TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/15 W280 2235176-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §7 Abs4

Spruch

W280 2235176-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , nunmehr XXXX , geborene XXXX , geb. XXXX .02.197 XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RA Dr. Wolfgang WEBER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .04.202 XXXX , Zl. XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .09.202 XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .09.202 XXXX , Zl. XXXX , wird ersatzlos behoben.

II. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX .04.202 XXXX , Zl. XXXX , wird hinsichtlich Spruchpunkt II. (richtig: III.) insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes von fünf Jahren auf drei Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige von Serbien, reiste zuletzt am XXXX .01.202 XXXX in den Schengen-Raum und in der Folge nach Österreich ein. Die BF und ihr Ehegatte wurden am XXXX .04.202 XXXX im Bundesgebiet gemeinsam bei der Begehung einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung (Ladendiebstahl) auf frischer Tat betreten.

Nach erfolgter Festnahme wurde die BF am XXXX .04.202 XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (künftig BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen und am selben Tag über diese zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung mit Mandatsbescheid die Schubhaft angeordnet.

Mit dem oben im Spruch angeführten, nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX .04.202 XXXX , der BF persönlich übergeben am XXXX .04.202 XXXX , wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt und gegen die BF gem. § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt „I.“, richtig: II.), und gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt „II.“, richtig: III.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt „II.“, richtig: IV.).

Mit Strafverfügung vom XXXX .04.202 XXXX wurde über die BF gemäß § 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 500 verhängt. Dieser Betrag war bereits zuvor als Sicherheitsleistung eingehoben worden.

Die BF wurde am XXXX .05.202 XXXX aus der Schubhaft entlassen und reiste freiwillig aus dem Bundesgebiet aus, wobei sie die Grenze von Ungarn zu Serbien am XXXX .06.202 XXXX überschritt.

Gegen den oben genannten Bescheid der belangten Börde vom XXXX .04.202 XXXX wurde fristgerecht am XXXX .05.202 XXXX Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, die bei der belangten Behörde per Fax am XXXX .05.202 XXXX einlangte. Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich lediglich gegen den Spruchpunkt „II.“ (Einreiseverbot), dabei wird angemerkt, dass es richtig III. heißen müsste.

Mit an das BFA gerichtetem Schreiben vom XXXX .08.202 XXXX ersuchte die BF im Wege ihrer Rechtsvertretung, die bis dato nicht vorgelegte Beschwerde umgehend dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.

Mit der ebenfalls im Spruch angeführten Beschwerdevorentscheidung des BFA vom XXXX .09.202 XXXX zugestellt am selben Tag, wurde die Beschwerde der BF vom XXXX .05.202 XXXX gemäß § 7 Abs. 4 iVm § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der fristgerechte Vorlageantrag der BF vom XXXX .09.202 XXXX .

Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom BFA am XXXX .09.202 XXXX , eingelangt am XXXX .09.202 XXXX , unter Beifügung einer kurzen Stellungnahme vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die am XXXX .02.197 XXXX geborene BF ist Staatsangehörige der Republik Serbien und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie ist im Besitz eines am XXXX .01.201 XXXX ausgestellten und bis XXXX .01.202 XXXX gültigen serbischen Reisepasses. Ihre Identität steht fest.

Die BF wurde in Serbien geboren und ist gelernte Tabaktechnikerin. Sie war in Serbien zuletzt zwei Jahre lang arbeitslos, davor verdiente sie ca. EUR 220 monatlich.

Die BF hat am XXXX .01.202 XXXX in Serbien den serbischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX .11.197 XXXX , geheiratet. Ihr Ehegatte verfügte zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über einen österreichischen Aufenthaltstitel, war in Österreich aufhältig und hatte eine Arbeitsstelle in einem österreichischen Betrieb.

Die BF war von XXXX .12.201 XXXX bis XXXX .01.202 XXXX und ab XXXX .01.202 XXXX im Schengen-Raum aufhältig, bis sie am XXXX .04.202 XXXX in Österreich aufgegriffen wurde. Sie hat keinen österreichischen Aufenthaltstitel und verfügt auch nicht über eine Beschäftigungs- oder sonstige Arbeitsbewilligung. Die BF und ihr Ehegatte wurden am XXXX .04.202 XXXX im Bundesgebiet gemeinsam bei der Begehung einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung (Ladendiebstahl) auf frischer Tat betreten und waren bei der Vernehmung geständig. Sie hatten in einem Baumarkt Werkzeuge und Elektrokleinteile im Wert von insgesamt EUR 521,77 in ihren Jacken versteckt und den Kassenbereich durchschritten, ohne die Waren zu bezahlen. Dabei wurden sie von einem Ladendetektiv beobachtet, der die Polizei verständigte. Zu einer strafgerichtlichen Verurteilung der BF kam es in der Folge nicht. Im Strafregister der Republik Österreich scheint bei der BF keine Verurteilung auf.

Die BF verfügte bei der Einreise über ca. EUR 200 an Bargeld und abgesehen davon weder über ein Konto noch eine Kreditkarte oder über Vermögen. Zum Zeitpunkt der niederschriftlichen Einvernahme hatte die BF ca. EUR 17 bei sich. Sie hat in Österreich nicht gearbeitet und ist hier nicht versichert. Die BF verfügt nicht über eigene Mittel zur Bestreitung ihres Unterhalts. Ihr in Österreich befindlicher Ehegatte hat ihren Lebensunterhalt finanziert und sie wohnte mit ihrem Ehegatten in dessen Wohnung in XXXX . Die BF war dort jedoch zum Zeitpunkt ihres Aufgriffes nicht behördlich gemeldet, sondern weist dort lediglich vom XXXX .05.202 XXXX bis XXXX .06.202 XXXX eine Nebenwohnsitzmeldung auf. Abgesehen von ihrem Ehegatten hat die BF in Österreich keine Familienangehörigen und es bestehen auch keine sozialen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bindungen im Bundesgebiet. Die BF hat keine Kenntnisse der deutschen Sprache.

Die BF hat das Bundesgebiet inzwischen freiwillig verlassen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens, in dessen Rahmen Beweis erhoben wurde durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in die Beschwerde. Ergänzend wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister und dem Grundversorgungssystem zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Identität der BF und der Besitz eines serbischen Reisepasses ergeben sich aus den im Akt einliegenden Unterlagen, insbesondere aus einer Kopie ihres Reisepasses. Die Identität der BF steht aufgrund der Vorlage ihres Reisepasses fest.

Die Feststellungen zu ihren persönlichen und finanziellen Verhältnissen in Serbien sowie zur familiären Situation beruhen auf den eigenen, schlüssigen Angaben der BF bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, ebenso die Feststellungen zu den sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen. Dass die BF keine Kenntnisse der deutschen Sprache hat, ergibt sich daraus, dass bei den Einvernahmen ein Dolmetscher hinzugezogen werden musste, zudem wird in einem im Akt befindlichen Abschlussbericht der Polizei angemerkt, die BF sei der deutschen Sprache nicht mächtig.

Die Heirat der BF mit ihrem Ehegatten in Serbien sowie der bestehende Aufenthaltstitel des Ehegatten, sein Aufenthalt in Österreich und sein bestehendes Arbeitsverhältnis ergeben sich aus den Angaben der BF im Verfahren und insbesondere auch aus den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen, wie etwa einer serbischen Heiratsurkunde.

Die Aufenthalte der BF im Schengen-Raum ergeben sich aus der im Akt befindlichen Strafverfügung der Landespolizeidirektion XXXX . Dass die BF keinen österreichischen Aufenthaltstitel und keine Arbeitsbewilligung hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt und aus den Angaben der BF. Dass die BF und ihr Ehegatte am 25.04.2020 im Bundesgebiet gemeinsam bei der Begehung einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung (Ladendiebstahl) auf frischer Tat betreten wurden, einschließlich der genaueren Tatumstände, ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus einem Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX .04.202 XXXX , worin der Ablauf der Geschehnisse, der Warenwert sowie weitere Details vermerkt sind. Dass die BF und ihr Ehegatte bei der Vernehmung geständig waren, ergibt sich ebenfalls aus diesem Abschlussbericht der Polizei, wo ausgeführt wird, die Beschuldigten hätten sich geständig gezeigt. Zudem wurde die BF in der Einvernahme vor dem BFA befragt, ob sie den Ladendiebstahl an jenem Tag gemeinsam mit ihrem Ehegatten begangen habe, was sie bejahte. Zweifel daran, dass die BF die ihr vorgeworfene Tat begangen hat, haben sich demnach nicht ergeben. Eine allfällige strafgerichtliche Verurteilung der BF für diese Tat ergibt sich nicht aus der Aktenlage. Eine Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich ergab, dass die BF keine Verurteilung aufweist.

Die Feststellungen zu den konkreten finanziellen Verhältnissen der BF in Österreich (Bargeld bei der Einreise und zum Zeitpunkt der Einvernahme, Nichtbestehen von Konto, Kreditkarte oder Vermögen) beruhen auf ihren Angaben bei der Einvernahme vor dem BFA, ebenso wie die Tatsache, dass sie in Österreich nicht gearbeitet hat und hier nicht versichert ist. In einer Gesamtschau der von der BF angegebenen finanziellen Verhältnisse konnte jedenfalls die Feststellung getroffen werden, dass sie nicht über eigene Mittel zu ihrem Unterhalt verfügt. In der gegenständlichen Beschwerde wird ausgeführt, die BF sei aufgrund des Einkommens ihres Ehemannes und seiner ihr gegenüber bestehenden Sorgepflicht nicht mittellos, sondern sie werde von ihrem Mann unterstützt und erhalten. Dementsprechend wurde vorliegend auch festgestellt, dass der Ehemann den Lebensunterhalt der BF finanziert hat. Dies hat sie mehrfach angegeben, ebenso, dass sie mit ihrem Ehegatten in dessen Wohnung gewohnt hat. Die zum Zeitpunkt ihres Aufgriffes nicht bestehende Wohnsitzmeldung und die festgestellte Nebenwohnsitzmeldung ergibt sich aus einer Abfrage des Zentralen Melderegisters.

Dass die BF das Bundesgebiet inzwischen freiwillig verlassen hat, ergibt sich aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche – rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2.    Zu A) I. – Behebung der Beschwerdevorentscheidung

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Die belangte Behörde hat zunächst den Bescheid vom XXXX .04.202 XXXX erlassen und nach Einbringung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid am XXXX .05.202 XXXX den Bescheid vom XXXX .09.202 XXXX erlassen und damit die Beschwerde der BF gemäß § 7 Abs. 4 iVm § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen. Aus den Ausführungen der Behörde ist klar ersichtlich, dass diese eine Beschwerdevorentscheidung erlassen hat; im Spruch des Bescheides vom XXXX .09.202 XXXX wird ausdrücklich angeführt, dass es sich um eine Beschwerdevorentscheidung handelt. Dagegen hat die BF am XXXX .09.202 XXXX einen Vorlageantrag eingebracht. Der gegenständliche Vorlageantrag ist zulässig und rechtzeitig, ebenso die Beschwerde.

Aus der Entstehung der den Vorlageantrag regelnden Gesetzesbestimmung des § 15 VwGVG und den Gesetzesmaterialien ist zu schließen, dass nach Stellung eines Vorlageantrages die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft tritt (vgl. dazu etwa Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], § 15 Anm 9; Gruber in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2015] § 15 Rz 5). Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass die an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung den Beschwerdegegenstand bildet (vgl. VwGH 20.05.2015, Ra 2015/09/0025). Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt der Ausgangsbescheid allerdings Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX .04.202 XXXX langte am XXXX .05.202 XXXX per Fax bei der belangten Behörde ein. Die zweimonatige Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beginnt mit dem Einlangen der Beschwerde bei der Behörde (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], § 14 Anm 6). Die Frist fing somit per XXXX .05.202 XXXX zu laufen an und endete spätestens am XXXX .07.202 XXXX . Die Behörde führt in ihrer Beschwerdevorentscheidung auf S. 4 sogar ausdrücklich aus, der Vertreter der BF habe zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die Behörde bereits säumig sei. Wenn die Beschwerdevorentscheidung erst nach Ablauf dieser Frist erlassen wird (im vorliegenden Fall am XXXX .09.202 XXXX ), fehlt der belangten Behörde die Zuständigkeit zu deren Erlassung. Die Zuständigkeit des BFA ist bereits mit Ablauf der Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung untergegangen (vgl. dazu VwGH 28.02.2019, Ra 2019/01/0029, und – zur Berufungsvorentscheidung – VwGH 04.11.1996, 96/10/0109; Gruber in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2015] § 14 Rz 12; Hengstschläger/Leeb, AVG § 64a Rz 8). Die Beschwerdevorentscheidung vom XXXX .09.202 XXXX wurde somit von einer unzuständigen Behörde erlassen. Unzuständigkeiten sind von Amts wegen in jeder Phase des Verfahrens wahrzunehmen (VwGH 14.10.2015, 2013/04/0097; 21.01.1992, 91/11/0076) und durchbrechen den Grundsatz der Bindung an das Beschwerdevorbringen. Die Beschwerdevorentscheidung war schon aus diesem Grund gemäß § 27 VwGVG von Amts wegen als rechtswidrig zu beheben (vgl. Winkler in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2015] § 27 Rz 4; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 14 K7). Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet.

Da die Beschwerdevorentscheidung, wie oben ausgeführt, von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde, erwies sich diese als rechtswidrig und war daher – vor einer inhaltlichen Prüfung – spruchgemäß von Amts wegen ersatzlos zu beheben. Folglich bildet in dieser Konstellation der ursprüngliche, abgeänderte Bescheid, nämlich jener vom XXXX .04.202 XXXX , Zl. XXXX , den Prüfungsgegenstand im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3.3.    Zum Beschwerdegegenstand

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich ausdrücklich lediglich gegen den Spruchpunkt II., richtig: III. (Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von fünf Jahren) des Bescheides vom XXXX .04.202 XXXX und lässt dessen übrige Spruchpunkte unangefochten, weshalb diese Spruchteile (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat, Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) in Rechtskraft erwachsen und nicht vom Umfang des Beschwerdeverfahrens umfasst sind.

3.4.    Zu A) II. – Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes

Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbotes ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

§ 53 Abs. 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert.

Dies ist demnach beispielsweise der Fall, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). In den Fällen des § 53 Abs. 2 FPG kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt der betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbotes in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 1, 10 ff).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache einer allfälligen Verurteilung oder Bestrafung des Fremden an, sondern auf das dieser zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (vgl. VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).

Serbische Staatsangehörige, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind gemäß Art. 4 Abs. 1 iVm Anhang II Visumpflichtverordnung (Verordnung [EU] 2018/1806 ABl. Nr. L 303 vom 14.11.2018) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Die BF durfte daher unter den Einreisevoraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit a, c, d und e Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399 ABl. Nr. L 77 vom 09.03.2016) in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen und sich dort gem. Art. 20 Schengener Durchführungsübereinkommen unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 lit a, c, d und e Schengener Durchführungsübereinkommen frei bewegen.

Zu diesen Voraussetzungen gehört unter anderem, dass sie den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthaltes belegen kann, über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthaltes als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem ihre Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben, und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellt.

Oben wurde bereits ausgeführt, dass die BF jedenfalls nicht über eigene Mittel zur Bestreitung ihres Unterhalts verfügt. Die belangte Behörde ist daher prinzipiell zu Recht von einer Gefährdung öffentlicher Interessen im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG durch die BF ausgegangen. Die BF bringt allerdings vor, dass ihr in Österreich befindlicher Ehegatte ihren Lebensunterhalt finanziert habe, was gegenständlich auch festgestellt wurde. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist folglich davon auszugehen, dass die aus dem Fehlen ausreichender Finanzmittel seitens der BF grundsätzlich abzuleitende Gefährdung öffentlicher Interessen vorliegend jedenfalls deshalb reduziert ist, weil die BF gegenüber ihrem Ehemann – auch nach serbischem Recht (Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Serbien S. 27) – einen Unterhaltsanspruch hat (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0129).

Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, geht von der BF aber auch anderweitig eine Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen aus. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die BF wie festgestellt – gemeinsam mit ihrem Ehegatten – bei der Begehung einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung auf frischer Tat betreten wurde. Dabei handelte es sich um einen Ladendiebstahl. Die BF und ihr Ehegatte haben in einem Baumarkt Werkzeuge und Elektrokleinteile im Wert von EUR 521,77 in ihren Jacken versteckt und den Kassenbereich durchschritten, ohne die Waren zu bezahlen. Damit ist der Tatbestand des § 127 StGB (Diebstahl: Wegnahme einer fremden beweglichen Sache) vollendet, die Strafdrohung hierbei ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der Dauer bis zu sechs Monaten. Dass die BF dabei mit Bereicherungsvorsatz gehandelt hat, steht angesichts der Tatumstände außer Zweifel. Die BF hat die von ihr begangene Tat auch eingestanden. Zu einer strafgerichtlichen Verurteilung der BF kam es in der Folge nicht und im Strafregister scheint bei der BF keine Verurteilung auf. Dennoch erachtet es das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer selbständigen Prüfung – auch angesichts des vorliegenden Geständnisses – als gegeben, dass die BF die ihr vorgeworfene Tat auch tatsächlich begangen hat. Angesichts der bei der BF vorliegenden finanziellen Lage ist auch nicht auszuschließen, dass sie im Fall eines künftigen Aufenthaltes in Österreich wieder strafbare Handlungen, namentlich gegen fremdes Vermögen, begehen wird, sodass Wiederholungs- bzw. Tatbegehungsgefahr vorliegt. Die vorgebrachte finanzielle Unterstützung der BF durch ihren Ehemann hat sie nicht davon abgehalten, sich – gemeinsam mit ihrem Ehemann, der ein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis und somit ein Einkommen aufweisen konnte – an fremdem Vermögen unrechtmäßig zu bereichern. Somit ist festzuhalten, dass von der BF eine Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz des Eigentums ausgeht.

Hinzu kommt noch, dass sich die BF, wie die belangte Behörde festgestellt hat, nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, wobei im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben kann, ob der Aufenthalt der BF mangels ausreichender finanzieller Mittel von vornherein unrechtmäßig war oder dies erst durch die Überschreitung der visumfreien Aufenthaltsdauer geschehen ist. Somit hat die BF gegen fremdenrechtliche Vorschriften verstoßen. Die Einreise und der Aufenthalt der BF erfolgte jedenfalls nicht zu rein touristischen Zwecken, sondern hat die BF in Österreich eine strafbare Handlung begangen. Zusätzlich wohnte sie mit ihrem Ehegatten in dessen Wohnung, war dort jedoch zum Zeitpunkt ihres Aufgriffes nicht behördlich gemeldet, sondern weist dort lediglich vom 12.05.2020 bis 17.06.2020 eine Nebenwohnsitzmeldung auf. Damit hat die BF auch die melderechtlichen Bestimmungen nicht eingehalten.

In einer Gesamtbetrachtung ist von einer nicht nur geringfügigen aktuellen Gefährdung öffentlicher Interessen durch die BF auszugehen. Sie hat gegen strafrechtliche, fremdenrechtliche und melderechtliche Vorschriften verstoßen, weist in Österreich keinen Versicherungsschutz auf und vermag ihren Lebensunterhalt nur durch Unterstützung ihres Ehemannes zu bestreiten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die BF auch künftig versuchen wird, entgegen den geltenden Bestimmungen in das Bundesgebiet einzureisen und sich hier aufzuhalten, weiters kann auch eine neuerliche Straftat der BF nicht ausgeschlossen werden. Hat sie doch in einer Zusammenschau ihres bisherigen Verhaltens und ihrer persönlichen Umstände (Missbrauch der Visumfreiheit, Umgehung des Meldegesetzes, fehlende eigene Finanzmittel und Versicherung, Begehung einer strafbaren Handlung) keine Bereitschaft gezeigt, sich an österreichische Rechtsvorschriften betreffend den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in Österreich zu halten.

Angesichts des dargestellten Fehlverhaltens kann der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, wenn diese im vorliegenden Fall von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die BF ausging, welche die Anordnung eines Einreiseverbotes erforderlich machen würde.

Diese Maßnahme erscheint angesichts der vorliegenden Schwere der Verstöße gegen österreichische Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommenen Fehlverhaltens der BF zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele unbedingt geboten.

Der (weitere) Aufenthalt der Drittstaatsangehörigen gefährdet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig. Umstände, die im vorliegenden Fall gegen diese Gefährdungsannahme sprechen könnten, sind nicht hervorgekommen.

Dieses öffentliche Interesse überwiegt in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung das private Interesse der BF an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten: In Österreich befindet sich der Ehemann der BF, den sie am 15.01.2020 in Serbien geheiratet hat. Die beiden haben auch zusammen gewohnt, somit ist prinzipiell von einem bestehenden Familienleben der BF mit ihrem Ehegatten in Österreich auszugehen. Weitere Familienangehörige der BF befinden sich nicht in Österreich. Das Interesse der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet ist jedoch durch verschiedene Faktoren gemindert. Die Heirat erfolgte zu einem Zeitpunkt, als beiden Ehepartnern der unsichere Aufenthaltsstatus der BF bekannt war, zumal diese nie über eine – die erlaubte visumfreie Aufenthaltsdauer übersteigende – Aufenthaltserlaubnis in Österreich verfügte. Der BF musste daher bewusst sein, dass ihr Aufenthalt in Österreich – verbunden mit der Begründung einer rechtlich formalisierten Beziehung mit ihrem Ehegatten (Heirat im Jänner 2020) – im Hinblick auf den nur 90-tägigen visumfreien Aufenthalt in Österreich innerhalb eines Halbjahreszeitraumes und ohne eine darüberhinausgehende Aufenthaltsberechtigung jeweils nur ein vorübergehender ist. Im Übrigen erscheint es zumutbar, den Kontakt der BF zu ihrem Ehemann für den Zeitraum des Einreiseverbotes durch Telefon oder gegebenenfalls Internet sowie durch Besuche desselben in Serbien vorübergehend aufrechtzuerhalten. Die BF hat sich bisher nur sehr kurz und noch dazu nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Nach der Eheschließung in Serbien ist die BF wieder nach Österreich eingereist und hier entgegen den fremdenrechtlichen Bestimmungen verblieben. Da sie auch nicht behördlich gemeldet war, konnte ihr unrechtmäßiger Aufenthalt erst im Rahmen der Festnahme nach der begangenen strafbaren Handlung festgestellt werden. Dass die BF abseits ihres Ehemannes im Bundesgebiet über Bindungen zu Verwandten und Freunden, die sich außerhalb des serbischen Herkunftskreises gründen, verfügt, wird von dieser weder behauptet, noch sind diesbezügliche Anhaltspunkte zu Tage getreten. Auch der mangelnde Nachweis von Kenntnissen der deutschen Sprache auf zumindest A1-Niveau, ist ebenfalls nicht geeignet die erforderliche Abwägung für die BF positiv zu beeinflussen. Integrationsschritte in irgendeiner Form hat sie nicht gesetzt. Da die BF unbestrittenermaßen weder über finanzielle Mittel, noch über eine legale Erwerbsmöglichkeit in Österreich verfügt, sondern vielmehr ihren Aufenthalt im Bundesgebiet in Abhängigkeit von ihrem Ehemann bestritt, lässt sich auch daraus keine Gewichtung zu Gunsten der BF ableiten. Hingegen ist noch von starken Bindungen der BF zu ihrem Herkunftsstaat auszugehen. Die BF wurde in Serbien geboren, hat dort einen Beruf erlernt und sich dort auch bis zuletzt aufgehalten. Von einer Kenntnis der serbischen Sprache ist auszugehen. Die BF ist zwar strafgerichtlich unbescholten, auf ihre eingestandene strafbare Handlung wurde bereits eingegangen.

Das von der belangten Behörde angeordnete Einreiseverbot erweist sich somit dem Grunde nach als zulässig.

Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes mit fünf Jahren als nicht angemessen. Dies aus nachfolgenden Erwägungen:

Gemäß § 53 Abs. 2 erster Satz FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 vorbehaltlich des Abs. 3 für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Das dargestellte Verhalten der BF ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung an der Verhinderung strafbarer Handlungen und an einem geordneten Fremdenwesen zuwidergelaufen.

Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 2 FPG sind – in Abgrenzung zu den in Abs. 3 leg. cit. angeführten besonders qualifizierten Straftaten – auch Verwaltungsübertretungen mit objektiv höherem Unrechtsgehalt zu berücksichtigen.

Die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von fünf Jahren, die sohin dem zu verhängenden Höchstmaß von fünf Jahren entspricht, steht jedoch schon im Vergleich zu den im gegenständlichen Fall tatsächlich begangenen Verwaltungsübertretungen bzw. zur begangenen Straftat außer Relation.

Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der aufgrund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände der BF getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Einreiseverbotes daher in angemessener Weise auf drei Jahre herabzusetzen und der Beschwerde insoweit stattzugeben.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 14.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung aufgrund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.5.    Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Beschwerdevorentscheidung Dauer Einreiseverbot ersatzlose Behebung Gefährdung der Sicherheit Gefährlichkeitsprognose Herabsetzung illegaler Aufenthalt Ladendiebstahl Mittellosigkeit Teilstattgebung unzuständige Behörde Vorlageantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W280.2235176.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten