Entscheidungsdatum
02.10.2020Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I401 2235560-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 28.09.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX, StA. Nigeria, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Fremde, ein aus dem Bundesstaat Edo stammender, in Benin City geborener Staatsangehöriger von Nigeria, stellte am 03.06.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er bereits am 02.03.2017 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte.
Befragt zu seinen Fluchtgründen, gab er an, als Kleinkind seinen Vater nicht gekannt zu haben. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass sein Vater auf einer Farm lebe, die er ihm hinterlassen wolle. Die Familie des Vaters wollte ihm und seiner Mutter die Farm wegnehmen, was sie aber nicht akzeptiert habe, weil der Fremde der erstgeborene Sohn des Vaters sei. Die Familie des Vaters hätte ihn töten wollen und zu ihm gesagt, dass sie die Farm ihm wegnehmen und ihn töten werde, wenn er nicht das Land verlasse. Er könne die Farm erst übernehmen, wenn er 18 Jahre alt wäre.
In dem auf Anordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, erstellten medizinischen Sachverständigengutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen DDr. R vom 01.07.2019 (Untersuchungsdatum war der 25.06.2019) zur Feststellung eines absoluten Mindestalters zum Antragszeitpunkt findet sich als Ergebnis ein festgestelltes Mindestalter von „17,32 Jahren und nach oben hin offen“ und das spätestmögliche fiktive Geburtsdatum „XXXX“. In der in der Folge von der „Dublin-Behörde“ Italiens übermittelten Mitteilung vom 21.10.2019 waren ein anderer Familienname und zwei verschiedene Geburtsdaten angeführt. Das Dokument enthielt auch die Information, dass der Fremde über einen bis 15.01.2021 gültigen italienischen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen verfüge. In der schriftlichen Ergänzung zum erstellten medizinischen Gutachten vom 29.10.2019 legte der ärztliche Sachverständige dar, dass beide Geburtsdaten mit der gutachterlich erhobenen Bandbreit des möglichen Alters des Fremden vereinbar wären. Das Bundesamt legte letztlich das im Rubrum des gegenständlichen Beschlusses angeführte Geburtsdatum fest.
Mit (durch Hinterlegung am 28.01.2020 zugestellten) rechtskräftigem Bescheid vom 16.12.2019 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers vom 03.06.2019 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Staates der Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung der Status der subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.), gewährte eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen (Spruchpunkt VI.) und stellte fest, dass er sein Recht zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet ab dem 10.11.2019 verloren hat (Spruchpunkt VII.).
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 18.12.2019 wurde der Fremde wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, wovon acht Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.
2. Der Fremde stellte am 16.09.2020 den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Er begründete ihn bei seiner Erstbefragung durch ein Organ der Landespolizeidirektion Steiermark am selben Tag damit, heute in der Früh sei sein Kopf nicht ganz normal gewesen und er wisse nicht, warum er beim Polizisten einen Asylantrag gestellt habe. Er wolle kein Asyl in Österreich, er wolle nach Italien.
Bei seiner am 23.09.2020 erfolgten Einvernahme durch das Bundesamt gab der Fremde an, alle Gründe in seinem ersten Asylverfahren angegeben zu haben. Auf die Feststellung, dass die gegenständlichen Fluchtgründe somit dieselben Gründe seien, welche er bereits im ersten Asylverfahren angegeben habe und es keine neuen Fluchtgründe gebe, und auf die Frage, ob das so richtig sei, gab der Fremde zur Antwort: „Ich brauche kein Asyl, ich möchte nach Italien zurückkehren.“ Neuerlich befragt, ob es seit dem rechtskräftigen Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens eine Änderung in den Fluchtgründen gebe, äußerte der Fremde: „Nein, ich möchte nur nicht in meinen Herkunftsstaat zurückkehren.“
Am 28.09.2020 wurde der Fremde erneut vom Bundesamt einvernommen. Der Fremde äußerte, dass die bei der ersten Einvernahme am 23.09.2020 gemachten Angaben richtig seien und er sie aufrechterhalte. Er wolle nichts ergänzen oder berichtigen. Auf die Mitteilung, dass beabsichtigt werde, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen und mittels mündlich verkündetem Bescheid den faktischen Abschiebeschutz abzuerkennen, und auf die Frage, ob er konkrete Gründe angeben wolle, die dem entgegenstünden, gab der Fremde zur Antwort: „Ich gehe nicht in mein Heimatland zurück.“
Nach Abschluss der Vernehmung sowie nach Unterbrechung und Fortsetzung der Amtshandlung hob das Bundesamt mit dem am 28.09.2020 mündlich verkündeten Bescheid den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf.
Die Rechtsmittelbelehrung enthält den Hinweis, dass diese Beurkundung als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gelte und die Verwaltungsakten unverzüglich von Amts wegen dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt würden und dies als Beschwerde gelte.
Mit dem am 01.10.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes eingelangten Schreiben übermittelte das Bundesamt die den Fremden betreffenden Akten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde.
Zu Spruchpunkt A):
1. Feststellungen:
Neben dem unter Punkt I. dargestellten Verfahrensgang wird ergänzend festgestellt:
Der volljährige, aus dem Bundesstaat Edo stammende, in Benin City geborene Fremde ist nigerianischer Staatsangehöriger, ledig und kinderlos. Er bekennt sich zum christlichen Glauben. Er ist gesund und erwerbsfähig und ist nicht an „Covid-19“ erkrankt. Seine Identität steht nicht fest. Er verfügt über eine drei- bzw. fünfjährige Schulbildung und verkaufte zusammen mit seiner Mutter landwirtschaftliche Produkte auf einem Markt.
In Nigeria verfügt der Fremde über familiäre Anknüpfungspunkte; es leben dort seine Mutter (in Benin City) und Verwandte des Vaters.
Der Fremde kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.
In Österreich leben keine Verwandten von ihm und es bestehen keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Er verfügt über keine Deutschkenntnisse.
Der Fremde ging in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezog bis November 2019 Leistungen aus der Grundversorgung.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 18.12.2019 wurde der Fremde wegen Vergehen nach dem SMG (§ 27 Abs. 2a; § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall) und dem StGB (§§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1; §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2) zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt.
Bis zu seiner Inhaftierung mit 12.11.2019 war der Fremde mit Neben- und Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Vom 12.11. bis 18.12.2019 befand er sich in der Justizanstalt U. Nach Beendigung der Strafhaft bis zu seinem Aufenthalt im Polizeianhaltezentrum H, der von 11.08. bis 15.09.2020 dauerte, war er in Österreich nicht mit einem Wohnsitz gemeldet. Seit 15.09.2020 ist er im Anhaltezentrum V mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Fremde in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.
Er weist kein schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich auf. Er leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist arbeitsfähig.
Wie aus den umfangreichen, vom Bundesamt in den Vorverfahren sowie im gegenständlichen Verfahren getroffenen aktuellen Länderfeststellungen zu Nigeria hervorgeht, liegt für den Fremden bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr einer Verletzung der Artikel 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nicht vor.
Auch ist für den Fremden als Zivilperson im Fall einer Rückkehr keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes zu erwarten. Ebenso wird er im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
Für den Fremden besteht zwar eine keine einfache Lebenssituation, insbesondere, was die Möglichkeiten für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft, sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, jedoch kann er im Fall seiner Rückkehr mit der Unterstützung durch seine in Benin City lebende Mutter (zumindest vorübergehend) rechnen.
Der Fremde verfügt über einen bis 15.01.2021 gültigen italienischen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes sowie in den zu überprüfenden Bescheid Beweis erhoben.
Da der Fremde bisher keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte oder wollte, er in Italien bei seiner Antragstellung auf Asyl eine andere Identität verwendet hatte, steht seine (wahre) Identität nicht fest.
Dass er bereits am 02.03.2017 in Italien einen Asylantrag gestellt hat und er über einen bis 15.01.2021 gültigen italienischen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründe verfügt, fußt auf einem „EURODAC-Treffer“ (AS 17) und der von der „Dublin-Behörde“ Italiens übermittelten Mitteilung vom 21.10.2019.
Die Feststellungen zur Person, der Herkunft sowie zu den Lebensumständen des Fremden gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesamt im Rahmen seiner Asylverfahren, wie auch die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Fremden. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.
Seine Angaben zu seinem mehrjährigen Schulbesuch und zur vor seiner Ausreise aus Nigeria ausgeübten Tätigkeit des Verkaufs landwirtschaftlicher Produkte (zusammen mit seiner Mutter) auf einem Markt gehen auf seine bei der Erstbefragung am 03.06.2019 und die bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 25.09.2019 gemachten Angaben zurück (AS 7; AS 189 und AS 190).
Die Feststellung zur strafrechtlichen Verurteilung leitet sich aus dem sich im erstinstanzlichen Akt befindenden Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 18.12.2019 und aus einem aktuellen Strafregisterauszug der Republik Österreich ab.
Dass er vom 12.11. bis 18.12.2019 in der Justizanstalt U inhaftiert war, er in der Zeit vom 18.12.2019 bis 11.08.2020 nicht mit einem Wohnsitz im Bundesgebiet gemeldet war, er sich vom 11.08. bis 15.09.2020 im Polizeianhaltezentrum aufhielt und er sich seit 15.09.2020 im Anhaltezentrum V befindet, geht auf einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 01.10.2020 zurück.
Der Fremde gab zwar an, einen Deutschkurs besucht zu haben, legte darüber aber keine Bestätigung vor, wie auch kein Zertifikat über eine bestandene Deutschprüfung. Bei allen Einvernahmen äußerte er, italienisch zu sprechen, nicht jedoch deutsch.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Fremden wurden dem „Länderinformationsblatt“ zu Nigeria entnommen. Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Länderfeststellungen, welche das Bundesamt seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, zeigen keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Nigeria im Vergleich zur vorangehenden in Rechtskraft erwachsenen materiellen Entscheidung des Bundesamtes vom 16.12.2019.
Im gesamten Verfahren sind keine Umstände bekannt geworden, die diesen Feststellungen zur Lage in Nigeria entgegenstünden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:
3.1.1. § 12a Abs. 1 und 2 AsylG 2005 (in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017) lauten:
„Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.“
Der § 22 Abs. 10 AsylG 2005 (in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016) lautet:
„Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.“
3.1.2. § 22 BFA-Verfahrensgesetz (in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013) lautet:
„Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.“
3.1.3. Voranzustellen ist, dass der Fremde einen weiteren Asyl- bzw. einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs. 1 Asylgesetz 2005 vorliegt.
Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn, es wurde ein darüber hinaus gehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.
Durch die den Antrag des Fremden auf internationalen Schutz bzw. bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abweisende Entscheidung des Bundesamtes steht fest, dass dem Fremden in Nigeria keine asylrelevante Verfolgung droht und gegen ihn auf Grund des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG besteht.
Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts ist nicht eingetreten. Bereits den ersten Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes stützte der Fremde - wie auch den gegenständlichen Folgeantrag - auf Auseinandersetzungen mit der Familie seines Vaters um ein dem Vater gehörendes Grundstück. Es ergibt sich auch aus dem nunmehrigen Vorbringen kein gegenüber dem Vorfahren geänderter Sachverhalt im Sinn neuer zu beachtender Fluchtgründe. Der Fremde hielt sein bisher getätigtes Vorbringen weiter aufrecht. Einen neuen asylrelevanten Fluchtgrund machte er nicht geltend, wenn er vorbringt, er wolle kein Asyl in Österreich, er wolle nach Italien, nur nicht in seinen Herkunftsstaat zurückkehren bzw. er gehe nicht in sein Heimatland zurück.
Auch die Situation in Nigeria hat sich seit den vorangegangenen Entscheidungen nicht geändert. Es gab diesbezüglich auch kein Vorbringen des Fremden.
Im vorangegangenen Verfahren hat das Bundesamt bereits ausgesprochen, dass der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG). In der Begründung des Bescheides des Bundesamtes wird ausgeführt, dass der Fremde keine Gefährdung seiner Person glaubhaft machen konnte. Es sei nicht anzunehmen, dass er im Falle einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein würde. Auch aus der allgemeinen Situation im Heimatland bzw. der zu erwartenden Rückkehrsituation alleine ließe sich eine solche nicht ableiten.
Auch gibt es dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur „Schwelle“ des Art. 3 EMRK vgl. das Erk. VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte, zumal der Fremde an keiner schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die es nahelegen würden, dass, bezogen auf den Fremden, ein „reales Risiko“ einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Der Fremde ist auch nicht an Covid-19 erkrankt und gehört in Bezug auf eine solche Erkrankung zudem keiner „Risikogruppe“ an.
Der Fremde führt in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Er hat auch keine Integrationsbemühungen von maßgeblicher Intensität an den Tag gelegt. Hinzu kommt, dass er rechtskräftig mit Urteil des Landesgerichts Salzburg wegen Vergehen nach dem SMG und StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Der neuerliche Antrag bzw. Folgeantrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 16.09.2020 wird voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.
Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig war.
Da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende ohne Durchführung einer Verhandlung zu treffende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu erledigen.
Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale GefahrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I401.2235560.1.00Im RIS seit
21.01.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021