Entscheidungsdatum
16.10.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G314 2235958-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX in XXXX gegen den Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .09.2020, XXXX , betreffend Zeugengebühren (Grundverfahren XXXX des Bezirksgerichts XXXX ):
A) Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheids an den Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX zurückverwiesen wird.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer XXXX (im Folgenden kurz BF) ist Angeklagter im Strafverfahren XXXX des Bezirksgerichts XXXX (Grundverfahren). In diesem Verfahren fand am XXXX .2020 in der Zeit von XXXX Uhr bis XXXX Uhr eine Hauptverhandlung statt, in der (unter anderem) der ladungsgemäß erschienene XXXX als Zeuge vernommen wurde. In der Ladung wurde seine Anschrift mit „ XXXX “ angegeben. Der Zeuge teilte dem Gericht erst am Verhandlungstag mit, dass er von einem weiter entfernten Ort, nämlich XXXX , zur Vernehmung angereist war.
Der im Grundverfahren zuständige Verhandlungsrichter bestätigte auf dem der Zeugenladung angeschlossenen Formular „Gebührenbestimmung und Zahlungsanweisung“ formlos, dass der Zeuge um XXXX Uhr entlassen worden sei, und kreuzte bei der entsprechenden Rubrik an, dass die unmittelbare Vernehmung erforderlich gewesen sei. Eine förmliche Entscheidung darüber erging nicht.
Der Zeuge legte diverse Unterlagen zu seinem Gebührenanspruch vor. Ihm wurde am 08.09.2020 telefonisch ein Gebührenbetrag von EUR 252,40 bekannt gegeben, mit dem er sich einverstanden erklärte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Gebühr des Zeugen mit EUR 252,40 bestimmt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus EUR 214,40 an Reisekosten (EUR 107,20 Bahnfahrt XXXX und retour) und EUR 38 an Verpflegungsmehraufwand (Mittag- und Abendessen am Anreisetag sowie Frühstück, Mittag- und Abendessen am Rückreisetag). Der Zeuge habe weder Übernachtungskosten noch eine Entschädigung für Zeitversäumnis geltend gemacht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF, mit der er geltend macht, dass ihm der Hauptverhandlungstermin am XXXX .2020 nicht bekannt gegeben worden sei und er daher nicht bereit sei, die Zeugengebühren zu übernehmen.
Der Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens iSd § 233 Abs 3 Geo dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und aus dem Gerichtsakt des BVwG. Da die Beschwerde den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegentritt, erübrigt sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehendere Beweiswürdigung.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über die vorliegende Bescheidbeschwerde iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG grundsätzlich meritorisch zu entscheiden. Die in § 28 Abs 3 und 4 VwGVG vorgesehene Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde kommt nur in Betracht, wenn der maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht, weil behördliche Ermittlungsschritte fehlen. Die Behörde ist in solchen Fällen an die rechtliche Beurteilung des BVwG gebunden.
Von der Möglichkeit einer Zurückverweisung kann nur bei qualifizierten Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 28 VwGVG Anm 13; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 830 und 842), wie sie hier vorliegen.
Dabei ist von folgender rechtlicher Beurteilung auszugehen: Wenn die Zeugengebühr in Strafsachen (wie hier) EUR 200 übersteigt, ist gemäß § 21 Abs 2 Z 2 GebAG auch der Anklagevertretung sowie jenen Personen, gegen die sich das Verfahren richtet, eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung über die Gebührenbestimmung zuzustellen, soweit sie zum Ersatz der Kosten verpflichtet werden können. Diese Personen können gemäß § 22 Abs 1 GebAG dagegen eine Beschwerde an das BVwG erheben.
Da der Angeklagte gemäß § 381 Abs 1 Z 4 iVm § 389 StPO zur Tragung der Kosten aus dem Ausland geladener Zeugen verpflichtet sein kann, ist der BF zur Erhebung der Beschwerde legitimiert.
Gemäß § 1 Abs 1 GebAG haben (unter anderem) Personen, die als Zeugen in gerichtlichen Verfahren tätig sind, Anspruch auf Zeugengebühren nach dem GebAG. Der Anspruch auf die Gebühr steht gemäß § 4 Abs 1 GebAG (soweit hier relevant) dem Zeugen zu, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen wurde. Dabei ist es entgegen der Beschwerdeargumentation irrelevant, ob der angeklagte BF Kenntnis vom Verhandlungstermin hatte oder nicht (zumal ihm laut Verhandlungsprotokoll die Ladung durch Hinterlegung zugestellt, aber nicht behoben wurde).
Der Zeuge wurde unter einer Anschrift in XXXX zur Verhandlung am XXXX .2020 geladen und verständigte das Gericht vorab nicht davon, dass er zu dem Termin aus der Schweiz anreisen werde. Die durch die längere Anreise und den größeren Zeitverlust höhere Zeugengebühr ist ihm daher gemäß § 4 Abs 2 GebAG nur dann zu ersetzen, wenn das Gericht seine unmittelbare Vernehmung für erforderlich hält und deren Notwendigkeit bestätigt.
Diese Bestätigung ist (anders als der Vermerk über den Zeitpunkt der Entlassung des Zeugen, der eine bloße Wissenserklärung ist) ein Akt der Rechtsprechung, der in Form eines Beschlusses gesetzt werden muss, gegen den den Beteiligten ein Rechtsmittel offensteht. Das formlose Ankreuzen der entsprechenden Rubrik auf dem Ladungsformular oder ein Aktenvermerk des Verhandlungsrichters ist nicht ausreichend und ersetzt die Erlassung und Zustellung eines entsprechenden Beschlusses nicht. Das zur Gebührenbestimmung berufene Justizverwaltungsorgan (hier der Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX ) ist dann an die rechtskräftige Entscheidung des Verhandlungsrichters über die Notwendigkeit der unmittelbaren Vernehmung gebunden und kann nicht selbst beurteilen, ob die unmittelbare Vernehmung des Zeugen vor dem Gericht erforderlich war oder nicht (vgl. Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG4 § 4 GebAG Anm 1 mwN und § 20 GebAG Anm 4 und 5; zu anderen vergleichbaren Bestätigungen im Zeugengebührenrecht siehe auch § 2 GebAG E 12 und § 10 GebAG E 3).
Über den Antrag des Zeugen auf Ersatz der Kosten für die Anreise von einem weiter entfernten Ort als dem Ladungsort kann daher erst entschieden werden, wenn eine rechtskräftige, beschlussmäßige Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs 2 GebAG vorliegt (siehe dazu auch Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG4 § 10 GebAG Anm 3 mwN).
Da ein solcher Beschluss hier nicht vorliegt und dazu auch keine Ermittlungsschritte gesetzt wurden, ist der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit an den Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX zurückzuverweisen, zumal das Gebührenbestimmungsverfahren insoweit ergänzungsbedürftig ist und die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das BVwG nicht vorliegen, weil zu einem wesentlichen Sachverhaltselement noch keine Entscheidungsgrundlage vorliegt.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 08.11.2018, Ra 2018/22/0232). Es liegt zwar (soweit überblickbar) keine aktuelle Rechtsprechung des VwGH zur Frage, welche Vorgangsweise bei der Bestätigung gemäß § 4 Abs 2 GebAG einzuhalten ist, vor; die zugrundeliegende Rechtsfrage ist aber aufgrund der vorhandenen Rechtsprechung zu anderen Bestätigungen im Verfahren zur Bestimmung der Zeugengebühren (z.B. §§ 2 Abs 2 und 10 Z 3 GebAG), die auf die hier vorliegende Konstellation übertagen werden kann, nicht klärungsbedürftig.
Schlagworte
Auslandsbezug Ermittlungspflicht Gebührenanspruch Gebührenbestimmung - Gericht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Reisekosten ZeugengebührEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2235958.1.00Im RIS seit
21.01.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021