Entscheidungsdatum
30.09.2020Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I416 2154331-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2020, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. am XXXX , StA. Marokko, beschlossen:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm. § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Der Fremde reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.10.2015 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, gab er an, dass er Marokko verlassen habe, weil sein Bruder von militanten Gruppen gejagt worden sei und er nach seinem Bruder ausgesucht worden sei. Er sei bedroht worden und haben ihn diese umbringen wollen.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 26.01.2016, Zl. XXXX , wurde der Fremde wegen versuchten Diebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Wochen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
Ein von der Behörde in Auftrag gegebene medizinische Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung ergab, dass der Fremde bereits zum Zeitpunkt seiner Asylantragsstellung volljährig gewesen ist und dieser das 18. Lebensjahr spätestens am 27.9.2015 vollendet hat sodass das behauptete Lebensalter mit dem festgestellten Mindestalter nicht vereinbar ist. Mit Verfahrensanordnung vom 28.10.2016 wurde dem Fremden über seine gesetzliche Vertretung mitgeteilt, dass sein spätmöglichstes Geburtsdatum mit 27.09.1997 festgestellt wurde.
Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 29.12.2016, Zl. XXXX wurde der Fremde wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt und die Probezeit seiner ersten Verurteilung auf fünf Jahre verlängert.
Am 04.04.2017 wurde der Fremde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Zu seiner Asylantragsstellung und seinem Fluchtgrund brachte er im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass sein Bruder in Marokko eine Freundin gehabt habe, deren Bruder streng gläubig gewesen sei. Sein Bruder habe seine Freundin heiraten wollen, deren Bruder habe dies jedoch abgelehnt und diesen töten wollen. Trotz der Ausreise seines Bruders aus Marokko, sei der Bruder der Freundin immer wieder zu Ihnen nach Hause gekommen, da er seinem Bruder sehr ähnlich sehe, habe er immer wieder Probleme gehabt, die Familie der Freundin sei aggressiv gewesen und habe seine Familie verbal bedroht und wollten sie auch ihn töten. Dies seien alle seine Fluchtgründe gewesen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß „§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko gemäß „§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ abgewiesen. Gleichzeitig wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung des Fremden nach Marokko festgestellt. Zudem wurde einer allfälligen Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, sowie festgestellt, dass der Fremde sein Aufenthaltsrecht ab dem 30.01.2016 verloren hat und wurde gegen den Fremden ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.05.2017, Zl. I415 2154331-1/3E, wurde die dagegen durch den Fremden erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde der Rechtsvertretung nachweislich zugestellt und vom Fremden zudem am 20.5.2017 persönlich übernommen.
Der Fremde hat sich seine Außerlandesbringung durch „Untertauchen“ entzogen und ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.
Der Fremde wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.09.2019, Zl. XXXX , wegen des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs, des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften sowie dem Verbrechen des Suchtgifthandels und der Vorbereitung von Suchtgifthandel zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt.
Über den Fremden wurde im Anschluss an die Strafhaft die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Aus dem Stande der Schubhaft heraus stellte der Fremde am 8.9.2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, dass er am Anfang nicht die ganze Geschichte erzählt habe. Er führte aus, dass er zwei Gründe für seine Flucht gehabt habe, bei seinem ersten Antrag habe er nur einen genannt und nicht erzählt, dass er in Marokko persönlich verfolgt werde. Er führte weiters aus, dass wenn der nach Marokko zurückkehren würde, er keine Zukunft habe, er würde keinen Job finden, keine Karriere machen können, seine Freunde die mit ihm geflüchtet seien, würden sich auch nicht mehr zurück nach Marokko trauen. Seine Familie im Marokko habe Drohbriefe erhalten in denen stehen würde, dass er umgebracht werden würde, wenn er zurückkomme, seinem Vater sei das Grundstück weggenommen worden und auf den Wänden des Elternhauses sei geschrieben worden, dass er umgebracht werden würde, wenn er zurückkehre. Diese Änderungen seiner Fluchtgründe, habe er letztes Jahr von seinem Bruder erfahren. Zuletzt, führte er aus, dass ein weiterer Grund warum er in Österreich bleiben wolle, sei, dass er seit drei Jahren eine Freundin in XXXX habe, sie sei seine erste Liebe und würde sie Ihn in allen Belangen unterstützen, zudem wolle er nicht nach Marokko zurückkehren, da sich seine Eltern getrennt hätten und er nicht in deren in Streit geraten wolle.
Mit Verfahrensanordnung vom 10.9.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Fremden gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon ausgehe, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Zugleich wurde dem Fremden gemäß § 29 Abs. 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass zur Wahrung des Parteiengehörs vor der Einvernahme eine Rechtsberatung stattfinden werde.
Am 16.09.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Fremden durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz statt. Nach den Gründen für seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz befragt, gab er zusammengefasst an, dass seine Fluchtgründe aus seinem erstmals im Verfahren nach wie vor aufrecht sein, zudem habe er noch einen weiteren Grund, nämlich, dass er im Norden von Marokko an Demonstrationen teilgenommen habe und ihn deswegen in Marokko Probleme erwarten würden. Bekannt seien ihm diese Fluchtgründe bereits seit seiner Ausreise und habe sich seit dem 20.5.2017 auch an den Gründen nichts geändert. Auf Vorhalt, wieso er bezüglich der Demonstrationen nichts im ersten Verfahren erwähnt habe, gab er an, dass er das nicht erzählt habe, weil er Angst gehabt habe, deswegen Probleme zu Hause zu bekommen. Er führte weiters aus, dass die Demonstrationen 2014 gewesen seien, 2015 und 2016 sei dann begonnen worden, Leute festzunehmen, erfahren habe er dies 2016. Gefragt, wieso er dies nicht im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme am 4.4.2017 angegeben habe, führte er aus, weil er erst jetzt wisse, dass er Probleme bekomme, wenn er nach Hause kommen würde, wissen würde er dies, weil Freunde von ihm wegen den Gründen Asyl in Europa bekommen hätten. Gefragt, weshalb er der Ansicht sei, dass er im Falle einer Rückkehr einer Bedrohung ausgesetzt wäre, gab er an, dass die Polizei 2014 als er noch in Marokko gewesen sei, nach ihm gefragt hätte, andere Gründe gebe es keine. Im Falle einer Rückkehr, in seinen Herkunftsstaat sei sein Leben in Gefahr. Hinsichtlich seines Privatlebens sei seit seiner letzten Antragstellung eine Änderung eingetreten, da er nunmehr hier eine Freundin habe, mit der er gemeinsam leben möchte. Zu seiner Freundin, führte er aus, dass diese XXXX heißen, am XXXX geboren sei und in XXXX wohnen würde, eine Beziehung würde er seit August 2017 mit ihr führen. Er gab weiters an, dass er von seiner Freundin finanziell unterstützt werde, er habe jedoch nie in einem gemeinsamen Haushalt mit ihr gelebt. Seine Freundin habe in einem Café in der Nähe vom Rennweg gearbeitet, wo diese jetzt arbeiten würde, wisse er jedoch nicht. Zuletzt habe er gestern mit seiner Freundin telefoniert und gesehen habe er diese vor einem Monat und 20 Tagen als er noch in XXXX gewesen sei. Er würde auch die Mutter seiner Freundin kennen, er wisse jedoch nicht wie die Eltern seiner Freundin heißen. Zu seinem Bruder gab er an, dass dieser Asyl in Holland bekommen habe, jetzt aber in Deutschland leben würde und ihm monatlich Geld überweisen würde. Persönlich gesehen habe er seinen Bruder zuletzt vor mehr als zwei Jahren. Zu seinem Gesundheitszustand führte er aus, dass er Herzrasen und Atemnot habe, sowie leichte Depressionen, da er vorher Drogen konsumiert habe.
Am 23.09.2020 wurde der Fremde ein weiteres Mal niederschriftlich einvernommen, wobei er ausführte, dass er im Rahmen seiner letzten Einvernahme die Wahrheit gesagt habe und sich an seinem Familienleben und seinem Gesundheitszustand nichts geändert habe.
Im Anschluss an diese Einvernahme hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem mündlich verkündeten Bescheid den faktischen Abschiebeschutz nach § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG auf.
Mit Schreiben vom 25.09.2020, eingelangt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts I416 am 28.09.2020, informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht über die erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und übermittelte zugleich den Akt zur Beurteilung der Aufhebung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Fremden:
Der Fremde ist ein Staatsangehöriger von Marokko und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20 b AsylG. Er ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.
Die Identität des Fremden steht fest.
Der Fremde stellte bereits einen Antrag auf internationalen Schutz. Der erste Antrag wurde rechtskräftig negativ entschieden.
Der Fremde hat sich seiner Außerlandesbringung durch „Untertauchen“ entzogen und verblieb illegal im Bundesgebiet. Der Fremde war zwischen 27.6.2018 und 24.7.2019 ohne aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet.
Gegen den Fremden besteht ein rechtskräftiges auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot.
Der Fremde ist volljährig. Der Beschwerdeführer ist im Entscheidungszeitpunkt nicht verheiratet und hat keine Kinder.
Nicht festgestellt werden kann, dass der Fremde entscheidungsrelevante gesundheitliche Probleme hat. Der Fremde leidet an Angststörung, Z.n. Polytoxikomanie, wurde deshalb im AHZ XXXX ärztlich behandelt, wobei er die verschriebenen Medikamente auf eigenen Wunsch abgesetzt hat. Es konnte keine derart schwere, akut lebensbedrohliche und zudem in Marokko nicht behandelbare gesundheitliche Beeinträchtigung festgestellt werden, die nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte.
In Marokko lebt noch die Familie des Fremden. Der Bruder des Fremden hat laut eigenen Angaben in Holland Asyl bekommen und lebt in Deutschland. Zuletzt persönlichen Kontakt zu seinem Bruder hatte der Beschwerdeführer vor ca. zwei Jahren.
Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Fremden in Österreich.
Der Fremde geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Fremde führt laut eigenen Angaben seit drei Jahren (August 2017) eine Beziehung mit XXXX . Der Fremde hat jedoch zu keinem Zeitpunkt mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.
Der Fremde ist diese Beziehung erst nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens eingegangen.
Abgesehen von seiner Freundin, weist der Fremde keine entscheidungsrelevanten sozialen Kontakte oder private Beziehungen im Bundesgebiet auf. Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Fremden in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Der Fremde verfügt kein schützenswertes Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK.
Der Fremde weißt nachstehende strafrechtliche Verurteilungen auf:
01) LG XXXX XXXX vom 26.01.2016 RK 30.01.2016
Freiheitsstrafe 3 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre
zu LG XXXX XXXX RK 30.01.2016
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
BG XXXX XXXX vom 29.12.2016
02) BG XXXX XXXX vom 29.12.2016 RK 03.01.2017
§§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (1) Z 1 8. Fall SMG
Freiheitsstrafe 4 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
zu BG XXXX XXXX RK 03.01.2017
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG XXXX XXXX vom 13.04.2017
zu BG XXXX XXXX RK 03.01.2017
Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen
LG XXXX XXXX i vom 13.09.2019
03) LG XXXX XXXX vom 13.04.2017 RK 13.04.2017
§ 27 (2a) SMG
Freiheitsstrafe 4 Monate
04) LG XXXX XXXX vom 14.11.2017 RK 18.11.2017
Keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf BG XXXX XXXX RK 03.01.2017
05) LG XXXX XXXX i vom 13.09.2019 RK 17.09.2019
§§ 28a (1) 5. Fall, 28a (1) 6. Fall, 28 (3) 1. Fall SMG
§ 27 (1) Z 1 7. Fall SMG
§ 148a (1) StGB
§§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG
Freiheitsstrafe 7 Monate
Der Fremde befindet sich aktuell in Schubhaft.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Fremden:
Der aus Marokko stammende Fremde brachte im ersten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zusammengefasst vor, dass er Marokko verlassen habe, da ihm wegen der Beziehung seines Bruders zu einem Mädchen Verfolgung drohe.
Im nunmehr gegenständlichen Verfahren hält der Fremde seine bisherigen Fluchtgründe aufrecht und führt darüberhinaus unsubstantiiert aus, dass er 2014 an Demonstrationen im Norden Marokkos teilgenommen habe und ihn deswegen Probleme im Marokko erwarten würden. Bekannt seien ihm diese Gründe bereits vor seiner Ausreise aus Marokko gewesen.
Es wird ausdrücklich festgestellt, dass der Fremde bereits während seines anhängigen ersten Asylverfahrens, die im nunmehrigen Verfahren geltend gemachten Ausreisegründe vorbringen hätte können, da keine neuen, nach rechtskräftiger Entscheidung des ersten Asylverfahrens entstandenen Sachverhaltselemente dargetan wurden.
In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Fremden in seinem Folgeantrag und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der Fremde im Falle seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existenziellen Bedrohungen ausgesetzt sein wird.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Fremde in Marokko aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Fremden nach Marokko eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation in Marokko ist nicht eingetreten.
Marokko gilt als ein „sicherer Herkunftsstaat“ im Sinne des § 1 Ziffer 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 145/2019.
Der Folgeantrag wurde rechtsmissbräuchlich gestellt und wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Fremden vor diesem und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie in den zu überprüfenden Bescheid.
2.1. Zur Person des Fremden:
Die Feststellungen zur Person, seiner Herkunft, sowie zu den Lebensumständen des Fremden gründen sich auf seinen diesbezüglichen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde.
Die Feststellung hinsichtlich seiner Identität ergeben sich aus einer positiven Identifizierung durch marokkanischen Behörden im Zuge der Ausstellung eines Heimreisezertifikates (siehe IZR Auszug vom 28.09.2020).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Fremden ergeben sich daraus, dass er im Verfahren erklärt hat, dass er zwar in medizinischer Behandlung stehe, aber keine Medikamente nehme (AS 67 und AS 300 ff.)
Die Feststellungen zu seiner Familie in Marokko ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen der Einvernahmen ebenso, dass keine Familienangehörigen des Fremden in Österreich aufhältig sind.
Die Feststellung zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem ZMR.
Die Feststellung, dass sich der Fremde seiner Außerlandesbringung durch „Untertauchen“ entzogen hat, ergibt sich aus den Angaben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, die Feststellung, dass der Fremde das Bundesgebiet nachweislich nicht verlassen hat, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen.
Die Feststellungen zu seinem Privatleben im Bundesgebiet, bzw. dem Zeitpunkt des Eingehens seiner Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen, ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen.
Die Feststellungen zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich, die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer derzeit im Schubhaft befindet ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem IZR sowie dem zentralen Melderegister.
2.2. Zu den Fluchtmotiven des Fremden:
Im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren brachte der Fremde vor, seine Heimat Marokko verlassen zu haben, da ihm wegen der Beziehung seines Bruders zu einem Mädchen Verfolgung drohe
Was nun das neue Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung betrifft, hätte er etwa ca. 3 Jahre lang Zeit gehabt, diesen Themenkreis und eine damit verbundene Gefährdung im Rahmen seines ersten Asylverfahrens geltend zu machen. Damit steht – ungeachtet der Unglaubwürdigkeit dieses Vorbringens – jedenfalls fest, dass der neu vorgebrachte Fluchtgrund bereits gegeben gewesen wäre als das erste Asylverfahren des Fremden im Bundesgebiet noch erstinstanzlich anhängig war (AS 73-75).
Sein nunmehriges Vorbringen in seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz, wonach er aufgrund seiner Teilnahme an Demonstrationen im Jahr 2014 bedroht werde und im Falle seiner Rückkehr sein Leben in Gefahr wäre, ist als ein gesteigertes Fluchtvorbringen anzusehen, das ebenfalls als unglaubwürdig zu erachten ist.
Im vorliegenden Fall ist somit der Behörde nicht entgegen zu treten, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, dass die von ihm zur Begründung seines zweiten Asylantrags geltend gemachten Umstände einerseits im ersten Verfahren als unglaubwürdig erachtet worden seien, bzw. andererseits schon vor rechtskräftiger Erledigung seines ersten Asylverfahrens bestanden haben und daher von einer entschiedenen Sache auszugehen sein wird. Zudem erscheint der nunmehrige Fluchtgrund, nämlich die unsubstantiierte Behauptung, dass ihm wegen der Teilnahme an Demonstrationen eine Verfolgung drohe, auch nicht glaubhaft, da der Fremde einerseits im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme angegeben hatte, dass die Polizei 2014, als er noch in Marokko gewesen sei nach ihm gefragt habe und es ihm trotzdem möglichen gewesen sein soll, im August 2015 legal mit seinem Reisepass aus Marokko auf dem Luftweg auszureisen.
Angesichts seiner widersprüchlichen Angaben und der detailarmen und nicht nachvollziehbaren Schilderungen seiner nunmehr angeführten Gründe, sowie der im Vorverfahren hinsichtlich seiner ursprünglichen Fluchtgründe festgestellten Unglaubwürdigkeit, liegt vielmehr nahe, dass er diesen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz nur gestellt hat, um eine Abschiebung zu vereiteln. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang auch nicht, dass sich die angebliche Bedrohung auf einen Sachverhalt bezieht, der bereits vor Stellung seines ersten Asylantrages verwirklicht worden ist.
Im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit des Fremden ist auch miteinzubeziehen, dass sich dieser seiner Außerlandesbringung durch „Untertauchen“ entzogen hat und hinsichtlich seiner Rückkehrbefürchtung ausführte, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Marokko keine Zukunft habe und er keinen Job finden würde und keine Karriere machen könne. Außerdem, darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Fremde nach rechtskräftigen Abschluss seines ersten Asylverfahrens zum überwiegenden Teil entweder ohne aufrechte Meldeadresse bzw. in Haftanstalten gemeldet gewesen war.
Zudem hat der Fremde seinen diesbezüglichen Folgeantrag erst nach Verhängung der Schubhaft gestellt, wobei er zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen hat müssen, dass seine Außerlandesbringung zeitnah erfolgen würde.
Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen zur Unglaubwürdigkeit des Vorbringens und des zeitlichen Ablaufes war die Negativfeststellung betreffend die nunmehr in den Raum gestellten Verfolgungsgründe zu treffen und festzustellen, dass der Folgeantrag rechtsmissbräuchlich, zur Verhinderung seiner Abschiebung gestellt wurde.
Im mündlich verkündeten Bescheid wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Marokko zitiert und wurde dem Fremden im Rahmen der voran gegangenen niederschriftlichen Einvernahmen auch die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme abzugeben, wobei der Fremde dahingehend lediglich angab, dass dies mit der Realität in Marokko nichts zu tun habe.
Ein Abgleich zwischen den dem Fremden am 11.09.2020 ausgefolgten Länderfeststellungen und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Marokko im gegenständlichen Verfahren ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Marokko. Eine solche würde auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen und wurde vom Fremden auch nicht substantiiert bestritten.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Fremden nach Marokko eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.
Im gegenständlichen Asylverfahren bringt der Fremde somit keine neuen Gründe, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt, für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:
3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:
§ 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:
„Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1.-gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2.-kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3.-im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4.-eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1.-gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2.-der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3.-die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) ...
Entscheidungen
§ 22. ...
(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
...".
§ 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:
„Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
Zunächst ist festzuhalten, dass der Fremde einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 Asylgesetz 2005 gestellt hat und dass kein Fall des § 12a Abs. 1 Asylgesetz 2005 vorliegt.
3.2. Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005
3.2.1. Zum Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung (Z1):
Das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 AsylG 2005.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.05.2017 iVm dem Bescheid des BFA vom 05.04.2017 wurde gegen den Fremden rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen.
3.2.2. Zum Vorliegen von res iudicata (Z2):
Eine weitere Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ist, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird (§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005).
Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0213, vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0198, mwN).
Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).
Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344; 6.11.2009, 2008/19/0783).
Wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, ist eine neue Sachentscheidung auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266; 15.10.1999, 96/21/0097; 25.04.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684).
Wie oben in der Beweiswürdigung und den Feststellungen angeführt, war der im Verfahren über den Folgeantrag vorgebrachte Fluchtgrund – ungeachtet der Unglaubwürdigkeit – bereits während des ersten anhängigen Asylverfahrens des Fremden gegeben.
Unter Zugrundelegung der unter II. 1. getroffenen Feststellungen ist zudem keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten, jedenfalls wurden keine Tatsachen neu vorgebracht, die zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 2009, 2008/01/0344, mwN).
Nach den obigen Feststellungen und Beweiswürdigung ist – bei der hier vorzunehmenden Grobprüfung – damit zu rechnen, der der Folgeantrag internationalen Schutz wegen res iudicata zurückzuweisen sein wird.
3.2.3. Prüfung auf Verletzung von Rechten nach der EMRK (Z 3):
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz ist weiters nur zulässig, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeutet und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt (§ 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005).
Bereits im ersten Verfahren hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochen, dass der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson als ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde; diese Entscheidung wurde seitens des BVwG bestätigt.
Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren bzw. im Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 sind keine glaubhaften Umstände dargetan worden oder hervorgekommen, die gegen die Abschiebung des Fremden in seinen Heimatstaat Marokko im Sinne dieser Bestimmungen sprechen.
Der Fremde leidet aktuell an keiner akut lebensbedrohlichen Krankheit, sodass jenes sehr außergewöhnliche Ausmaß an Leidenszuständen, wie es in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für das Vorliegen eines Abschiebehindernisses nach Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit gesundheitlichen Problemen gefordert wird, im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen ist.
Auch von einer "Aufenthaltsverfestigung" allein aufgrund des bisherigen Aufenthaltes des Fremden im Bundesgebiet kann schon deshalb keine Rede sein, weil er sich spätestens mit rechtskräftiger Abweisung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz und der damit verbundenen Anordnung zur Ausreise, seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. Grundsätzlich ist nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/19/0247 mwN).
Die Interessen des Fremden sind somit bereits dadurch erheblich gemindert, dass sein Aufenthalt seit 2017 lediglich auf einen rechtskräftig negativ erledigten Asylantrag zurückzuführen war (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei ungerechtfertigten Verbleib im Bundesgebiet und Vereitelung von aufenthaltsbeende Maßnahmen) [vgl VwGH 02.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers nämlich wesentlich (vgl. die Erkenntnisse VwGH 28.06.2007, 2006/21/0114; 30.08.2007, 2006/21/0246). (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).
Der Fremde hat in Österreich aktuell keine familiären Bindungen und führt daher in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Hinsichtlich seines in Deutschland aufhältigen Bruders ist eine hinreichend stark ausgeprägte persönliche Nahebeziehung zu diesem nicht belegbar, da der Fremde im Rahmen seiner niederschriftliche Einvernahme am 23.9.2020 selbst ausgeführt, dass er diesen von mehr als zwei Jahren zuletzt persönlich getroffen habe. Da an die Beziehungsintensität unter Volljährigen jedenfalls ein sehr hoher Maßstab anzulegen ist, kann auch in der vom Fremden angeführten finanziellen Unterstützung durch seinen Bruder keine entscheidungsmaßgebliche Intensität erblickt werden.
Im Hinblick auf sein Privatleben ist auszuführen, dass der Fremde laut eigenen Angaben seit drei Jahren eine Freundin hat, mit der er jedoch während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet keinen gemeinsamen Wohnsitz gehabt hat. Es ist zudem unbestritten, dass der Fremde die Beziehung mit seiner Freundin erst nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Verfahrens eingegangen ist. Aufgrund des Eingehens der Beziehung trotz prekären Aufenthaltsstatus kann eine Verletzung von Art 8 EMRK nur mehr in außergewöhnlichen Umständen bejaht werden (vgl nur zuletzt EGMR, 28.06.2011, Nunez v Norwegen, Rs 55597/09, Rz 70 letzter Satz). Solche Umstände hat der Beschwerdeführer im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme nicht geltend gemacht bzw. war keine entscheidungsrelevante persönliche bzw. finanzielle Abhängigkeit des Beschwerdeführers von seiner Freundin erkennbar, selbst wenn man berücksichtigt, dass diese ihn mit unregelmäßigen kleinen finanziellen Geldbeträgen unterstützt.
Es erscheint aber auch die Aufenthaltsdauer von unter 5 Jahren im Bundesgebiet seit seiner Einreise zu kurz, um rechtliche Relevanz bei der Interessenabwägung zu entfalten und sind auch keinerlei integrativen Bemühungen zu Gunsten des Fremden erkennbar. Eine Abschiebung des Fremden bedeutet demnach keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK.
Es ist jedoch auch das strafgesetzliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. das Erkenntnis vom 20. August 2013, 2013/22/0082 und das Erkenntnis vom 22.11.2012, Zl. 2011/23/0556, mwN).
Im Hinblick auf die „verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen“ hat auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für die Bestimmtheit der Mitgliedstaaten im Vorgehen gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck gebracht (EGMR, 19.02.1998, Dalia gegen Frankreich, Nr. 154/1996/773/974; EGMR vom 30.11. 1999, Baghli gegen Frankreich Nr. 34374/97). Zuletzt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt, dass „angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen“ (EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11).
Zudem ist grundsätzlich festzuhalten, dass (auch) im Verfahren zur allfälligen Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durch die Behörde ein Ermittlungsverfahren durchzuführen ist, wobei auch der Grundsatz der notwendigen Einräumung von rechtlichen Gehören zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt; es wurde dem Fremden Parteiengehör eingeräumt, er wurde am 08.09.2020 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie am 16.09.2020 und 23.09.2020 durch die Behörde einvernommen, und es wurden ihm die Länderfeststellungen zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.
Entsprechend den obigen Ausführungen stellt – nach einer Grobprüfung des Aktes – aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 und 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist. Da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu treffen.
Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale GefahrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I416.2154331.2.00Im RIS seit
21.01.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021