TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/8 I403 2123191-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2020
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Entscheidungsdatum

08.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z3
AsylG-DV 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2
StGB §105 Abs1
StGB §106 Abs1
StGB §229
StGB §241e
StGB §83
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2123191-2/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Marokko, vertreten durch den "Verein Menschenrechte Österreich", Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.10.2020 zu Recht:

A)

I. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides hat zu lauten: "Ihr Antrag auf Mängelheilung vom 14.11.2019 wird gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 iVm § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 abgewiesen."

II. Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides hat zu lauten: "Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

III. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt V. zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

IV. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Marokko, stellte am 14.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.03.2016, Zl. I409 2123191-1/2E hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig als unbegründet abgewiesen wurde. Zugleich wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 12.10.2017, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB sowie Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 09.01.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB sowie versuchter schwerer Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt.

Am 14.11.2019 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ("Aufenthaltsberechtigung"), zugleich einen „Antrag auf Heilung gemäß §§ 58 Abs. 5, 6 AsylG 2005 iVm 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV“, da es ihm nicht möglich sei, ein gültiges Reisedokument vorzulegen. Begründend führte er zusammengefasst aus, er bekenne sich zu seinen strafrechtlichen Verurteilungen, bereue seine Taten zutiefst, habe mit seiner diesbezüglichen Vergangenheit abgeschlossen und stehe in regelmäßigem Kontakt mit einem Bewährungshelfer. Am XXXX 2018 habe er seine Lebensgefährtin, eine österreichische Staatsangehörige, geehelicht und habe mit dieser zwischenzeitlich zwei gemeinsame Töchter, welche mit ihnen gemeinsam – neben zwei weiteren minderjährigen Kindern seiner Ehefrau aus früheren Beziehungen – in einem Haushalt leben würden. Seit Juni 2019 trainiere der Beschwerdeführer in einem Kickboxverein und besuche überdies alle ein bis zwei Wochen eine psychotherapeutische Behandlung. Seit seiner Haftentlassung bemühe er sich ausschließlich um seine Ehefrau und die Kinder. Er unterstütze seine Frau im Alltag, beim Haushalt und bei der Kindeserziehung. Sein größtes Ziel sei es, eine erlaubte Beschäftigung aufzunehmen, um auch zur finanziellen Situation der Familie etwas beitragen zu können. Dem Antrag angeschlossen waren beglaubigte Übersetzungen eines Auszuges aus der Geburtsurkunde und eines Staatsbürgerschaftsnachweises des Beschwerdeführers, seine Heiratsurkunde sowie die Geburtsurkunden seiner beiden in Österreich geborenen Töchter, ein Auszug aus dem zentralen Melderegister, ein Mietvertrag lautend auf seine Ehefrau, ein Unterstützungsschreiben seiner Ehefrau und der Obfrau seines Kickboxvereins, ein Bestätigungsschreiben seines Psychotherapeuten sowie ein Zwischenbericht seines Bewährungshelfers.

Mit schriftlichem "Verbesserungsauftrag gemäß § 13 AVG" der belangten Behörde vom 27.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" zur Kenntnis gebracht, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die erforderlichen Urkunden und Dokumente gemäß § 8 AsylG-DV 2005 (u.a. ein gültiges Reisedokument sowie eine Geburtsurkunde mit Übersetzung) im Original vorzulegen seien und wurde ihm eine Frist von zwei Wochen eingeräumt, um die entsprechenden Dokumente nachzureichen bzw. Antragsmängel zu beheben. Da der Beschwerdeführer ab dem 09.01.2020 nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet war, erfolgte die Zustellung dieses Verbesserungsauftrages ordnungsgemäß durch zweiwöchigen Anschlag an der Amtstafel der belangten Behörde gemäß § 25 ZustG ("Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung").

Mit Schriftsatz der belangten Behörde ("Aufforderung zur Stellungnahme") vom 16.03.2020 wurde der Ehefrau des Beschwerdeführers ein Fragenkatalog hinsichtlich der persönlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers im Bundesgebiet übermittelt und sie aufgefordert, binnen zwei Wochen eine schriftliche zeugenschaftliche Stellungnahme abzugeben. Mit Schriftsatz vom 31.03.2020 brachte die Ehefrau des Beschwerdeführers eine diesbezügliche schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Inhaltlich führte sie im Wesentlichen aus, es sei im Dezember 2019 (wie bereits des Öfteren zuvor) zu einem gravierenden Streit mit dem Beschwerdeführer gekommen, im Zuge dessen dieser seine Playstation auf den Boden geworfen habe. Von diesem Streit habe das Jugendamt Kenntnis erlangt und sei nunmehr eine einstweilige Verfügung erwirkt worden, wonach der Beschwerdeführer für ein Jahr nicht mehr die Wohnung seiner Ehefrau und Kinder betreten dürfe. Der Beschwerdeführer wohne mittlerweile bei einem Freund in XXXX und stehe täglich über elektronische Kommunikationsmittel – per Videotelefonie – in Kontakt zu seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern. Der Beschwerdeführer habe kein Einkommen und unterstütze seine Familie somit auch nicht finanziell. Seine Ehefrau habe keine Angst vor dem Beschwerdeführer, Streit und Meinungsverschiedenheiten gebe es überall und würden sich überdies beide in Therapie befinden, sodass es zu keinen derartigen Auseinandersetzungen mehr kommen sollte. Sie wolle mit dem Beschwerdeführer neu anfangen und dass die Kinder einen Vater hätten, mit welchem sie gemeinsam aufwachsen könnten. Die Ehefrau habe bereits einmal eine Abschiebung des Beschwerdeführers durch Kontaktaufnahme mit der Botschaft seines Herkunftsstaates verhindert und würde sie dies auch erneut machen, da sie ihn liebe und mit ihm zusammen leben wolle.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24.04.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Mängelheilung gemäß „§ 4 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005, BGBl. II Nr. 448/2005 (AsylG-DV) idgF“ abgewiesen (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 55 Abs. 2 iVm § 58 Abs. 11 Z 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß „§ 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt III.) und es wurde gemäß „§ 52 Abs. 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Gemäß „§ 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG“ wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt V.). Gemäß „§ 55 Abs. 4 FPG“ wurde ihm keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) sowie einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß „§ 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 10.06.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.06.2020, Zl. I403 2123191-2/2Z wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und ausgesprochen, dass der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zukommt.

Mit Schriftsatz der belangten Behörde ("Stellungnahme") vom 26.06.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis gebracht, dass dem verfahrensführenden Referenten des BFA mittels E-Mail der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 25.06.2020 ein Protokoll des Bezirksgerichts XXXX vom 05.12.2019 hinsichtlich der von ihr beantragten einstweiligen Verfügung gegen den Beschwerdeführer übermittelt worden sei. Diesem angeschlossenen Protokoll ist zu entnehmen, dass zwischen der Antragstellerin (Ehefrau) und dem Antragsgegner (Beschwerdeführer) seit längerem ein gewalttätiges Verhältnis bestanden habe. Es sei bereits zu einigen Vorfällen gekommen, aufgrund derer das Jugendamt seitens der Ehefrau verständigt worden sei. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen eines Streits seine Playstation zerschlagen und auch seine Ehefrau bereits mehrfach körperlich angegriffen, weswegen er auch u.a. aufgrund von Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden sei. Nicht nur gegenüber der Antragstellerin, sondern auch gegenüber ihrer beiden älteren Kinder sei er ausfallend geworden und gebe es mindestens alle vierzehn Tage gewalttätige Vorfälle mit dem Beschwerdeführer. Im Rahmen des jüngsten Vorfalles im Dezember 2019 sei er abermals aggressiv geworden und habe seiner Ehefrau gegenüber gedroht: „Wenn du schläfst pass besser auf“ und „Ich wünsche dir den Tod“. Aufgrund dessen werde beantragt, dem Beschwerdeführer den Aufenthalt im Wohngebäude seiner Ehefrau und Kinder als auch in den Schulgebäuden ihrer beiden älteren Kinder bei sonstiger Exekution zu verbieten, darüber hinaus möge er das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit seiner Ehefrau vermeiden. Neben besagtem Protokoll war dem Schriftsatz der belangten Behörde noch eine weitere schriftliche Stellungnahme der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 25.06.2020 angeschlossen. In dieser wird ausgeführt, dass sie die positive Stellungnahme, welche sie im Verfahren für ihren Ehegatten verfasst habe, zurückziehen wolle. Sie habe sich von dessen Rechtsvertretung unterdrückt gefühlt und sei von dieser wiederholt dahingehend beeinflusst worden, dass sie ihrem Ehegatten aufgrund der aufrechten Ehe und der beiden gemeinsamen Kinder doch helfen müsse. Was sie in ihrer ersten Stellungnahme geschrieben habe, entspreche nicht der Wahrheit. Ihren Kindern gehe es besser, seit der Beschwerdeführer nicht mehr bei der Familie lebe und seien diese sehr offen geworden. Die Ehefrau habe vom Beschwerdeführer aus keine Freunde und keinen Kontakt zu ihrer Nachbarin haben dürfen. Seit dieser nicht mehr bei der Familie lebe, gehe sie regelmäßig zur Elterngruppe und habe auch eine gute Freundin gefunden. Sie befürchte, dass „alles wieder von vorne anfängt“ und es ihr psychisch wieder schlechter gehe, sofern der Beschwerdeführer zur Familie zurückkehren würde.

Am 01.07.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht jener angeforderte Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 06.12.2019 zur Zl. XXXX ein, mit welchem dem Beschwerdeführer aufgrund einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382e EO der Aufenthalt im Wohngebäude seiner Ehefrau und Kinder als auch in den Schulgebäuden ihrer beiden älteren Kinder bei sonstiger Exekution verboten und ihm überdies aufgetragen wurde, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit seiner Ehefrau bei sonstiger Exekution zu vermeiden. Ein seitens des Beschwerdeführers gegen diese einstweilige Verfügung erhobener Widerspruch wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 03.02.2020 zur Zl. XXXX zurückgewiesen, einem erhobenen Rekurs mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 14.02.2020 zur Zl. XXXX nicht Folge gegeben. Auch die beiden letztgenannten Beschlüsse langten zugleich am 01.07.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 08.07.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht seitens des Bezirksgerichts XXXX dessen Beschluss vom 17.06.2020 zur Zl. XXXX übermittelt, wonach der Beschwerdeführer berechtigt werde, mit einer von der Kinder- und Jugendhilfe, vertreten durch die BH XXXX , organisierten Besuchsbegleitung alle drei Wochen für eine Stunde Kontakt zu seinen beiden Töchtern zu haben.

Mit Schriftsatz der Kinder- und Jugendhilfe/Bereich Sozialarbeit der Bezirkshauptmannschaft XXXX ("S.1 Stellungnahme") vom 24.07.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme zur aktuellen Familiensituation der Familie des Beschwerdeführers übermittelt. Darin wurde ausgeführt, dass die Kindesmutter mit der Versorgung der vier minderjährigen Kinder auf sich alleine gestellt sei und es im Alltag zu Überforderungsmomenten komme. Ein intensives Unterstützungsnetzwerk der Kinder- und Jugendhilfe bringe Entlastung und Orientierung, das Ziel, den Minderjährigen und der Kindesmutter Stabilität und Sicherheit zu geben, konnte bislang – vor allem aufgrund des Einwirkens des Beschwerdeführers – jedoch nicht erreicht werden. Die regelmäßigen telefonischen Kontakte und Anschuldigungen, ausgehend vom Beschwerdeführer, ließen seine Ehefrau nicht nur Ruhe kommen. Forderungen, eine Wohnung für ihn anzumieten, nach Geld, nach inoffiziellen Kontakten ohne Wissen des Jugendamtes, sowie Drohungen, er werde sich etwas antun oder er werde vor der Wohnungstüre auftauchen, stünden an der Tagesordnung. Der Beschwerdeführer gefährde das Wohl seiner Kinder, indem er großen Druck auf die Kindesmutter ausübe und sie nach derartigen Telefonaten nur schwer in der Lage sei, für ihre Kinder da zu sein. Häufig in Anwesenheit von Vertretern der Kinder- und Jugendhilfe unterwerfe sie sich den Forderungen des Beschwerdeführers und versuche beruhigend auf ihn einzuwirken, indem sie ihm das Gefühl gebe, diesen nachzukommen. Wenn sie den Hörer auflege, erscheine sie wie paralysiert und sei es ihr kaum möglich, zu sprechen und sich zu sammeln. Abseits solcher Momente mit dem Beschwerdeführer schaffe es die Kindesmutter trotz vieler Herausforderungen, das Kindeswohl der vier Minderjährigen zu sichern. Auch scheine sie durch positive und bestärkende Inputs im Einzel- und Gruppenkontakt an Selbstwert und Sicherheit zu gewinnen und sei stolz, eine andere Kindesmutter als gute Freundin benennen zu können, während ihr laut ihrer Angaben Freundschaften und Kontakte mit anderen während einer aufrechten Beziehung mit dem Beschwerdeführer nie möglich gewesen seien. Abgesehen von der psychischen Belastung der Kindesmutter aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers hätten auch die Kinder all seine wiederkehrenden körperlichen und psychischen Übergriffe ihr gegenüber mitbekommen und würden sich stark belastet zeigen. Ängste, der Beschwerdeführer könne wieder in die Familie zurückkehren, seien unter den Minderjährigen nach wie vor präsent. Der Umzug in eine neue Wohnung habe teilweise eine Entlastung bringen können, da die Kindesmutter die körperlichen Übergriffe des Beschwerdeführers in der vormaligen Wohnung so nicht mehr ständig vor Augen habe (aufgrund von im Rahmen der Übergriffe entstandenen Beschädigungen etc.). Aus sozialarbeiterischer Einschätzung meistere die Kindesmutter die Versorgung und Erziehung der vier Minderjährigen so gut sie könne, in Stress- und Überforderungssituationen – häufig auch in Zusammenhang mit Telefonaten mit dem Beschwerdeführer – drifte sie jedoch ab und sei für ihre Kinder wenig greifbar. Um solchen Überforderungsmomenten entgegenzuwirken, unterstütze sie die Kinder- und Jugendhilfe, auch habe sich die Kindesmutter in Therapie begeben, da sie selbst bemerke, wie psychisch belastend die Dynamik mit dem Beschwerdeführer für sie sei. Laut Angaben der Kindesmutter, welche seitens des Helfersystems auch zu bestätigen seien, sei sie in der Lage, das Wohl ihrer Kinder zu sichern, jedoch werde seitens des Bezirksgerichts XXXX und des Jugendamtes klar kommuniziert, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Familie aus dem Gesagten eine Gefährdung des Kindeswohles der vier Kinder darstelle und eine umgehende Unterbringung der Minderjährigen bedingen würde. Angesichts der in den Telefonaten nach wie vor auf psychischer Ebene bestehenden Gewaltdynamik zeige die räumliche Trennung der Kindeseltern keine Wirkung und sei es den Minderjährigen nicht möglich, in einem stabilen und sicheren Umfeld zu leben. Eine Unterbrechung sei erforderlich und müsse es den Minderjährigen zeitnah möglich sein, endlich zur Ruhe zu kommen. Der Kontakt von Kindern zu ihrem Vater sei relevant, doch stelle gerade der Beschwerdeführer im konkreten Fall aufgrund seines Verhaltens vielmehr eine Gefährdung für das Kindeswohl, als auch eine Belastung für die Kindesmutter dar. Die Gefahr einer Kindesabnahme der vier Kinder aus der Verantwortung der Mutter bestehe, da die Momente ihrer Handlungsunfähigkeit durch das Einwirken des Beschwerdeführers das Wohl der Minderjährigen gefährden würden. Angeschlossen war dieser Stellungnahme überdies jene schriftliche Stellungnahme der Kindesmutter vom 25.06.2020, welche diese zuvor bereits der belangten Behörde übermittelt hatte.

Mit Schriftsatz vom 17.09.2020 ("Dokumentenvorlage") übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht eine Bestätigung der Familienakademie der Kinderfreunde XXXX , wonach er an einem Termin am 16.09.2020 teilgenommen habe. Im Schriftsatz wurde vorgebracht, er habe im Rahmen dieses Termins Zeit mit seinen Kindern verbracht und seine ältere Tochter habe ihn hierbei gar nicht mehr verlassen wollen und habe geweint, als sie sich wieder vom Beschwerdeführer habe trennen müssen. Überdies wurde dem Schriftsatz ein Arbeitsvorvertrag zwischen ihm und einer anderen Person als Hilfsarbeiter angeschlossen.

Mit Schriftsatz der Kinder- und Jugendhilfe/Bereich Sozialarbeit der Bezirkshauptmannschaft XXXX ("S.1 Stellungnahme") vom 29.09.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Ergänzung zur Stellungnahme zur aktuellen Familiensituation der Familie des Beschwerdeführers vom 24.07.2020 übermittelt. Darin wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer gerichtlich ein begleiteter Besuchskontakt zu seinen beiden Töchtern zugesprochen worden sei. Zwischenzeitlich sei es zu einem „gesundheitlichen Notfall“ gekommen. Seine Ehefrau habe über starke Kopfschmerzen und starkes Erbrechen geklagt, weiters habe sie unter einer Sprachstörung gelitten. Sie sei aufgrund des Verdachts einer starken Migräne mit der Rettung in das Krankenhaus verbracht worden. Die Sprachstörungen der Kindesmutter hätten angehalten und seien diesbezüglich weitere Untersuchungen erforderlich. Laut der Kindesmutter seien der Stress und der Druck, ausgehend vom Beschwerdeführer, als auch seine bevorstehenden Besuchskontakte mit seinen Kindern Ursache für diesen vermutlich starken Migräneanfall, wobei genauere Abklärungen hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes noch im Gange seien. Ein erster begleiteter Besuchskontakt, organisiert über die Kinderfreunde XXXX , sei komplikationslos verlaufen. Die sozialarbeiterische Einschätzung gestaltete sich ident mit jener im Rahmen der vorangegangenen Stellungnahme vom 24.07.2020. Abschließend wurde abermals ausgeführt, dass die in der Vergangenheit immer wiederkehrenden körperlichen Übergriffe im gemeinsamen Haushalt, ausgehend vom Beschwerdeführer gegenüber der Kindesmutter und den Minderjährigen als auch der nunmehr von ihm über das Telefon ausgeübte psychische Druck ein Ende nehmen müssten, ansonsten könne eine Herausnahme der vier Kinder aus dem Haushalt der Kindesmutter nicht ausgeschlossen werden.

Am 29.09.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht der jüngste "Zwischenbericht" der Bewährungshilfe des Beschwerdeführers vom 24.09.2020 ein, in welchem im Wesentlichen vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer seit seiner bedingten Haftentlassung im November 2018 pünktlich zu sämtlichen persönlichen Kontakten mit der Bewährungshilfe erscheine, sich kooperativ zeige, bereit sei, sich im Rahmen der Deliktverarbeitung mit seinem früheren Leben auseinanderzusetzen und bemüht sei, ein straffreies Leben in Österreich zu führen. Er bewohne eine Mietwohnung, welche durch Spenden finanziert werde. Sollte ihm eine Arbeitserlaubnis in Österreich zu Teil werden, habe er bereits eine Einstellungszusage eines Handy- und Elektronikfachgeschäfts. Der Beschwerdeführer sei sich um die Problematik in Bezug auf die Beziehung zu seiner Ehefrau bewusst und habe seinen Anteil daran mit Hilfe seines Therapeuten „gut herausarbeiten können“, wenngleich diese therapeutische Unterstützung durch das Jugendamt nach der Erwirkung einer einstweiligen Verfügung gegen ihn nunmehr weggefallen sei. Der Beschwerdeführer halte sich penibel an die Vorgaben der einstweiligen Verfügung und habe aufgrund dessen über Monate nur telefonisch bzw. über Videokonferenz in Kontakt zu seiner Frau und seinen beiden Töchtern treten können. Es werde angemerkt, dass die einstweilige Verfügung nach wie vor aufrecht sei, die Ehefrau sich jedoch nie gegen einen Kontakt des Beschwerdeführers zu den Kindern ausgesprochen habe, zumal er auch das Kindeswohl nicht gefährdet habe. Am 16.09.2020 sei es nach neun Monaten erstmalig wieder zu einem persönlichen Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seinen beiden Töchtern gekommen, welcher für alle Beteiligten „längst überfällig und sehr wichtig – auch im Sinne des Kindeswohles“ gewesen sei. Da es dem Beschwerdeführer ein großes Anliegen sei, für seine beiden Töchter und seine Ehefrau „da zu sein“, habe er im November 2019 einen Antrag auf Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung gemäß Artikel 8 EMRK“ gestellt.

Am 29.09.2020 rief die Ehefrau des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht an mit dem Ersuchen, die erkennende Richterin zu sprechen. Im Zuge des Telefonats mit der Richterin erklärte sie, dass sie eigentlich schon wünsche, dass ihr Ehemann im Bundesgebiet verbleibe, sie ihre Stellungnahme vom 25.06.2020 jedoch nicht wieder zurückziehen wolle, da sie Angst habe, dass ihr das Jugendamt dann die Kinder wegnehmen würde. Seitens der erkennenden Richterin wurde sie davon in Kenntnis gesetzt, dass ihr, sofern sie sich zu Beginn der für den 01.10.2020 anberaumten Beschwerdeverhandlung am Gericht einfinden sollte und der Beschwerdeführer ihre Einvernahme als Zeugin beantrage, Gelegenheit für eine Zeugenaussage gegeben würde, jedoch bewusst zu ihrem Schutz von ihrer zeugenschaftlichen Ladung abgesehen worden sei, da eine aufrechte einstweilige Verfügung gegen den Beschwerdeführer bestehe, sie von diesem bereits körperlich verletzt worden sei und ihr zudem, ausgehend von den Stellungnahmen der Kinder- und Jugendhilfe, der Kontakt zum Beschwerdeführer nicht zuträglich sei. Über den Inhalt dieses Telefonats wurde seitens der erkennenden Richterin ein Aktenvermerk angefertigt.

Am 01.10.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle XXXX , eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers sowie seiner Rechtsvertretung abgehalten und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert. Seine Ehefrau erschien nicht zu der Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Marokkos, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Er ist gesund und erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer hat in Marokko die Grund- und Hauptschule abgeschlossen, eine Ausbildung zum Elektrotechniker absolviert und diesen Beruf auch ausgeübt. Zudem hat er wettkampfmäßig geboxt. Seine Eltern sowie drei Brüder leben nach wir vor in seinem Herkunftsstaat und unterstützt ihn sein Vater finanziell.

Seit (spätestens) 14.01.2016 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf. Seit rechtskräftiger Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz mit 24.03.2016 kommt ihm kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu.

Am 28.12.2018 heiratete der Beschwerdeführer die österreichische Staatsangehörige M. S. Die beiden gemeinsamen Töchter kamen im April 2017 sowie im Oktober 2019 in Österreich zur Welt und sind ebenfalls österreichische Staatsbürgerinnen. Die beiden Töchter stehen in der Obsorge der Kindesmutter und leben gemeinsam mit M. S. und zwei weiteren minderjährigen Kindern von dieser aus vorangegangenen Beziehungen in einem Haushalt.

Ab dem 07.03.2017 war der Beschwerdeführer mit M. S. und ihren beiden minderjährigen Kindern aus vorangegangenen Beziehungen in einem gemeinsamen Haushalt hauptgemeldet, befand sich jedoch vom 13.03.2017 bis zum 03.05.2017, vom 29.05.2017 bis zum 13.06.2017, vom 28.11.2017 bis zum 23.11.2018 sowie vom 11.04.2019 bis zum 23.04.2019 in Haft. Im Dezember 2019 kam es zwischen dem Beschwerdeführer und M. S. zu einem Beziehungsstreit, woraufhin er die gemeinsame Wohnung verließ und M. S. am 05.12.2019 das Bezirksgericht XXXX aufsuchte und eine einstweilige Verfügung gegen ihn beantragte. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 06.12.2019 zur Zl. XXXX wurde dem Beschwerdeführer aufgrund einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382e EO für die Dauer von einem Jahr der Aufenthalt im Wohngebäude seiner Ehefrau und Kinder als auch in den Schulgebäuden ihrer beiden älteren Kinder bei sonstiger Exekution verboten und ihm überdies aufgetragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit seiner Ehefrau bei sonstiger Exekution zu vermeiden. Am 09.01.2020 wurde der Beschwerdeführer behördlich von der Wohnung von M. S. abgemeldet und war bis zum 26.05.2020, als über ihn temporär die Schubhaft verhängt worden war, nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 17.06.2020 zur Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer berechtigt, mit einer von der Kinder- und Jugendhilfe, vertreten durch die BH XXXX , organisierten Besuchsbegleitung alle drei Wochen für eine Stunde Kontakt zu seinen beiden Töchtern zu haben. Ansonsten steht er regelmäßig über Video-Telefonie in Kontakt zu seiner Ehefrau und seinen Töchtern.

Nach Einschätzung der Kinder- und Jugendhilfe/Bereich Sozialarbeit der Bezirkshauptmannschaft XXXX , welche M. S. bei der Versorgung und Erziehung ihrer vier minderjährigen Kinder unterstützt, würde eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Familie eine Gefährdung des Kindeswohles der vier Kinder darstellen und deren umgehende Unterbringung bedingen. Angesichts der in den Telefonaten nach wie vor auf psychischer Ebene bestehenden Gewaltdynamik zeige die räumliche Trennung der Kindeseltern keine Wirkung und sei es den Minderjährigen nicht möglich, in einem stabilen und sicheren Umfeld zu leben. Eine Unterbrechung sei erforderlich und müsse es den Minderjährigen zeitnah möglich sein, endlich zur Ruhe zu kommen. Die in der Vergangenheit immer wiederkehrenden körperlichen Übergriffe im gemeinsamen Haushalt, ausgehend vom Beschwerdeführer gegenüber der Kindesmutter und den Minderjährigen, als auch der nunmehr über das Telefon ausgeübte psychische Druck ausgehend vom Beschwerdeführer gegenüber der Kindesmutter müsse ein Ende nehmen, ansonsten könne eine Herausnahme der vier Kinder aus dem Haushalt der Kindesmutter nicht ausgeschlossen werden.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher sowie kultureller Hinsicht auf. Er lebt alleine in einer durch private Spenden finanzierten Mitwohnung und ist Mitglied in einem Kickboxverein.

Er ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach und bestreitet seinen Lebensunterhalt über private Zuwendungen. Er hat einen Arbeitsvorvertrag als Hilfsarbeiter, unterfertigt von einer Privatperson, in Vorlage gebracht, welcher jedoch nicht einmal den notwendigen Mindestinhalt – das Beschäftigungsausmaß und das in Aussicht stehende Arbeitsentgelt – enthält.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 12.10.2017, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB sowie Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit zwei weiteren Mittätern zwei anderen Personen fremde bewegliche Sachen wie das Mobiltelefon, eine Packung Zigaretten oder die Geldbörse mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, mit Gewalt wegnahm bzw. wegzunehmen versuchte, indem er einem anderen einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, ihn gegen eine Hauswand drückte, an den Armen festhielt, nach Wertgegenständen durchsuchte und ihm diese sodann gegen dessen Willen wegnahm. Als mildernd wurden im Rahmen der Strafbemessungsgründe der bisher ordentliche Lebenswandel sowie das reumütige Teilgeständnis des Beschwerdeführers, als erschwerend hingegen die Tatbegehung in Gemeinschaft gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 09.01.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB sowie versuchter schwerer Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer seine Ehefrau M. S. am 09.11.2017 am Körper verletzte, indem er ihr mit der flachen Hand auf die Unterarme, den Brustbereich, den Kopf sowie in das Gesicht schlug und ihr hierbei Blutergüsse sowie eine Schwellung der Nase zufügte. Am 26.11.2017 misshandelte er M. S. am Körper und verletzte sie dadurch fahrlässig in Form eines Kratzers auf dem linken Handgelenk. Überdies hielt er sie im Zeitraum vom 09.11.2017 bis 26.11.2017 widerrechtlich gefangen, indem er sie in der gemeinsamen Wohnung einsperrte und versuchte sie darüber hinaus am 09.11.2017 durch die Äußerung „Wenn du zur Polizei gehst und die sperren mich ein, dann bring ich dich um, wenn ich wieder rauskomme. Oder ich lasse dich von jemandem umbringen!“ durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Abstandnahme von einer polizeilichen Anzeigenerstattung zu nötigen. Als erschwerend wurden im Rahmen der Strafbemessungsgründe das Zusammentreffen zweier Vergehen mit einem Verbrechen, die einschlägige Vorverurteilung sowie der rasche Rückfall des Beschwerdeführers nach seiner vorangegangenen Verurteilung, als mildernd hingegen der Umstand, dass es teils beim Versuch geblieben war, gewertet.

Der Beschwerdeführer legte im Verfahren vor der belangten Behörde kein gültiges Reisedokument und keine Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument im Original vor. Die Beschaffung dieser Urkunden ist für den Beschwerdeführer nicht nachweislich unmöglich oder unzumutbar. Er wurde von der belangten Behörde mit Verbesserungsauftrag vom 27.01.2020 auf die Notwendigkeit der Dokumentenvorlage aufmerksam gemacht und ihm eine Frist von zwei Wochen eingeräumt, um die entsprechenden Dokumente nachzureichen bzw. Antragsmängel zu beheben, welche er ungenützt verstreichen ließ.

Es besteht keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Marokko einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Gemäß § 1 Z 9 der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019) gilt Marokko als sicherer Herkunftsstaat. Es sind im Falle einer Rückkehr nach Marokko auch keine Umstände hinsichtlich etwaiger staatlicher Repressalien oder anderweitig gearteter Probleme bekannt bzw. wurden solche im Verfahren nicht vorgebracht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in die seitens des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen und seinen in der Verhandlung getätigten Aussagen.

Ergänzend wurde Einsicht genommen in den ho. Gerichtsakt zur Zl. I409 2123191-1 hinsichtlich des rechtskräftig negativ entschiedenen Asylverfahrens des Beschwerdeführers.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Ergänzend wurden Auszüge aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister (IZR), dem zentralen Melderegister (ZMR), dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger (AJWEB-P) und dem Strafregister (SA) eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seiner Identifizierung durch die österreichischen Strafverfolgungsbehörden sowie aufgrund seines vor der Meldebehörde in Vorlage gebrachten marokkanischen Personalausweises Nr. XXXX fest.

Die Feststellungen zu seiner Herkunft, seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen in Marokko, seinem Gesundheitszustand, seiner Erwerbsfähigkeit, seiner Schulbildung und Berufserfahrung, seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seiner Konfession gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sowie in seinem vorangegangenen Asylverfahren.

Die Feststellung zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet seit (spätestens) 14.01.2016 ergibt sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit eingeholten Auskünften aus dem zentralen Melderegister und dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister.

Die Eheschließung des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen M. S. ergibt sich aus einer in Vorlage gebrachten Heiratsurkunde, ausgestellt durch den Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverband XXXX am 28.12.2018.

Seine Vaterschaft zu seinen beiden in Österreich geborenen Töchtern ergibt sich aus deren in Vorlage gebrachten Geburtsurkunden, ausgestellt durch das Standesamt XXXX am 06.04.2018 bzw. durch den Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverband XXXX am 03.10.2019.

Der gemeinsame Wohnsitz des Beschwerdeführers mit M. S. und ihren Kindern sowie die Zeiten seiner Inhaftierungen ergeben sich aus einer eingeholten Auskunft aus dem zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zur seitens M. S. gegen den Beschwerdeführer erwirkten einstweiligen Verfügung ergeben sich aus dem angeforderten Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 06.12.2019 zur Zl. XXXX 2 sowie dem diesem Beschluss vorangegangenen Gerichtsprotokoll vom 05.12.2019.

Die Berechtigung des Beschwerdeführers, mit einer von der Kinder- und Jugendhilfe, vertreten durch die BH XXXX , organisierten Besuchsbegleitung alle drei Wochen für eine Stunde Kontakt zu seinen beiden Töchtern zu haben, ergibt sich aus einem dem Bundesverwaltungsgericht übermittelten Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 17.06.2020 zur Zl. XXXX .

Die Feststellungen zur aktuellen Familiensituation der Familie des Beschwerdeführers ergeben sich insbesondere aus den Beschlüssen des Bezirksgerichts XXXX vom 06.12.2019 und vom 17.06.2020, der Stellungnahme von M. S. vom 25.06.2020, den beiden Stellungnahmen der Kinder- und Jugendhilfe/Bereich Sozialarbeit der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 24.07.2020 sowie vom 23.09.2020, dem Telefonat der erkennenden Richterin mit M. S. vom 29.09.2020 sowie den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger. Dass er seinen Lebensunterhalt über private Zuwendungen bestreitet, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben zuletzt in der Beschwerdeverhandlung, wonach er in Österreich vom " XXXX " sowie nach wie vor von seinem in Marokko lebenden Vater finanziell unterstützt wird.

Der seitens des Beschwerdeführers geschlossene Arbeitsvorvertrag als Hilfsarbeiter, welcher jedoch nicht einmal den notwendigen Mindestinhalt – das Beschäftigungsausmaß und das in Aussicht stehende Arbeitsentgelt – enthält, ergibt sich aus einer Vorlage desselben, datiert mit 12.09.2020.

Seine Mitgliedschaft in einem Kickboxverein ergibt sich aus einem in Vorlage gebrachten Unterstützungsschreiben der Vereinsobfrau vom 12.11.2019.

Die rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich. Die Feststellungen zu den seinen Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen sowie zu den Erwägungen des Strafgerichts hinsichtlich der Strafbemessungsgründe ergeben sich aus den seitens des Bundesverwaltungsgerichtes angeforderten Urteilsausfertigungen des Landesgerichts XXXX zu den Zl.en XXXX sowie XXXX .

Dass die Beschaffung eines gültiges Reisedokuments und einer Geburtsurkunde oder eines dieser gleichzuhaltenden Dokuments im Original für den Beschwerdeführer nicht nachweislich unmöglich oder unzumutbar ist, ergibt sich aus einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister, wonach im Rahmen eines seitens der belangten Behörde im Jahr 2017 angestrengten Heimreisezertifikatsverfahrens bereits eine Zustimmung der Vertretungsbehörde erteilt worden war (Verfahrenszahl: XXXX , Änderung Verfahrensstatus: HRZ Zustimmung) und M. S. im Rahmen ihrer schriftlichen Stellungnahme an die belangte Behörde vom 31.03.2020 ausdrücklich eingeräumt hat, dass sie durch eine Kontaktaufnahme mit der marokkanischen Botschaft proaktiv die Ausstellung eines Heimreisezertifikates verhindert habe, was auch der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung bestätigte (vgl. Verhandlungsprotokoll S 5: „Meine Frau hatte Angst, dass ich abgeschoben werde. Deswegen hat sie mit dem Konsulat gesprochen und gesagt, dass ich keinen Pass bekommen soll.“).

Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.06.2016, Zl. I409 2123191-1/2E wurde festgestellt, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Marokko keine Gefährdung seiner Person bzw. eine Verletzung seiner in Art. 2 oder 3 EMRK geschützten Rechte mit sich bringen wird und machte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt eine wie auch immer geartete Rückkehrgefährdung geltend. Sofern auf der vorletzten Seite des Beschwerdeschriftsatzes (AS 178) unsubstantiiert und ohne jeglichen Bezug zu den vorangegangenen Ausführungen vorgebracht wird, „angesichts des obigen Vorbringens droht dem BF weiters im Fall einer Abschiebung in die Türkei eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention“, so handelt es sich hierbei offenkundig um einen Kopierfehler, wird dadurch jedoch keine Rückkehrgefährdung aufgezeigt.

Dass es sich bei Marokko um einen sicheren Herkunftsstaat handelt, ergibt sich aus § 1 Z 9 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten auf Basis des § 19 Abs. 5 Z 2 des BFA-Verfahrensgesetzes als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung – HStV, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Abweisung des Antrags auf Mängelheilung und zur Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

§ 4 AsylG-Durchführungsverordnung lautet:

(1) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083; 12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Zu überprüfen war daher nur, ob die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ("Aufenthaltsberechtigung") zu Recht zurückgewiesen hat.

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 sind einem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3 leg. cit.) u.a. ein gültiges Reisedokument sowie eine Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument anzuschließen, wobei die seitens des Beschwerdeführers beantragte "Aufenthaltsberechtigung" gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 explizit in § 3 Abs. 2 Z 2 AsylG-DV 2005 genannt ist.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 leg. cit (und damit die Vorlage von Reisepass und Geburtsurkunde) zulassen, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK notwendig ist. VwGH, 26.01.2017, Ra 2016/21/0168

Zur Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Bedingung, wonach die Erteilung des Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK erforderlich sein muss, in jenen Konstellationen, in denen von Amts wegen ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist, voraussetzungsgemäß erfüllt ist (vgl. VwGH, 26.01.2017, Ra 2016/21/0168). Auch im Fall eines Antrags auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels gilt, dass die Voraussetzungen für die verfahrensrechtliche Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 die gleichen sind wie für die materielle Stattgabe des verfahrenseinleitenden Antrags. Die Prüfung, ob einem Heilungsantrag nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 stattzugeben ist, unterscheidet sich also inhaltlich nicht von der Beurteilung, ob der Titel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist. Daraus folgt auch, dass bei einem Antrag nach § 55 AsylG 2005 in Bezug auf die Heilung nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 in erster Linie und vorrangig die Voraussetzungen der Z 2 der genannten Bestimmung zum Tragen kommen und dass es unzulässig ist, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 trotz Vorliegens der hierfür erforderlichen Voraussetzungen wegen Nichtvorlage von Identitätsdokumenten zurückzuweisen (vgl. VwGH, 26.06.2019, Ra 2019/21/0092 bis 0094). Wie unter Punkt 3.2. gezeigt wird, liegen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 aber gegenständlich nicht vor.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 leg. cit. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise auch dann zulassen, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Fallgegenständlich stellte der Beschwerdeführer zugleich mit seinem Antrag auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 einen Mängelheilungsantrag gemäß 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV, da es ihm nicht möglich sei, ein gültiges Reisedokument vorzulegen. Begründend führte er aus, seine Frau sei vor der Eheschließung mehrfach bei der marokkanischen Botschaft vorstellig geworden und habe versucht, ein Reisedokument für ihn zu erlangen, jedoch stets die Auskunft bekommen, dass ihm kein Reisedokument ausgestellt werden könne. Auch sei er selbst im Jahr 2017 bei der Botschaft gewesen, habe jedoch kein Dokument bekommen können.

Dieses Vorbringen widerstreitet offenkundig den Tatsachen, da sich aus einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister ergibt, dass im Rahmen eines seitens der belangten Behörde im Jahr 2017 angestrengten Heimreisezertifikatsverfahrens bereits eine Zustimmung der Vertretungsbehörde hinsichtlich der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer erteilt worden war und seine Ehefrau in ihrer schriftlichen Stellungnahme an die belangte Behörde vom 31.03.2020 ausdrücklich eingeräumt hat, dass sie durch Kontaktaufnahme mit der marokkanischen Botschaft proaktiv diese Ausstellung verhindert habe. Dieser Umstand wurde auch seitens des Beschwerdeführers selbst in der Beschwerdeverhandlung bestätigt.

Darüber hinaus brachte der Beschwerdeführer im Rahmen seiner verfahrensgegenständlichen Antragstellung – entgegen den Anforderungen in § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 - auch keine Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument im Original in Vorlage, sondern lediglich eine beglaubigte Übersetzung.

Er wurde seitens der belangten Behörde mit Verbesserungsauftrag vom 27.01.2020 auf die Notwendigkeit der Vorlage der betreffenden Dokumente aufmerksam gemacht und ihm eine Frist von zwei Wochen eingeräumt, um diese nachzureichen bzw. die Antragsmängel zu beheben, welche er ungenützt verstreichen ließ.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise war demnach auch gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 abzuweisen, da ihm deren Beschaffung weder nachweislich unmöglich noch unzumutbar war.

Da die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Mängelheilung in Spruchpunkt I. offenkundig irrtümlich nur unter Zitierung der Rechtsgrundlage des „§ 4 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 AsylG-DV 2005“ abgewiesen hat, obwohl sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides unzweifelhaft ergibt, dass sie tatsächlich rechtsrichtig auch über seinen Antrag auf Heilung eines Mangels der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 abgesprochen hat, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, dass die Abweisung gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 iVm § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 zu erfolgen hatte.

Wie § 58 Abs. 11 AsylG 2005 überdies zum Ausdruck bringt, treffen einen Drittstaatsangehörigen im Antragsverfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "allgemeine Mitwirkungspflichten", unter welche nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die in § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 angeordnete Vorlage von Identitätsurkunden wie etwa eines gültigen Reisedokuments sowie einer Geburtsurkunde oder eines dieser gleichzuhaltenden Dokuments zu subsumieren ist (vgl. VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0039). Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass die Nichtvorlage eines gültigen Reisepasses grundsätzlich, wenn es nicht zu einer Heilung nach § 4 AsylG-DV 2005 zu kommen hat, eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte Zurückweisung rechtfertigt (vgl. VwGH, 04.03.2020, Ra 2019/21/0214 und VwGH, 19.09.2019, Ra 2019/21/0103, mwN). Die Nichtvorlage der betreffenden Dokumente stellt somit – angesichts der rechtmäßigen Abweisung des Mängelheilungsantrages - eine Verletzung der allgemeinen Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers dar und rechtfertigt eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte, zurückweisende Entscheidung.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 leg.cit. abgewiesen wird, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt. Gegenständlich liegt keiner dieser Fälle vor, sodass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG vom BFA zu Recht geprüft wurde.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Hinsichtlich der Eheschließung des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen M. S. am XXXX 2018 ist zunächst festzuhalten, dass die Höchstgerichte zwar wiederholt darauf hingewiesen haben, dass im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK dem Bestehen einer Ehe mit einem österreichischen Partner große Bedeutung zukommt (vgl. VfGH, 19.09.2012, U2447/10) und ist dies auch gegenständlich zu berücksichtigen. Allerdings musste sowohl dem Beschwerdeführers als auch seiner Ehefrau bewusst sein, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits seit über zwei Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt und sein weiterer Verbleib in Österreich somit unsicher war. Der seitens des Verwaltungsgerichtshofes wiederholt ins Treffen angeführte Aspekt, es müsse unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht akzeptiert werden, dass ein Fremder mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen, trifft insoweit auch auf den vorliegenden Beschwerdefall zu (vgl. VwGH 06.05.2020, Ra 2020/20/0093; 27.02.2020, Ra 2019/01/0471; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003). Nicht zuletzt besteht bereits seit Dezember 2019 kein gemeinsamer Wohnsitz, nachdem M. S. aufgrund wiederholter Übergriffe, für welche der Beschwerdeführer auch strafgerichtlich verurteilt wurde, gegen ihn eine einstweilige Verfügung mit einem Aufenthaltsverbot für die gemeinsame Wohnung sowie das gesamte Grundstück erwirkte, sodass sich der Kontakt zwischen den Eheleuten ausschließlich auf elektronische Kommunikationsmittel beschränkt. Aufgrund dessen ist zum Entscheidungszeitpunkt auch von keinem schützenswerten Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zwischen M. S. und dem Beschwerdeführer mehr auszugehen, welches nach höchstgerichtlicher Judikatur durch eine gewisse Beziehungsintensität oder das Hinzutreten zusätzlicher Merkmale der Abhängigkeit gekennzeichnet ist (vgl. dazu VwGH 17.11.2009, 2007/20/0955 mwH; VfGH 09.06.2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR).

Allerdings führt der Beschwerdeführer in Österreich mit seinen beiden im April 2017 sowie im Oktober 2019 geborenen Töchtern, ebenfalls österreichische Staatsangehörige, ein Familienleben. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR entsteht ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl. EGMR, 21.06.1988, Berrehab, Appl. 10730/84 [Z21]; 26.05.1994, Keegan, Appl. 16969/90 [Z44]).

Art. 24 Abs. 2 GRC (der Art. 1 Satz 2 BVG über die Rechte von Kindern entspricht) normiert, dass das Kindeswohl bei allen Kindern betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen eine vorrangige Erwägung sein muss. Eine absolute Priorisierung ist damit gleichwohl nicht gefordert; im Einzelfall kann die volle Entfaltung auch zugunsten der (höheren) Schutzwürdigkeit anderer Interessen zurücktreten (vgl. Fuchs ins Holoubek/Lienbacher, GRC-Kommentar (2014) Art. 24 Rz 33).

Ein gemeinsamer Wohnsitz des Beschwerdeführers mit seinen Töchtern besteht seit Dezember 2019 ebenfalls nicht mehr, sodass zumindest für seine im Oktober 2019 geborene Tochter ein Familienleben im Sinne einer Haushaltsgemeinschaft mit dem Beschwerdeführer bei lebensnaher Betrachtung gar nicht erinnerlich sein kann, während seine erstgeborene Tochter zum Zeitpunkt seines Auszuges etwa zweieinhalb Jahre alt war, der Beschwerdeführer jedoch bereits bis dahin nicht durchgehend mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hatte, da er sich nach ihrer Geburt im April 2017 noch insgesamt für über ein Jahr (und davon durchgehend vom 28.11.2017 bis zum 23.11.2018) in Haft befand. Somit kann festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer etwa das erste halbe Lebensjahr seiner älteren Tochter (mit Unterbrechungen durch kürzere Aufenthalte in Justizanstalten, bereits zum Zeitpunkt ihrer Geburt am XXXX 2017 bis zum 03.05.2017, als auch vom 29.05.2017 bis zum 13.06.2017) sowie ein weiteres Jahr von Ende November 2018 bis Anfang Dezember 2019 (abermals mit einer kurzen Unterbrechung durch eine Inhaftierung vom 11.04.2019 bis zum 23.04.2019) – insgesamt sohin für etwa eineinhalb Jahre – mit seiner mittlerweile dreieinhalbjährigen Tochter in einem Haushalt gelebt hat und seit seinem Auszug zwischenzeitlich weitere zehn Monate verstrichen sind.

Das dem Beschwerdeführer nunmehr mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 17.06.2020 eingeräumte Besuchsrecht beschränkt sich auf alle drei Wochen für eine Stunde, in Anwesenheit einer von der Kinder- und Jugendhilfe organisierten Besuchsbegleitung, und erschöpft sich der Kontakt zu seinen Töchtern ansonsten ebenfalls auf elektronische Kommunikationsmittel. Im Jahr 2020 hat er seine beiden Töchter, wie er zuletzt selbst in der Beschwerdeverhandlung bestätigte, lediglich einmal – am 16. September – persönlich gesehen. Daraus ergibt sich ein Familienleben von sehr geringer I

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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