Entscheidungsdatum
09.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W159 2184748-1/25E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren XXXX alias XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.03.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 AsylG 2005, 10 Abs. 1 Z 3 sowie 55, 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 2 u. 9, 46 u. 55 Abs. 1-3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, gelangte (spätestens) am 10.11.2015 irregulär nach Österreich und stellte am 12.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. An diesem Tag erfolgte auch die Erstbefragung im Polizeianhaltezentrum XXXX . Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er aus Afghanistan wegen seiner Feinde geflohen sei. Er habe mit einem Mädchen namens XXXX eine Beziehung gehabt. Der Bruder des Mädchens, XXXX , habe sie dabei erwischt und sei auf ihn mit einem Messer losgegangen und habe ihn am Oberschenkel verletzt. Er habe sich dann zwei Tage lang zu Hause versteckt, XXXX sei aber mit seinen vier Brüdern zu ihm nach Hause gekommen und hätte mit einer Waffe auf die Haustüre geschossen. Er sei dann nach Kabul geflohen. Dort sei er aber auch nicht sicher gewesen, weil sie ihm gefolgt wären. Auf der Flucht habe er dann mitbekommen, dass die Brüder XXXX getötet hätten. Sie hätten auch ihm gedroht, ihn zu töten.
Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte am 10.11.2017 eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX . Der Beschwerdeführer legte einige Urkunden, insbesondere eine Tazkira auf Dari und auf Englisch, die Kopie eines afghanischen Führerscheines, einen Befund des Instituts für Digitale Diagnostik mit der Diagnose Bandscheibenvorwölbung, ein Referenzschreiben des XXXX , ein Referenzschreiben der Frau XXXX , ein Sprachdiplom A1 vor. Er sei in der Stadt Kabul geboren, habe sich dann eine Zeit lang in Mazar-e Sharif aufgehalten, sei dann wieder nach Kabul zurück und nach dem Tod seines Vaters nach Parwan gezogen, von wo seine Mutter herstamme. Nach nur sechs Monaten sei er dann alleine zu seinem Onkel mütterlicherseits nach Kabul gezogen, wo er die letzten zehn bis zwölf Jahre vor der Ausreise gelebt habe. Auch seine Mutter sei vor etwa zwei Jahren mit seinen Geschwistern nach Kabul gezogen. Zu seinem Onkel habe er keinen Kontakt, zu seiner Mutter aber schon.
Gefragt nach seinen Fluchtgründen gab er an, dass er sich in Parwan in ein Mädchen verliebt habe und sie dort immer wieder besucht habe. Der jüngere Bruder (etwa 17 bis 18 Jahre alt) habe sie erwischt, habe ihn beschimpft und mit einem Messer attackiert und in die rechte Seite seines Oberschenkels gestochen. Er sei dann zu seiner Mutter nach Hause gelaufen. Diese habe die Wunde versorgt und sei er dann raschest möglich nach Kabul zu seinem Onkel gefahren. In der Nacht hätten Familienangehörige des Mädchens ihr Haus in Parwan angegriffen, in die Luft und einmal auf die Tür geschossen. Er sei dann nur vier bis fünf Tage mehr in Kabul verblieben und er sei dann – auch über Anraten seiner Mutter und seines Onkels – aus Afghanistan ausgereist. Das Mädchen stamme aus Parwan aus einer paschtunischen Familie. Die Wunde sei in Kabul von einem Arzt genäht worden. Gefragt, warum er das Mädchen nicht geheiratet habe, gab er an, dass damals nicht die richtige Zeit zum Heiraten gewesen wäre. Er habe damals studiert. Die Entfernung von Kabul nach Parwan seien ungefähr 35 km. Den Familiennamen des Mädchens wisse er nicht. Er wisse nur, dass der Bruder XXXX geheißen habe. Nachdem seine Mutter nach Kabul gezogen sei, habe sie das Haus in Parwan vermietet. Er habe zwölf Jahre lang die Schule in Kabul besucht und zwei Jahre lang an der Universität Rechtswissenschaften studiert. In Kabul habe es dann keine Vorfälle mehr gegeben. Er könne ab er wegen der mangelnden Sicherheit nicht zu seiner Familie nach Kabul zurückkehren.
In Österreich lebe er von der Grundversorgung. Er habe in einem Kampfsportclub trainiert.
Er sei Tadschike und sunnitischer Moslem. Wegen politischer Gesinnung oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seiner Religion habe er keine Probleme gehabt. Er sei nur einmal mit der Polizei in Kontakt gekommen, weil er einen Betrunkenen überfahren habe. Er sei dann aber vor Gericht gegangen und dort sei seine Unschuld festgestellt worden. Jetzt gebe es kein Problem mehr. Auch sonst habe er keine Probleme mit afghanischen Behörden oder Gerichten gehabt. Er habe auch keine gesundheitlichen Probleme und verzichte auf die Aushändigung der Länderunterlagen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , vom 12.12.2017, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdige Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und unter Spruchpunt VI. die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen festgelegt.
In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereit im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt, die Beweismittel aufgelistet sowie Feststellungen zur Person und zum Herkunftsstaat getroffen. Beweiswürdigend wurde zunächst ausgeführt, dass die vorgelegte Tazkira nicht geeignet sei, die Identität des Antragstellers zweifelsfrei nachzuweisen, die Nationalität, Volksgruppenzugehörigkeit und Religion, ebenso die Feststellungen zu seinen Geburts- und Aufenthaltsorten und die Schulbildung wären glaubhaft vorgebracht worden. Das Vorbringen hinsichtlich seiner Fluchtgründen aus Afghanistan sei nicht glaubwürdig. Er habe keinerlei Beweis- und Bescheinigungsmittel vorgelegt und sei das Vorbringen hinsichtlich des Mädchens nicht nachvollziehbar und vage geblieben. Hinsichtlich des wichtigen Umstandes, ob das Mädchen getötet worden sei, habe er sich zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme durch das BFA widersprochen, auch vermutete Verfolgungen in Kabul wären nicht glaubwürdig und würde überdies sowohl in Kabul als auch in Mazar-e Sharif eine inländische Fluchtalternative vorliegen.
Rechtlich begründend wurde zunächst ausgeführt, dass ein Durchschlagen der behaupteten innerfamiliären Probleme in asylrelevanter Intensität habe nicht glaubhaft gemacht werden können und würden diese Probleme überdies keine Deckung in der GFK finden. Schließlich komme einer drohenden Privatverfolgung auch nur dann asylrechtliche Relevanz zu, wenn staatliche Einrichtungen Schutz aus Konventionsgründen nicht gewähren würden. Die Behörde sei daher schließlich zu dem Schluss gekommen, dass dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im gesamten Staatsgebiet Afghanistans drohe. Zu Spruchteil II. wurde nun insbesondere hervorgehoben, dass trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage einer Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional sehr unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei. Auch liege eine inländische Fluchtalternative vor, da Kabul für Normalbürger eine relativ sichere Stadt sei, Gleiches gelte auch für Mazar-e Sharif. Der Beschwerdeführer sei auch im erwerbsfähigen Alter und habe hinsichtlich seines Gesundheitszustandes zuletzt angegeben, in keiner Behandlung zu sein. Die vorgebrachten Rückenschmerzen seien mit einer gezielten Schmerztherapie (offenbar erfolgreich) behandelt worden. Außerdem betätige sich der Antragsteller sportlich in einem Karateclub. Er sei auch mit den kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten in seinem Heimatland vertraut, da er sein gesamtes Leben in Afghanistan verbracht habe, eine zwölfjährige Schulbildung genossen habe und bereits Berufserfahrungen gesammelt habe. Außerdem verfüge er in Kabul über ein soziales Netz. Er könne daher sowohl in Kabul als auch in Mazar-e Sharif, wo er bereits gelebt habe, zumutbare Lebensbedingungen vorfinden und drohe ihm daher im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan keine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, sodass der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen sei.
Die Voraussetzungen des § 57 AsylG würden auf den Antragsteller nicht zutreffen (Spruchteil III.). Zu Spruchteil IV. wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller über keine Verwandten im österreichischen Bundesgebiet verfüge und zu seinem Onkel in Deutschland kein Kontakt bestehe, er führe daher keine Familienleben in Österreich. Er sei illegal am 10.11.2015 nach Österreich eingereist und lebe ausschließlich von staatlicher Unterstützung. Es würden keine wesentlichen Umstände für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sprechen und sei eine Rückkehrentscheidung als zulässig zu bezeichnen.
Zu Spruchteil V. wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall sich keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG ergebe und auch einer Abschiebung nach Afghanistan keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sodass eine solche als zulässig zu bezeichnen sei. Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise hätte ebenfalls nicht festgestellt werden können (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid, und zwar gegen alle Spruchteile, wurde fristgerecht durch den Antragsteller, vertreten durch die XXXX , Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Nach (geraffter) Darstellung des bisherigen Verfahrensganges wurde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren kritisiert, insbesondere habe es die Behörde unterlassen, den Beschwerdeführer näher über das Mädchen und dessen Familie zu befragen. Dem Beschwerdeführer werde von der Seite des Mädchens eine voreheliche sexuelle Beziehung unterstellt und habe es die Behörde unterlassen, konkrete Länderberichte zu den strafrechtlichen Konsequenzen in Afghanistan für voreheliche Beziehungen zu erheben. Der Geschlechtsverkehr zwischen zwei Personen, die nicht verheiratet wären, stellt einen Straftatbestand des afghanischen Strafgesetzbuches namens Zina dar und würde dies sowohl Männer als auch Frauen betreffen. Es sei eine lange Haftstrafe zwischen fünf und 15 Jahren vorgesehen und sei auch die schlechte Menschenrechtslage und die Korruption in Afghanistan in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen.
Weiters habe die Behörde auch die Sicherheitslage in Afghanistan unzureichend berücksichtigt, wobei insbesondere auch auf die Versorgungslage in Kabul und Mazar-e Sharif eingegangen worden sei.
Die Behörde habe keine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens des Beschwerdeführers vorgenommen. Der Beweiswürdigung der belangten Behörde wurde entgegengehalten, dass Nachnamen in Afghanistan geringe Bedeutung hätten. Der Beschwerdeführer könne sich gar nicht erinnern, bei der Erstbefragung gesagt zu haben, dass das Mädchen getötet worden sei. Er habe nur gesagt, dass er nicht wisse, was mit ihr passiert sei und dass sie auch getötet worden sein hätte können. Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass aufgrund des unterstellten „Zina-Crimes“ dem Beschwerdeführer eine private Verfolgung durch die männlichen Familienmitglieder des Mädchens drohe und der afghanische Staat weder in der Lage noch aufgrund der traditionellen religiösen Auffassungen gewillt sei, ihn vor dieser Rache zu schützen, sodass er asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt sei. Im Hinblick auf die sich allgemein verschlechternde Sicherheitslage sei eine Rückkehr nach Kabul oder Mazar- e Sharif unzumutbar und sei dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich bemüht, sich in Österreich zu integrieren und habe bereits ein ÖSD-Zertifikat erworben und sei Mitglied im XXXX . Im Hinblick auf den sich durch die fortschreitende Integration täglich ändernden entscheidungsrelevanten Sachverhalt hinsichtlich der Rückkehrentscheidung werde diesbezüglich insbesondere die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt, wozu zusätzlich auch noch auf die diesbezügliche höchstgerichtliche und europäische Rechtsprechung verwiesen wurde.
Mit Eingabe vom 08.02.2018 legte der Beschwerdeführervertreter ein Sprachzertifikat im Niveau A2 vor. Von Seiten der belangten Behörde wurde zunächst eine Anzeige nach § 27 SMG vorgelegt, jedoch in der Folge die Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom Rücktritt der Verfolgung.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 10.03.2020 an, zu der sich die belangte Behörde wegen Nichtteilnahme entschuldigen ließ und der Beschwerdeführer in Begleitung einer Mitarbeiterin der XXXX erschien. Diese legte eine Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs, die Geburtsurkunde der Tochter des Beschwerdeführers XXXX , eine Vaterschaftsanerkennung samt postnatalem DNA-Test vor und brachte dazu vor, dass ein Familienleben des Beschwerdeführers mit seiner neugeborenen Tochter bestehe.
Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, Tadschike und sunnitischer Moslem. Er übe seine Religion in Österreich ebenso aus, wie er es in Afghanistan getan habe. Er versuche gelegentlich, das Freitagsgebet in der Moschee zu verrichten und halte den Ramadan ein, aber nicht zur Gänze. Er sei in Kabul im Jahre XXXX geboren, der XXXX .sei hier festgelegt worden. Sein richtiges Geburtsdatum sei der XXXX . Über Nachfrage nach dem Geburtsdatum im afghanischen Kalender, ergab sich jedoch nach Umrechnung der XXXX . Seine Mutter und seine Schwester hätten ihm dieses Geburtsdatum immer wieder gesagt. Gelegentlich seien auch seine Geburtstage gefeiert worden. Er gehe aber davon aus, dass sein Geburtsdatum nicht im Koran notiert worden sei. Seine Mutter habe seine Tazkira auf Englisch übersetzen lassen und vom Außenministerium beglaubigen lassen. In seiner Kindheit hätten sie in Mazar gelebt. Er habe dort auch bis zur zweiten Klasse die Schule besucht. Danach sei er mit seiner Familie nach Kabul gezogen. Seine Familie sei dann aber nach Parwan übersiedelt, da seine Mutter von dort stamme. Er habe aber in Kabul die Schule besucht und dort sein Leben verbracht und zwar habe er bei seinem Onkel mütterlicherseits gelebt und seine Familie nur gelegentlich in Parwan besucht. Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und drei Semester Rechtswissenschaften studiert. Er sei von seiner Familie unterstützt worden und habe auch durch Gelegenheitsjobs etwas dazu verdient. So habe er beispielsweise sechs Monate lang bei einem Installateur gearbeitet, dann auch in einer Druckerei und zuletzt in dem Handyshop eines Freundes. Seine Mutter habe einen Friseurladen betrieben und nebenbei auch gestrickt. Sie habe gut verdient. Sein Bruder habe für unterschiedliche Firmen jegliche Arbeiten verrichtet. Sein Vater sei vor ungefähr 18 Jahren verstorben. Die Todesursache wisse er nicht. Sein Vater sei auch nicht krank gewesen. Seine Familienangehörigen hätten ihm auch die Todesursache nicht mitgeteilt. Er habe drei Schwestern und einen Bruder, alle würden derzeit in Kabul leben.
Seine frühere Freundin habe er in Parwan kennengelernt. Er habe sie das erste Mal auf der Gasse gesehen. Nach dieser Begegnung sei er öfters nach Parwan gefahren, um sie zu treffen. Sie hätten sich drei bis vier Mal getroffen und wären sich auch nähergekommen, aber es sei schwierig gewesen, sie zu treffen. Ungefähr zweieinhalb Monate, bevor er Kabul verlassen habe, habe er sie das erste Mal gesehen. Der Namen des Mädchens sei XXXX gewesen. Sie sei eine Paschtunin gewesen und glaublich zwei oder drei Jahre jünger als er. Das genaue Geburtsdatum kenne er nicht. Er wisse auch nicht, wie ihre Mutter heiße und habe er auch keinerlei sonstigen Informationen über ihre Familie. Er habe nur schlechte Erinnerungen daran. Sie stamme aus einer sehr wohlhabenden, aber strengreligiösen Familie. Seine Familie denke viel freier. Sie habe vier Brüder gehabt, der Älteste sei schon zwischen 35 und 40 Jahre alt gewesen und der Jüngste ca. 17 Jahre. Seine Freundin sei sehr hübsch gewesen. Wenn er jetzt darüber nachdenke, könne er einerseits lachen, andererseits sei er auch sehr traurig. Gefragt, ob er an seiner Freundin etwas beschreiben könne, das man bei der in Afghanistan üblichen Bekleidung nicht sehe, gab er an, dass man zuhause keinen Hijab trage und dass sie normale Kleidung getragen habe und immer sehr hübsch gewesen sei. Sie hätten sich drei Mal in einem kleinen Gartenhaus auf dem Anwesen der Familie seiner Freundin getroffen. Das letzte Mal sei er dann bei ihr im Haus gewesen. Sie habe gesagt, dass niemand zuhause sei, aber ihr Bruder sei trotzdem da gewesen. Er habe sich keine Treffen mit ihr ausmachen können, sondern oft mehrere Stunden vor ihrem Haus gewartet und gehofft, dass sie vorbeigehe. Er habe sie heiraten wollen. Er habe ihr das versprochen, aber zu einem formellen Antrag an die Familie sei es noch nicht gekommen. Sie hätten sich noch näher kennenlernen wollen. Auch aufgrund seines Studiums hätte sich nicht mehr ergeben. Er glaube aber nicht, dass das Mädchen schon jemand anderem versprochen worden sei. Sie habe ihm davon nichts erzählt. Sexuelle Kontakte habe er mit dem Mädchen nicht gehabt. Sie seien einander wohl nähergekommen und werden auch solche Kontakte von der Familie schon als Verhältnis angesehen.
Näher gefragt, wie es dazu gekommen sei, dass sie vom Bruder seiner Freundin „erwischt“ worden seien, gab er an, dass sie gemeinsam in das Haus gegangen wären. Sie seien dann ca. 15 bis 20 Minuten in dem Haus gewesen und seine Freundin sei in seinen Armen gelegen. Sie hätten sich unterhalten. Ihr Bruder habe offenbar durch das Fenster gesehen, dass sich jemand in dem Zimmer aufhalte. Er habe sein Hemd ausgezogen und sei nur in seinem Unterhemd gewesen. Er sei sehr schockiert gewesen, als ihr Bruder hereingekommen sei und habe dieser begonnen ihn zu schimpfen. Er sei auf ihn zugekommen und habe gewusst, dass er ihn angreifen werde. Er habe ihn aber zurückgestoßen. Der Bruder habe dann ein Messer aus der Tasche gezogen. Er habe ihn dann wieder gestoßen. Er sei dann gestolpert, er selbst habe weglaufen wollen, aber der Bruder des Mädchens habe ihn mit dem Messer am rechten Oberschenkel erwischt. Er sei dann schnell nach Hause gelaufen und habe dann bemerkt, dass er stark geblutet habe. Er sei ca. drei bis vier Minuten heimgelaufen.
Es sei keine tiefe Verletzung gewesen. Seine Mutter habe ihm dann eine Bandage angelegt und sei dann die Wunde durch einen privaten Arzt in Kabul mit zehn Nähten genäht worden. Seine Mutter habe viel geweint. Darum habe er dann auch gesagt, warum ihm diese Verletzung zugefügt worden sei. Seine Mutter habe gesagt, er solle schnell zu seinem Onkel mütterlicherseits nach Kabul fahren und sei er dann gleich mit einem Linientaxi nach Kabul zurückgefahren. Ob die Familie seiner Freundin ihn bei den Behörden angezeigt habe, wisse er nicht. Sie hätten sich auch eher an das Gericht der Taliban und nicht an das staatliche Gericht gewendet, da sie Paschtunen seien. Er wisse nichts vom Schicksal seiner Freundin. Er habe große Angst gehabt. Wenn man sie getötet hätte, hätte sich das schnell herumgesprochen, aber es könne auch sein, dass man das heimlich getan habe oder dass sie zuhause festgehalten werde. Über Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung angegeben habe, dass die Brüder seiner Freundin diese getötet hätten (AS 11), beim BFA hingegen, dass er das nicht gesagt hätte und das fälschlicherweise protokolliert worden sei, gab er an, dass er sich nicht sicher sei, was passiert sei, und nach diesem Vorfall sei er glaublich noch sechs oder sieben Tage in Afghanistan geblieben. Noch am selben Tag seien ihre Brüder vor ihr Haus (in Parwan) gekommen und hätten dort Schüsse abgefeuert. Gefragt nach weiteren Problemen mit staatlichen Behörden gab er an, dass er wegen Alkoholtrinkens ca. zwei Monate in einer Art Untersuchungshaft gewesen sei. Er sei zu 100 Peitschenschlägen und 6.000,-- Afghani Geldstrafe verurteilt worden. Die Polizei habe behauptet, dass er in seiner Trunkenheit andere belästigt habe, was aber nicht gestimmt habe. Er habe sich dann einen Anwalt genommen und seien ihm die 100 Peitschenschläge nachgelassen worden, die Geldstrafe von 6.000,-- Afghani habe er aber dann bezahlen müssen. Über Befrage durch die Beschwerdeführervertreterin gab der Beschwerdeführer nochmals an, dass er mit seiner Freundin keinen Geschlechtsverkehr gehabt hätte, aber es beinahe dazu gekommen wäre. Sie wären einander nähergekommen. Seine Mutter sei in Parwan auch gefährdet gewesen. Deswegen sei sie nach Kabul gezogen. Seine Mutter und er hätten Angst gehabt, dass sie als „Wiedergutmachung“ eine seiner Schwestern hergeben müsse. Alle drei Schwestern seien noch zu Hause geblieben. Es sei selbstverständlich, dass die Familie des Mädchens nach wie vor auf ihn böse sei. Sie würden auch Kenntnis davon haben, in welchem Land er sich aufhalte und habe er gehört, wenn er einmal seine Familie in Afghanistan besuchen würde, würden sie mit ihm abrechnen. Paschtunen würden in einer solchen Situation „nur rot sehen“. Er sei auch überzeugt, dass die Familie des Mädchens innerhalb von zwei Monaten nach seiner Rückkehr ihn in Afghanistan finden würde. Er glaube nicht, dass sich die Familie des Mädchens an die Behörden gewandt hätte, aber der Ruf der Familie des Mädchens sei in der Region geschädigt. In solchen Situationen sei es der einzige Weg, Rache zu nehmen.
Er sei mit Hilfe eines Schleppers über XXXX zu Fuß aus Afghanistan ausgereist. Er habe in Afghanistan noch einen Onkel mütterlicherseits, mit dem er einen besseren Kontakt habe. Er habe einen Onkel väterlicherseits, mit dem er keinen guten Kontakt habe. Auch zu seiner Mutter und zu seinen Schwestern habe er Kontakt. Seine Mutter sei über seine Lage besorgt. Sie versuche ihn aufzubauen, indem sie sage, dass alles gut werde. Die Familienangehörigen des Mädchens hätten seiner Familie keine Probleme verursacht. Seine Verwandten hätten diese auch bestimmt daran gehindert. Die Familie habe nur ihm Probleme machen wollen.
Er glaube nicht, dass er gesundheitliche Probleme habe, aber er glaube, dass er in letzter Zeit psychische Probleme bekommen habe. In Behandlung sei er aber nicht.
In Österreich habe der Deutschkurse besucht, sei aktiv gewesen, aber in letzter Zeit habe er wegen seiner Tochter Stress gehabt, außerdem habe er keine Arbeitserlaubnis bekommen und habe auch die Kursgebühr für einen B1-Kurs nicht zahlen können. Er lebe wohl in einer Asylunterkunft, habe aber eine Freundin, Frau XXXX . Diese lebe aber in Wien und er in XXXX . Sie hätten intensiven Kontakt über WhatsApp, ca. einmal im Monat würden Sie einander treffen. Seine Freundin sei 26 Jahre alt und von Beruf Behindertenbetreuerin. Er habe eine gute normale Beziehung mit ihr. Es stimme, dass er früher mit Frau XXXX zusammengelebt habe. Sie hätten eine schöne Zeit gemeinsam verbracht. Sie habe ihr Studium weiterführen wollen und sie hätten die Beziehung nicht fortgesetzt, aber sie seien nach wie vor befreundet.
Die Mutter seiner Tochter, XXXX , habe er vor ca. eineinhalb Jahren in XXXX kennengelernt. Sie hätten nur zwei Wochen eine Beziehung gehabt. Sie habe ihm nicht gesagt, dass sie einen Freund und mit diesen zwei Kinder habe. Nach zwei Wochen habe ihr Freund von der Beziehung erfahren. Er habe gesagt, dass er sie und die Familie in Ruhe lassen solle. Erst nach der Geburt der gemeinsamen Tochter XXXX hätten sie wieder Kontakt gehabt. Er hätte sie drei oder vier Mal gesehen. Einmal hätte er ihr auch mit etwas Geld ausgeholfen. Sie wollte einen Vaterschaftstest machen. Die gemeinsame Tochter habe er erstmals zufällig auf der Straße gesehen, dann hätten sie sich dreimal in einem Park getroffen. Befragt, ob er irgendeine Beziehung zu dem Baby bereits aufgebaut habe, gab er an, dass sie noch sehr klein sei, aber er liebe von Natur aus kleine Kinder und Tag für Tag stärke sich sein Gefühl zu ihr. Er spüre auch Schmerzen in der Brust, wenn er sie vermisse. Unterhalt habe er der Kindesmutter bisher keinen zahlen können, weil er in der Woche nur 45,-- Euro Unterstützung bekomme. Er fühle sich deswegen auch sehr schlecht. Er sei selbst teilweise ohne Vater aufgewachsen und habe nie gewollt, dass sein Kind das Gefühl habe, ohne Vater zu sein. Gefragt, ob Frau XXXX nach wie vor mit den beiden anderen Kindern und dem Kindesvater zusammenlebe, führte er aus, dass die beiden viele Probleme miteinander hätten. Einmal sei auch die Polizei gekommen, weil sie von ihrem Freund geschlagen worden sei. Für sie sei es eine „normale Sache“, gleichzeitig mehrere Freunde zu haben. Das habe ihn aber sehr traurig gemacht. Er habe sie auch schon mit einem anderen Mann gesehen.
Gefragt, wie er sich in Zukunft den Kontakt zur Tochter und Kindesmutter vorstelle, gab er an, dass er über die Mutter nichts sagen könne, aber die Tochter sei sehr wichtig für ihn. Er möchte ein normales Leben führen. Er möchte eine Stütze für seine Tochter sein und immer da sein, wenn sie ihn brauche, denn er ahne schon, dass sie kein einfaches Leben haben werde mit ihrer Mutter, die sich oft am Bahnhof mit Betrunkenen, die Bierdosen in Händen halten, unterhalte. Er glaube wohl nicht, dass sie alkohol- oder drogenabhängig sei, aber sie trinke Alkohol und konsumiere auch Cannabis. Die gemeinsame Tochter sei in der Obhut der Kindesmutter.
Er habe Deutschkurse A1 und A2 gemacht, er sei auch bei einem Kickboxclub gewesen, aber er habe den Mitgliedsbeitrag dann nicht mehr bezahlen können. In Österreich habe er auch schon bei Gartenarbeiten geholfen. Er habe auch Fußball gespielt und sei in einem Fitnessclub gewesen. Seine frühere Freundin habe ihm das Geld für die Mitgliedschaft gegeben. Er habe österreichische Freunde und insbesondere eine österreichische Freundin. Er komme grundsätzlich mit Österreichern sehr gut aus.
Gefragt nach seinen Plänen, wenn er in Österreich bleiben dürfte, gab er an, dass er viele Pläne habe. Das Wichtigste sei seine Tochter. Er möchte alles für sie tun. Er habe auch die Energie dazu. Er habe in Afghanistan ein Studium begonnen und möchte nicht sein ganzes Leben als Hilfsarbeiter arbeiten. Er brauche nur ein bis eineinhalb Jahre, um sich selbständig zu machen. Er möchte eine Putzfirma eröffnen.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan sei sein Leben dort gefährdet. Das Hauptproblem sei die Familie seiner ehemaligen Freundin, deren Ruf in der Region beschädigt sei und die sich zu der Feindschaft zu ihm bekennen würden. Zweites Problem sei das Gerichtsverfahren, bei dem er, wie er schon gesagt habe, zu 100 Peitschenhieben und 6.000,-- Afghani verurteilt worden sei, aber das Verfahren sei in die zweite Instanz gegangen, und dort sei er zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Er könne dazu, falls notwendig, auch den Akt der afghanischen Staatsanwaltschaft vorlegen. Er habe nur zwei Fotos. Er sei gegen Kaution freigelassen worden und habe eine Ladung vom Gericht.
Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, einen möglichst gut lesbaren Ausdruck der Urkunden, die sich auf seinem Mobiltelefon befinden würden, innerhalb von drei Wochen dem BVwG vorzulegen. Über Vorhalt, dass er jung, gesund und arbeitsfähig sei, eine höhere Schule besucht habe und Berufserfahrung habe, ob er sich nicht in Herat oder Mazar-e Sharif (wo er schon gelebt habe) niederlassen könne, gab er an, dass dies aus zwei Gründen nicht möglich sei. Wenn er zurückkehre, würden die ihn verfolgenden Personen innerhalb von zwei Wochen seinen Aufenthaltsort herausfinden, so wie sie erfahren hätten, dass er in Österreich lebe. Der zweite Grund ist, dass er wegen seiner Tochter nicht zurück könne. Wenn er zurückkehren müsse, werde er wegen seiner Tochter sicher wieder nach Österreich kommen.
Am Schluss der Verhandlung wurden den Verfahrensparteien gemäß § 45 Abs. 3 AVG folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von drei Wochen eingeräumt:
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation von Afghanistan vom 13.11.2019
? ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan betreffend Konsequenzen von vorehelichem Geschlechtsverkehr für Männer, A-8093-3 vom 10.08.2012
Verlesen wurde auch der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers, in dem keine Verurteilung aufscheint.
Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung gebracht, wobei hinsichtlich des Zina Tatbestandes darauf hingewiesen wurde, dass dem Beschwerdeführer eine langjährige Haftstrafe drohe und es unerheblich sei, ob es tatsächlich zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Hinsichtlich der allgemeinen Lage sei insbesondere hervorzuheben, dass die Sicherheitslage nach wie vor volatil sei und eine Neuansiedlung grundsätzlich nur dann zumutbar sei, wenn es starke familiäre und soziale Netzwerke gebe und außerdem Afghanistan am Beginn der COVID-19-Pandemie stehe und schließlich liege auch ein schützenswertes Privat- und Familienleben vor, wobei die Auswirkungen der Abschiebung auf das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen seien und die Tochter des Beschwerdeführers ein Recht auf persönlichen Kontakt mit beiden Elternteilen habe, wobei diesbezüglich in eventu auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Asylgesetz beantragt wurde. Beigeschlossen wurde ein Foto des Beschwerdeführers mit seiner Tochter, ein Unterstützungsschreiben von Frau XXXX sowie zwei nahezu unlesbare afghanische Urkunden.
Mit Schreiben vom 15.04.2020 wurde das Bundesverwaltungsgericht davon in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer wegen § 28a Abs. 1 SMG in Untersuchungshaft genommen wurde.
Mit Schreiben vom 11.09.2020 wurde das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 23.07.2020 zu Zahl XXXX vorgelegt, mit dem der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren wegen Vorbereitung von Suchtgifthandel und unerlaubten Umgangs mit Suchtgift verurteilt, wobei als mildernd das Geständnis und die Unbescholtenheit und als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet wurde.
Mit Schreiben vom 15.09.2020 wurde der aktuelle Länderbericht zu Afghanistan den Verfahrensparteien vorgehalten. In der Stellungnahme der Beschwerdeführervertretung wurde vorgebracht, dass sich die Situation in Afghanistan aufgrund der COVID-19-Pandemie zuletzt verschlechtert habe, wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 auf keiner Ebene möglich wären und dies auch massive Auswirkungen auf die afghanische Wirtschaft hätte. Es sei daher eine Rückkehr nach Afghanistan dem Beschwerdeführer aufgrund der derzeitigen Sicherheits- Gesundheits- und Versorgungslage nicht zumutbar.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, (praktizierender) Moslem, Sunnit, und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Er wurde XXXX geboren. Das genaue Geburtsdatum ist nicht feststellbar. Der Beschwerdeführer wurde in Kabul geboren, ist eine Zeit lang in Mazar- e Sharif aufgewachsen und hat dann ab dem 8./9. Lebensjahr wieder in Kabul gelebt. Seine Familienangehörigen zogen nach dem Tod seines Vaters nach Parwan, wo seine Mutter herstammte, der Beschwerdeführer verblieb jedoch bei seinem Onkel mütterlicherseits in Kabul und besuchte nur häufig seine Familienangehörigen in Parwan. Nach zwölf Jahren Schulbesuch begann er ein rechtswissenschaftliches Studium. Daneben arbeitete er als Helfer bei einem Installateur und in einer Druckerei sowie in einem Handyshop eines Freundes. Er und seine Familie hatten keine wirtschaftlichen Probleme in Afghanistan.
Zu den genauen Fluchtgründen können mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden. Jedenfalls hat der Beschwerdeführer kein „Zina-Verbrechen“ begangen und wurde auch nicht von den Behörden verfolgt. Er hat Afghanistan zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt verlassen und gelangte (spätestens) am 10.11.2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Seine Mutter und seine Geschwister (ein Bruder, drei Schwestern) leben jetzt alle in Kabul, er hat zu ihnen Kontakt. Nachdem eine Bandscheibenvorwölbung mittels Schmerztherapie (erfolgreich) bekämpft wurde, leidet der Beschwerdeführer aktuell unter keinen organischen Problemen, psychische Probleme sind nicht belegt. Der Beschwerdeführer hat in Österreich Kickboxen, Fitness und Fußball betrieben und Deutschkurse A1 und A2 mit Diplom abgeschlossen, weiters auch einen Werte- und Orientierungskurs besucht und gelegentlich Gartenarbeiten verrichtet. Er ist Vater der am 09.10.2019 geborenen österreichischen Staatsbürgerin XXXX . Der Beschwerdeführer lebt mit der Kindesmutter XXXX nicht zusammen. Die Pflege und Erziehung obliegt der Kindesmutter, die mit einem anderen Mann zusammenlebt und mit diesem zwei weitere Kinder hat. Nachdem der Beschwerdeführer eine Zeit lang mit Frau XXXX zusammengelebt hat, führt er nun mehr eine (Fern-)Beziehung mit Frau XXXX , die in Wien aufhältig ist. Der in XXXX aufhältige Beschwerdeführer trifft sie ca. einmal im Monat, es besteht jedoch ein intensiver Kontakt über elektronische Medien.
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des LG XXXX vom 23.07.2020, Zl. XXXX wegen § 28 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt.
Zu Afghanistan wird Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:
1. Länderspezifische Anmerkungen zu COVID-19:
Stand 21.7.2020
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.
Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan
Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).
Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).
Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe
Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).
Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).
Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).
Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).
Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).
Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).
Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans
Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).
Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).
In der Provinz Kabul gibt es zwei öffentliche Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln mit 200 bzw. 100 Betten. Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht (RA KBL 16.7.2020; WHO o.D).
In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).
In der Provinz Herat gibt es zwei Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln. Ein staatliches öffentliches Krankenhaus mit 100 Betten, das vor kurzem speziell für COVID-19-Patienten gebaut wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 19.3.2020) und ein Krankenhaus mit 300 Betten, das von einem örtlichen Geschäftsmann in einem umgebauten Hotel zur Behandlung von COVID-19-Patienten eingerichtet wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 4.5.2020). Es gibt Berichte, dass 47,6 Prozent der Menschen in Herat unter der Armutsgrenze leben, was bedeutet, dass oft ein erschwerter Zugang zu sauberem Trinkwasser und Nahrung haben, insbesondere im Zuge der Quarantäne aufgrund von COVID-19, durch die die meisten Tagelöhner arbeitslos blieben (RA KBL 16.7.2020; vgl. UNICEF 19.4.2020).
In der Provinz Daikundi gibt es ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Es gibt jedoch keine Auswertungsmöglichkeiten für COVID-19-Tests – es werden Proben entnommen und zur Laboruntersuchung nach Kabul gebracht. Es dauert Tage, bis ihre Ergebnisse von Kabul nach Daikundi gebracht werden. Es gibt Berichte, dass 90 Prozent der Menschen in Daikundi unter der Armutsgrenze leben und dass etwa 60 Prozent der Menschen in der Provinz stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (RA KBL 16.7.2020).
In der Provinz Samangan gibt es ebenso ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Wie auch in der Provinz Daikundi müssen Proben nach Kabul zur Testung geschickt werden. Eine unzureichende Wasserversorgung ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung. Nur 20 Prozent der Haushalte haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (RA KBL 16.7.2020).
Wirtschaftliche Lage in Afghanistan
Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).
Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).
Einreise und Bewegungsfreiheit
Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).
Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).
Quellen:
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? AnA – Andolu Agency (18.7.2020): Afghanistan: Virus cases hit low as testing declines, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-virus-cases-hit-low-as-testing-declines/1914895, Zugriff 20.7.2020
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Stand 29.6.2020
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.
Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).
In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).
In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).
Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).
Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen
In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).
Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).
Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung
Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).
Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen (RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wieder aufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).
Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).
Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan
Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Han