Entscheidungsdatum
02.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z4Spruch
W236 2234687-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Christian HIRSCH, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665:
A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 22.09.2020 wird gemäß § 33 Abs. 1 und 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Dem damals minderjährigen Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, wurde nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet im Jahr 2006 mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 31.01.2006, Zl. 263.069/0-XIV/08/05, durch Erstreckung über seine Mutter der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2. Nach einer Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.10.2019 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
3. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 13.12.2019 durch Hinterlegung an seiner Meldeadresse zugestellt.
4. Der Beschwerdeführer behob den ihm durch Hinterlegung zugestellten Bescheid nicht innerhalb von zwei Wochen, weshalb dieser dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.01.2020 mit dem Vermerk „Retour an Absender – nicht behoben“ rückübermittelt wurde.
5. Eine Kopie des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, wurde dem Beschwerdeführer am 10.08.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl persönlich ausgefolgt.
6. Mit am 20.08.2020 zur Post gegebenen, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24.08.2020 eingelangten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665.
7. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte die Beschwerde mit Schreiben vom 01.09.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vor eingelangt (am 03.09.2020).
8. Mit Verspätungsvorhalt vom 08.09.2020 wurde der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers seitens des Bundesverwaltungsgerichtes davon in Kenntnis gesetzt, dass sich die Beschwerde der Aktenlage nach als verspätet darstelle, da der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, dem Beschwerdeführer am 13.12.2019 durch Hinterlegung an seiner (nach wie vor) aufrechten Wohnadresse zugestellt worden sei. Es wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens gegeben.
9. Mit Schreiben vom 22.09.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag, übermittelte der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter eine Stellungnahme, in welcher zum Verspätungsvorhalt im Wesentlichen ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer niemals tatsächlich an der näher genannten Adresse gewohnt habe und diese Adresse sohin keine Abgabestelle für Poststücke darstelle. Der Beschwerdeführer habe diese Wohnung im Jahr 2018 von der Gemeinde zugewiesen bekommen; die Wohnung sei jedoch bis heute nicht bewohnbar, da der Beschwerdeführer weder finanzielle Unterstützung noch Möbelstücke erhalten habe. Tatsächlich wohne der Beschwerdeführer bei seiner Mutter. Gelegentlich seien ihm Poststücke an der näher genannten Adresse zugestellt worden und habe der Beschwerdeführer, obwohl er in der Wohnung tatsächlich nicht aufhältig gewesen sei, in regelmäßigen Abständen den Postkasten ausgeräumt. Auch der Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2019 sei ihm an dieser Adresse zugestellt worden und habe der Beschwerdeführer dieser Ladung selbstverständlich Folge geleistet. Aufgrund der dauernden Ortsabwesenheit seiner Person an der näher genannten Adresse stelle diese keine Abgabestelle dar; beantragt würden zum Beweis dafür die Einvernahmen der Mutter und des Bruders des Beschwerdeführers. Bei einer anderen Rechtsansicht wäre der Umstand, dass dem Beschwerdeführer der Bescheid und die Hinterlegungsanzeige nicht zur Kenntnis gelangt seien, als entschuldbar anzusehen und sohin die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben, welche in eventu beantragt werde. Aufgrund der Nichtbenützbarkeit der Wohnung sei der Beschwerdeführer gezwungen gewesen, in anderen Wohnungen Unterkunft zu nehmen und habe nicht die Möglichkeit gehabt, seinen Postkasten täglich zu leeren. Es sei keinesfalls gesichert, dass die Hinterlegungsanzeige tatsächlich in den Postkasten eingeworfen worden sei; ein Fehler des Briefträgers könne nicht ausgeschlossen werden. Die Hinterlegungsanzeige hätte im umfangreichen Werbematerial untergegangen sein können. Auch wenn der Beschwerdeführer stets sehr sorgfältig die Post sortiert habe, könne zu einem Fehler seinerseits gekommen sein; auch seine Mutter habe teilweise die Post ausgeräumt und hätte auch dieser ein Fehler unterlaufen können. Es würde sich hierbei um einen minderen Grad des Versehens handeln. Der Stellungnahme bzw. dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde neuerlich die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, beigeschlossen.
10. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, GZ. W236 2234687-1/4E, wegen Verspätung zurückgewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab, stellte fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, erkannte dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation sowie ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot. Für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am Freitag, den 13.12.2019, ordnungsgemäß durch Hinterlegung an der Abgabestelle zugestellt; die Verständigung über die Hinterlegung wurde in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten) eingelegt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit Schreiben vom 01.09.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 03.09.2020, an das Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, GZ. W236 2234687-1/4E, nachdem der Beschwerdeführer seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit Verspätungsvorhalt vom 08.09.2020, zugestellt an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers per ERV am selben Tag, davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass sich die Beschwerde der Aktenlage nach als verspätet darstelle, wegen Verspätung zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 22.09.2020 beantragte der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis die Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, versäumt hat und ihn daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid selbst (AS 183ff).
Die Feststellung zur ordnungsgemäßen Zustellung dieses Bescheides ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Zustellverfügung (AS 285), dem an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelten RSa-Rückschein (AS 287), dem im Verwaltungsakt einliegenden Retourkuvert (AS 289) und einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister (zur Qualifikation der Zustelladresse als Abgabestelle siehe den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, GZ. W236 2234687-1/4E). Dass die Verständigung über die Hinterlegung in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten) eingelegt wurde, ergibt sich aus der diesbezüglich Beurkundung auf dem RSa-Rückschein (AS 287), bei dem es sich um eine öffentliche Urkunde handelt, die die Vermutung der Richtigkeit für sich hat (VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011). Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, wobei aber die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (vgl. VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Anhaltspunkte dafür, dass die Hinterlegungsanzeige entgegen dieser Beurkundung nicht in den Briefkasten des Beschwerdeführers eingelegt worden wäre, sind nicht hervorgekommen und werden auch mit der in der Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt, in welcher in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde, aufgestellten, unsubstantiierten Behauptung, dass ein Fehler des Briefträgers „nicht ausgeschlossen werden“ könne, nicht dargetan.
Die Feststellung zur Zurückweisung der gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, erhobenen Beschwerde ergibt sich aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, GZ. W236 2234687-1/4E.
Die Feststellung zur in eventu beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergibt sich aus der Stellungnahme vom 22.09.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag (OZ 1 in 2234687-2).
Dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht hat, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis die Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, versäumt hat und ihn daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, beruht auf nachstehenden Erwägungen:
In der Stellungnahme vom 22.09.2020 wird zur Begründung der in eventu beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zunächst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Nichtbenutzbarkeit seiner Wohnung gezwungen gewesen sei, in einer anderen Wohnung Unterkunft zu nehmen und nicht die Möglichkeit gehabt habe, täglich den Postkasten zu entleeren. Dazu ist einerseits auf die Erwägungen im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, GZ. W236 2234687-1/4E, zu verweisen, wonach der Beschwerdeführer an der Abgabestelle tatsächlich Unterkunft genommen hat bzw. nimmt und sich dort regelmäßig aufgehalten hat bzw. aufhält, und andererseits festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sich damit insofern selbst widerspricht, als in derselben Stellungnahme ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen seinen Postkasten ausräume; bereits aus diesen widersprüchlichen Behauptungen ist eine gewisse Sorglosigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf Postsendungen zu schließen. Sofern in der Stellungnahme weiters pauschal behauptet wird, dass die Hinterlegungsanzeige im umfangreichen Werbematerial untergegangen sein könnte und es zu einem Fehler des Beschwerdeführers gekommen sein könnte, auch wenn dieser stets sorgfältig die Post sortiert habe, bzw. dass auch die Mutter des Beschwerdeführers teilweise die Post ausgeräumt und sortiert habe und dieser ein Fehler unterlaufen sein könnte, ist darauf hinzuweisen, dass auch diesem Vorbringen eine auffällige Sorglosigkeit des Beschwerdeführers im Umgang mit Postsendungen zu entnehmen ist (zum „minderen Grad des Versehens“ siehe unten im Rahmen der rechtlichen Beurteilung). Der Beschwerdeführer hat nicht einmal ansatzweise darlegt, was er üblicherweise unternimmt, um die mangelnde Kenntnisnahme von Schriftstücken oder Hinterlegungsanzeigen zu vermeiden, im Speziellen, worin sich seine behauptete sonstige Sorgfalt beim Sortieren der Post zeigt, welche Vorkehrungen er insbesondere bei der Aussortierung von Werbematerial trifft, um ein versehentliches Wegwerfen oder Untergehen anderer Poststücke zu vermeiden und wie konkret er sich angesichts der Tatsache, dass auch seine Mutter die Post ausräumt und sortiert, um den Erhalt seiner Poststücke kümmert bzw. weshalb er davon ausgeht, dass seine Mutter die Post sorgfältig sortiert. Der Beschwerdeführer war zudem infolge seiner Einvernahme am 29.10.2019 in Kenntnis von dem gegen ihn eingeleiteten Aberkennungsverfahren (AS 169) und musste angesichts dieser Einvernahme die Zustellung weiterer behördlicher Schriftstücke zumindest für möglich halten. Das in der Stellungnahme erstattete Vorbringen, dem Beschwerdeführer sei anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt worden, dass tatsächlich nicht mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu rechnen sei, ist dabei lediglich als Schutzbehauptung zu werten, zumal für diese bloße, unsubstantiiert erstattete Behauptung keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind und sich derartiges aus der Niederschrift der Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.10.2019 nicht ergibt (AS 169ff).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Nichtbewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
3.1.1. Bei Versäumen der Beschwerdefrist stellt § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar, da es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).
Der mit „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ betitelte § 33 VwGVG lautet auszugsweise:
„§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) […]
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. […]
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) […]
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.
Im Wiedereinsetzungsantrag sind neben den Angaben zur Rechtzeitigkeit die Gründe anzuführen, auf die er sich stützt, und ist ihr Vorliegen glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 19.06.1990, 90/04/0101). Es ist bereits im Antrag konkret jenes unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignis iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG zu beschreiben, das den Wiedereinsetzungswerber an der Einhaltung der Frist oder an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gehindert hat (vgl. VwGH 27.01.2005, 2004/11/0212; vgl auch VwGH 30.09.1990, 91/19/0045 zu § 46 VwGG). Die Behörde ist auf Grund der Antragsbedürftigkeit des Verfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihr verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung mit einzubeziehen (vgl. VwGH 14.12.1995, 95/19/0622; 27.02.1996, 95/04/0218; 25.02.2003, 2002/10/0223).
Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden konnte; es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und den Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des „unabwendbaren“ erfasst jenes des „unvorhergesehenen“ Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH vom 17.02.1994, 93/16/0020). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft (VwGH vom 26.06.1985, 83/03/0134; VfGH vom 27.02.1985, G 53/83-13 ua).
Ein solcher minderer Grad des Versehens (iSd § 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH vom 22.11.1996, 95/17/0112; vom 23.05.2001, 99/06/0039; vom 01.06.2006, 2005/07/0044). Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt und die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH vom 08.10.1990, 90/15/0134; vom 14.07.1993, 93/03/0136; vom 24.05.2005, vom 2004/01/0558). Unter einem Ereignis iSd § 33 Abs. 1 VwGVG, das zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen kann, ist nicht nur ein von der Partei unbeeinflussbares Geschehen in der Außenwelt zu verstehen, sondern auch menschliche Unzulänglichkeiten und innere Vorgänge wie Vergessen, Versehen, Irrtum usw. (vgl. zu § 71 AVG VwGH 2011/22/0021).
Behauptet ein Wiedereinsetzungswerber, von einem ihn betreffenden Schriftstück oder einer Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt zu haben, hat er detaillierte sachverhaltsbezogene Vorbringen darüber zu erstatten, was er üblicherweise unternimmt, um dies zu vermeiden (vgl. VwGH 21.12.1999, 97/19/0217; 04.02.2000, 97/19/1484; 02.10.2000, 98/19/0198). Das alleinige Vorbringen, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, reicht demzufolge nicht aus (vgl. VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011). Es sind vielmehr jene Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Wiedereinsetzungswerbers darzulegen, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, dass dieser von einem in seine Gewahrsame gelangten Poststück aus bestimmten, keine auffallende Sorglosigkeit begründenden Umständen keine Kenntnis erlangen konnte (vgl. VwGH 20.01.1998, 97/08/0545). Insbesondere können hier Angaben darüber, wie viele Personen Zugang zur Hausbrieffachanlage hatten, wer die Entleerung derselben besorgte bzw. wie oft eine solche Entleerung erfolgte, notwendig sein (vgl. VwGH 21.12.1999, 97/19/0217; 04.02.2000, 97/19/1484; 02.10.2000, 98/19/0198).
Die „Unerklärlichkeit“ des Verschwindens eines durch Einwurf in einen verschlossenen Hausbriefkasten in seine Gewahrsame gelangten amtlichen Schriftstücks geht zu Lasten des Wiedereinsetzungswerbers, dh. die bloße Unaufklärbarkeit der Gründe für die Unkenntnis vom Zustellvorgang reicht für eine Wiedereinsetzung nicht aus (vgl. VwGH 20.01.1998, 97/08/0545; 21.09.1999, 97/18/0418). Der von der Behörde anzulegende Sorgfaltsmaßstab darf allerdings auch nicht überspannt werden. Den konkreten Vorgang, wie es etwa zur Entfernung einer Hinterlegungsanzeige gekommen ist, wird eine Partei nämlich nur in den seltensten Fällen bescheinigen können. Sie wird sich, abgesehen von der Behauptung des Fehlens der Hinterlegungsanzeige in der Post, auf die Darlegung von Umständen beschränken müssen, welche die Entfernung der Hinterlegungsanzeige als nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. VwGH 19.04.1994, 94/11/0053).
3.1.2. Dem Beschwerdeführer wurde der potentielle Wiedereinsetzungsgrund spätestens mit Übermittlung des Verspätungsvorhaltes am 08.09.2020 bekannt; der am 22.09.2020 eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung ist damit rechtzeitig. Aufgrund der bereits mit Schreiben vom 01.09.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 03.09.2020, durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erfolgten Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mittels Beschluss zuständig.
3.1.3. Wie beweiswürdigend dargetan, wurde die Verständigung über die Zustellung durch Hinterlegung in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten) eingelegt.
Der Beschwerdeführer hat, wie beweiswürdigend weiter aufgezeigt, nicht dargelegt, was er üblicherweise unternimmt, um zu vermeiden, dass er von einer Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt, sondern vielmehr trotz des Umstandes, dass er – nach Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Aberkennung seines Asylstatus am 29.10.2019 – die Zustellung eines weiteren behördlichen Schriftstückes zumindest für möglich halten musste, eine auffallende Sorglosigkeit im Umgang mit Postsendungen gezeigt. Er hat damit nicht die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht gezeigt, um das Übersehen der Hinterlegungsanzeige zu vermeiden. Einer sorgfältigen Person wäre in der Situation des Beschwerdeführers, der in Kenntnis von dem gegen ihn eingeleiteten Aberkennungsverfahren war und die Zustellung weiterer behördlicher Schriftstücke für möglich halten musste, ein Fehler wie das Übersehen einer Hinterlegungsanzeige nicht unterlaufen.
Im gegenständlichen Fall liegt im Verhalten des Beschwerdeführers nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verschulden vor, welches über den minderen Grad des Versehens hinausgeht; es kann nicht bloß von „leichtem Versehen“ gesprochen werden, wenn in einer Situation wie der vorgebrachten die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde versäumt wird.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer im konkreten Fall nicht gelungen ist, glaubhaft darzutun, dass er gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen wäre, fristgerecht eine Beschwerde zu erheben, und ihn daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen damit nicht vor.
3.1.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Stellungnahme vom 22.09.2020, in welcher in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde, geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Da die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Hinterlegung individuelle Verhältnisse Meldeadresse minderer Grad eines Versehens Sorgfaltspflicht Verschulden Voraussetzungen Wiedereinsetzungsantrag ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W236.2234687.2.00Im RIS seit
21.01.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021