TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/2 L512 2207896-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2020
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Entscheidungsdatum

02.10.2020

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AVG §3
AVG §8
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §55

Spruch

L512 2207896-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und V. wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG wird der Beschwerdeführerin der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

III. Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge als BF bezeichnet), eine Staatsangehörige der islamischen Republik Iran, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die BF am 10.08.2016 zusammengefasst Folgendes vor:
Sie sei geschieden, Schiitin und gehöre der Volksgruppe der Perser an. Sie habe 11 Jahre die Schule und 3 Jahre die Universität im Iran besucht. Zuletzt habe sie als Mitarbeiterin einer XXXX gearbeitet.

Die BF habe sich im Iran von ihrem drogenabhängigen Ehegatten scheiden lassen und die letzten XXXX Jahr vor ihrer Ausreise bei ihrer Mutter gelebt. Sie habe wieder heiraten wollen und während eines Urlaubsaufenthaltes in XXXX ihren Verlobten kennengelernt. Die BF habe ihren Verlobten auch in XXXX besucht, sei dann aber wieder in den Iran zurückgekehrt, wo sie ihrem Sohn von ihrem Verlobten und, dass dieser Christ sei, erzählt habe. Der Sohn der BF habe dies ihrem Ex-Ehegatten erzählt. Der Ex-Schwager der BF habe für die Regierung gearbeitet und habe viel Einfluss. Als die BF einmal mit ihrer Schwester einkaufen gewesen sei, seien einige Männer mit dem Ex-Schwager zu den Eltern und zum Bruder der BF gekommen und hätten diese bedroht. Der Ex-Schwager der BF habe auch gedroht, die BF umzubringen. Die Mutter der BF habe die BF angerufen und ihr geraten, zu ihrer Schwester zu gehen. Die BF sei daraufhin noch vier Tage bei ihrer Schwester gewesen, ehe sie den Iran verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr in den Iran fürchte die BF um ihr Leben [Aktenseite (AS) 1 ff.].

Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte die BF am XXXX zu ihren Ausreisegründen im Wesentlichen Folgendes vor:

Der Ex-Ehegatte der BF habe erfahren, dass sie einen Christen heiraten wolle, weshalb er gedroht habe, die BF umzubringen. Der Ex-Ehegatte der BF habe einen Bruder bei XXXX und sei dieser einflussreich. Der Ex-Ehegatte sei mit seinem Bruder zur BF nach Hause gekommen und habe die Wohnung durchsucht. Die BF sei zum Glück nicht zu Hause gewesen. Die Familie der BF sei bedroht worden. Es sei an diesem Tag zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Ex-Ehemann sowie dem Schwager der BF und dem Bruder der BF gekommen. Der Ex-Ehemann und Schwager der BF hätten diese als „Nutte“ bezeichnet und mit dem Umbringen bedroht. Der Ex-Ehegatte der BF habe gesagt, dass er die BF nicht mehr leben lassen werde.

Weiters brachte die BF vor, dass sie ohne Bekenntnis sei und momentan über das Christentum lerne. Seit ca. XXXX interessiere sie sich für das Christentum und wolle ihr Lebensgefährte, dass sie mit dem Christentum Bekanntschaft mache (AS 21 ff.).

I.2. Der Antrag der BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 iVm 3 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, dass die BF ein maßgebliches Interesse am Christentum nicht glaubhaft darlegen hat können und die dargelegten Ausreisegründe aufgrund von Widersprüchen nicht glaubwürdig seien.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 2 FPG vorliegen würden.

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens Beschwerde erhoben.

I.4. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrenspartei zu einer mündlichen Verhandlung.

I.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde der BF die Möglichkeit eingeräumt, zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation bezüglich ihrer Person Stellung zu nehmen. Der Vertretung der BF wurden am 20.04.2020 und 13.05.2002 die aktuellen Länderfeststellungen zum Iran (inkl. der Corona-Situation im Iran) übermittelt und darauf hingewiesen, dass dazu bis spätestens in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahmemöglichkeit besteht.

I.6. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Die Beschwerdeführerin

Bei der BF handelt es sich um eine iranische Staatsbürgerin und Angehörige der Volksgruppe der Perser, welche die Sprachen Farsi und ein bisschen Englisch spricht. Die BF besuchte im Iran die Schule und Universität und absolvierte eine Ausbildung zur XXXX . XXXX lang hat die BF auch in XXXX gearbeitet.

Die BF war im Iran verheiratet und entstammt dieser Ehe ein gemeinsamer Sohn. Diese Ehe wurde am XXXX geschieden. Der Sohn der BF lebt beim Ex-Ehegatten der BF im Iran. Im Iran sind zudem die Eltern, drei Schwestern sowie ein Bruder der BF aufhältig.

Im XXXX hat die Beschwerdeführerin ihren jetzigen Ehegatten, einen iranischen Staatsangehörigen, während einem Urlaubsaufenthalt in XXXX kennengelernt und diesen nach zwei weiteren Treffen in XXXX erstmals legal mit einem Visum im XXXX in Österreich besucht. Danach kehrte die BF in den Iran zurück, reiste am XXXX erneut aus dem Iran aus und am XXXX illegal im Bundesgebiet ein.

Seit XXXX ist die BF ununterbrochen in Österreich aufhältig und heiratete am XXXX den iranischen Staatsangehörigen XXXX . Mit diesem besteht seit XXXX ein gemeinsamer Wohnsitz. Der Ehegatte der BF hält sich seit XXXX im Bundesgebiet auf und wurde ihm mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX , Zl: XXXX , die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Der Ehegatte der BF betreibt ein Restaurant in dem auch die BF mitarbeitet. Am XXXX wurde der Ehegatte der BF in der XXXX getauft.

Die BF hat mehrere Deutschqualifizierungs- sowie Integrationsmaßnahmen besucht und spricht auf dem Niveau B1 die deutsche Sprache. Die Bf hat am XXXX die Integrationsprüfung absolviert.

Die BF bezog bis XXXX Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber. Am XXXX meldete die BF das Gewerbe „ XXXX an und ist als XXXX selbständig erwerbstätig.

Ab XXXX besuchte die BF den farsisprachigen Teil der XXXX XXXX und nimmt regelmäßig an den Sonntagsgottesdiensten teil. Zudem besuchte die BF einen Einführungs- sowie einen Taufvorbereitungskurs und wurde am XXXX in der Gemeinde XXXX getauft.

Die BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Die BF ist gesund und arbeitsfähig.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:

Parlamentswahlen:

Kurz vor den Parlamentswahlen widersprach Präsident Hassan Rohani Gerüchten, wonach er im Falle einer Schlappe bei den Parlamentswahlen zurücktreten würde. "Die Idee, zurückzutreten, ist mir nie in den Sinn gekommen," sagte er am 17. Februar auf einer Pressekonferenz. Ein Rücktritt würde die Probleme nicht lösen. Die Amtszeit Rohanis endet im Juni nächsten Jahres. Der Präsident kündigte an, er werde auch während des Rests seiner Amtszeit seine Versprechen einlösen.

Quelle: Heinrich Böll-Stiftung (März 2020), Iran-Report 03/20, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025867/Iran_Report_03_20.pdf, Zugriff 07.04.2020

Am 21.02.20 fanden Parlamentswahlen statt. Zwar wird das endgültige Ergebnis erst am 24.02.20 bekannt gegeben, der Spitzenkanidat der konservativen Koalition, Mohammad Bagher Ghalibaf, wird jedoch als klarer Wahlsieger und neuer Parlamentspräsident angesehen. Die Wahlbeteiligung war mit nur 42,5% jedoch deutlich niedriger als von der politischen Führung erwartet. Im größten Wahlkreis Teherans gaben laut der Nachrichtenagentur Fars nur knapp unter 30% der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Die Reformer um Präsident Hassan Rohani hatten bei der diesjährigen Wahl bereits eine schlechte Ausgangslage, da fast 75% ihrer Kandidaten schon im Vorfeld vom Wächterrat abgelehnt wurden

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes vom 24.02.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025566/briefingnotes-kw09-2020.pdf, Zugriff am 07.04.2020

Die Konservativen und Ultrakonservativen, einschließlich Kandidaten, die eng mit der Revolutionsgarde verbunden sind, haben einen Erdrutschsieg bei den Parlamentswahlen, die am 21. Februar abgehalten wurden, davongetragen. Sie haben 221 von den 290 Sitzen gewonnnen, mehr als eine Verdoppelung der Präsenz im Parlament.

Quelle: Garrett, Nada (24February, 2020), „2020 Parliamentary Election Results“, United States of Peace, https://iranprimer.usip.org/blog/2020/feb/24/2020-parliamentary-election-results, Zugriff am 06.04.2020

Medizinische Versorgung unter anderem COVID-19:

Gemäß Verfassung haben alle Perser Anspruch auf medizinische Versorgung. In Teheran ist die medizinische Versorgung meist auf einem recht hohen Niveau möglich und es gibt genügend Ärzte und Krankenhäuser. In den übrigen Landesteilen ist die Gesundheitsversorgung aufgrund maroder Krankenhäuser, unzureichender hygienischer Bedingungen, veralteter Technik und mangelnder Organisation nicht auf der Höhe der Hauptstadt. Die Regierung wirkt dem entgegen, indem Ärztinnen und Ärzte nach Studienabschluss für einige Jahre in den ländlichen Gebieten praktizieren müssen.

Die steigende Effektivität des Gesundheitswesens drückt sich auch durch die in den letzten dreißig Jahren von 56 auf 71 Jahre gestiegene Lebenserwartung aus.

Die Krankenhäuser verfügen über spezialisierte Einzelstationen und sind für die klinische Laborarbeit zuständig. Hier finden auch die Basischirurgie und stationäre Behandlungen statt. Weitere staatliche Fachkliniken existieren in Teheran und ähnlichen Großstädten, die neben der Tagesarbeit auch für die klinische Forschung und die Aus- und Weiterbildung des Personals verantwortlich zeichnen.

Einen besonderen Teil des Gesundheitswesens nehmen in Iran aber die privaten Organisationen ein. Mehr als 20% der medizinischen Einrichtungen werden von diesen Organisationen gestellt. Dabei darf nicht übersehen werden, dass diese Einrichtungen gewinnorientiert arbeiten und somit von einem erhöhten Preis/Leistungsverhältnis auszugehen ist. Überwiegend sind diese Einrichtungen in den iranischen Großstädten vorhanden und haben sich auf medizinische Fachfelder spezialisiert. Auch diese Einrichtungen unterliegen einer staatlichen Kontrolle. Die Einrichtungen sind nicht an die staatlichen Gebühren gebunden, die von der staatlichen Krankenversicherung zugrunde gelegt werden. Dies hat zur Folge, dass ein großer Teil der Bevölkerung mangels Finanzierungsmöglichkeit nicht in der Lage ist, diese Einrichtungen zu nutzen.

Ein geringer Prozentsatz des iranischen Gesundheitswesens wird auch von NGOs geprägt. Hierbei handelt es sich aber überwiegend um medizinische Hilfestellungen auf niedrigem Niveau oder Finanzhilfen im Flüchtlingsbereich.

Die weltweite unterschiedliche Qualität der medizinischen Hilfsangebote hat in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass Patienten auch außerhalb ihrer Landesgrenzen diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Allgemein wird dieser Vorgang als „Medizinischer Tourismus“ bezeichnet.

Auch Iran gehört zu den Ländern, die über einen wirtschaftlich bemerkenswerten medizinischen Tourismus verfügen. Mehr als 300.000 Patienten aus dem Ausland nahmen 2017 medizinische Dienstleistungen im Wert von 7 Milliarden Euro in Anspruch.44 Iran ist bekannt für seine vergleichsweise hohen Standards auf den Feldern der Kardiologie, Knochentransplantationen, Gynäkologie, Chirurgie und Orthopädie (Knie- und Rückenbehandlung), Onkologie, plastische Chirurgie und augenärztliche Versorgung. Ein nicht zu vernachlässigender Anreiz für die Patienten sind die geringen Preise für die medizinischen Dienstleistungen. So beliefen sich die Kosten für eine ganztägige, dreiwöchige ambulante Reha-Maßnahme nach einer Bandscheiben-OP in einem staatlichen Krankenhaus im Jahr 2016 auf umgerechnet 432 Euro. Als weiterer Grund für die zahlreichen „medizinischen Einreisen“ ist auch, dass es heutzutage noch keine langen Wartelisten gibt und eine schnelle Hilfe erwartet werden kann. In den vergangenen Jahren hat das iranische Gesundheitsministerium eine eigene Abteilung „Medizinischer Tourismus“ gebildet, die eine verstärkte Professionalität erbracht hat. So wurden mehr als 166 Kliniken als „besonders empfehlenswert“ ausgezeichnet und verwaltungstechnische Hilfestellungen erarbeitet. Nach eigener Darstellung geht das Gesundheitsministerium von einem weiteren Anstieg der Zahlen in den kommenden Jahren aus.

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport 16, Streiflichter einer gesellschaftlichen Entwicklung nach über 40 Jahren Islamische Revolution, Stand: 9/2019, Zugriff am 06.04.2020

Multidisziplinäre technische Teams wurden von der WHO, GOARN Partnern und anderen Experten für den Iran, Bahrain, Kuwait und den Irak bereitgestellt.

Alle Einwohner der Irans wurden zur Teilnahme am „Screnning“ Prozess, unter Einsatz des Selbsteinschätzungsportal´s MOH´s (salamat.gov.ir), aufgefordert. Personal des Gesundheitswesens und freiwillige ehrenamtlich Tätige kontaktieren aktiv Verdachtsfälle, wobei registrierte Informationen in diesem Portal, sowie elektronische Patientenakte benutzt werden. Wenn erforderlich, werden Klienten zu einer 16 Stunden Behandlungseinrichtung überwiesen, die speziell für die Diagnose und Behandlung für die Krankheit eingerichtet wurden, in Spitäler überwiesen oder werden zu Hause betreut. 

Quelle: WHO, Regional Office for the Eastern Mediterranean, Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Weekly Situation report 03, 19 March 2020, Zugriff am 24.03.2020

Forscher der angesehenen Scharif Universität für Technologie in Teheran haben einen Computersimulation erstellt, um verschiedenste Szenarien für die weitere Verbreitung von COVID 19 im Iran, eine Erkrankung, die durch Novel Coronavirus verursacht wird, zu testen. Sie gelangten zum Ergebnis, dass in einem Best Case-Szenario – in welchem die Regierung alle Bereiche mit hohem Risiko unter Quarantäne stellen, Leute, die strenge Quarantäne Bestimmungen befolgen und Zugang zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung garantiert wird – das Land den Höhepunkt der Epidemie in ungefähr einer Woche erreichen wird und die Zahl der Todesopfer 12.000 erreichen wird.

Allerdings ist dieses Szenario unrealistisch aufgrund drei Umstände: die Regierung kann die Quarantäne nicht durchsetzen, Leute, werden die Quarantäne Bestimmungen nicht befolgen und die medizinischen Versorgungsituation ist aufgrund der US Sanktionen und dem chronischen Missmanagement desaströs.

Quelle: Deutsche Welle (www.dw.com): Iran faces catastrophic death toll from coronavirus | DW | 17.03.2020. Zugriff am 19. März 2020 (britisches Englisch).

https://www.dw.com/en/iran-faces-catastrophic-death-toll-from-coronavirus/a-52811895

Die Islamische Republik Iran hat eine Vielzahl von Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit unternommen.

Die iranische Regierung beschloss als Reaktion auf den Ausbruch von COVID 19 keine totale Abriegelung, wie dies in vielen anderen Ländern der Fall war, sondern schloss Bildungseinrichtungen und verbot kulturelle, religiöse und sportliche Versammlungen. Bis heute und bis auf weiteres wurden seitens der iranischen Regierung folgende Maßnahmen ergriffen, um die weitere Ausbreitung von COVID 19 zu verhindern:

- Wie von der Nationalen Task Force zur Bekämpfung des Coronavirus genehmigt, wird das Land aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus in drei Zonen weiß, gelb und rot eingeteilt. Eine Stadt/ein Ort wird als weiße Zone eingestuft, wenn die durchschnittliche Zahl der täglichen Neuerkrankungen in den letzten zwei Wochen <1 beträgt. 60 Städte im ganzen Land, einschließlich der Hauptstädte aller Provinzen, sind bisher als rote Zonen eingestuft, 116 Städte als weiße Zone und etwa 400 Städte als gelbe Zonen.

- Ansässige Personen jeder Stadt dürfen nur in diese Stadt einreisen, die Einreise von Nichtansässigen ist verboten. Den Nichtansässigen steht es frei, in ihre Wohnstadt zurückzukehren. Sie dürfen keine Städte auf ihrem Weg betreten, sondern diese passieren.

- Schulen und Universitäten bleiben geschlossen. Parks, Freizeit- und Erholungszentren, Schwimmbäder und ähnliche Orte, an denen sich Menschenmassen aufhalten, bleiben bis auf weiteres geschlossen. Restaurants haben begrenzte Öffnungszeiten.

- Soziale Distanzierung und das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit wurden von der iranischen Regierung vorgeschrieben.

- Regierungsbüros sind seit dem 11. April 2020 wieder geöffnet, jedoch mit neuen Regelungen.

- Bis auf weiteres ist es verboten, offizielle, nicht-offizielle und religiöse Versammlungen sowie Zeremonien und Rituale abzuhalten. Auch während des heiligen Monats Ramadan sind religiöse Versammlungen verboten, Moscheen bleiben geschlossen.

- Der Verkehr von Krankenwagen, Sanitätsfahrzeugen, Polizei, Lastwagen mit Waren und Gütern des täglichen Bedarfs sowie von Treibstoff unterliegt nicht den Verboten dieses Plans. Der Verkehr von Angestellten und Arbeitern, deren Wohn- und Arbeitsort sich an zwei verschiedenen Orten befinden (z.B. in benachbarten Städten), wird gegen Vorlage gültiger Ausweispapiere gestattet.

- Verkehr von Studenten der medizinischen Wissenschaften und Personen mit anderen erforderlichen Fachkenntnissen, wie Fernmeldetechniker usw., wird in Abstimmung mit den zuständigen Behörden, soweit erforderlich, und durch Vorlage gültiger Ausweisdokumente gestattet.

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet aus einem Interview zu den jüngsten Entscheidungen des zur Bekämpfung des Coronavirus-Ausbruchs eingerichteten nationalen Ausschusses zusammengefasst, dass es laut Gesundheitsminister Saeid Namaki von Anfang an einer der Pläne war, Reisen und Versammlungen, die zur Ausbreitung der Krankheit beitrugen, einzuschränken. „Zu diesen Maßnahmen gehörten die Schließung von Schulen, Universitäten und Turnhallen, die Absage von Spielen, die Schließung von Kinos und Theaterräumen, die Streichung der Freitagsgebete der Gemeinden und die Schließung religiöser Zentren", sagte der Minister. Er merkte an, dass die meisten öffentlichen Zentren in Zusammenarbeit mit den Behörden geschlossen wurden, aber die anhaltende Besorgnis galt den nicht unbedingt notwendigen Reisen der Menschen. Der Minister stellte fest, dass nun ein neues Maßnahmenpaket eingeführt worden sei, um einer möglichen zweiten Welle der Ausbreitung des Virus entgegenzuwirken. So sei zum Beispiel entschieden worden, welche Betriebe geschlossen werden sollen und welche offenbleiben können, um Dienstleistungen für die Öffentlichkeit anzubieten. "Supermärkte und Geschäfte, die die Grundbedürfnisse der Menschen verkaufen, werden rund um die Uhr geöffnet sein, und die Menschen sollten sich darüber keine Sorgen machen", sagte der Minister. Auf der Grundlage der neuen Maßnahmen werde der Reiseverkehr innerhalb und zwischen Städten und Provinzen weiter eingeschränkt werden. "Natürlich haben wir einen Zeitraum für die Rückkehr der Reisenden festgelegt, und wir werden es ihnen ermöglichen, während dieser Zeit in ihre Heimat zurückzukehren", sagte er. Der Gesundheitsminister unterstrich, dass es im Land genügend Krankenhausbetten für jeden Patienten gibt.

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet, dass im Rahmen des Plans zur Bekämpfung des Coronavirus-Ausbruchs sich nur Einwohner einer Stadt in dieser aufhalten dürfen. Das bedeutet, dass Reisen verboten sind. Außerdem müssen diejenigen, die auf Reisen sind, so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren. Auch diejenigen, die sich in ihrer Heimatstadt aufhalten, sollten nicht auf Reisen gehen, da es nicht erlaubt ist, in andere Städte einzureisen. Die ersten beiden Ziffern des Nationalcodes, des Kennzeichens, der Versicherungsnummer usw. zeigen an, ob sie in einer bestimmten Stadt wohnen oder nicht. Personen, die in einer Stadt leben und an einem anderen Ort arbeiten, dürfen pendeln, müssen aber ihren Ausweis mit sich führen. Wenn sich Reisende in andere Städte als ihre Heimatstadt begeben, dürfen sie laut Plan nicht einreisen. Wenn sie illegal in die Stadt einreisen, werden ihre Autos für einen Monat beschlagnahmt und sie müssen eine Strafe zahlen. Ebenfalls im Rahmen der Initiative werden Universitäten, Schulen, Parks und Fitnessstudios geschlossen bleiben. Beschränkungen für Bahn-, Flug- und Landreisen bleiben bestehen. Unternehmen, die die Grundbedürfnisse der Menschen decken, bleiben offen, und einige Unternehmen bleiben geschlossen, solange der Sozialplan in Kraft ist. Unternehmen, die gegen das Gesetz verstoßen, werden für einen Monat geschlossen. Nach dem Plan ist es verboten, Zeremonien abzuhalten, die zu Versammlungen führen und das Risiko der Verbreitung der Krankheit erhöhen würden. Auf der Grundlage der Direktive des Präsidialamtes werden Regierungsabteilungen und -institutionen ihre Arbeit so weit wie möglich durch Telearbeit erledigen, wobei die physische Anwesenheit der Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz auf ein Minimum beschränkt wird. Gegenwärtig befinden sich rund 2 Millionen Menschen, die in Schulen und Bildungszentren arbeiten, auf Urlaub, aber auch Mitarbeiter des Gesundheitswesens und medizinisches Personal sowie Polizei und Strafverfolgungsbehörden sind im Dienst.

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet, dass der Iran von Katar etwa 8,5 Tonnen Sanitär- und Medizinbedarf, darunter 1.173.000 Operationsmasken sowie Hygieneartikel und Desinfektionsmittel erhalten hat. Die Lieferungen sollen dem iranischen Ministerium für Gesundheit und medizinische Bildung und dem Hauptquartier übergeben werden, das die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus-Ausbruchs durchführt. Die beiden werden die Gegenstände dementsprechend an Krankenhäuser und medizinische Zentren im ganzen Land verteilen. Katar hatte bereits am 14. März 2020 eine weitere Sendung mit 5,5 Tonnen hygienischer und medizinischer Hilfsgüter geschickt.

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet zusammengefasst, dass laut Saeed Namaki bis zum heutigen Tag [14.3.2020] über 6,5 Millionen Haushalte kontrolliert wurden und die Verdachtsfälle in Zentren gebracht wurden.

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet zusammengefasst, dass die Regierung folgende Maßnahmen zur Prävention und Eindämmung des Virus in Zusammenarbeit mit allen verwandten Institutionen und unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums ergriffen hat. Kurz nach dem Ausbruch in Wuhan stoppte der Iran Flüge von und nach China. Die in Wuhan lebenden iranischen Studenten wurden evakuiert und dann im Iran unter Quarantäne gestellt. Diagnostik-Kits wurden ins Land eingeführt, und bei Verdachtsfällen werden unverzüglich Coronatests durchgeführt. Darüber hinaus wurden landesweit 6.000 Aufsichtsbeamte in der Prävention und Kontrolle des Coronavirus geschult, und Schulen wurden angewiesen, die Krankheit zu bekämpfen. Ferner wurden Konzerte, Filme und Sportveranstaltungen bis zum Wochenende abgesagt. Museen, Schulen und Universitäten in den meisten Provinzen sind geschlossen. Die Verteilung kostenloser Masken steht ebenfalls auf der Tagesordnung. Das Bildungsministerium sollte an einem nationalen Plan arbeiten, um Ausbildungs- und präventive Gesundheitskurse für die Studenten und Mitarbeiter anzubieten. Alle Kongresse, Versammlungen, Lager und Wettbewerbe wurden bis auf weiteres verboten. Die Schulen waren außerdem verpflichtet, Flüssigseife, mit Müllbeuteln ausgestattete Mülltonnen und Desinfektionsmittel zu verwenden. Die Verteilung von gekochtem Essen und handgemachten Sandwiches wurde verboten. Der Minister für Industrie, Bergbau und Handel wies alle Hersteller von Masken und Desinfektionsmitteln an, die zur Bekämpfung des Coronavirus erforderlichen Utensilien in Massenproduktion herzustellen. Gesundheitsminister Saeed Namaki sagt, man habe versucht, die Patienten in den Einweisungszentren zu sammeln, um einen weiteren Ausbruch zu verhindern. "Die Gesundheitszentren im ganzen Land sind in Alarmbereitschaft, insbesondere in Gebieten, in denen es Krankheitsfälle gibt. In der Nähe dieser Zentren gibt es auch spezielle Krankenwagen, die Patienten in Notfällen transportieren", fügte Namaki hinzu. Es ist geplant, Busse und U-Bahn-Stationen zweimal täglich zu desinfizieren. Wir verwenden auch Desinfektionsmittel am Eingang der U-Bahn und stellen den Menschen kostenlos Masken zur Verfügung".

Die medizinische ist Versorgung gewährleistet.

Die medizinische Versorgung im Iran ist trotz aller Knappheit gewährleistet ist. Für diejenigen, die eine staatliche Krankenversicherung besitzen, ist die Behandlung von COVID-19 kostenlos. Wie in anderen Ländern ist das öffentliche Gesundheitssystem im Iran stark überlastet, kann aber dennoch Gesundheitsleistungen in einem akzeptablen Umfang erbringen.

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran zitiert Sorena Sattari, Vizepräsident für Wissenschaft und Technologie, welcher zusammenfassend angab, dass der Iran hervorragende Entwicklungen bei der Produktion von zuverlässigen medizinischen Geräten wie Beatmungsgeräten und verschiedenen Apparaten sieht. Diese Unternehmen haben jetzt die erforderlichen Lizenzen erhalten. Auch bei der Herstellung von Masken und Desinfektionsmittel gibt es keine Probleme. Er unterstrich, dass Tausende von klinischen Tests sowie Hunderte von Forschungsstudien durchgeführt wurden, um die Diagnose der Krankheit und die Behandlung von Coronavirus-Patienten zu unterstützen.

Eine Grundversorgung ist derzeit vorhanden.

Zusätzlich zu den gegen den Iran verhängten internationalen Sanktionen, hat die Deflation der Landeswährung (Iranian Rial), und auch COVID19, schwere Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die Mehrheit der iranischen Bevölkerung kämpft täglich ums Überleben. Eine Grundversorgung z.B. mit Nahrungsmitteln, national hergestellten Medikamenten, Wasser usw. ist jedoch bisher vorhanden, ein besonderer Mangel wurde bisher nicht gemeldet. Medikamente, die nicht lokal hergestellt werden und importiert werden müssen, können knapp werden. Die Preise für importierte Vermittlung sind sehr hoch.

Alle Passagiere die den Iran verlassen, sollten im Besitz eines Gesundheitszeugnisses sein, das auf den internationalen iranischen Flughäfen ausgestellt wird. Seit dem 24.4.2020 und bis auf weiteres, müssen gemäß Verordnung des iranischen Gesundheitsministeriums während des COVID19-Ausbruchs alle Fluggesellschaften, die mit Direktflügen ankommen, das iranische Gesundheitsministerium vor dem Abflug über die Einzelheiten des Fluges informieren. Fluggäste, die irgendwelche Anzeichen und Symptome aufweisen, dürfen nicht mitfliegen, alle anderen Reisenden müssen ein Gesundheitsformular unterschreiben, in dem sie erklären, dass sie sich an die im Iran geltenden Regeln und Vorschriften halten werden.

Alle Fluggäste, die mit Anschlussflügen aus Ländern mit einer höheren Anzahl von COVID19-Fällen (USA, Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich und Großbritannien) ankommen, müssen sich Tests unterziehen und 14 Tage lang zu Hause unter Quarantäne gestellt werden um sie im Falle eines positiven Testergebnisses informieren zu können.

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet, dass im Rahmen des Plans zur Bekämpfung des Coronavirus-Ausbruchs sich nur Einwohner einer Stadt in dieser aufhalten dürfen. Das bedeutet, dass Reisen verboten sind. Außerdem müssen diejenigen, die auf Reisen sind, so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren. Auch diejenigen, die sich in ihrer Heimatstadt aufhalten, sollten nicht auf Reisen gehen, da es nicht erlaubt ist, in andere Städte einzureisen. Die ersten beiden Ziffern des Nationalcodes, des Kennzeichens, der Versicherungsnummer usw. zeigen an, ob sie in einer bestimmten Stadt wohnen oder nicht. Personen, die in einer Stadt leben und an einem anderen Ort arbeiten, dürfen pendeln, müssen aber ihren Ausweis mit sich führen. Wenn sich Reisende in andere Städte als ihre Heimatstadt begeben, dürfen sie laut Plan nicht einreisen. Wenn sie illegal in die Stadt einreisen, werden ihre Autos für einen Monat beschlagnahmt und sie müssen eine Strafe zahlen. Ebenfalls im Rahmen der Initiative werden Universitäten, Schulen, Parks und Fitnessstudios geschlossen bleiben. Beschränkungen für Bahn-, Flug- und Landreisen bleiben bestehen.

Quelle: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Iran, Corona Situation, 07.05.2020

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 3.2019a).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA 12.1.2019).

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 12.2018).

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems“ sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a). Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem “Implementation Day” am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA15.2.2019a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.2.2019). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr 2018 zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in „politischen“ Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen (ÖB Teheran 12.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 12.1.2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450, Zugriff 30.4.2019

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.4.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 30.4.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 30.4.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 30.4.2019

- WZ – Wiener Zeitung (11.1.2017): Das politische System des Iran, https://www.wienerzeitung.at/archiv/iran-2017/iran-hintergrund/524691-Das-politische-System-des-Iran.html?em_no_split=1, Zugriff 30.4.2019

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (11.6.2019b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 11.6.2019

- BMeiA – Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (11.6.2019): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 11.6.2019

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.6.2019): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 11.6.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T. dem Regime nahe stehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)

Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

- Spionage für fremde Mächte;

- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen – auch für Ersttäter – vom Gericht angeordnet werden (AA 12.1.2019). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes („Diya“) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten (ÖB Teheran 12.2018).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 12.1.2019).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 12.1.2019).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 12.1.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2015-09-12-2015.pdf, Zugriff 24.5.2019

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 24.5.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 24.5.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 24.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 24.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 24.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html, Zugriff 24.5.2019

- US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html, Zugriff 24.5.2019

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 13.3.2019). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen und Kinder an (AA 12.1.2019). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 12.2018).

Die Polizei unterteilt sich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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