TE Bvwg Beschluss 2020/10/2 W236 2234687-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2020
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Entscheidungsdatum

02.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §16 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W236 2234687-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Christian HIRSCH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 16 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem damals minderjährigen Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, wurde nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet im Jahr 2006 mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 31.01.2006, Zl. 263.069/0-XIV/08/05, durch Erstreckung über seine Mutter der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2. Nach einer Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.10.2019 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

3. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 13.12.2019 durch Hinterlegung an seiner Meldeadresse zugestellt.

4. Der Beschwerdeführer behob den ihm durch Hinterlegung zugestellten Bescheid nicht innerhalb von zwei Wochen, weshalb dieser dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.01.2020 mit dem Vermerk „Retour an Absender – nicht behoben“ rückübermittelt wurde.

5. Eine Kopie des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, wurde dem Beschwerdeführer am 10.08.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl persönlich ausgefolgt.

6. Mit am 20.08.2020 zur Post gegebenen, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24.08.2020 eingelangten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665.

7. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte die Beschwerde mit Schreiben vom 01.09.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vor (eingelangt am 03.09.2020).

8. Mit Verspätungsvorhalt vom 08.09.2020 wurde der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers seitens des Bundesverwaltungsgerichtes davon in Kenntnis gesetzt, dass sich die Beschwerde der Aktenlage nach als verspätet darstelle, da der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, dem Beschwerdeführer am 13.12.2019 durch Hinterlegung an seiner (nach wie vor) aufrechten Wohnadresse zugestellt worden sei. Es wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens gegeben.

9. Mit Schreiben vom 22.09.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag, übermittelte der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter eine Stellungnahme, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer niemals tatsächlich an der näher genannten Adresse gewohnt habe und diese Adresse sohin keine Abgabestelle für Poststücke darstelle. Der Beschwerdeführer habe diese Wohnung im Jahr 2018 von der Gemeinde zugewiesen bekommen; die Wohnung sei jedoch bis heute nicht bewohnbar, da der Beschwerdeführer weder finanzielle Unterstützung noch Möbelstücke erhalten habe. Tatsächlich wohne der Beschwerdeführer bei seiner Mutter. Gelegentlich seien ihm Poststücke an der näher genannten Adresse zugestellt worden und habe der Beschwerdeführer, obwohl er in der Wohnung tatsächlich nicht aufhältig gewesen sei, in regelmäßigen Abständen den Postkasten ausgeräumt. Auch der Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2019 sei ihm an dieser Adresse zugestellt worden und habe der Beschwerdeführer dieser Ladung selbstverständlich Folge geleistet. Aufgrund der dauernden Ortsabwesenheit seiner Person an der näher genannten Adresse stelle diese keine Abgabestelle dar; beantragt würden zum Beweis dafür die Einvernahmen der Mutter und des Bruders des Beschwerdeführers. Bei einer anderen Rechtsansicht wäre der Umstand, dass dem Beschwerdeführer der Bescheid und die Hinterlegungsanzeige nicht zur Kenntnis gelangt seien, als entschuldbar anzusehen und sohin die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben, welche in eventu beantragt werde. Aufgrund der Nichtbenützbarkeit der Wohnung sei der Beschwerdeführer gezwungen gewesen, in anderen Wohnungen Unterkunft zu nehmen und habe nicht die Möglichkeit gehabt, seinen Postkasten täglich zu leeren. Es sei keinesfalls gesichert, dass die Hinterlegungsanzeige tatsächlich in den Postkasten eingeworfen worden sei; ein Fehler des Briefträgers könne nicht ausgeschlossen werden. Die Hinterlegungsanzeige hätte im umfangreichen Werbematerial untergegangen sein können. Auch wenn der Beschwerdeführer stets sehr sorgfältig die Post sortiert habe, könne es zu einem Fehler seinerseits gekommen sein; auch seine Mutter habe teilweise die Post ausgeräumt und hätte auch dieser ein Fehler unterlaufen können. Es würde sich hierbei um einen minderen Grad des Versehens handeln. Der Stellungnahme bzw. dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde neuerlich die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, beigeschlossen.

10. Die vom Beschwerdeführer in eventu beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, GZ. W236 2234687-2/2E, abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665, erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab, stellte fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetztes nicht mehr zukomme, erkannte dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation sowie ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot. Für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verfügte die Zustellung dieses Bescheides „[m]it RSa an den Asylwerber (Adresse lt. ZMR/GVS-Ausdruck): XXXX “.

Der genannte Bescheid wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch am 12.12.2019 an der Adresse XXXX , bei der Postfiliale „ XXXX “ hinterlegt und zwei Wochen zur Abholung bereitgehalten; Beginn der Abholfrist war der 13.12.2019. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde in die für die genannte Adresse bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten) eingelegt.

Der Beschwerdeführer behob diesen Bescheid nicht innerhalb von zwei Wochen, weshalb dieser dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.01.2020 mit dem Vermerk „Retour an Absender – nicht behoben“ rückübermittelt wurde.

Der Beschwerdeführer ist seit 12.10.2018 an der Adresse XXXX aufrecht meldebehördlich gemeldet, nimmt dort tatsächlich Unterkunft und hält sich dort regelmäßig tatsächlich auf. Es handelt sich dabei um eine – bewohnbare und vom Beschwerdeführer tatsächlich bewohnte – Gemeindewohnung.

Mit am 20.08.2020 zur Post gegebenen, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24.08.2020 eingelangten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2019, Zl. 741847401/180148665.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich (rechtskräftig) dreimal strafrechtlich verurteilt:

1.       mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 19.07.2010, XXXX , wurde der Beschwerdeführer als Jugendlicher rechtskräftig wegen teils versuchten, teils vollendeten schweren Raubes gemäß §§ 142 Abs. 1 und 143 2. Fall Strafgesetzbuch (StGB) BGBl. I Nr. 60/1974, zu einer Freiheitsstrafe von einundzwanzig Monaten, davon achtzehn Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt;

2.       mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 28.08.2014, XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Wochen bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt;

3.       mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 22.07.2019, XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Wochen bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum gegenständlich angefochtenen Bescheid ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid selbst (AS 183ff).

Die Feststellung zur Verfügung der Zustellung ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Zustellverfügung (AS 285).

Die Feststellungen zum Zustellvorgang ergeben sich aus dem an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelten RSa-Rückschein (AS 287) in Verbindung mit dem im Verwaltungsakt einliegenden Retourkuvert (AS 289). Dass die Verständigung über die Hinterlegung in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten) eingelegt wurde, ergibt sich aus der diesbezüglichen Beurkundung auf dem RSa-Rückschein (AS 287), bei dem es sich um eine öffentliche Urkunde handelt, die die Vermutung der Richtigkeit für sich hat (VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011). Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, wobei aber die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (vgl. VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Anhaltspunkte dafür, dass die Hinterlegungsanzeige entgegen dieser Beurkundung nicht in den Briefkasten des Beschwerdeführers eingelegt worden wäre, sind nicht hervorgekommen und werden auch mit der in der Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt aufgestellten, unsubstantiierten Behauptung, dass ein Fehler des Briefträgers „nicht ausgeschlossen werden“ könne, nicht dargetan.

Die Feststellungen zur unterlassenen Behebung sowie der Rückübermittlung des Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergeben sich aus dem diesbezüglichen Retourkuvert (AS 289).

Die Feststellung zur aufrechten Meldung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Dass der Beschwerdeführer dort tatsächlich Unterkunft nimmt und sich regelmäßig dort aufhält, ist der aufrechten Meldung des Beschwerdeführers an dieser Adresse (vgl. zur – bloßen – Indizwirkung von Eintragungen im Zentralen Melderegister VwGH 25.03.2010, 2010/21/0007; 28.03.2014, 2013/02/0061; 13.11.2018, Ra 2018/21/0064) in Verbindung mit den in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.10.2019 getätigten Aussagen des Beschwerdeführers, wonach er mit seinen Familienangehörigen nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe, sondern seit einem Jahr eine Gemeindewohnung gemietet habe, wenngleich er „öfters bei [s]einer Mutter als in [s]einer Wohnung“ schlafe (AS 170), zu entnehmen. Der Beschwerdeführer hat überdies der Ladung zu seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.10.2019, welche an der Meldeadresse des Beschwerdeführers ( XXXX ) zugestellt wurde (AS 155), Folge geleistet und weder im Rahmen dieser Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch zu einem sonstigen Zeitpunkt eine Änderung dieser Abgabestelle oder auch nur einen Hinweis auf eine solche Änderung bekanntgegeben. Dass der Beschwerdeführer regelmäßig in der Wohnung seiner Mutter übernachtet, ändert dabei nichts an der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seinem eigenen Vorbringen nach (auch) an seiner Meldeadresse ( XXXX ) tatsächlich regelmäßig Unterkunft nimmt.

Zum in der Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt erstatteten Vorbringen, wonach die Wohnung „tatsächlich heute noch nicht bewohnbar“ sei, da diese bei der Übergabe unmöbliert gewesen sei und der Beschwerdeführer die ihm zugesagte Unterstützung nie erhalten habe, ist darauf hinzuweisen, dass dies im Widerspruch zu den oben wiedergegebenen, eigenen Angaben des Beschwerdeführers steht, welchen zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer jedenfalls (auch) in seiner Wohnung, an welcher er aufrecht gemeldet ist, tatsächlich Unterkunft nimmt und einen gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter dezidiert verneint. Zudem wird in der Stellungnahme zugestanden, dass der Beschwerdeführer der ihm an seiner Meldeadresse ( XXXX ), an welcher er in regelmäßigen Abständen den Postkasten ausgeräumt habe, zugestellten Ladung „selbstverständlich“ Folge geleistet habe. In einer Gesamtschau ist aufgrund der eigenen Angaben sowie dem Verhalten des Beschwerdeführers in Verbindung mit einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer an seiner Meldeadresse ( XXXX ) nicht tatsächlich und in regelmäßigen Abständen Unterkunft nimmt; eine „dauernde Ortsabwesenheit“ des Beschwerdeführers bzw. Aufgabe dieser Adresse als Ort der tatsächlichen Unterkunftnahme wurde in der Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt nicht überzeugend dargelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG mit dem Tag der Zustellung.

Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz BFA-VG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in den Fällen des § 7 Abs. 2 AsylG 2005, sofern der Status des Asylberechtigten aberkannt und die Aberkennung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde, abweichend von § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG zwei Wochen.

Gemäß § 7 Abs. 2 AsylG 2005 ist in den Fällen des § 27 Abs. 3 Z 1 bis 4 AsylG 2005 ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, sofern das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.

Gemäß § 27 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 besteht ein besonderes öffentliches Interesse an einer beschleunigten Durchführung des Verfahrens insbesondere bei einem Fremden, der straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005).

Gemäß § 2 Abs. 3 AsylG 2005 ist ein Fremder im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt (Z 1) oder mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist (Z 2) rechtskräftig verurteilt worden ist.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Der mit „Hinterlegung“ betitelte § 17 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, lautet:

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

Nach § 2 Z 4 ZustG ist „Abgabestelle“ die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer Wohnung im Sinn des § 2 Z 4 ZustG jede Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er also tatsächlich wohnt. Der dazu erforderliche regelmäßige Aufenthalt des Empfängers in seiner Wohnung ist dabei nach objektiven Gesichtspunkten ex post und ohne Rücksicht darauf zu beurteilen, wie sich die Verhältnisse dem Zustellorgan seinerzeit subjektiv geboten haben sowie ohne Rücksicht auf die Absichten des Empfängers. Die Eigenschaft eines Ortes als Abgabestelle geht (erst) verloren, wenn die Nahebeziehung des Empfängers zu ihm auf Dauer oder doch für einen so langen Zeitraum erlischt, dass nach den Gepflogenheiten des Lebens das Warten auf eine Rückkehr in angemessener Zeit nicht zumutbar ist (VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0064, mwH).

3.1.2. Der Beschwerdeführer wurde sowohl wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, als auch mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, rechtskräftig verurteilt und ist damit straffällig im Sinne des AsylG 2005 geworden. Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz BFA-VG iVm §§ 7 Abs. 2 und 27 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 beträgt daher die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid abweichend von § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG zwei Wochen.

Im gegenständlichen Fall wurde der angefochtene Bescheid nach einem erfolglosen Zustellversuch am 12.12.2019 an der Meldeadresse des Beschwerdeführers ( XXXX ) bei der Postfiliale „ XXXX “ hinterlegt; Beginn der Abholfrist war der 13.12.2019. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde, wie beweiswürdigend aufgezeigt, in die für die Meldeadresse des Beschwerdeführers bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten) eingelegt.

Wie weiters beweiswürdigend dargelegt, nimmt der Beschwerdeführer an seiner Meldeadresse (einer Gemeindewohnung in der XXXX ), an der er seit 12.10.2018 aufrecht meldebehördlich gemeldet ist, tatsächlich Unterkunft und hält sich dort regelmäßig tatsächlich auf. Im Zeitpunkt der Zustellung durch Hinterlegung an der Meldeadresse des Beschwerdeführers ( XXXX ) bestand angesichts der festgestellten Nutzung der Wohnung an dieser Meldeadresse jedenfalls eine starke Nahebeziehung des Beschwerdeführers zu dieser Wohnung bzw. besteht diese nach wie vor. Es handelt sich daher bei der Meldeadresse des Beschwerdeführers ( XXXX ) um eine Abgabestelle im Sinn des § 2 Z 4 ZustG, konkret um eine Räumlichkeit, die der Beschwerdeführer als Empfänger tatsächlich benutzt und an der er sich regelmäßig aufhält, sohin eine Wohnung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Z 4 ZustG.

Die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 ZustG normierte Zustellwirkung wird nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht durch Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (VwGH, 20.12.2017, Ra 2017/03/0052). Eine solche Abwesenheit (etwa im Sinn eines stationären Krankenhausaufenthaltes oder urlaubsbedingt) wurde vom Beschwerdeführer nicht dargelegt.

Der bekämpfte Bescheid wurde dem Beschwerdeführer daher am Freitag, den 13.12.2019, ordnungsgemäß durch Hinterlegung an der Abgabestelle zugestellt. Die zweiwöchige Beschwerdefrist endete demnach mit Ablauf des Freitags zwei Wochen später, sohin mit Ablauf des 27.12.2019. Daran vermag auch die Ausfolgung einer Bescheidkopie an den Beschwerdeführer am 10.08.2020 nichts zu ändern.

Die am 20.08.2020 zur Post gegebene, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24.08.2020 eingelangte Beschwerde erweist sich damit als verspätet; die vom Beschwerdeführer in eventu beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, GZ. W236 2234687-2/2E, nicht bewilligt.

Die Beschwerde ist somit gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG wegen Verspätung zurückzuweisen.

3.1.3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Da die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Beschwerdefrist Fristablauf Fristversäumung Hinterlegung strafrechtliche Verurteilung Unterkunft Verfristung Verspätung Wiedereinsetzungsantrag Zustelladresse Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W236.2234687.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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