TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/6 W117 2235605-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2020
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Entscheidungsdatum

06.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3 Satz1
FPG §76 Abs3 Z3
FPG §76 Abs3 Z9
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W117 2235605-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX , StA. russische Föderation, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1050804109/200757023, sowie die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 3, Z 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 25.08.2020 bis 22.09.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Der Beschwerde wird in Bezug auf die Anhaltung in Schubhaft seit 23.09.2020 gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 6 FPG idgF stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft seit 23.09.2018 für rechtswidrig erklärt.

III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF, § 76 Abs. 3 1. Satz FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen.

IV. Die Anträge auf Ersatz der Aufwendungen werden gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde am 25.08.2020 zur möglichen Schubhaftanordnung niederschriftlich befragt; diese nahm folgenden Verlauf:

„[…]

Der Verhandlungsgegenstand wird der Verfahrenspartei erläutert.

Sie reisten am 23.01.2015 am Flughafen Wien Schwechat unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein.

Sie stellten am 23.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser wurde mit Bescheid des BFA vom 13.08.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dieses Verfahren erwuchs zweitinstanzlich am 11.02.2019 in Rechtskraft.

Mit rechtskräftigem Urteil des BG Innsbruck vom 24.01.2017, zur Zahl 002 U 192/2016w, wurden Sie wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 480,-), im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen, verurteilt.

Sie wurden am 24.04.2019 wegen des Verdachts nach § 278 b StGB (Teilnahme an terroristischer Ausbildung) festgenommen, und in weiterer Folge wurde über Sie die U-Haft verhängt.

Mit rechtskräftigem Urteil des LG Innsbruck vom 16.09.2019, wurden Sie wegen des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke und des Verbrechens der terroristischen Vereinigung und wegen versuchten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, verurteilt.

Mit Beschluss des LG Wr. Neustadt vom 21.08.2020 wurde die bedingte Entlassung für 25.08.2020 festgesetzt.

Sie wurden heute (25.08.2020) aus der Strafhaft entlassen.

Sie werden davon in Kenntnis gesetzt, dass gegen Sie nunmehr ein Verfahren zur Prüfung einer Sicherungsmaßnahme (ggf. Erlassung der Schubhaft) geführt wird.

Aufgrund der Verurteilungen ist geplant eine Rückkehrentscheidung mit einem unbefristeten Einreiseverbot zu erlassen.

Zur Prüfung dieses Sachverhaltes sind Sie, auch in Ihrem Interesse einer möglichsten Vermeidung von Eingriffen in Ihre Rechte, zur mitwirkenden Klärung des Sachverhaltes und Ihrer Identität verpflichtet. Kommen Sie dem nicht nach, müssen Sie damit rechnen, dass Zwangsmittel oder Sicherungsmaßnahmen angewendet werden können.

Ich weise Sie darauf hin, dass falsche Angaben zu Ihrem Nachteil ausgelegt werden könnten.

Wollen Sie zur eben erfolgten Belehrung Stellung nehmen?

VP:      Ich möchte nur fragen, ob Sie mir helfen können, dass ich nicht nachhause muss.

LA:      Sollten Sie eine Frage nicht verstehen oder sich unsicher sein, wie genau die Frage gemeint ist können Sie jederzeit rückfragen. Missverständnisse könnten sich nachteilig auswirken. Haben Sie das verstanden?

VP:      Ja, das habe ich verstanden.

LA:      Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage Angaben zu machen?

VP:     Ja, mir geht es heute gut.

LA:      Sind Sie körperlich und geistig gesund?

VP:     Ich fühle mich heute gut

LA:      Nehmen Sie Medikamente?

VP:       Nein, keine.

LA:      Sind Sie in ärztlicher Behandlung?

VP:     Ich wurde in der Justizanstalt nur bei Bedarf von einem Arzt untersucht.

LA:     Seit wann befinden Sie sich in Österreich?

VP:     Ich glaube ich bin 2014 nach Österreich gekommen-

LA:      Haben Sie sich durchgehend in Österreich aufgehalten.

VP:     Ja.

LA:     Wann waren Sie das letzte Mal in Ihrem Heimatstaat?

VP:     Ich weiß es nicht, etwa 6 Jahre.

LA:      Haben Sie in Ihrem Heimatstaat noch einen Wohnsitz?

VP:     Ja.

LA:      Wie lautet die Adresse?

VP:     Bezirk XXXX

LA:      Haben Sie in Österreich Familienangehörige?

VP:     Nein, ich habe in Österreich keine Familie, keine Verwandte, ich habe nur Bekannte.

LA:      Haben Sie im Gebiet der Schengener Staaten Familienangehörige?

VP:     Ja.

LA:     Welche sind das?

VP:     Mein Bruder XXXX lebt in Belgien.

LA:      Haben Sie zu Ihrem Bruder Kontakt?

VP:     Ich telefoniere immer wieder mit meinem Bruder.

(…)

LA:      Welche Familienangehörige leben in Ihrem Heimatland?

VP:     Meine Eltern sind schon gestorben. Es leben in meiner Heimat derei Schwestern und zwei Brüder.

LA:     Haben Sie Kinder?

VP: Mein Sohn ist 11 Jahre, und lebt abwechselnd bei der Familie meines Bruders und bei der Familie meiner geschiedenen Frau.

LA:      Haben Sie in Österreich jemals gearbeitet?

VP:     Ich habe während der Zeit in einem Asylquartier die Straße gekehrt.

LA:     Haben Sie in der Justizanstalt gearbeitet?

VP:     Nein.

LA:      Haben Sie in Österreich Ausbildungen absolviert?

VP:      Ja.

LA:     Welche waren das?

VP:     Ich besuchte in Tirol ich einen Deutschkurs.

LA:      Haben Sie in Ihrem Heimatland einen Beruf erlernt bzw. eine Ausbildung absolviert?

VP:     Nein.

LA:      Wie haben Sie in Ihrem Heimatland Ihren Lebensunterhalt verdient?

VP:     Ich habe als Maurer gearbeitet.

LA:      Haben Sie in Ihrem Heimatland Vermögen?

VP:     Nein.

LA:     Verfügen Sie derzeit über finanzielle Mittel, um Ihren Aufenthalt in Österreich finanzieren zu können?

VP:     Nein.

LA:      Wie hoch sind Ihre derzeitigen Barmittel?

VP:     Ich habe kein Geld, außer die 35,14 EUR bei meinen Effekten.

LA:      Waren Sie in Österreich jemals amtlich gemeldet?

VP:     Ich habe in Tirol in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften und Obdachlosenquartieren gewohnt, aber auch für 2, 3 Monate war ich bei verschiedenen Freunden untergebracht.

LA:      Sind Sie im Besitz von Dokumenten?

VP:     Ja, ich habe Dokumente gehabt, diese wurden mir abgekommen.

LA:      Haben Sie jemals versucht legal nach Österreich zu reisen?

VP:     Nein.

LA:      Hatten Sie jemals versucht ein Visum für das Gebiet der Schengener Staaten oder für Österreich zu erhalten?

VP:     Nein. Ich bin damals mit dem Flugzeug nach Österreich gekommen. Dann wurde mir der Reisepass abgenommen. Ich hatte danach in Österreich eine Asylkarte.

LA:      Hatten Sie jemals versucht einen Aufenthaltstitel für Österreich oder ein anderes europäisches Land zu erhalten?

VP:     Nein.

LA:      Hatten Sie jemals in einem anderen Land einen Aufenthaltstitel oder eine Aufenthaltsberechtigung?

VP:     Nein.

LA:      Aufgrund der Verurteilungen ist geplant, eine Rückkehrentscheidung mit einem unbefristeten Einreiseverbot zu erlassen. Das bedeutet, Sie dürfen für diesen Zeitraum nicht mehr in das Gebiet der Schengener Staaten zurückkehren. Gibt es Gründe die gegen die Erlassung des Einreiseverbotes sprechen?

VP:     Nein.

(…)

Es konnte nicht erkannt werden, dass besondere Umstände in der Schubhaft entgegenstehen. Sie sind nicht mit der erforderlichen vorauszusetzenden Sicherheit greifbar.

Es ist auch kein Grund zur Annahme gegeben, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.

LA:      Wollen Sie hierzu Stellung nehmen?

VP:     Ich kann nicht nachhause gehen, weil ich nicht weiß was zuhause passiert.

Ich möchte hier in Österreich bleiben.

LA:      Der Bescheid über die Verhängung der Schubhaft wird Ihnen nach der Einvernahme persönlich ausgefolgt. Sie finden darin auch den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung in Ihrer Sprache. Die Einvernahme wird nun beendet. Möchten Sie noch etwas beifügen was Ihnen wichtig erscheint?

VP:     Ich möchte nicht abgeschoben werden, ich möchte in Österreich bleiben.

(…)

Anm.:   Die Niederschrift wird vom Dolmetscher in der Sprache wortwörtlich russisch vorgelesen. Somit erfolgt die Rückübersetzung. […]

Mit im Spruch angeführten Bescheid ordnete die Verwaltungsbehörde gemäß §76 Abs.2 Z 2 FPG die Schubhaft an; sie begründete ihre Entscheidung folgendermaßen:

A)       Verfahrensgang

Sie reisten am 23.01.2015 am Flughafen Wien Schwechat unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein.

Sie stellten am 23.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des BFA zur Zahl 15-1050804109 - 150087664 vom 13.08.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dieses Verfahren erwuchs zweitinstanzlich am 11.02.2019 in Rechtskraft.

Mit rechtskräftigem Urteil des BG Innsbruck vom 24.01.2017, zur Zahl 002 U 192/2016w, wurden Sie wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 480,-), im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen, verurteilt.

Sie wurden am 24.04.2019 wegen des Verdachts nach § 278 b StGB festgenommen, und in weiterer Folge wurde über Sie die U-Haft verhängt.

Mit rechtskräftigem Urteil des LG Innsbruck vom 16.09.2019, zur Zahl 38 Hv 86/19t, wurden Sie wegen §§ 278 b Abs. 2, 278e Abs. 2 und 15 127 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, verurteilt.

Mit Beschluss des LG Wr. Neustadt vom 21.08.2020 wurde die bedingte Entlassung für 25.08.2020 festgesetzt.

Sie wurden am 25.08.2020 aus der Strafhaft entlassen.

(…)

Aufgrund fehlender Dokumente versucht die erkennende Behörde ein Heimreisezertifikat für die Russische Föderation zu beschaffen.

Mit Verfahrensanordnung wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

B)       Beweismittel

Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden zur Ermittlung sämtliche Bestandteile Ihres Verwaltungsaktes zur Zahl 1050804109 herangezogen.

C)       Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu Ihrer Person:

Ihre Identität und Nationalität stehen fest.

Fest steht, dass Sie geschieden sind und Ihr Sohn bei seiner Mutter lebt.

Sie wurden heute (25.08.2020) aus der Strafhaft entlassen.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Die im Asylverfahren erlassene Rückkehrentscheidung ist seit 11.02.2019 durchsetzbar und rechtskräftig.

Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.

Aufgrund fehlender Dokumente wird seitens des BFA versucht ein Heimreisezertifikat zu beschaffen.

Die absehbare Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten Ihrer Person vorausgesetzt – mit einigen Monaten einzustufen.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

Sie sind nach Österreich illegal eingereist.

Obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hierzu bestand, reisten Sie nicht aus.

Aufgrund der Verurteilungen in Österreich steht fest, dass Sie die österreichische Rechtsordnung missachteten.

Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren.

Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

Sie haben keinen Wohnsitz in Österreich. Sie waren bislang in organisierten Flüchtlingsunterkünften und in Obdachlosenquartieren untergebracht.

Sie waren von 24.04.2019 bis 25.08.2020 in Haft.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Ihre Mutter, Geschwister sowie Ihr Sohn leben noch in Ihrem Herkunftsstaat.

D)       Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres Verwaltungsaktes zur Zahl 1050804109.

Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden Ihres Herkunftsstaates. Abschiebungen in die Russische Föderation fanden bis zuletzt regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Seit 01.06.2020 werden durch die russischen Behörden wieder HRZ-Anträge bearbeitet. Diese Verfahren benötigen üblicherweise einige Monate, und wird pandemiebedingt etwas länger dauern, wobei bei erfolgreicher Identifizierung und bestätigter Staatsangehörigkeit die Ausstellung des Heimreisezertifikates innerhalb der gesetzlich normierten maximalen Schubhaftdauer erfolgen wird.

E)       Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG können Fremde festgenommen oder angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder um die Abschiebung zu sichern. Für die Anordnung der Schubhaft muss Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit vorliegen.

(…)


In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten,

(…)

3. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Entsprechend Ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

(…)

Da in Ihrem Fall eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Außerdem nutzen Sie weder die auferlegte Frist für die freiwillige Ausreise noch die Zeit danach, um in Ihre Heimat zurückzukehren.

Sie sind in Österreich nicht integriert, haben in Österreich keine Familienangehörigen und Verwandte. Sie sind in Österreich noch nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen, und hatten im Bundesgebiet noch nie ein Einkommen. Sie wohnten bislang in organisierten durch die Grundversorgung finanzierte Flüchtlingsunterkünften oder in Obdachlosenquartieren.

Ihre strafgerichtliche Verurteilung wegen der Vergehen der Körperverletzung und des Diebstahls sowie wegen des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke und des Verbrechens der terroristischen Vereinigung sprechen gegen das Vorliegen von substanziellen sozialen Beziehungen in Österreich.

In diesem Zusammenhang ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) „soziale Anknüpfungspunkte“ für sich alleine nicht ausreichen, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den „Grad der sozialen Verankerung in Österreich“, wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden.

Wie vorhin dargelegt liegen in einer Gesamtbetrachtung keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass Sie aufgrund einer familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt haben, um sich Ihrer Abschiebung nicht zu entziehen.

Außerdem ist davon auszugehen, dass Sie, insbesondere aufgrund der bevorstehenden Abschiebung, nach einer Freilassung aus der Schubhaft untertauchen werde um sich Ihrer Abschiebung zu entziehen.

Im gegenständlichen Fall liegt daher aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 FPG eine Fluchtgefahr vor, insbesondere aufgrund der Erfüllung der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 3 sowie unter Berücksichtigung der Z 9 FPG.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist Ihr gesamtes Verhalten vor Anordnung der Schubhaft sowie die familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass sowohl Ihr Vorverhalten in Österreich, als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, weil in Ihrem Fall ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist.

(…)

Weiters ist davon auszugehen, dass Sie nach Ihrer Freilassung aus der Schubhaft untertauchen werden, um sich der Abschiebung zu entziehen. Sie wurden verurteilt, weil Sie in einem Ausbildungslager in Syrien Waffen- und Religionsunterricht erhalten haben und somit für terroristische Handlung ausgebildet wurden. Bei der nun bevorstehenden Abschiebung ist bei einer Person Ihres Profils nicht davon auszugehen, dass Sie nunmehr Weisungen von Behörden befolgen werden. Außerdem gaben Ise in der Einvernahme an, dass Sie in Österreich bleiben wollen.

Das Bestehen eines Sicherungsbedarfes ist somit gegeben.

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit abzuwägen.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten Ihrer Person in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit überwiegt.

Wie bereits ausgeführt wurden Sie zuletzt wegen des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke und des Verbrechens der terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt.

Unter Berücksichtigung der Schwere dieser Straftat überwiegt somit das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz Ihrer persönlichen Freiheit.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Die Dauer der Schubhaft ist durch das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bedingt. Es obliegt Ihnen selbst durch eine Kooperation mit den Behörden und Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung Ihrer Person die Dauer der Schubhaft möglichst kurz zu halten.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die österreichische Rechtsordnung missachtet und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

Die Ausstellung des Heimreisezertifikats erscheint derzeit wahrscheinlich, zumal ein russischer Inlandreisepass und ausführliche Angaben zu Ihrem Leben in Ihrer Heimat vorliegen. Durch die Behörden Ihres Herkunftslandes wurden vor der Covid-19-Pandemie regelmäßig Heimreisezertifikate ausgestellt und fanden im Anschluss daran die Rückführungen statt, und sind dzt. keine Hinweise vorliegend, dass dies in Zukunft nicht auch so sein wird, wenn auch pandemiebedingt die Dauer der Identifizierung länger sein wird. Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats wird umgehend der nächstmögliche Flug zwecks Abschiebung organisiert werden. Aus jetziger Sicht wird die Abschiebung im Rahmen der höchstzulässigen Schubhaftdauer erfolgen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat, zumal Sie bereits in der Vergangenheit gezeigt haben, dass Sie die österreichische Rechtsordnung missachten und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Sie dieses Verhalten in Zukunft ändern.

Daher erfüllt die angeordnete Schubhaft auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit, und auch Ihr Gesundheitszustand steht der Anhaltung in Schubhaft nicht entgegen.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel nicht zur Anwendung kommen kann.

Aufgrund Ihre bislang gezeigten kriminellen Verhaltens erweisen Sie sich in besonders ausgeprägtem Maß als nicht vertrauenswürdig und kommt schon aus diesem Grund die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht in Betracht.

Sie sind insbesondere aufgrund der von ihnen begangenen Straftaten wegen des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke und des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nicht vertrauenswürdig.

Darüber hinaus kann aufgrund des bevorstehenden Abschiebetermins und Ihre Äußerung in der Einvernahme vor der erkennender Behörde am 25.08.2020, wonach Sie nicht bereit sind, freiwillig in Ihr Heimatland zurückzukehren, ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen.

Es ist somit in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erwarten, dass Sie bei Entlassung aus der Schubhaft Ihren fremdenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen werden.

(…)

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.

Die mit diesem Bescheid zu verhängende Schubhaft stellt daher eine „ultima ratio“ dar, weil sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, Ihre gesicherte Außerlandesbringung zu gewährleisten.

(…)“

Mit Schriftsatz vom 30.09.2020, eingebracht am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer Schubhaftbeschwerde und führte im Wesentlichen aus:

II. Zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Anordnung der Schubhaft und weiteren Anhaltung in Schubhaft

1. Sachverhalt (Kurzdarstellung)

„Der BF stellte erstmals am 23.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und brachte dazu zusammengefasst vor, dass er aufgrund seiner Unterstützung eines tschetschenischen Widerstandskämpfers sowie seiner anti-russischen Tätigkeit im Ukraine-Krieg von den russischen bzw. tschetschenischen Behörden verfolgt werde.

Am 24.01.2017 wurde der BF vom BG Innsbruck wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 480,-) verurteilt.

Mit Bescheid des BFA vom 13.08.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und ausgesprochen, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des BVwG vom 07.02.2019 zur Zahl W103 2205782-1/5E als unbegründet abgewiesen.

Das BVwG legte seiner Entscheidung u.a. die rechtskräftige Verurteilung vom 24.01.2017 zugrunde sowie weiters, dass der BF in einem tschetschenischen Regiment im Ukraine-Krieg gegen Russland mitgewirkt habe, Hinweise auf einen etwaigen Syrieneinsatz des BF bis dato nicht bestätigt worden seien, (vgl. Seite 3f des Erkenntnisses vom 07.02.2019)

Am 24.04.2019 wurde der BF festgenommen und anschließend die U-Haft über ihn verhängt. Mit Urteil des LG Innsbruck vom 16.09.2019 zur Zahl 38 Hv 86/19t wurde er wegen § 278b Abs. 2, § 278e Abs. 2 und §§15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der Verurteilung lag - dem angefochtenen Bescheid zufolge - zugrunde, dass der BF in einem Ausbildungslager in Syrien für terroristische Handlungen ausgebildet worden sei.

Am 25.08.2020 wurde der BF vorzeitig bedingt aus der Strafhaft entlassen. Am selben Tag wurde er von der belangten Behörde einvernommen und in weiterer Folge mit dem angefochtenen Bescheid die Schubhaft über ihn verhängt. Seitdem wird der BF im PAZ Hernalser Gürtel angehalten.

Am 22.09.2020 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am 23.09.2020 erstbefragt wurde. Dabei gab er an, im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation Folter und Entführung durch die Behörden zu fürchten. Es werde aktuell nach ihm gefahndet. Eine Nachschau durch die Behörde im Rahmen der Einvernahme ergab, dass der BF im internet auf zwei russischen Seiten auf einer „schwarzen Liste" mit Namen von Terroristen aufscheint, (vgl. Seite 4 der Niederschrift vom 23.09.2020) Am 22.09.2020 erließ die belangte Behörde einen Aktenvermerk gern. § 76 Abs. 6 FPG, da Gründe zur Annahme bestünden, dass der vom BF gestellte Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde.

Der Aktenvermerk gern. § 76 Abs. 6 FPG leidet unter erheblichen Begründungsmängeln. Der gegenständliche Bescheid beruht somit - jedenfalls seit dem Tag der Asylantragssteilung, dem 22.09.2020 - auf der falschen Rechtsgrundlage. Darüber hinaus liegt im vorliegenden Fall keine Fiuchtgefahr vor und erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig.

2. Zur Rechtswidrigkeit der Anordnung der Schubhaft aufgrund der Anwendung der falschen Rechtsgrundlage Wie oben ausgeführt wurde der gegenständliche Schubhaftbescheid am 25.08.2020 erlassen und gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG Schubhaft „zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung" gegen den BF verhängt. Nach Asyiantragstellung wird aber die vorangegangene Rückkehrentscheidung gegenstandslos und kann die Abschiebung ohne wirksamen Titel nicht umgesetzt werden und ist somit der Zweck der Schubhaft nicht gegeben.

Der gegenständliche Bescheid beruht somit zumindest seit dem Tag der Asylantragsstellung, dem 22.09.2020 — auf der falschen Rechtsgrundlage.

3. Mangelhafte Begründung des Aktenvermerkes gem§ 76 Abs. 6 FPG Wie oben ausgeführt erließ die belangte Behörde am 22.09.2020 einen Aktenvermerk gern. § 76 Abs. 6 FPG, da Gründe zur Annahme bestünden, dass der vom BF gestellte Antrag auf internationalen Schutz mit Verzögerungsabsicht gestellt wurde.

Begründet wird der Aktenvermerk von der Behörde damit, dass der BF am 23.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht habe, dieser Antrag abgewäesen worden und am 11.02.2019 zweitinstanzlich in Rechtskraft erwachsen sie. Der BF sei massiv straffällig geworden und rechtskräftig verurteilt. Der BF befinde sich seit dem 25.08.2020 in Schubhaft und sei ein HRZ-

Verfahren anhängig. Offensichtlich diene daher die Asylantragstellung nur dazu, die Abschiebung zu verhindern.

Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zu diesem Schluss kommt und die Ausführungen zur Begründung des Aktenvermerks ungeeignet. Diese erschöpfen sich in der Darstellung des Verfahrensganges und werden keine Ausführungen dazu getroffen, inwieweit sich aus dem Vorbringen der BF ergibt, dass der Asylantrag lediglich aus Verzögerungsabsicht gestellt wurde. Mit den Gründen der neuerlichen Asylantragstellung setzt sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinander.

Der BF hat im Rahmen seiner Erstbefragung am 23.09.2020 neue und aktuelle Verfolgungsgründe geltend gemacht. Diese hängen nicht zuletzt mit seiner letzten strafrechtlichen Verurteilung zusammen, die noch nicht Gegenstand des letzten Asylverfahrens sein konnte, im Fall einer Rückkehr in sein Heimatland befürchtet der BF asylrechtlich relevante Verfolgung durch die (russischen) Behörden.

Selbst wenn sich aus dem Verfahrensgang ergeben könnte, dass der BF den Asylantrag mit Verzögerungsabsicht gestellt hat — was ausdrücklich bestritten wird -, muss sich die belangte Behörde mit den vom BF vorgebrachten Verfolgungsgründen auseinander setzten. Da sich seit der rechtskräftigen Entscheidung im ersten Asylverfahren des BF ein neuer Sachverhalt verwirklicht hat und der BF aktuelle Verfolgungsgründe geltend macht, ist keinesfalls davon auszugehen, der BF hätte den Antrag auf internationalen Schutz „einzig und allein" zur Verzögerung gestellt. ln diesem Zusammenhang ist auf das Erkenntnis des VwGH vom 19.09.2019 zur Zahl 2019/21/0204 zu verweisen. Der VwGH stellt in dieser Entscheidung mit Verweis auf die Aufnahme-RL klar, dass die Schubhaft nur dann aufrechterhalten werden darf, wenn der Asylantrag ausschließlich zum Zweck zur Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Sobald jedoch weitere Gründe (auch) gegeben sind, ist der Tatbestand nicht erfüllt:

Im Gegensatz zu Art. 8 Abs. 3 lit. d der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahme-RL) stellt der Wortlaut des § 76 Abs. 6 FrPolG 2005 nur auf die Absicht zur „Verzögerung" der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ab; das erfasst allerdings im Sinne eines Größenschlusses ohnehin auch die beabsichtigte „ Vereitelung" einer Abschiebung. Bedeutsam ist jedoch, dass im Text der nationalen Regelung - anders als in der damit umgesetzten Norm der Aufnahme-RL - nicht zum Ausdruck kommt, die beabsichtigte Verzögerung müsse der ausschließliche Grund für die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gewesen sein (vgl. EuGH 30.5.2013, Arslan, C 534/11; für die Zulässigkeit der Fortsetzung der Haft wurde verfangt, dass der Antrag auf internationalen Schutz „einzig und allein" zu dem Zweck gestellt wurde, den Vollzug der Rückführungsentscheidung zu verzögern oder zu gefährden). Insoweit ist somit eine unionsrechtskonforme korrigierende Auslegung vorzunehmen. Es kann kein Zweifel bestehen, dass im Anwendungsbereich der Aufnahme-

RL eine an deren Regelungen zur Haft orientierte unionsrechtskonforme Auslegung des § 76 Fr Po IG 2005 Platz zu greifen hat (vgl. VwGH 11.5.2017, Ro 2016/21/0021; VwGH 31.8.2017, Ro 2017/21/0004, 0013).

!m Gegensatz zu gegenständlichem Verfahren lagen im Fall, welcher der Entscheidung des VwGH zu Grunde lag, sogar mehrere Anhaltspunkte für eine Verzögerungsabsicht vor, jedoch sah der VwGH darin nicht den einzigen Grund für die Stellung des Folgeantrages: Der Revisionswerber hatte sich zwar schon vor seiner Festnahme für längere Zeit der Abschiebung entzogen und bereits drei erfolglose Anträge auf internationalen Schutz gestellt und sich dann beim vierten Antrag im Rahmen der Ersteinvernahme wieder auf die schon bisher geltend gemachten Fluchtgründe bezogen. Außerdem stellte er diesen Antrag kurz vor seiner zum Zweck der Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes vorgenommenen Präsentation vor den nigerianischen Botschaftsangehörigen, was aus der damaligen Sicht des Revisionswerbers eine zeitnah bevorstehende Außerlandesbringung vermuten lassen musste. Jedoch hatte der Revisionswerber den in der Schubhaft gesteiften Asylfolgeantrag auch damit begründet, dass er seine Familie in Österreich nicht im Stich lassen wolle.

Vor diesem Hintergrund wäre bei der gebotenen Begründung für die Annahme, die weitere Anhaltung in Schubhaft sei nach § 76 Abs. 6 FPG gerechtfertigt, einzubeziehen gewesen, dass der Revisionswerber den Antrag auf internationalen Schutz den diesbezüglich angegebenen Gründen zufolge auch stellte, um bei seinen Familienangehörigen in Österreich bleiben zu können. Das wäre bei verständiger

Würdigung dahin zu deuten gewesen, dass der Revisionswerber auf diesem Weg im Hinblick auf die schon in der Vernehmung am 6. Juni 2019 vorgetragenen geänderten Prämissen in Bezug auf sein Familienleben in Österreich eine „Revidierung" der Rückkehrentscheidung erreichen wollte. Davon ausgehend war es nicht offensichtlich, dass der Asylfolgeantrag ausschließlich und zur Gänze missbräuchlich zur Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde, sodass das BVwG nicht ohne Weiteres und ohne diesbezügliche Begründung die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 76 Abs. 6 FPG hätte unterstellen dürfen.

Weiters führt der VwGH aus, dass in einen Fall wie dem der Entscheidung zugrundeliegenden - wie im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG - eine spezielle Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist und dabei besonders berücksichtigt werden muss, dass durch die Asyiantragsteliung wieder ein Bleiberecht iSd Verfahrensrichtlänie (ädR faktischer Abschiebeschutz) entsteht:

Bei dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung wäre vom BVwG, wie schon erwähnt, zu beachten gewesen, dass dem Revisionswerber infolge des von ihm (wenn auch wiederholt) gestellten Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 12 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr wieder faktischer Abschiebeschutz zukam. Demzufolge konnte der Revisionswerber bis zur (neuerlichen) Erlassung einer durchsetzbaren

Entscheidung nicht abgeschoben werden. Dieser faktische Abschiebeschutz hätte in der vorliegenden Konstellation nach innerstaatlichem Recht nur gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen vom BFA mit Bescheid aberkannt werden können. Dass ein solcher Bescheid ergangen wäre, hat das BVwG aber nicht festgestellt. Der Revisionswerber hatte demnach aufgrund des ihm zukommenden faktischen Abschiebeschutzes ein „Bleiberecht" während des Verfahrens über seinen am 13. Juni 2019 gestellten Antrag. Vor diesem Hintergrund hätte das BVwG der Frage nachgehen müssen, wann gegenüber dem Revisionswerber mit der Erlassung einer durchsetzbaren und auch durchführbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme voraussichtlich zu rechnen sei.

Der BF hat den Folgeantrag nicht gestellt, weil er seine Abschiebung verzögern wollte, sondern weil er aufgrund aktueller Gegebenheiten befürchtet, im Fall einer Rückkehr asylrechtlich relevanter Verfolgung ausgesetzt zu sein.

Der Aktenvermerk des BFA vom 22.09.2020 lässt jegliche Begründung für die Anwendung des § 76 Abs. 6 FPG vermissen. Es ist nicht offensichtlich, dass der Asylfolgeantrag ausschließlich und zur Gänze missbräuchlich zur Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Die belangte Behörde zählt lediglich den Verfahrensgang auf, ohne sich mit den Gründen für den Antrag auf internationalen Schutz näher auseinander zu setzen. Dies wäre allerdings dringend erforderlich gewesen, da nur dadurch beurteilt hätte werden können, ob der Asylantrag ausschließlich zur Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Zudem hätte sich die belangte Behörde auch damit auseinander setzten müssen, wann mit der Erlassung einer durchsetzbaren und durchführbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme voraussichtlich zu rechnen ist.

(…)

Daher ist die fortgesetzte Anhaltung der BF in Schubhaft aufgrund der Asylantragstellung rechtswidrig.

4. Nichtvorliegen von Fluchtgefahr gem. § 76 Abs. 2 Z 1 FPG und Unverhältnismäßigkeit der Haft

Gern. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG ist die Verhängung der Schubhaft nur bei Vorliegen von Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit zulässig.

Wie bereits oben ausgeführt, hat der BF erneut einen Asylantrag gestellt, weil er aktuell Verfolgung in seinem Herkunftsstaat - Folter und Misshandlung - befürchtet. Er hat ein ernstzunehmendes Interesse an der Durchführung des Asylverfahrens und daher auch keine Absicht unterzutauchen und sich dem Verfahren zu entziehen. Es liegt daher im gegenständlichen Fall keine Fiuchtgefahr vor.

Zum Beweis seiner Kooperationsbereitschaft wird die Einvernahme des BF im Rahmen einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Der BF weist darauf hin, dass fehlende berufliche und soziale Verankerung nach ständiger Judikatur keine besonderen Umstände darstellen, um ein nur durch Schubhaft abzudeckendes Sicherungsbedürfnis zu begründen (vgl. VwGH 30.08.2011, 2008/21/0498). Schubhaft darf nie als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern oder Fremden angewendet werden; weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der

Mangel finanzieller Mittel sind für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0239). Auch der Umstand, dass der BF bis dato nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet ausreiste, ist für den Sicherungsbedarf nicht maßgeblich. Die Nicht-Befolgung des Ausreisebefehles ist für sich alleine genommen nicht geeignet, das Vorläegen einer Fluchtgefahr zu begründen (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0045).

Straffälligkeit ist - entgegen der Ansicht der Behörde - jedenfalls kein Kriterium für Fluchtgefahr. Aus einer strafrechtlichen Verurteilung kann jedenfalls auch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Person eine Abschiebung behindern wolle. Sofern die Behörde auf die Bedeutung der öffentlichen Ordnung und des wirtschaftlichen Wohlergehens des Staates verweist, ist - abgesehen vom nicht erkennbaren Bezug zum konkreten Eänzelfall - darauf zu verweisen, dass Gesichtspunkte der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit [...] keinen Grund für die Anhaltung in Schubhaft darstellen (VwGH 20.02.2014, 2013/21/0178).

Selbst bei Vorliegen einer Fluchtgefahr - welche ausdrücklich bestritten wird ist Schubhaft nur bei Vorliegen von Verhältnismäßigkeit zulässig und nur, wenn gelindere Mittel nicht zur Zweckerreichung geeignet wären (§ 77 Abs. 1 FPG).

Es gilt der Vorrang des gelinderen Mittels (VfGH 03.10.2012, G140/11 ua - G86/12 ua). Es wäre am BFA gelegen, darzulegen, warum ein gelinderes Mittel anstatt der Schubhaft nicht in Frage kommt, stattdessen finden sich im Schubhaftbescheid dazu nur wenige allgemein gehaltene Sätze. Entsprechende Ausführungen oder Begründungen sind im Bescheid nicht zu fänden, dies betrifft insbesondere die gelinderen Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung gern. § 77 Abs. 3 Z 2 FPG sowie das gelindere Mittel der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten gern. § 77 Abs. 3 Z 1 FPG.

Der BF würde der Anordnung eines gelinderen Mittels unmittelbar Folge leisten, wovon sich das BVwG im Rahmen einer mündlichen Beschwerdeverhandlung überzeugen möge.

Fluchtgefahr liegt gegenständlich nicht vor. Die genannten gelinderen Mittel wären zur Erfüllung des angenommenen Sicherungszweckes jedenfalls ausreichend gewesen. Durch die mangelnde Prüfung der gelinderen Mittel erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig und der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

III. Zum Antrag auf Ersatz des Aufwandes gem. § 35 VwGVG Gem. § 35 Abs. 1 und 4 Z 3 VwGVG stehen der obsiegenden Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt der Ersatz der Aufwendungen gern. VwG-Aufwandersatzverordnung (BGBl. M Nr. 517/2013) zu. Daher beantragt der

BF gern. § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung als Ersatz des Schriftsatzaufwands des BF als obsiegende Partei iHv 737,60 EUR. Für den Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird zusätzlich ein Ersatz des Verhandlungsaufwands des BF iHv 922,00 EUR beantragt.

Der BF beantragt darüber hinaus gern. § 35 Abs. 1 iVm Abs. 4 Z 1 VwGVG den Ersatz sämtlicher Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die er aufzukommen hat, insbesondere die Gebühren für Dolmetscher und Sachverständige, die diese für ihre Aufwendungen im gegenständlichen Verfahren geltend machen.

Dies umfasst auch den Ersatz der Eingabegebühr (vgl. VwGH, Ra 2019/21/0336 vom 28.05.2020).

Aus den genannten Gründen wird beantragt, das BVwG möge

• eine mündliche Verhandlung durchführen;

• aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte;

• im Rahmen einer „Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen;

• der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gern. VwG- Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barausiagen, für die der BF aufzukommen hat, auferlegen.

Die Verwaltungsbehörde gab anlässlich der Aktenvorlage eine Stellungnahme ab:

Seit 25.08.2020 Schubhaft im PAZ Wien Hernalser Gürtel.

Verurteilungen:

-        mit rechtskräftigem Urteil des BG Innsbruck vom 24.01.2017, zur Zahl 002 U 192/2016w, wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 480,-), im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen.

-        mit rechtskräftigem Urteil des LG Innsbruck vom 16.09.2019, zur Zahl 38 Hv 86/19t, wegen §§ 278 b Abs. 2, 278e Abs. 2 und 15 127 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren.

Verfahrensgang

-        23.01.2015: Unrechtmäßige Einreise ins Bundesgebiet am Flughafen Wien Schwechat.

-        23.01.2015: Antrag auf internationalen Schutz.

-        13.08.2018: Abweisung durch BFA: keine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und keine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen.

-        11.02.2019: Rechtskraft II. Instanz nach Abweisung der Beschwerde durch das BVwG.

-        24.04.2019: Festnahme wegen des Verdachts nach § 278 b StGB, in weiterer Folge Verhängung der U-Haft, Strafhaft (Näheres siehe Verurteilungen unten).

-        25.08.2020: Bedingte Entlassung aufgrund Beschluss des LG Wr. Neustadt vom 21.08.2020.

-        25.08.2020: Einvernahme zur Schubhaftverhängung und zur Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes.

-        25.08.2020: Anordnung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung.

-        28.08.2020: HRZ-Unterlagen an Dolmetsch zur Übersetzung (Russ. Inlandsreisepass im Akt).

-        15.09.2020: HRZ-Antrag postalisch erfolgt

-        21.09.2020: Schubhaftprüfung gem § 80 Abs. 6 FPG; Ergebnis: Anhaltung verhältnismäßig

-        22.09.2020: Antrag auf internationalen Schutz

-        22.09.2020: Weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft (Feststellung mit Aktenvermerk gem. § 76/6 FPG))

-        Es wird seitens des BFA mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates gerechnet., ebenso mit der Wiederaufnahme des Flugverkehrs. Im Verfahren haben sich keine Umstände ergeben, die gegen die rechtliche und faktische Durchführbarkeit einer Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer sprechen.

-        Es ist beabsichtigt, nach der Ausstellung eines Heimreisezertifikates im Zuge einer Einzelrückführung die Abschiebung durchzuführen. Es besteht dringende Fluchtgefahr, Gefahr des Untertauchens und Gefahr eines Verstoßes gegen die österreichische Rechtsordnung. Zur Sicherung der Abschiebung wurde der nunmehrige BF mit den im Schubhaftbescheid genannten Gründen in Schubhaft genommen.

-        Der Asylantrag vom 23.09.2020 wurde offensichtlich nur zur Verhinderung der Abschiebung gestellt. Der Antrag ist als Folgeantrag zu werten und ist beabsichtigt, den faktischen Abschiebeschutz mit einem mündlichen Bescheid abzuerkennen. Nach erfolgter Abschiebung (aufgrund der aufrechten Rückkehrentscheidung aus dem negativen Asylverfahren) ist die Zurückweisung des Asylantrages nach § 68 AVG samt einer Rückkehrentscheidung iVm einem unbefristeten Einreiseverbot geplant.

-        Folglich wird mit der ggst. angeordneten Schubhaft nach wie vor die Abschiebung gesichert.

-        Aus der persönlichen Lebenssituation (nicht selbsterhaltungsfähig (lt. Anhaltedatei v. 01.10.2020 kein Bargeld), bislang kein Wohnsitz außer in Gvs-Quartier, Obdachlosenquartieren und Justitzanstalten, und keine familiär, privat und sozial bedingten Bindungen im Bundesgebiet) sowie der strafrechtlichen Verurteilungen (wegen des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke und des Verbrechens der terroristischen Vereinigung) und der mangelnden Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat wird geschlossen werden, dass nicht nur eine Fluchtgefahr vorliegt, sondern auch eine Verfahrensführung auf freiem Fuß ausgeschlossen ist, woraus sich ein verdichteter Sicherungsbedarf ergibt. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels konnte daher nicht das Auslangen gefunden werden.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge:

1.       die Beschwerde als unbegründet abweisen,

2.       den Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten zu verpflichten (für den Vorlageaufwand und den Ersatz für den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde)

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Zum Schubhaftbescheid und Anhaltung (in Schubhaft) bis zum 22.09. 2020

Die im obzitierten Schubhaftbescheid im Rahmen des Verfahrensganges angeführten Sachverhaltselemente und die getroffenen Feststellungen, werden, soweit ausdrücklich zitiert, zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer hatte den Asylantrag erst am 22.09.2020 um 14.48 Uhr gestellt; in der Schubhafteinvernahme (zuvor) am 25.08.2020 hatte der Beschwerdeführer mit keinem Wort auch nur ansatzweise einen neuerlichen Asylantrag angedeutet.

Zur Schubhaftanhaltung ab dem 23.09.2020:

Sogleich nach der Asylantragstellung am 22.09.2020 hielt die Verwaltungsbehörde in einem Aktenvermerk vom selben Tag noch folgendes fest:

„(…) Aus folgenden Gründen ist davon auszugehen, dass der Antrag mit Verzögerungsabsicht gestellt wurde:

Genannter hat am 23.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Dieser Antrag wurde abgewiesen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Das Verfahren erwuchs zwischenzeitlich am 11.02.2019 in Rechtskraft . Sie wurden im Bundesgebiet massiv straffällig und rechtskräftig verurteilt. Genannter befindet sich seit 25.08.2020 in Schubhaft, und es ist ein Verfahren zur Ausstellung eines HRZ anhängig.

Offensichtlich dient die Asylantragstellung nur dazu, seine Abschiebung zu verhindern. (…)“

Eine Grobprüfung der Asylgründe erfolgte nicht.

Am 23.09.2020 von 9:25 Uhr bis 10:15 Uhr erfolgte die asylrechtliche Erstbefragung im Folgeverfahren; das Erstbefragungsprotokoll enthält folgende Passage (auf S. 4):

„(…)

Erläutern Sie umfassend und detailliert sämtliche Gründe für Ihre neuerliche Asylantragstellung und legen Sie nun alle Ihnen nunmehr zur Verfügung stehenden (neuen) Bescheinigungsmittel vor.

Ich wurde zur Verhandlung in Tschetschenien und auch von Interpol ausgeschrieben. Das habe ich jetzt vor kurzem erfahren. Wenn ich jetzt nach Hause fliegen würde, dann wird man mich am Flughafen gleich abholen und mich entführen.

Ich werde gefoltert.

Ich war auch in die Geschichte von Donbass verwickelt. Ich habe dort mitgekämpft. Ich habe die Tschetschenen, in der Ukraine, im Kampf gegen Russland unterstützt. Ich habe in einem Stützpunkt geholfen.

Ich habe auch erfahren, dass meine Fotos von Interpol im Internet sind. Der Verfassungsschutz in Innsbruck hat mir auch Fotos vorgelegt.

Meine alten Fluchtgründe gelten nach wie vor.

ANMERKUNG des Sachbearbeiters:

Es wurde im Internet zwei russische Seiten mit einer „schwarzen Liste“ mit Namen von Mitgliedern von Terroristen und Extreminsten gefunden, welche vom Dolmetscher übersetzt wurde. Auf dieser Liste scheint der Name des AW inkl. Geburtsdatum auf.“

Zur Fortsetzung der Schubhaft:

Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz kann daher nicht ohne eingehende Prüfung von vornherein als aussichtslos oder gar in Verzögerungsabsicht gestellt angesehen werden.

2. Beweiswürdigung:

Zum Schubhaftbescheid und Anhaltung (in Schubhaft) bis zum 22.09. 2020

Hinsichtlich der vom angeführten Schubhaftbescheid aus dessen Verfahrensgang übernommenen Sachverhaltsparameter und der übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezüglich zutreffende Beweiswürdigung des Schubhaftbescheides, mag diese zum Teil disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aufscheinen, im Zusammenhalt mit der eindeutigen Aktenlage zu verweisen.

Die Verwaltungsbehörde durfte jedenfalls aufgrund der eindeutigen Sachlage, nämlich

?        der Begehung schwerster (!!) strafbarer Handlungen,

?        des Fehlens jeglicher familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich,

?        der Unmöglichkeit der Aufnahme einer legalen Arbeit zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung,

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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