TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/6 W214 2231456-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2020
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Entscheidungsdatum

06.10.2020

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W214 2231456-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch: Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05,2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG), stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 Asylgesetz 2005 (AsylG) der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der Volksgruppe der Araber, stellte am XXXX .11.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, vor ca. 6 bis 10 Monaten illegal mit einem Taxi in die Türkei ausgereist zu sein, sich ca. 6 Monate dort aufgehalten zu haben und anschließend über Griechenland und unbekannte Länder schlepperunterstützt und illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Weiters gab er an, dass man aufgrund des Krieges nicht in Syrien nicht leben könne sowie dass er Angst vor der Regierung habe. Zudem habe der Beschwerdeführer vor 4 Jahren einen Militärdienst absolvieren sollen, was er jedoch nicht getan habe.

Am XXXX .11.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) im Beisein eines Dolmetschers für Arabisch niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer führte aus, in XXXX geboren zu sein und im Zeitpunkt seiner Ausreise in XXXX gelebt zu haben. Er sei traditionell verheiratet und habe keine Kinder, seine Ehefrau sei derzeit in XXXX aufhältig. Sein Vater, seine Mutter sowie seine beiden Brüder würden sich in XXXX aufhalten, zwei seiner Schwestern in der Türkei und eine Schwester vermutlich in Österreich. Zuletzt habe der Beschwerdeführer ca. vor einer Woche Kontakt zu seinen Angehörigen in Syrien gehabt. Er sei Zugehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer gab weiters an, sieben Jahre lang die Schule besucht und als Landarbeiter, Zimmermann sowie als Bau-Tischler gearbeitet zu haben.

Am 16.11.2019 legte der Beschwerdeführer Kopien von Auszügen seines Familienbuches vor.

Am XXXX .01.2020 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) im Beisein eines Dolmetschers für Arabisch niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, von seiner Geburt bis zu seiner Ausreise im Dorf XXXX in der Provinz XXXX gelebt zu haben, wo er sechs Jahre lang die Grundschule besucht und ab dem Jahr 2009 am Bau und in der Landwirtschaft gearbeitet habe.

Zu den Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass aufgrund des Krieges (in Syrien) überall bombardiert worden sei und er eigentlich seinen Wehrdienst ableisten habe müssen. Auch das Haus seines Onkels sei von einem Helikopter des syrischen Regimes zerstört worden, wobei neben zwei weiteren Personen auch seine Oma getötet worden sei. Bis 2011 sei der Heimatort des Beschwerdeführers, XXXX , unter der Herrschaft des syrischen Regimes gewesen, im Zeitraum vom 2011 bis 2016 hingegen unter jener der Opposition. Im Falle einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, seinen Wehrdienst ableisten zu müssen bzw. umgebracht zu werden. Das Regime würde ihn als Verräter verurteilen, weil er den Wehrdienst seit drei Jahren nicht abgeleistet habe.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen
(Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte neben allgemeinen herkunftsbezogenen Länderfeststellungen und der Identität des Beschwerdeführers fest, dass er syrischer Staatsangehöriger, Zugehöriger der Volksgruppe der Araber und muslimisch-sunnitischen Glaubens sei. Eine individuelle gegen ihn gerichtete Gefahr einer Verfolgung oder Bedrohung habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben keine Glaubwürdigkeit zukomme. So habe er zunächst gegenüber der belangten Behörde angekündigt, Unterlagen zur Abklärung seiner Identität, insbesondere seinen Personalausweis beizubringen, später in der Einvernahme habe der Beschwerdeführer jedoch seine Angaben abgeändert, indem er angegeben habe, lediglich einen Personalausweis beantragt und in der Folge zweimal dessen Aushändigung bzw. Ausstellung urgiert zu haben. Folglich habe er bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides unterlassen, seinen Personalausweis, trotz seiner anfänglichen Zusage, vorzulegen. Ebenso sei anzuführen, dass er im Zuge der Einvernahme angegeben habe, niemals mit anderen Personalien aufgetreten zu sein und in der weiteren Einvernahme zu seiner Reisebewegung befragt, habe er angegeben, mit dem Flugzeug gereist zu sein und dabei ein ausländisches/europäisches Dokument mit seinem Lichtbild benutzt zu haben. Neben den widersprüchlichen Angaben sei in diesem Zusammenhang, sowohl seine mangelnde Glaubwürdigkeit als Person, als auch seine mangelnde Mitwirkung im Verfahren festzustellen. Überdies habe der Beschwerdeführer sein Vorbringen gesteigert, indem er im Zuge der Einvernahme angegeben habe, bereits seit drei Jahren den Wehrdienst nicht abgeleistet zu haben und er diesbezüglich nicht in der Lage sei, näheren Umstände dazu bekannt zu geben, wohingegen er zuvor lediglich eingeräumt habe, dass er von der Militärpolizei gesucht werden würde und nicht zur Musterung gegangen sei, ohne dazu auch nur nähere Angaben zu treffen. Weiters sei auch eine gegen seine Person gerichtete Bedrohung oder Verfolgung als nicht schlüssig und plausibel vorliegend anzusehen, wenn er zwar einerseits anführe, bereits vor einem Jahr seinen Ausreiseentschluss gefasst zu haben und dann letztendlich bis zum Juli 2019 zugewartet habe, um seinen Entschluss umzusetzen. Schließlich sei für die Behörde eine vorherrschende maßgebliche Bedrohung der Familie des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, weil nach seinen Angaben sein Vater derzeit in XXXX als Taxifahrer unterwegs sei und damit nachgewiesen sein würde, dass sich dieser in der Öffentlichkeit bewege bzw. befinde und dem Umstand Rechnung tragend, als sich weitere Familienmitglieder (Onkel und Tanten, samt Familie) bislang unbehelligt im Herkunftsstaat befinden.

Der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde daher abgewiesen, hingegen wurde dem Beschwerdeführer aufgrund der allgemeinen Lage in Syrien der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

4. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin führte der Beschwerdeführer (nach Wiederholung des Sachverhaltes) ergänzend zu seiner Einvernahme vor der belangten Behörde u.a. aus, dass er aufgrund des Erreichens der Volljährigkeit zum Militärdienst einberufen worden sei. Allerdings habe er kein Schriftstück in die Hand bekommen, weil keine ordentliche Zustellung möglich gewesen sei, was er auch in der Einvernahme erörtert habe. Der Beschwerdeführer befinde sich aktuell im wehrpflichtigen Alter. Er habe seinen Wehrdienst in Syrien bislang noch nicht abgeleistet, weil ihm aufgrund seines Aufenthaltes in seinem Heimatort gelungen sei, seit 2012 in Syrien außerhalb der Herrschaft des syrischen Regimes zu überleben. Nunmehr wäre es jedoch aufgrund der Verweigerung des Militärdienstes sowie zusätzlich aufgrund des Erreichens des Alters von 23 Jahren zweifelsfrei wehrdienstpflichtig. Eine Einreise wäre nur über den in Regierungshand befindlichen Flughafen in Damaskus möglich. Aus den Länderberichten, die dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorliegen würden, ergebe sich, dass bei der Einreise in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden würden, bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft werde, ob diese den Militärdienst bereits abgeleistet hätten. Es sei daher objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer als männlicher syrischer Staatsangehöriger im wehrfähigen Alter fürchten müsse, bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien zum Militärdienst eingezogen zu werden und zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen gezwungen zu werden. Bei einer Weigerung der Teilnahme würde ihm eine Bestrafung drohen.

5. Am XXXX .09.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung, eines Vertreters der belangten Behörde sowie eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch statt. Im Zuge der Verhandlung legte der Beschwerdeführer sein Familienbuch in Original und eine Kopie seiner Heiratsurkunde vor. Der Beschwerdeführer gab an, dass in Syrien noch seine Frau, sein Vater, seine Mutter sowie mehrere Halbgeschwister leben würden, mit denen aktuell Kontakt bestehe. Eine Schwester sowie ein Bruder des Beschwerdeführers seien derzeit in der Türkei, zwei seiner Schwestern hingegen in Deutschland aufhältig. Er sei in Österreich gemeinsam mit seiner Schwester XXXX eingereist. Seine Familienangehörigen in Europa würden den Flüchtlingsstatus besitzen.

Nach den Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass in Syrien Krieg herrschen würde und er Angst vor einer Rekrutierung habe. Er sei nicht bereit, unschuldige Leute zu töten und wolle auch keine Waffe tragen. Zwar habe der Beschwerdeführer keinen offiziellen Einberufungsbefehl bekommen, jedoch sei eine Rekrutierung möglich gewesen. Auch an Orten, wo die Opposition geherrscht habe, seien Leute rekrutiert worden. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien werde der Beschwerdeführer umgebracht werden oder ins Gefängnis kommen.

6. Mit Schriftsatz vom 17.09.2020 gab die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zu den Länderberichten und zur Gefährdung des Beschwerdeführers ab, zu welchem auch der belangten Behörde zu einer allfälligen Stellungnahme übermittelte, welche allerdings von einer inhaltlichen Stellungnahme absah.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer und seinem Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, sunnitisch-muslimischen Glaubens und war zuletzt in einem Dorf in der Provinz XXXX in Syrien wohnhaft, die derzeit von Rebellen beherrscht wird. Der Beschwerdeführer trägt den im Spruchkopf genannten Namen und ist am XXXX geboren. Er stellte am XXXX .11.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dem Beschwerdeführer wurde wegen des Bürgerkriegs in Syrien subsidiärer Schutz zuerkannt.

Er verfügt weder über einen Personalausweis noch über einen Reisepass, sodass er bei einer Rückkehr nach Syrien ohne gültiges Reisedokument einreisen müsste.

Der Beschwerdeführer verließ Syrien nicht bloß aufgrund der allgemeinen Bürgerkriegssituation, sondern (auch) aus Angst, sowohl vom syrischen Regime als auch von Rebellen zum Kämpfen rekrutiert zu werden oder an Checkpoints festgenommen zu werden. Dem will/wollte der Beschwerdeführer nicht Folge leisten.

Er ist volljährig und somit wehrpflichtig. Durch seinen Aufenthalt im Oppositionsgebiet und durch seine Ausreise aus Syrien und der Stellung eines Asylantrages hat sich der Beschwerdeführer einer Einberufung zum Wehrdienst entzogen. Daher hat der Beschwerdeführer aufgrund der aktuellen Situation in Syrien bei seiner Rückkehr nach Syrien damit zu rechnen, vom syrischen Regime zur Militärdienstleistung bzw. zum sonstigen Militäreinsatz in der syrischen Armee und/oder in einer Miliz der syrischen Regierung zwecks Teilnahme an den Kampfhandlungen des syrischen Regimes gegen „oppositionelle“ Kräfte – zwangsweise – herangezogen zu werden, weil er in bisher noch nicht abgeleistet hat. Dies lehnt er aus Gründen der politischen Gesinnung ab. Bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat würde ihm von den syrischen Behörden eine staatsfeindliche politische Gesinnung unterstellt werden.

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer aus einer von Rebellen beherrschtem Gebiet stammt, was aus Sicht der syrischen Behörden den Eindruck verstärken würde, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen oppositionell Gesinnten handelt.

Der Beschwerdeführer hätte daher bei einer Rückkehr nach Syrien die Zwangsrekrutierung (verbunden mit dem Zwang zur Setzung menschenrechtswidriger Handlungen) oder unverhältnismäßige Sanktionen seitens des Regimes zu befürchten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten; auch sonstige Asylausschlussgründe liegen nicht vor.

1.2. Zur hier relevanten Situation in Syrien:

1.2.1 Politische Lage

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 13.3.2019). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten (FH 1.2018).

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Baath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016).

Es gibt weiterhin Landesteile, in denen die syrische Regierung effektiv keine Kontrolle ausübt. Diese werden entweder durch Teile der Opposition, kurdische Einheiten, ausländische Staaten oder auch durch terroristische Gruppierungen kontrolliert (AA 13.11.2018; vgl. MPG 2018).

Am 13.4.2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden (Reuters 13.4.2016; vgl. France24 17.4.2017). Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der „Nationalen Einheit“ 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als „Farce“. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen (France24 17.4.2016).

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position. Seit der Machtergreifung Assads haben weder Vater noch Sohn politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche eine politische Alternative zu schaffen wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt (USCIRF 26.4.2017). 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten (USDOS 13.3.2019), wodurch dieser für weitere 7 Jahre im Amt bestätigt wurde (WKO 11.2018). Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten. Sie wurde von der EU und den USA als undemokratisch kritisiert, die syrische Opposition sprach von einer „Farce“ (Haaretz 4.6.2014).

Mitte September 2018 wurden in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten zum ersten Mal seit 2011 wieder Kommunalwahlen abgehalten (IFK 10.2018; vgl. WKO 11.2018). Der Sieg von Assads Baath Partei galt als wenig überraschend. Geflohene und IDPs waren von der Wahl ausgeschlossen (WKO 11.2018).

Mit russischer und iranischer Unterstützung hat die syrische Regierung mittlerweile wieder große Landesteile von bewaffneten oppositionellen Gruppierungen zurückerobert. Trotz der großen Gebietsgewinne durch das Regime besteht die Fragmentierung des Landes in Gebiete, in denen die territoriale Kontrolle von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt wird, weiter fort (AA 13.11.2018).

Die Provinz Idlib im Norden Syriens an der Grenze zur Türkei wird derzeit noch von diversen Rebellengruppierungen kontrolliert (MPG 2018). Im Norden bzw. Nordosten Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen (SWP 7.2018). Die Partei der Demokratischen Union (PYD) ist die politisch und militärisch stärkste Kraft der syrischen Kurden. Sie gilt als syrischer Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) (KAS 4.12.2018b). 2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der PKK, deren Mitglieder die PYD gründeten, gekommen sein. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine „zweite Front” in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrin, Ain al-Arab (Kobane) und die Jazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (BFA 8.2017). Im März 2016 wurde in dem Gebiet, das zuvor unter dem Namen „Rojava“ bekannt war, die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte (SWP 7.2018; vgl. KAS 4.12.2018b). Afrin im Nordwesten Syriens ist territorial nicht mit den beiden anderen Kantonen Jazira und Kobane verbunden und steht seit März 2018 unter türkischer Besatzung (KAS 4.12.2018b; vgl. MPG 2018).

Die syrischen Kurden unter Führung der PYD beanspruchen in den Selbstverwaltungskantonen ein Gesellschaftsprojekt aufzubauen, das nicht von islamistischen, sondern von basisdemokratischen Ideen, von Geschlechtergerechtigkeit, Ökologie und Inklusion von Minderheiten geleitet ist. Während Befürworter das syrisch-kurdische Gesellschaftsprojekt als Chance für eine künftige demokratische Struktur Syriens sehen, betrachten Kritiker es als realitätsfremd und autoritär. Das Ziel der PYD ist nicht die Gründung eines kurdischen Staates in Syrien, sondern die Autonomie der kurdischen Kantone als Bestandteil eines neuen, demokratischen und dezentralen Syrien (KAS 4.12.2018a). Die PYD hat sich in den kurdisch kontrollierten Gebieten als die mächtigste politische Partei im sogenannten Kurdischen Nationalrat etabliert, ähnlich der hegemonialen Rolle der Baath-Partei in der Nationalen Front (BS 2018). Ihr militärischer Arm, die YPG sind zudem die dominierende Kraft innerhalb des von den USA unterstützten Militärbündnisses Syrian Democratic Forces (SDF). Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Flüchtlingswelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Diese schwierige Situation führt auch dazu, dass die Kurden wieder vermehrt das Gespräch mit der syrischen Zentralregierung suchen (KAS 4.12.2018b).

Die syrische Regierung erkennt die kurdische Enklave oder Wahlen, die in diesem Gebiet durchgeführt werden, nicht an (USDOS 13.3.2019). Die zwischen der Kurdischen Selbstverwaltung (dominiert von der PYD) und Vertretern der syrischen Regierung im Sommer 2018 und Anfang 2019 geführten Gespräche brachten auf Grund unvereinbarer Positionen betreffend die Einräumung einer (verfassungsgemäß festzuschreibenden) Autonomie, insbesondere für die kurdisch kontrollierten Gebiete sowie hinsichtlich der Eingliederung/Kontrolle der SDF, keine Ergebnisse (ÖB 7.2019). Im Zuge einer türkischen Militäroffensive, die im Oktober 2019 gestartet wurde, kam es jedoch zu einer Einigung zwischen beiden Seiten, da die kurdischen Sicherheitskräfte die syrische Zentralregierung um Unterstützung in der Verteidigung der kurdisch kontrollierten Gebiete baten. Die syrische Regierung ist daraufhin in mehrere Grenzstädte eingerückt (DS 15.10.2019).

Quellen:

-        AA – Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-        BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report – Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Syria.pdf, Zugriff 12.12.2018

-        BFA - Eva Savelsberg: Der Aufstieg der kurdischen PYD im syrischen Bürgerkrieg (2011 bis 2017) in BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.12.2018

-        DS – Der Standard (15.10.2019): "Schmerzhafter Kompromiss" für Kurden in Nordsyrien, USA verhängen Sanktionen, https://www.derstandard.at/story/2000109839161/erdogan-kuendigt-ausweitung-der-offensive-in-syrien-an, Zugriff 16.10.2019

-        DSO – Der Spiegel Online (10.8.2016): Die Fakten zum Krieg in Syrien, https://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1, Zugriff 9.4.2019

-        FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Syria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/syria, Zugriff 10.12.2018

-        France24 (17.4.2016): Assad’s Party wins majority in Syrian election, https://www.france24.com/en/20160417-syria-bashar-assad-baath-party-wins-majority-parliamentary-vote, Zugriff 10.12.2018

-        Haaretz (4.6.2014): Landslide Win for Assad in Syria’s Presidential Elections, http://www.haaretz.com/middle-east-news/1.597052, Zugriff 10.12.2018

-        IFK – Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (10.2018): Factsheet Syrien No. 70, 14. August 2018 – 2.10.2018, http://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen/fact_sheet_syr_70_deu.pdf, Zugriff 1.3.2019

-        KAS – Konrad Adenauer Stiftung [Nils Wörmer] (4.12.2018a): Assads afghanische Söldner, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/assads-afghanische-soldner, Zugriff 15.1.2019

-        KAS – Konrad Adenauer Stiftung [Gülistan Gürbey] (4.12.2018b): Zwischen den Fronten – Die Kurden in Syrien, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/zwischen-den-fronten-1, Zugriff 15.1.2019

-        MPG – Max-Planck-Gesellschaft (2018): Familienrecht im Nahen Osten – Zum gegenwärtigen Stand der Rechtsordnung und des Familienrechts in Syrien [Stand Herbst 2018], https://www.familienrecht-in-nahost.de/11318/Syrien-Rechtslage, Zugriff 17.1.2019

-        ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf, Zugriff 19.8.2019

-        Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume, http://https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5, Zugriff 10.12.2018

-        SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 31.1.2019

-        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2018): Die Kurden im Irak und in Syrien nach dem Ende der Territorialherrschaft des “Islamischen Staates”, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S11_srt.pdf, Zugriff 9.1.2018

-        USCIRF – United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): United States Commission on International Religious Freedom 2017 Annual Report; 2017 Country Reports: USCIRF Recommended Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/1399549/5250_1494489917_syria-2017.pdf, Zugriff 10.12.2018

-        USDOS - United States Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 12.12.2018

-        USDOS – United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html, Zugriff 19.3.2019

-        WKO – Wirtschaftskammer Österreich – Außenwirtschaftscenter Amman (11.2018): Außenwirtschaft: Update Syrien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/syrien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 1.3.2019

1.2.2 Sicherheitslage

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention des Iran in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018a). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der „wichtigsten“ Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016).

Am Beginn des Jahres 2019 sind noch drei größere Gebiete außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung: die Provinz Idlib und angrenzende Gebiete im Westen der Provinz Aleppo und Norden der Provinz Hama; die Gebiete im Norden und Osten Syriens, die unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) stehen; außerdem die Konfliktschutzzone (de-confliction zone) bei Tanf in Homs bzw. in der Nähe des Rukban Flüchtlingslagers (UNHRC 31.1.2019).

Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen, allen voran die Provinzen Idlib, Teile Aleppos, Raqqas und Deir ez-Zours (AA 13.11.2018).

Laut UNMAS (United Nations Mine Action Service) sind 43% der besiedelten Gebiete Syriens mit Mienen und Fundmunition kontaminiert (AA 13.11.2018). Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen mit derartigen Hinterlassenschaften des bewaffneten Konfliktes zum Beispiel im Osten der Stadt Aleppo, Ost-Ghouta und im Osten Hamas (DIS/DRC 2.2019).

Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghuz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen „Syrian Democratic Forces“ erobert. Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten (DZO 24.3.2019). Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv (FAZ 10.3.2019). Gegenwärtig sollen im Untergrund mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten (FAZ 22.3.2019).

US-Präsident Donald Trump kündigte im Dezember 2018 an, alle 2.000 US-Soldaten aus Syrien abziehen zu wollen (Qantara 28.2.2019). Nachdem Trump Anfang Oktober 2019 erneut ankündigte, die US-amerikanischen Truppen aus der syrisch-türkischen Grenzregion abzuziehen, startete die Türkei am 9. Oktober 2019 eine Luft- und Bodenoffensive im Nordosten Syriens (CNN 11.10.2019). Durch den Abzug der US-Streitkräfte aus Nordsyrien und die türkische Offensive und damit einhergehende Schwächung der kurdischen Sicherheitskräfte wird ein Wiedererstarken des IS befürchtet (DS 13.10.2019, DS 17.10.2019).

Quellen:

-        AA – Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-        CNN (11.10.2019): Everything you need to know about Turkey‘s military offensive in Syria, https://edition.cnn.com/2019/10/07/middleeast/six-questions-syria-us-intl/index.html, Zugriff 15.10.2019

-        DIS/DRC – Danish Immigration Service / Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_31012019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC, Zugriff 27.2.2019

-        DS – Der Standard (13.10.2019): Hunderte IS-Angehörige aus Lager im Norden Syriens geflohen, https://www.derstandard.at/story/2000109807141/usa-werfen-tuerkischer-armee-beschuss-von-us-truppen-in-syrien, Zugriff 16.10.2019

-        DS – Der Standard (17.10.2019): USA zerstören nach Nordsyrien-Abzug Waffenlager in Zementfabrik aus der Luft, https://www.derstandard.at/story/2000110026710/usa-zerstoeren-nach-abzug-waffenlager-in-zementfabrik-aus-der-luft, Zugriff 18.10.2019

-        DZO – Die Zeit Online (24.3.2019): Kurden warnen vor Wiederaufstieg des IS, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/syrien-islamischer-staat-terrormiliz-kalifat-wiederaufstieg, Zugriff 25.3.2019

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (10.3.2019): Die letzte Schlacht gegen den „Islamischen Staat“ hat begonnen, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kurden-beginnen-angriff-auf-letzte-is-bastion-in-syrien-16082097.html, Zugriff 12.3.2019

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (22.3.2019): Sieg über Terrormiliz : Warum der IS weiter gefährlich bleibt, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/warum-der-is-weiter-gefaehrlich-bleibt-16103411.html, Zugriff 25.3.2019

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (23.3.2019): IS-Führer Al-Bagdadi bleibt verschwunden, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/irak-islamischer-staat-abu-bakr-al-bagdadi, Zugriff 25.3.2019

-        ISW – Institute for the Study of War (25.7.2019): Syria Situation Report: July 10 – 23, 2019, http://www.understandingwar.org/backgrounder/syria-situation-report-0, Zugriff 4.9.2019

-        KAS – Konrad Adenauer Stiftung [Nils Wörmer] (4.12.2018a): Assads afghanische Söldner, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/assads-afghanische-soldner, Zugriff 15.1.2019

-        Liveuamap – Live Universal Awareness Map (16.10.2019): Map of Syrian Civil War, https://syria.liveuamap.com/en/time/16.10.2019, Zugriff 17.10.2019

-        Qantara (28.2.2019): Das Ende des „Islamischen Staates“ - Neues Kapitel im Syrien-Konflikt, https://de.qantara.de/inhalt/das-ende-des-islamischen-staats-neues-kapitel-im-syrien-konflikt, Zugriff 12.3.2019

-        Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume, http://https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5, Zugriff 10.12.2018

-        SNHR – Syrian Network for Human Rights (1.1.2019): Documenting the Death of 6,964 Civilians in Syria in 2018, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Documenting_the_Death_of_6964_Civilians_in_Syria_in_2018_en.pdf, Zugriff 13.3.2019

-        SNHR – Syrian Network for Human Rights (1.9.2019): 267 Civilians, Including One Media Worker and Five Medical and Civil Defense Personnel, Documented Killed in Syria in August 2019, http://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/267_civilians_were_killed_in_Syria_in_August_2019_en.pdf, Zugriff 4.9.2019

-        UNHRC – United Nations Human Rights Council (31.1.2019): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/40/70], https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A_HRC_40_70.pdf, Zugriff 11.3.2019-

1.2.2.1 Versöhnungsabkommen

Die sogenannten Versöhnungsabkommen sind Vereinbarungen, die ein Gebiet, das zuvor unter der Kontrolle einer oppositionellen Gruppierung stand, offiziell wieder unter die Kontrolle des Regimes bringen (BFA 8.2017). Der Abschluss der sogenannten „Reconciliation Agreements“ folgt in der Regel einem Muster, das mit realer Versöhnung wenig gemeinsam hat (ÖB 7.2019). Die Regierung bietet, meist nach schwerem Beschuss oder Belagerung, ein Versöhnungsabkommen an, das an verschiedene Bedingungen geknüpft ist. Diese Bedingungen unterscheiden sich von Abkommen zu Abkommen (BFA 8.2017). Zivilisten bzw. Kämpfer können in den Gebieten bleiben oder jene, die sich nicht den Bedingungen der Vereinbarung unterwerfen wollen, können mit ihren Familien nach Idlib oder in andere von der Opposition kontrollierte Gebiete evakuiert werden (FIS 14.12.2018). Die übrigen Personen können 6 Monate lang eine Amnestie nutzen und können sich in dieser Zeit stellen, um den Militärdienst abzuleisten (AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Die Wehrpflicht war bisher meist ein zentraler Bestandteil der Versöhnungsabkommen (AA 13.11.2018). Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt werden, sondern stattdessen bei der örtlichen Polizei eingesetzt werden, oder dass sich Personen verpflichten müssen, der Regierung z.B. für Spionage zur Verfügung zu stehen (BFA 8.2017).

Im Rahmen von Versöhnungsvereinbarungen gemachte Garantien der Regierung, gegenüber Individuen oder Gemeinschaften, werden jedoch nicht eingehalten (EIP 6.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Glaubhafte Berichte von Organisationen aus zuletzt zurückeroberten Gebieten wie Dara‘a im südlichen Syrien und Ost-Ghouta nahe Damaskus sprechen von Verhaftungen sowie Zwangsrekrutierungen ehemaliger Oppositionskämpfer binnen kurzer Zeit (AA 13.11.2018; vgl. ÖB 7.2019). Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zurückhaltend über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        AA – Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-        BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.12.2018

-        EIP – European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.fln.dk/-/media/FLN/Materiale/Baggrundsmateriale/2019/06/19/07/03/Syri1040.pdf, Zugriff 4.7.2019

-        FIS – Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 1.2.2019

-        ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf, Zugriff 19.8.2019

-        USDOS – United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html, Zugriff 19.3.2019-

1.2.2.2 Nordwestsyrien

Die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens ist seit den Anfängen des Konfliktes eine Oppositionshochburg. Im März 2015 übernahmen oppositionelle Gruppierungen die Kontrolle über die Provinz.

Anfang Januar 2019 drängte die Jihadistenallianz Hay‘at Tahrir al-Sham (HTS) die protürkische National Liberation Front (NLF) zurück (DZO 8.3.2019) und übernahm die Kontrolle über die Provinz Idlib und die Randgebiete angrenzender Provinzen (DP 10.1.2019).

Im Mai 2017 wurde durch eine Vereinbarung zwischen Russland und Iran (als Verbündete des syrischen Regimes) einerseits, und der Türkei (als Unterstützer der Rebellen) andererseits, eine Deeskalationszone eingerichtet, die ganz Idlib sowie auch Teile der Provinzen Lattakia, Aleppo und Hama umfasste. Einheiten der syrischen Regierung führen jedoch trotz dieser Vereinbarung militärische Operationen in diesem Gebiet durch, und eroberten bis Mitte 2018 etwa die Hälfte dieser Deeskalationszone zurück (CRS 2.1.2019). Anfang September 2018 erfolgte eine neue Welle von Luftangriffen auf die Provinz Idlib. Russland und Iran bekräftigten ihre Absicht, gemeinsam mit der syrischen Regierung in Idlib anzugreifen. Die Türkei stellte sich dagegen (Presse 9.9.2018). Mitte September einigten sich die Türkei und Russland auf die Schaffung einer entmilitarisierten Zone in Idlib (Reuters 26.10.2018; vgl. UNHRC 31.1.2019). Es wurde verhandelt, dass diese 15 bis 20 Kilometer breit sein soll, schwere Waffen abgezogen werden und Kämpfer der radikal-islamistischen HTS die Zone verlassen sollen. Die Schaffung der Zone sollte bis Mitte Oktober abgeschlossen sein (ORF 18.9.2018). Die Türkei war mit der Sicherstellung des Abzugs der Rebellen und schwerer Waffen betraut (DW 9.10.2018; vgl. HRW 9.10.2018). So konnte die Vereinbarung zwischen Russland und der Türkei die befürchtete Regimeoffensive auf Idlib vorerst abwenden (IFK 10.2018; vgl. UNHRC 31.1.2019). Trotz anfänglicher Zurückhaltung konnte die Türkei bis Oktober 2018 den schrittweisen Abzug schwerer Waffen in die Wege leiten und erklärte die entmilitarisierte Zone für errichtet. Im November flammten jedoch die Konflikte zwischen regierungstreuen Einheiten und HTS wieder auf (UNHRC 31.1.2019).

Im Februar 2019 kam es zu erneuten Luftangriffen der syrischen Regierung im Großraum Idlib (ISW 7.3.2019) und im März 2019 erstmals seit September 2018 wieder zu russischen Luftangriffen auf die Provinz Idlib (DS 14.3.2019). Im Mai 2019 weiteten die russische Luftwaffe und syrische Regierungstruppen ihre Boden- und Luftangriffe auf Idlib und Nord-Hama massiv aus (DS 8.5.2019). Seit Beginn der Kämpfe bis Juni 2019 wurden laut Vereinten Nationen geschätzte 330.000 Personen vertrieben und etwa 2.000 Personen, darunter 532 Zivilisten, wurden auf beiden Seiten des Konfliktes getötet. Mehrere Gesundheitseinrichtungen wurden zum Ziel von Angriffen (TNYT 28.6.2019).

Auf Grund der erwähnten militärischen Auseinandersetzungen in und um Idlib ist die Sicherheitssituation im Nordwesten laut Auskunft der ÖB Damaskus sehr schwierig. In der Stadt Aleppo selbst hat sich die Sicherheitslage auf Grund des Spillover des Konfliktes in Idlib wieder verschlechtert; es kommt vermehrt zu Artilleriebeschuss, der den westlichen Teil der Stadt tangiert. Neben politisch motivierten Verhaftungen durch die HTS kommt es in den Regionen Idlib und Aleppo auch zu Entführungen mit Lösegeldforderungen durch bewaffnete Gruppen. Auch in der türkisch kontrollierten Grenzregion kommt es zu Anschlägen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) auf türkische Streitkräfte bzw. mit ihnen alliierte Milizen (ÖB 7.2019).

Quellen:

-        CRS - Congressional Research Service (2.1.2019): Armed Conflict in Syria: Overview and U.S. Response, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RL33487.pdf, Zugriff 7.3.2019

-        DS - Der Standard (14.3.2019): Aktivisten: Mindestens 13 Tote durch russische Luftangriffe, https://derstandard.at/2000099506545/Aktivisten-Mindestens-13-Tote-durch-russische-Luftangriffe-in-Syrien, Zugriff 19.3.2019

-        DS – Der Standard (8.5.2019): Mehr als 150.000 Menschen vor Kämpfen in Syrien geflohen, https://derstandard.at/2000102719598/Mehr-als-150-000-Menschen-vor-Kaempfen-in-Syrien-geflohen, Zugriff 13.5.2019

-        DP - Die Presse (9.9.2018): Syrien: Bombenhagel auf Rebellenbastion, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5493611/Syrien_Bombenhagel-auf-Rebellenbastion, Zugriff 8.3.2019

-        DP - Die Presse (10.1.2019): Schleichender Siegeszug der Islamisten in Idlib, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5558846/Schleichender-Siegeszug-der-Islamisten-in-Idlib, Zugriff 12.3.2019

-        DW – Deutsche Welle (9.10.2018): Syria orders amnesty for army deserters, https://www.dw.com/en/syria-orders-amnesty-for-army-deserters/a-45810992, Zugriff 8.3.2019

-        DZO – Die Zeit Online (8.3.2019): Türkei und Russland beginnen Patrouillen in Idlib, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/syrien-idlib-tuerkei-russland-patrouillen, Zugriff 12.3.2019

-        HRW – Human Rights Watch (9.10.2018): The Calm Before the Storm in Idlib?, https://www.ecoi.net/en/document/1447888.html, Zugriff 28.2.2019

-        IFK – Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (10.2018): Factsheet Syrien No. 70, 14. August 2018 – 2.10.2018, http://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen/fact_sheet_syr_70_deu.pdf, Zugriff 8.3.2019

-        ISW – Institute for the Study of War (7.3.2019): Syria Situation Report: February 18 – March 5, 2019, http://iswresearch.blogspot.com/2019/03/syria-situation-report-february-18.html, Zugriff 12.3.2019

-        ORF – Österreichischer Rundfunk (18.9.2018): Russland gibt Israel die Schuld, https://orf.at/stories/3022502/, Zugriff 8.3.2019

-        ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf, Zugriff 19.8.2019

-        Reuters (26.10.2018): Shelling in Syria's Idlib kills seven, largest death toll since mid-August, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idlib/shelling-in-syrias-idlib-kills-seven-largest-death-toll-since-mid-august-idUSKCN1N02DZ, Zugriff 8.3.2019

-        TNYT – The New York Times (28.6.2019): Fighting in Northwest Syria Kill Scores of Fighters, https://www.nytimes.com/aponline/2019/06/28/world/middleeast/ap-ml-syria.html, Zugriff 4.7.2019

-        UNHRC – United Nations Human Rights Council (31.1.2019): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/40/70], https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A_HRC_40_70.pdf, Zugriff 11.3.2019

1.2.3 Rechtsschutz/Justizwesen

1.2.3.1 Gebiete unter der Kontrolle des syrischen Regimes

Das Justizsystem Syriens besteht aus Zivil-, Straf-, Militär-, Sicherheits- und religiösen Gerichten sowie einem Kassationsgericht. Gerichte für Personenstandsangelegenheiten regeln das Familienrecht (SLJ 5.9.2016). 2012 wurde in Syrien ein Anti-Terror-Gericht (Counter Terrorism Court – CTC) eingerichtet. Dieses soll Verhandlungen aufgrund „terroristischer Taten“ gegen Zivilisten und Militärpersonal führen, wobei die Definition von Terrorismus im entsprechenden Gesetz sehr weit gefasst ist (SJAC 9.2018). Verschiedene Organisationen kritisieren das Anti-Terror-Gericht (CTC) und die Militärgerichte wegen Mängeln bezüglich des fairen Verfahrens. Die Verhandlungen dauern angeblich oft nur wenige Minuten und enthalten als Beweise oft nur unter Folter erzwungene Geständnisse (USDOS 13.3.2019). Für die Militärgerichte gibt es keine Berufungsmöglichkeit und sie können die Bestellung eines Rechtsanwaltes verweigern (EIP 6.2019).

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Behörden üben auf die Gerichte jedoch oft politischen Einfluss aus. Staatsanwälte und Strafverteidiger sind oft Gegenstand von Einschüchterung und Misshandlung. Die Ergebnisse von Fällen mit politischem Kontext scheinen schon vorbestimmt zu sein. Das Recht auf ein öffentliches Verfahren ist in der Verfassung festgehalten, wird jedoch in der Praxis nicht respektiert. Regierungsbehörden verhafteten Zehntausende Menschen, u.a. Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, religiöse Führer sowie Mitarbeiter von NGOs, Hilfsorganisationen und medizinischen Einrichtungen ohne diesen Zugang zu einem fairen öffentlichen Verfahren zu garantieren. Berichten zufolge werden Verdächtige auch ohne Kontakt zur Außenwelt („incommunicado“) und für überlange Zeit festgehalten. Bei Vorwürfen, welche die nationale Sicherheit oder politische Vergehen betreffen, soll es häufig zu geheimen Verhaftungen kommen (USDOS 13.3.2019).

In Syrien vorherrschend und von langer Tradition ist eine Diskrepanz zwischen dem geschriebenen Recht und der Implementierung der Gesetze in der Praxis. Die in den letzten Jahren noch angewachsene und weit verbreitete Korruption hat diese Diskrepanz noch zusätzlich verstärkt. Das Justizsystem in Syrien kann nicht als unabhängig und transparent angesehen werden und steht unter der Kontrolle der Exekutivgewalt und ihrer Zweige (ÖB 7.2019). Das deutsche Auswärtige Amt beurteilte die Unabhängigkeit der syrischen Justiz bereits vor dem Aufstand als mangelhaft. Der Aufstand und der bewaffnete Konflikt in Syrien gehen mit massiver Repression, grassierender Korruption und einer Politisierung des Gerichtswesens durch die Regierung einher. Mittlerweile sind syrische Gerichte, ganz gleich ob Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit, korrupt, nicht unabhängig, und werden für politische Zwecke missbraucht. In keinem Teil Syriens gibt es Rechtssicherheit oder verlässlichen Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter (AA 13.11.2018). Die Rechtsstaatlichkeit ist schwach ausgeprägt, wenn nicht mittlerweile gänzlich durch eine Situation der Straffreiheit untergraben, in der Angehörige von Sicherheitsdiensten ohne strafrechtliche Konsequenzen und ohne jegliche zivile Kontrolle operieren können (ÖB 7.2019). Generell ist die Willkür in Syrien seit dem Ausbruch des Konfliktes gestiegen (FIS 14.12.2018).

Die Verwaltung, in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, arbeitet in Routineangelegenheiten mit einer gewissen Zuverlässigkeit, vor allem in Personenstandsangelegenheiten (AA 13.11.2018). Die religiösen Gerichte behandeln das Familien- und Personenstandsrecht und regeln Angelegenheiten wie Eheschließungen, Scheidungen, Erb- und Sorgerecht (IA 7.2017). Hierbei sind Scharia-Gerichte für sunnitische und schiitische Muslime zuständig. Drusen, Christen und Juden haben ihre eigenen gerichtlichen Strukturen. Für diese Gerichte gibt es auch eigene Berufungsgerichte (SLJ 5.9.2016). Manche Personenstandsgesetze wenden die Scharia unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Beteiligten an (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        AA – Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-        EIP – European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.fln.dk/-/media/FLN/Materiale/Baggrundsmateriale/2019/06/19/07/03/Syri1040.pdf, Zugriff 4.7.2019

-        FIS – Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 1.2.2019

-        IA - International Alert (7.2017): “Most of the Men want to leave”: Armed groups, displacement and the gendered webs of vulnerability in Syria, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Gender_VulnerabilitySyria_EN_2017.pdf, Zugriff 10.12.2018

-        ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf, Zugriff 19.8.2019

-        SJAC – The Syria Justice and Accountability Centre (9.2018): Return is a Dream – Options for Post-Conflict Property Restitution in Syria, http://syriaaccountability.org/wp-content/uploads/Property-Restitution.pdf, Zugriff 13.2.2019

-        SLJ - Syrian Law Journal (5.9.2016): An Overview of the Syrian Court System, http://www.syrianlawjournal.com/index.php/overview-syrian-court-system/, Zugriff 10.12.2018

-        USDOS – United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html, Zugriff 19.3.2019

1.2.4 Sicherheitsbehörde und regierungstreue Milizen

Die Regierung hat zwar die effektive Kontrolle über die uniformierten Polizei-, Militär- und Staatssicherheitskräfte, nicht jedoch über ausländische und einheimische militärische oder paramilitärische Einheiten, z.B. russische Streitkräfte, Hisbollah, Islamische Revolutionsgarden und nicht uniformierte Milizen wie die National Defense Forces (NDF) (USDOS 13.3.2019). Der Präsident stützt seine Herrschaft auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Geheimdienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von Verwandten oder engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen (AA 13.11.2018). Straflosigkeit unter den Sicherheitsbehörden bleibt ein weit verbreitetes Problem. Das Generalkommando der Armee und der Streitkräfte kann im Fall von Verbrechen von Militäroffizieren, Mitgliedern der internen Sicherheitskräfte oder Zollpolizeioffizieren im Rahmen ihrer beruflichen Pflichten, einen Haftbefehl ausstellen. Solche Fälle müssen vor einem Militärgericht verhandelt werden. In der Praxis sind keine Fälle von Strafverfolgung oder Verurteilung von Polizei- und Sicherheitskräften hinsichtlich Misshandlung und Korruption bekannt. Die Sicherheitskräfte operieren unabhängig und im Allgemeinen außerhalb der Kontrolle des Justizwesens. Es gibt auch keine Berichte von Maßnahmen der Regierung, um die Einhaltung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu verbessern (USDOS 13.3.2019).

Russland, Iran, die libanesische Hizbollah und Einheiten mit irakischen Kämpfern unterstützen die syrische Regierung, unter anderem mit Einsätzen an der Seite der syrischen Streitkräfte (KAS 4.12.2018a).

Es ist schwierig Informationen über die Aktivitäten von spezifischen Regierungs- oder regierungstreuen Einheiten zu spezifischen Zeiten oder an spezifischen Orten zu finden, weil die Einheiten seit dem Beginn des Bürgerkrieges oft nach Einsätzen organisiert („task-organized“) sind oder aufgeteilt oder für spezielle Einsätze mit anderen Einheiten zusammengelegt werden. Berichte sprechen oft von einer speziellen Militäreinheit an einem bestimmten Einsatzort (z.B. einer Brigade) wobei die genannte Einheit aus Teilen mehrerer verschiedener Einheiten nur für diesen speziellen Einsatz oder eine gewisse Zeit zusammengesetzt wurde (Kozak 28.12.2017).

Quellen:

-        AA – Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-        Kozak, Christopher [Senior Research Analyst am Insitute for the Study of War] (28.12.2017): Auskunft, per E-Mail

-        KAS – Konrad Adenauer Stiftung [Wörmer, Nils] (4.12.2018a): Assads afghanische Söldner, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/assads-afghanische-soldner, Zugriff 15.1.2019

-        USDOS – United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html, Zugriff 19.3.2019

1.2.4.1 Streitkräfte

Die syrischen Streitkräfte bestehen aus dem Heer, der Marine, der Luftwaffe und den Geheimdiensten (CIA 15.1.2019). Vor dem Konflikt soll die syrische Armee eine Mannstärke von geschätzt 295.000 Personen gehabt haben (UK HO 8.2016). Der Aufbau der syrischen Armee basiert auf dem sogenannten Quta‘a-System [arab. Sektor, Landstück]. Hierbei wird jeder Division (firqa) ein bestimmtes Gebiet (quta‘a) zugeteilt. Mit diesem System wurde in der Vergangenheit verhindert, dass Offiziere überlaufen. Gleichzeitig gab die Armee dem Divisionskommandeur für den Fall eines Zusammenbruchs der Kommunikation oder für Notfälle, freie Hand über dieses Gebiet. Gleichzeitig kann dadurch der Präsident den Einfluss einzelner Divisionskommandeure einschränken, indem er sie gegeneinander ausspielt (CMEC 14.3.2016). Im Zuge des Konfliktes hat das Regime loyale Einheiten in größere Einheiten eingegliedert, um eine bessere Kontrolle ausüben und ihre Effektivität im Kampf verbessern zu können (ISW 8.3.2017).

Quellen:

-        CIA – Central Intelligence Agency (15.1.2019): The World Factbook – Syria – Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 13.2.2019

-        CMEC - Carnegie Middle East Center (14.3.2016): Strength in Weakness: The Syrian Army’s Accidental Resilience, http://carnegie-mec.org/2016/03/14/strength-in-weakness-syrian-army-s-accidental-resilience-pub-62968, Zugriff 13.2.2019

-        ISW - Institute for the Study of War [Kozak, Christopher] (8.3.2017): Iran’s Assad Regime, http://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iran%27s%20Assad%20Regime.pdf, Zugriff 15.1.2019

-        UK HO – United Kingdom Home Office (8.2016): Country Information and Guidance Syria: the Syrian Civil War, https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1472706544_cig-syria-security-and-humanitarian.pdf, Zugriff 13.2.2019

1.2.4.2 Zivile und militärische Sicherheits- und Nachrichtendienste, Polizei

Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen. Das Innenministerium kontrolliert vier verschiedene Abteilungen der Polizei: Notrufpolizei, Verkehrspolizei, Nachbarschaftspolizei und Bereitschaftspolizei („riot police“) (USDOS 13.3.2019).

Es gibt vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste: den Militärischen Nachrichtendienst, den Luftwaffennachrichtendienst, das Direktorat für Politische Sicherheit und das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat (USDOS 13.3.2019; vgl. EIP 6.2019). Diese vier Dienste arbeiten unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems, überwachen einzelne Staatsbürger und unterdrücken oppositionelle Stimmen innerhalb Syriens (GS 11.2.2017). Jeder Geheimdienst unterhält eigene Gefängnisse und Verhöreinrichtungen, bei denen es sich de facto um weitgehend rechtsfreie Räume handelt. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle im Zuge des Konfliktes verteidigt oder sogar weiter ausgebaut (AA 13.11.2018). Vor 2011 war die vorrangige Aufgabe der Nachrichtendienste die syrische Bevölkerung zu überwachen. Seit dem Beginn des Konfliktes nutzte Assad den Sicherheitssektor, um die Kontrolle zu behalten. Diese Einheiten überwachten, verhafteten, folterten und exekutierten politische Gegner sowie friedliche Demonstranten. Um seine Kontrolle über die Sicherheitsdienste zu stärken, sorgte Assad künstlich für Feindschaft und Konkurrenz zwischen ihnen. Um die Loyalität zu sichern wurde einzelnen Behörden bzw. Beamten die Kontrolle über alle Bereiche des Staatswesens

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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