zu XXXX wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen dem Vergehen des Raufhandels gemäß § 91 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt. Bei der Strafbemessung wurde das Geständnis und der Umstand, dass der Beschwerdeführer unter 21 Jahren war als mildernd berücksichtigt. Es wurden keine Erschwernisgründe angeführt.
4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2019, zu XXXX wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen dem Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung gemäß § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten verurteilt. Davon wurden 11 Monate bedingt nachgesehen und eine Probezeit von drei Jahren festgelegt. Bei der Strafbemessung wurde die Unbescholtenheit als mildernd und die Begehung während anhängigen Verfahrens sowie die Tätermehrheit als erschwerend berücksichtigt.
5. Mit 22.10.2018 wurde ein Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet.
6. Mit Bescheid vom 07.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt. Weiters wurde festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 und § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Syrien unzulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. In der Beschwerdebegründung wurde insbesondere ausgeführt, dass es sich bei den Straftaten objektiv um ein „besonders schweres Verbrechen“ handeln könne, aus dem Bescheid gehe jedoch nicht hervor, weshalb es sich aufgrund der Tatumstände auch um subjektiv schwere Verbrechen handeln solle. Zudem seien dem Strafregisterauszug nicht einschlägige Vorstrafen zu entnehmen. Das bisherige Fehlverhalten werde vom Beschwerdeführer nicht verkannt und sei ihm dieses bewusst. Der Beschwerdeführer habe aus seinen Fehlern gelernt und werde von seiner Familie und seinem Bewährungshelfer auf seinem gewaltfreien Lebensweg unterstützt (AS 447 ff).
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.06.2020 und am 23.07.2020 eine mündliche Verhandlung durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Aufgrund der der Entscheidung zugrundeliegenden Akten der belangten Behörde und des BVwG, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem steht der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer besitzt die syrische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Kurden an und ist sunnitischer Moslem. Er ist im erwerbsfähigen Alter. Er leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Kurdisch. Er spricht auch Arabisch.
Der Beschwerdeführer ist am XXXX in XXXX geboren.
Seine Mutter und eine Schwester leben in Österreich. Sein Vater lebte zuletzt in Syrien.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX 2017 wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Mit Bescheid vom XXXX 2019 wurde dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt. Zugleich wurde festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt und ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Weiters wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Syrien unzulässig ist. Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und ihm wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen gewährt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
1.2. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:
Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX 2018, zu XXXX wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen dem Vergehen des Raufhandels gemäß § 91 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt. Bei der Strafbemessung wurde das Geständnis und der Umstand, dass der Beschwerdeführer unter 21 Jahren war als mildernd berücksichtigt. Es wurden keine Erschwernisgründe angeführt.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2019, zu XXXX wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig gemäß § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten verurteilt. Davon wurden 11 Monate bedingt nachgesehen und eine Probezeit von drei Jahren festgelegt. Im Urteil wurde auszugsweise festgehalten, dass der Beschwerdeführer ohne Vorwarnung auf eine dem Beschwerdeführer unbekannte Person losging und ihn mit weiteren Mitbeteiligten durch mehrere Faustschläge zu Boden brachte und anschließende Fußtritte – auch gegen den Kopf - versetzte, wodurch das Opfer im Gesichts- und Nasenbereiche starke Blutungen, eine Gehirnerschütterung, eine zweifache Nasenfraktur mit Nasenriss, mehrere Platzwunden am Kopf, Prellungen im Bereich der Schultern, der Rippen und des Brustkorbes, diverse Blutergüsse im Bereich der Schläfe und blutigen Urin erlitt. Er handelte im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter. Es kam ihm gerade darauf an, dem Opfer eine schwere Verletzung zuzufügen.
Der Beschwerdeführer hat hierdurch das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB begangen.
Das Landesgericht XXXX stellte als mildernd die Unbescholtenheit fest. Als erschwerend wurde die Begehung während anhängigen Verfahrens sowie die Tätermehrheit gewertet.
Das Urteil erwuchs am XXXX .2019 in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Schwere seiner Straftat und seines Persönlichkeitsbildes als Gefahr für die Gemeinschaft einzuschätzen.
1.3. Zum Leben in Österreich:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit September 2015 in Österreich. Er wurde am 05.02.2019 aus der Strafhaft entlassen. Nach diesem Zeitpunkt hatte er erneut Kontakt mit zumindest einem Mittäter und wurde in diesem Zusammenhang am XXXX 10.2019 polizeilich einvernommen.
Der Beschwerdeführer geht derzeit keiner Beschäftigung nach. Seit seinem Aufenthalt in Österreich ging er kurzfristigen Beschäftigungen nach und bestritt seinen Lebensunterhalt überwiegend von Sozialleistungen. Seit September 2019 lebt er von seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen getrennt. Es besteht in Österreich weder zu diesen noch zu Dritten ein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis. Er pflegt in Österreich Freundschaften zu syrischen Staatsangehörigen und besucht mindestens einmal im Monat seinen Bewährungshelfer.
1.4. Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
1.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.10.2019:
Politische Situation
Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 13.3.2019). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten (FH 1.2018).
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Baath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016).
Es gibt weiterhin Landesteile, in denen die syrische Regierung effektiv keine Kontrolle ausübt. Diese werden entweder durch Teile der Opposition, kurdische Einheiten, ausländische Staaten oder auch durch terroristische Gruppierungen kontrolliert (AA 13.11.2018; vgl. MPG 2018).
Am 13.4.2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres- Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden (Reuters 13.4.2016; vgl. France24 17.4.2017). Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der „Nationalen Einheit“ 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als „Farce“. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen (France24 17.4.2016).
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position. Seit der Machtergreifung Assads haben weder Vater noch Sohn politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche eine politische Alternative zu schaffen wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt (USCIRF 26.4.2017). 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten (USDOS 13.3.2019), wodurch dieser für weitere 7 Jahre im Amt bestätigt wurde (WKO 11.2018). Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung.
Sicherheitslage:
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention des Iran in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018a). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der „wichtigsten“ Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016).
Am Beginn des Jahres 2019 sind noch drei größere Gebiete außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung: die Provinz Idlib und angrenzende Gebiete im Westen der Provinz Aleppo und Norden der Provinz Hama; die Gebiete im Norden und Osten Syriens, die unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) stehen; außerdem die Konfliktschutzzone (de-confliction zone) bei Tanf in Homs bzw. in der Nähe des Rukban Flüchtlingslagers (UNHRC 31.1.2019).
Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen, allen voran die Provinzen Idlib, Teile Aleppos, Raqqas und Deir ez-Zours (AA 13.11.2018).
Laut UNMAS (United Nations Mine Action Service) sind 43% der besiedelten Gebiete Syriens mit Mienen und Fundmunition kontaminiert (AA 13.11.2018). Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen mit derartigen Hinterlassenschaften des bewaffneten Konfliktes zum Beispiel im Osten der Stadt Aleppo, Ost-Ghouta und im Osten Hamas (DIS/DRC 2.2019).
Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghuz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen „Syrian Democratic Forces“ erobert. Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten (DZO 24.3.2019). Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv (FAZ 10.3.2019). Gegenwärtig sollen im Untergrund mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten (FAZ 22.3.2019).
US-Präsident Donald Trump kündigte im Dezember 2018 an, alle 2.000 US-Soldaten aus Syrien abziehen zu wollen (Qantara 28.2.2019). Nachdem Trump Anfang Oktober 2019 erneut ankündigte, die US-amerikanischen Truppen aus der syrisch-türkischen Grenzregion abzuziehen, startete die Türkei am 9. Oktober 2019 eine Luft- und Bodenoffensive im Nordosten Syriens (CNN 11.10.2019). Durch den Abzug der US-Streitkräfte aus Nordsyrien und die türkische Offensive und damit einhergehende Schwächung der kurdischen Sicherheitskräfte wird ein Wiedererstarken des IS befürchtet (DS 13.10.2019, DS 17.10.2019).
Gebiete unter kurdischer Kontrolle
Die kurdischen Behörden setzen in den von ihnen kontrollierten Gebieten einen Rechtskodex, basierend auf einer „Sozialcharta“, durch. In Berichten wird diese „Sozialcharta“ beschrieben als eine Mischung aus syrischem Straf- und Zivilrecht mit Gesetzen, die sich in Bezug auf Scheidung, Eheschließung, Waffenbesitz und Steuerhinterziehung an europäischem Recht orientieren. Allerdings fehlen gewisse europäische Standards für faire Verfahren, wie das Verbot willkürlicher Festnahmen, das Recht auf gerichtliche Überprüfung und das Recht auf einen Anwalt. Das Justizsystem in den kurdisch kontrollierten Gebieten besteht aus Gerichten, Rechtskomitees und Ermittlungsbehörden (USDOS 13.3.2019). Es wurde eine von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) geführte Verwaltung geschaffen, die neben diesen Rechtsinstitutionen auch eine eigene Polizei, Gefängnisse und Ministerien umfasst (AI 12.7.2017). Der Rechtskodex, „Verfassung von Rojava“ genannt, betont zwar seine demokratische Struktur, in der Praxis zeigt die Vorherrschaft der PYD und deren Missachtung und Unterdrückung anderer kurdischer Akteure jedoch ein anderes Bild (BS 2018).
Die kurdischen Behörden haben den sogenannten „Defense of the People Court“ eingerichtet, der über ehemalige IS-Mitlgieder in kurdischer Gefangenschaft urteilen soll. Das Gericht wird jedoch weder von den syrischen Behörden noch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Die Höchststrafe, die dieses Gericht verhängt, ist eine „lebenslange Freiheitsstrafe“, wobei es sich um eine zwanzigjährige Haftstrafe handelt. Gerichtsurteile werden bei guter Führung oder, wenn sich der Angeklagte selbst den kurdischen Behörden gestellt hat, gemildert. Diese „mildere Vorgehensweise“ hat zum einen den Zweck der arabischen Mehrheitsbevölkerung Ost-Syriens, die den kurdischen Machthabern misstraut, guten Willen zu zeigen, zum anderen soll dadurch die Regierungskompetenz hervorgehoben und internationale Legitimation gewonnen werden. Das System weist jedoch auch gravierende Mängel auf, so haben die Angeklagten keinen Zugang zu einem Verteidiger und es gibt keine Möglichkeit Berufung einzulegen. Die kurdischen Behörden gaben an, die Einrichtung einer Berufungsmöglichkeit zu planen (Haaretz 8.5.2018).
Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung
Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Nichtsdestotrotz wenden die Sicherheitskräfte in Tausenden Fällen solche Praktiken an (USDOS 13.3.2019). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 13.3.2019, AA 13.11.2018). Sie richten sich von Seiten der Regierung insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell wahrgenommen werden (AA 13.11.2018).
NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 13.3.2019; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung soll hierbei auch auf Personen abzielen, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 13.3.2019). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 13.11.2018; vgl. AI 22.2.2018).
Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die UN Commission of Inquiry zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik. Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festhalten werden. Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt („incommunicado“) an unbekannten Orten fest (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018, SHRC 24.1.2019). Von Familien von Häftlingen wird Geld verlangt, dafür dass die Gefangenen Nahrung erhalten und nicht mehr gefoltert werden, was dann jedoch nicht eingehalten wird. Große Summen werden gezahlt, um die Freilassung von Gefangenen zu erwirken (MOFANL 7.2019).
In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines „Freilassungsabkommens“ auszutauschen (SHRC 24.1.2019).
Seit Sommer 2018 werden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe wenig glaubwürdiger amtlich festgestellter natürlicher Todesursachen (Herzinfarkt, etc.). Berichte von ehemaligen Insassen sowie Menschenrechtsorganisationen benennen als häufigste Todesursachen Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötung (AA 13.11.2018; vgl. SHRC 24.1.2019). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 17.1.2019).
Mit Stand Dezember 2018 ist der Verbleib von 100.000 syrischen Gefangenen noch immer unbekannt. Laut Menschenrechtsgruppen und den Vereinten Nationen sind wahrscheinlich Tausende, wenn nicht Zehntausende davon umgekommen (TWP 23.12.2018).
Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind jedoch keine Neuerung der Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).
Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).
Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen und der Folter von Inhaftierten beschuldigt (FH 1.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Opfer sind vor allem (vermutete) regierungstreue Personen und Mitglieder von Milizen oder rivalisierenden bewaffneten Gruppen. Zu den Bedingungen in den Hafteinrichtungen der verschiedenen regierungsfeindlichen Gruppen ist wenig bekannt, NGOs berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und unmenschlicher Behandlung. Der IS bestrafte häufig Opfer in der Öffentlichkeit und zwang Bewohner, darunter auch Kinder, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen. Es gibt Berichte zu Steinigungen und Misshandlungen von Frauen. Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) werden systematische Misshandlungen von Gefangenen der Freien Syrischen Armee (FSA) und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) vorgeworfen. Berichtet werden auch Folter und Tötungen von Gefangenen durch den IS (USDOS 13.3.2019).
Rückkehr
Im Juli 2018 zählte die syrische Bevölkerung geschätzte 19,5 Millionen Menschen (CIA 3.4.2019).
Die Zahl der Binnenvertriebenen belief sich im September 2018 auf insgesamt 6,2 Millionen Menschen (UNHCR 30.9.2018). 2018 sind insgesamt etwa 1,2 bis 1,4 Millionen IDPs in Syrien zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).
Mit März 2019 waren 5.681.093 Personen in den Nachbarländern Syriens und Nordafrika als syrische Flüchtlinge registriert (UNHCR 11.3.2019). 2018 sind laut UNHCR insgesamt etwa 56.000 Flüchtlinge nach Syrien zurück gekehrt (UNHCR 18.3.2019).
Weder IDPs noch Flüchtlinge sind notwendigerweise in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).
Wenn eine Person in ihre Heimat zurückkehren möchte, können viele unterschiedliche Faktoren die Rückkehrmöglichkeiten beeinflussen. Ethno-religiöse, wirtschaftliche und politische Aspekte spielen ebenso eine Rolle, wie Fragen des Wiederaufbaus und die Haltung der Regierung gegenüber Gemeinden, die der Opposition zugeneigt sind (FIS 14.12.2018). Über die Zustände, in welche die Flüchtlinge zurückkehren und die Mechanismen des Rückkehrprozesses ist wenig bekannt. Da Präsident Assad die Kontrolle über große Gebiete wiedererlangt, sind immer weniger Informationen verfügbar und es herrschen weiterhin Zugangsbeschränkungen und Beschränkungen bei der Datenerhebung für UNHCR (EIP 6.2019). Die Behandlung von Einreisenden ist stark vom Einzelfall abhängig, und über den genauen Kenntnisstand der syrischen Behörden gibt es keine gesicherten Kenntnisse (ÖB 7.2019).
Das Fehlen von vorhersehbarer und nachhaltiger physischer Sicherheit in Syrien ist der Hauptfaktor, der die Rückkehrvorhaben von Flüchtlingen negativ beeinflusst. Weiters werden das Fehlen einer adäquaten Unterkunft oder Wohnung oder fehlende Möglichkeiten den Lebensunterhalt zu sichern als wesentliche Hindernisse für die Rückkehr genannt. Als wichtiger Grund für eine Rückkehr wird der Wunsch nach Familienzusammenführung genannt (UNHCR 7.2018). Rückkehrüberlegungen von syrischen Männern werden auch von ihrem Wehrdienststatus beeinflusst (DIS/DRC 2.2019).
Bereits im Jahr 2017 haben die libanesischen Behörden trotz des Konfliktes und begründeter Furcht vor Verfolgung vermehrt die Rückkehr syrischer Flüchtlinge gefordert. Eine kleine Anzahl von Flüchtlingen ist im Rahmen lokaler Abkommen nach Syrien zurückgekehrt. Diese Rückkehrbewegungen werden nicht von UNHCR überwacht. Einige Flüchtlinge kehren aufgrund der harschen Politik der Regierung ihnen gegenüber und sich verschlechternden Bedingungen im Libanon nach Syrien zurück, und nicht weil sie der Meinung sind, dass Syrien sicher sei. Gemeinden im Libanon haben Tausende von Flüchtlingen in Massenausweisungen/Massenvertreibungen ohne Rechtsgrundlage oder ordnungsgemäßes Verfahren vertrieben. Zehntausende sind weiterhin der Gefahr einer Vertreibung ausgesetzt (HRW 17.1.2019). Viele syrische Flüchtlinge kehren aufgrund der schlechten Bedingungen im Libanon und Jordanien nach Syrien zurück, und weil sie außerhalb Syriens keine Zukunft für sich sehen (IT 19.8.2018). UNHCR hat nur vereinzelt und für kurze Zeit Zugang zu Personen, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren, und kann auch keine ungestörten Interviews mit ihnen führen (AA 13.11.2018).
Flüchtlinge, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren möchten, müssen dies bei den lokalen Sicherheitsbehörden melden und diese leiten den Antrag an die syrischen Behörden weiter (IT 19.8.2018; vgl. Reuters 25.9.2018). Die syrischen Behörden überprüfen die Antragsteller. Anträge auf Rückkehr können von der Regierung auch abgelehnt werden. Der Anteil der Personen, denen die Rückkehr nicht gestattet wird, wird von den verschiedenen Quellen mit 5% (SD 16.1.2019), 10% (Reuters 25.9.2018), bis hin zu 30% (ABC 6.10.2018) angegeben. In vielen Fällen wird auch Binnenvertriebenen die Rückkehr in ihre Heimatgebiete nicht erlaubt (USDOS 13.3.2019).
Gründe für eine Ablehnung können (wahrgenommene) politische Aktivitäten gegen die Regierung bzw. Verbindungen zur Opposition oder die Nicht-Ableistung der Wehrpflicht sein (Reuters 25.9.2018; vgl. ABC 6.10.2018, SD 16.1.2019). Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden, und darum die Genehmigung zur Rückkehr nicht erhalten, sind aufgefordert ihren Status zu „regularisieren“, bevor sie zurückkehren können (Reuters 25.9.2018; vgl. SD 16.1.2019). In Jordanien gibt es für diese Regularisierung jedoch bisher keine Abläufe. Im Januar 2019 fanden erstmals organisierte Rückkehrbewegungen einer geringen Anzahl von syrischen Flüchtlingen aus Jordanien am syrisch-jordanischen Jaber-Nassib-Grenzübergang statt. Organisiert wurde die Rückkehr von einem zivilen Komitee, ohne Beteiligung der jordanischen Behörden und auch hier wurden die Namen der Antragsteller den syrischen Behörden zur Rückkehrgenehmigung übermittelt (SD 16.1.2019).
Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen. Um intern oder aus dem Ausland zurückzukehren, müssen Geflüchtete umfangreiche Formulare ausfüllen (EIP 6.2019).
Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten Personen, die illegal ausgereist sind, „bei der Einreise gut zu behandeln“. Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung „Versöhnung“ beantragen und unter anderem angeben wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein „Versöhnungsformular“ ausfüllen (DIS 6.2019).
Syrer benötigen in unterschiedlichen Lebensbereichen eine Sicherheitsfreigabe von den Behörden, so z.B. auch für die Eröffnung eines Geschäftes, eine Eheschließung und Organisation einer Hochzeitsfeier, um den Wohnsitz zu wechseln, für Wiederaufbautätigkeiten oder auch um eine Immobilie zu kaufen (FIS 14.12.2018; vgl. EIP 6.2019). Die Sicherheitsfreigabe kann auch Informationen enthalten, z.B. wo eine Person seit dem Verlassen des konkreten Gebietes aufhältig war. Der Genehmigungsprozess könnte sich einfacher gestalten für eine Person, die in Damaskus aufhältig war, wohingegen der Aufenthalt einer Person in Orten wie Deir ez-Zour zusätzliche Überprüfungen nach sich ziehen kann. Eine Person wird für die Sicherheitserklärung nach Familienmitgliedern, die von der Regierung gesucht werden, befragt, wobei nicht nur Mitglieder der Kern- sondern auch der Großfamilie eine Rolle spielen (FIS 14.12.2018).
Für Personen aus bestimmten Gebieten Syriens erlaubt die Regierung die Wohnsitzänderung aktuell nicht. Wenn es darum geht, wer in seinen Heimatort zurückkehren kann, können einem Experten zufolge ethnisch-konfessionelle aber auch praktische Motive eine Rolle spielen. Genannt werden zum Beispiel Sayyida Zeinab – eine schiitisch dominierte Gegend, in welcher der Sayyida Zeinab Schrein gelegen ist – oder die christliche Stadt Ma‘lula in Damaskus-Umland, in die Muslime nicht zurückkehren können (FIS 14.12.2018). Ehemalige Bewohner von Homs müssen auch vier Jahre nach der Wiedereroberung durch die Regierung noch immer eine Sicherheitsüberprüfung bestehen, um in ihre Wohngebiete zurückkehren und ihre Häuser wieder aufbauen zu können (TE 28.6.2018). Syrer, die nach Syrien zurückkehren, können sich nicht an jedem Ort, der unter Regierungskontrolle steht, niederlassen. Die Begründung eines Wohnsitzes ist nur mit Bewilligung der Behörden möglich (ÖB 21.8.2019). Das syrische Innenministerium kündigte Anfang 2019 an, keine Sicherheitserklärung mehr als Voraussetzung für die Registrierung eines Mietvertrages bei Gemeinden zu verlangen (SLJ 29.1.2019; vgl. ÖB 10.5.2019), sondern Mieten werden dort registriert und die Daten an die Sicherheitsbehörden weitergeleitet (ÖB 10.5.2019), sodass die Sicherheitsbehörden nur im Nachhinein Einspruch erheben können. Abgesehen von Damaskus wurde dies bisher nicht umgesetzt (ÖB 21.8.2019). Außerhalb von Damaskus muss die Genehmigung nach wie vor eingeholt werden. Auch hinsichtlich Damaskus wurde berichtet, dass Syrer aus anderen Gebieten nicht erlaubt wurde, sich in Damaskus niederzulassen (ÖB 7.2019). Eine Reihe von Vierteln in Damaskus bleiben teilweise oder vollständig geschlossen, selbst für Zivilisten, die die Wohnviertel nur kurz aufsuchen wollen, um nach ihren ehemaligen Häusern zu sehen (SD 19.11.2018).
Es ist wichtig, dass Rückkehrer in ihren Herkunftsort zurückkehren, weil sie dann auf ein soziales Netzwerk und/ oder ihren Stamm zurückgreifen können. Jenen, die aus dem Ausland in ein Gebiet ziehen, aus dem sie nicht stammen, fehlt ein solches Sicherheitsnetz (MOFANL 7.2019).
Es ist schwierig Informationen über die Lage von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer, oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern. Zudem wollen viele Flüchtlinge aus Angst vor Repressionen der Regierung nicht mehr mit Journalisten (TN 10.12.2018) oder sogar mit Verwandten sprechen, nachdem sie nach Syrien zurückgekehrt sind (Syria Direct 16.1.2019; vgl. TN 10.12.2018). Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es wohl auch aufgrund deren geringen Zahl keine Angaben (ÖB 7.2019).
Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle wie einem Checkpoint von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Checkpoint-Personals oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter, riskieren. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt (FIS 14.12.2018).
Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018).
Es wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen laut deutschem Auswärtigem Amt glaubwürdig, können im Einzelfall aber nicht verifiziert werden (AA 13.11.2018).
Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, exilpolitische Tätigkeiten auszuspähen und darüber zu berichten (AA 13.11.2018; vgl. ÖB 7.2019). Es gibt Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste mit Drohungen gegenüber noch in Syrien lebenden Familienmitgliedern Druck auf in Deutschland lebende Verwandte ausüben (AA 13.11.2018). Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (BFA 8.2017). Der Sicherheitssektor nützt den Rückkehr- und Versöhnungsprozess, um, wie in der Vergangenheit, lokale Informanten zur Informationsgewinnung und Kontrolle der Bevölkerung zu institutionalisieren. Die Regierung weitet ihre Informationssammlung über alle Personen, die nach Syrien zurückkehren oder die dort verblieben sind, aus. Historisch wurden Informationen dieser Art benutzt, um Personen, die aus jedwedem Grund als Bedrohung für die Regierung gesehen werden, zu erpressen oder zu verhaften (EIP 6.2019).
Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren (IT 17.3.2018). Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört – inklusive Geflüchteten, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrten, IDPs aus Gebieten, die von der Opposition kontrolliert wurden, und Personen, die in durch die Regierung wiedereroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung geschlossen haben. Sie wurden gezwungen Aussagen über Familienmitglieder zu machen und in manchen Fällen wurden sie gefoltert (TWP 2.6.2019; vgl. EIP 6.2019).
Daten der Vereinten Nationen weisen darauf hin, dass 14% von mehr als 17.000 befragten IDP- und Flüchtlingshaushalten, die im Jahr 2018 zurückgekehrt sind, während ihrer Rückkehr angehalten oder verhaftet wurden, 4% davon für über 24 Stunden. In der Gruppe der (ins Ausland) Geflüchteten wurden 19% verhaftet. Diese Zahlen beziehen sich spezifisch auf den Heimweg und nicht auf die Zeit nach der Rückkehr (EIP 6.2019).
Syrische Flüchtlinge benötigen für die Heimreise üblicherweise die Zustimmung der Regierung und die Bereitschaft vollständige Angaben über ihr Verhältnis zur Opposition zu machen. In vielen Fällen hält die Regierung die im Rahmen der „Versöhnungsabkommen“ vereinbarten Garantien nicht ein, und Rückkehrer sind Belästigungen oder Erpressungen durch die Sicherheitsbehörden oder auch Inhaftierung und Folter ausgesetzt, mit dem Ziel Informationen über die Aktivitäten der Flüchtlinge im Ausland zu erhalten (TWP 2.6.2019).
Laut UNHCR ist unter den in Syrien herrschenden Bedingungen eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde derzeit nicht möglich und UNHCR fördert oder unterstützt die Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien weiterhin nicht (UNHCR 18.3.2019).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers wurde bereits seitens der belangten Behörde im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung des Status eines Asylberechtigten festgestellt und es bestehen keine Zweifel an diesen Feststellungen.
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verwaltungs- und dem Gerichtsakt.
Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme durch die belangte Behörde am 24.01.2017 sowie am 21.05.2019, seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (AS 1 ff, 73 ff und 211 ff; Seite 7 ff des Verhandlungsprotokolls; Beilage ./III) und der Einsicht in die aktuellen Auszüge des Zentralen Melderegisters betreffend den Beschwerdeführer.
2.2. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:
Die Feststellungen zur Verurteilung des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Einsicht der im Verwaltungsakt aufliegenden strafgerichtlichen Entscheidungen und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug des Beschwerdeführers.
In diesem Zusammenhang vermochte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht schlüssig darzustellen, dass er das Unrecht seiner letzten Straftat einsieht. So führte er zuerst an, dass er geschlagen und so habe, ihn Leute provoziert hätten und es Stress gegeben habe. Auf Nachfrage, wie er provoziert worden sei, antwortete der Beschwerdeführer wiederum, dass sie falsche Wörter gesagt hätten, Leute, die Ausländer nicht mögen würden. Diese hätten geschimpft und gewollt, dass er was mache. Führte der Beschwerdeführer zu Beginn noch an, dass es zum Streit gekommen sei, weil er getrunken habe und diese Leute auch getrunken hätten, sie dann begonnen hätten ihn zu beschimpfen und provozieren. Er sei geschlagen worden und habe dann reagiert, relativierte der Beschwerdeführer seine Darstellung wiederum dahingehend, dass er auf Nachfrage angab, dass er sich an den Vorfall, der dazu geführt habe, dass er in das Gefängnis gekommen sei, überhaupt nicht mehr erinnere (Seite 11 ff des Verhandlungsprotokolls). Es ist nicht nachvollziehbar, dass er einerseits den Ablauf des Tatherganges schilderte und andererseits angab, dass er sich an überhaupt nichts mehr erinnern könne. Dieses Aussageverhalten vermittelte vielmehr den Eindruck, dass dem Beschwerdeführer die Schwere seiner Straftat nicht bewusst ist und er somit nicht glaubhaft darstellen konnte, dass er seine Tat bereue. Dieser Eindruck verstärkte sich auch im Rahmen seiner weiteren Aussagen in der mündlichen Verhandlung. So wurde der Beschwerdeführer wiederholt gefragt, ob er noch Kontakt zu seinen Mittätern habe. Diese Fragen verneinte der Beschwerdeführer ausdrücklich und führte einerseits an, dass sich diese in Haft befinden würden bzw. dass er seit dem Gefängnis keinen Kontakt mehr mit diesen habe. Auf Nachfrage schwächte er diese Aussage wiederum ab und führte aus, dass er einen vielleicht ein- oder zweimal zufällig gesehen habe, sich mit ihm aber nicht unterhalten habe. Es handle sich dabei um XXXX . Ergänzend führte er an, dass er sich um seine Arbeit kümmere und er trinke absolut keinen Alkohol mehr, damit ihm so etwas nicht mehr passiere (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). In diesem Zusammenhang ist ihm jedoch seine Vernehmung vor der Polizei am XXXX 10.2019 vorzuhalten. Hier führte der Beschwerdeführer an, dass er ein- oder zweimal bei einer Hütte am XXXX gewesen sei. Sie hätten dort Whiskey getrunken und Zigaretten geraucht. XXXX sei ebenfalls dabei vor Ort gewesen (OZ 8). Somit konnten den Angaben des Beschwerdeführers nicht geglaubt werden, dass er keinen Kontakt mehr mit seinen Mittätern gehabt habe und auch keinen Alkohol mehr trinke, um zukünftige Straftaten zu verhindern.
2.3. Zum Leben in Österreich:
Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Dass der Beschwerdeführer am 05.02.2019 aus seiner Strafhaft entlassen wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und konnte durch Einsicht in das Zentrale Melderegister verifiziert werden.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich eine Mutter und eine Schwester hat, von diesen jedoch getrennt lebt, aber diese besucht, folgt aus seinen Angaben im behördlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung (AS 1, 76 und 211 f, Seite 8 ff des Verhandlungsprotokolls).
Die weiteren Feststellungen zur sozialen und wirtschaftlichen Integration des Beschwerdeführers (Deutschkenntnisse, soziale Beziehungen, Beschäftigungen) ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, den Aussagen in der mündlichen Verhandlung und einem Auszug der Sozialversicherung (Seite 8 ff des Verhandlungsprotokolls, Beilage ./III). Auch in diesem Zusammenhang versuchte der Beschwerdeführer seine berufliche Situation jedoch besser darzustellen, als sie tatsächlich ist. So gab er in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, seit wann er arbeiten gehe, an, dass er seitdem er aus dem Gefängnis rausgekommen sei, er zu arbeiten angefangen habe. Wegen Corona habe es keine Arbeit gegeben. Er bekomme keine Sozialhilfe, sondern das Geld von der Arbeit. Er verdiene im Monat € 1.400,- (Seite 8 und 9 des Verhandlungsprotokolls). Auf Vorhalte des Vertreters der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung, dass laut Auszug aus der Sozialversicherung der Beschwerdeführer seit 22.06.2020 nicht mehr arbeite und als arbeitslos gemeldet sei, führte der Beschwerdeführer an, dass er eine andere Arbeit gefunden habe. Es sei eine Firma, die im selben Bereich arbeite und die ihn besser bezahle. Er arbeite derzeit nicht, aber wenn er zurück sei, gehe er sofort arbeiten. Aus dem vorgelegten Sozialversicherungsauszug ist wiederum zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in den Zeiträumen 09.04.2019 bis 29.04.2019, 27.08.2019 bis 11.10.2019, 11.12.209 bis 20.12.2019 und zuletzt vom 07.05.2020 bis 22.06.2020 als Arbeiter beschäftigt gemeldet wurde (Beilage ./III). Eine regelmäßige Beschäftigung, mit der er nach seiner Haftentlassung monatlich einen Verdienst von € 1.400,- erwirtschaften hätte können, kann dem Auszug jedenfalls nicht entnommen werden, weshalb die entsprechenden Feststellungen zu treffen waren.
2.4. Zu den Länderfeststellungen:
Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung von anderen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichten aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht maßgeblich geändert haben.
Die festgestellten Länderberichte zu Pkt. 1.4.1. stellen im Wesentlichen die Lage in Syrien näher dar.
Den Ausführungen in der Beschwerde, wonach die den Länderfeststellungen zugrundeliegenden Länderberichte veraltet seien, ist nicht zu folgen. Sowohl die von der belangten Behörde als auch jene vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Länderberichte beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, welches zuletzt am 17.10.2019 aktualisiert wurde. Auch darüber hinaus trat der Beschwerdeführer den Länderberichten nicht substantiiert entgegen.
Dass sich seit der Übermittlung der Länderinformationen für den gegenständlichen Fall eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann im vorliegenden Fall verneint werden. Die Lage stellt sich diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten und zur Feststellung, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status eines Asylberechtigten abzuerkennen, wenn
- ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
- einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
- der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.
Gemäß dem - im gegenständlichen Fall in Betracht kommenden - § 7 Abs. 1 Z 1 Asyl G 2005 - welcher auch von der belangten Behörde bei der Erlassung des gegenständlichen Bescheides zur Anwendung gebracht wurde - ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 vorliegt.
Gemäß dem hier zu prüfenden § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellt.
Für den hier vorliegenden Fall der Entscheidung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen wegen der wörtlich gleichen Voraussetzungen die gleichen Maßstäbe gelten, auf die sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den bisherigen Vorerkenntnissen (VwGH 06.10.1999, 99/01/0288; 24.11.1999, 99/01/0314; 12.09.2002, 99/20/0532) zu § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 bezogen haben (vgl. VwGH 03.12.2002, 99/01/0449).
Gemäß Art. 33 Abs. 1 der GFK darf kein vertragsschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Nach Art. 33 Z 2 GFK kann sich ein Flüchtling aber nicht auf diese Begünstigung beziehen, wenn er aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltslandes anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof führte erstmalig in seinem Erkenntnis vom 06.10.1999, 99/01/0288 aus, dass nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein müssen, dass ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht - bzw. ihm der Status eines Asylberechtigten aberkannt - werden darf. Er muss:
- ein besonders schweres Verbrechen verübt haben,
- dafür rechtskräftig verurteilt worden,
- sowie gemeingefährlich sein und
- es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (Güterabwägung).
Unter den Begriff des schweren Verbrechens iSd Art. 1 Abschn. F lit. b GFK fallen nach herrschender Lehre nur Straftaten, die in objektiver und subjektiver Hinsicht besonders verwerflich sind und deren Verwerflichkeit in einer Güterabwägung gegenüber den Schutzinteressen der betroffenen Person diese eindeutig überwiegt. Dieser Standpunkt - Berücksichtigung subjektiver Faktoren, wie Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe oder Rechtfertigungsgründe - wird auch in der Rechtsprechung des VwGH vertreten (zB VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Es genügt nicht, dass der Beschwerdeführer ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt hat. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Um ein schweres Verbrechen, das zum Ausschluss von der Anerkennung als Asylberechtigter - und im vorliegenden Fall somit zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten - führen kann, handelt es sich typischerweise bei Vergewaltigung, Tötung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffnetem Raub und schließlich auch Menschenhandel bzw. Schlepperei (vgl. Putzer, Asylrecht. Leitfaden zum Asylgesetz 2005, 2. Auflage, 2011, Rz 125).
In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005, RV 952 BlgNR 22. GP, wird zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG, auf welchen § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG u.a. verweist, erläuternd - wenngleich nur demonstrativ - Folgendes ausgeführt:
"Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter den Begriff, besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. Mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asylg (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), sowie nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 10.06.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit - an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen, mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des ‚besonders schweren Verbrechens' des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."
Beim vom Beschwerdeführer verwirklichten Verbrechen handelt es sich um eine absichtliche schwere Körperverletzung. Dabei ging der Beschwerdeführer ohne Vorwarnung auf eine dem Beschwerdeführer unbekannte Person los und brachte ihn mit weiteren Mitbeteiligten durch mehrere Faustschläge zu Boden und versetzte anschließende Fußtritte – auch gegen den Kopf - , wodurch das Opfer im Gesichts- und Nasenbereiche starke Blutungen, eine Gehirnerschütterung, eine zweifache Nasenfraktur mit Nasenriss, mehrere Platzwunden am Kopf, Prellungen im Bereich der Schultern, der Rippen und des Brustkorbes, diverse Blutergüsse im Bereich der Schläfe und blutigen Urin erlitt. Er handelte im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter. Es kam ihm gerade darauf an, dem Opfer eine schwere Verletzung zuzufügen. Im Urteil des Landesgerichtes XXXX wurde auch festgehalten, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt alkoholisiert war. Zwar war er in seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit eingeschränkt, jedoch war er durchaus noch in der Lage, das Unrecht seiner Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Es liegen keine Schuldausschließungs- bzw. Rechtfertigungsgründe vor. Auch in der mündlichen Verhandlung war der Beschwerdeführer nicht in der Lage widerspruchsfrei darzustellen, aus welchem Grund er eine ihm unbekannte Person derartig schwer verletzt hat. Aufgrund dieser Ausführungen ist das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen in seiner Gesamtheit nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv als besonders schwerwiegend anzusehen.
Angesichts der dargestellten Verurteilung und dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer unmittelbar nach seiner Entlassung aus seiner Strafhaft erneut mit einem Mittäter traf und auf einem fremden Grundstück Alkohol trank, jedoch in der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Kontakt mit einem Mittäter verneinte, ist auch auf Grund der Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers weiterhin davon auszugehen, dass von diesem eine große Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, zumal mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sein wird, dass der Beschwerdeführer angesichts der in der Vergangenheit erfolglosen dauerhaften Integration am Arbeitsmarkt sowie der in Zusammenhang mit der erfolgten Verurteilung wegen absichtlichen schweren Körperverletzung gezeigten Gewaltbereitschaft gegen eine Person, die ihm vollkommen unbekannt war, weiterhin solche vergleichbare Straftaten begehen wird. Dabei ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer über kein hohes Unrechtsbewusstsein verfügt, nachdem er selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung lediglich anführte, sich nicht an die Tathandlung erinnern zu können und einen neuerlichen Kontakt bzw. Alkoholkonsum mit seinen ehemaligen Mittätern zu verheimlichen versuchte. Dies vermittelte bereits den Eindruck, dass der Beschwerdeführer nicht das Unrecht und die Schwere seiner Tat einsieht und nicht bereit war, entsprechende Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt noch 17 Jahre alt war vermag angesichts der unter Beweis gestellten unkontrollierten Gewaltbereitschaft zu keiner günstigeren Prognose führen.
Es besteht daher kein Zweifel, dass im hier gegenständlichen Fall im vom Beschwerdeführer begangenen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung ein besonders schweres Verbrechen vorliegt.
Eine - für die Aberkennung - notwendige Gemeingefährlichkeit ist anhand einer Zukunftsprognose zu eruieren. Hierbei kommt es auf das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers an. Der Beschwerdeführer ist im gegenständlichen Fall aus folgenden Gründen als gemeingefährlich einzustufen:
Wie aus dem Gerichtsurteil des Landesgerichts Innsbruck vom XXXX 2019 zu GZ XXXX lediglich auszugsweise hervorgeht, entschloss sich der Beschwerdeführer ohne Vorwand auf das Opfer mit weiteren Mittätern loszugehen und wurde dem Opfer diverse Verletzungen zugefügt. Die Gruppe ließ erst vom Opfer ab, nachdem eine Person schrie: „Achtung, die Bullen kommen.“.
Als mildernd wurde die Unbescholtenheit und als erschwerend die Begehung während anhängigen Verfahrens sowie die Tätermehrheit gewertet.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass der Beschwerdeführer seit seiner letzten Verurteilung nicht mehr strafrechtlich verurteilt wurde und die Bewährungshilfe in Anspruch nahm, jedoch kann aufgrund des bereits in der Beweiswürdigung näher dargestellte Aussagverhaltens des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung über seine Verurteilung und seine bisherige Lebensgestaltung keine positive Zukunftsprognose vorgenommen werden. Dabei wird auch mitberücksichtigt, dass der Bewährungshelfer des Beschwerdeführers in einer Mail bestätigt, dass der Beschwerdeführer durchgängig und regelmäßig Kontakt zur Bewährungshilfe hat und auch bemüht sei, am Arbeitsplatz Fuß zu fassen. Hinsichtlich Gewaltbereitschaft und Delikten könne eine positive Entwicklung festgestellt werden. Diese Darstellung vermochte jedoch vor dem Hintergrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung nicht zu einer positiven Zukunftsprognose führen. Vielmehr ist aufgrund der Darstellung des Beschwerdeführers von einem mangelnden Unrechtsbewusstsein auszugehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in der ersten mündlichen Verhandlung am 25.06.2020 unentschuldigt nicht erschienen ist und dies in der mündlichen Verhandlung vom 23.07.2020 damit begründete, dass er die Ladung für den Termin zu spät in seinem Postkasten gesehen habe. Seine rechtskundige Vertreterin gab jedoch in der mündlichen Verhandlung an, dass die Ladung unverzüglich an den Beschwerdeführer weitergeleitet wurde. Aus dem Gerichtsakt geht hervor, dass die Ladung der rechtsfreundlichen Vertretung am 09.06.2020 – und damit über zwei Wochen vor dem Verhandlungstermin - ordnungsgemäß zugestellt wurde. Somit kann die Darstellung des Beschwerdeführers ebenfalls nur als Schutzbehauptung gewertet werden und vermittelte er damit vielmehr den Eindruck, seine Mitwirkungspflicht nicht ernst zu nehmen. Vor dem Hintergrund der dargestellten Tathandlung ist insgesamt von einer höheren Gewaltbereitschaft beim Beschwerdeführer auszugehen. Der Beschwerdeführer hat zudem keine Verantwortungsübernahme oder Reue für seine Taten in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar gezeigt. Somit war insgesamt die Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers festzustellen.
Im Ergebnis war die Beschwerde sohin hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen, da der Beschwerdeführer aus objektiver und subjektiver Sicht ein besonders schweres Verbrechen verwirklicht hat und als eine aktuelle Gefahr für die Gesellschaft und als Gefahr für die Allgemeinheit angesehen werden muss. Zusammengefasst sind die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten beim Beschwerdeführer somit gegeben.
Zu den Abwägungen zwischen den Interessen des Beschwerdeführers zum Verbleib im Bundesgebiet und den entgegenstehenden öffentlichen Interessen siehe die Erwägungen zur Rückkehrentscheidung (Pkt. 3.4.). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in sein Heimatland derzeit nicht ab- oder zurückgeschoben werden darf (Spruchpunkt V.) und daher im Folgenden auf die aktuellen Länderfeststellungen, die dem Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gebracht wurden, nicht näh