TE Bvwg Beschluss 2020/10/19 W236 2224719-3

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Veröffentlicht am 19.10.2020
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Entscheidungsdatum

19.10.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W236 2224719-3/3E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.10.2020, Zl. 1229810303/200002901, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine und Russische Föderation, vertreten durch den Verein LegalFocus, beschließt das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, und § 22 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Asylverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine von der Halbinsel Krim stammend, stellte nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.05.2019 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Begründend gab er dazu im Wesentlichen an, gläubiger Zeuge Jehovas zu sein und zweimal wöchentlich mit anderen Zeugen Jehovas die Bibel studiert zu haben. Versammlungen von Zeugen Jehovas seien jedoch verboten. Aufgrund eines Treffens in einem Park mit einem anderen Zeugen Jehovas seien am 20.03.2019 um sieben Uhr früh Beamte des FSB zu ihm gekommen und hätten ihm einen Durchsuchungsbefehl überreicht. Seine Wohnung sei durchsucht und die PC-Festplatte beschlagnahmt worden. Dann sei er zu einer Vernehmung mitgenommen worden, wo er gefragt worden sei, ob er Mitglied einer religiösen Organisation sei. Er sei zu seinem Freund befragt worden, gegen den ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Nach der Vernehmung sei er entlassen, sein Handy aber beschlagnahmt worden. Er habe daraufhin Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung eingelegt und einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Er sei als Zeuge in einem Strafverfahren geführt worden. Bei der Vernehmung sei ihm aber gesagt worden, dass er auch Tatverdächtigter sei. Seine Bibel sei ebenfalls beschlagnahmt worden. Am 06.05.2019 sei ein FSB-Mann zu ihm nach Hause gekommen und habe die Telefonnummer des Ermittlers hinterlassen. Er solle diesen anrufen und zu einer ergänzenden Vernehmung kommen. Er habe am 08.05.2019 angerufen und dann den Entschluss zur Ausreise gefasst. In der Woche darauf hätte er zur Vernehmung kommen sollen.

1.3. Mit Bescheid vom 23.09.2019, Zl. 1229810303/190485693, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

1.4. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 27.11.2019, GZ. W212 2224719-1/3E, als unbegründet ab, da sich das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ausschließlich auf die Halbinsel Krim bzw. die Russische Föderation beziehe, ihm jedoch in der restlichen Ukraine keine Verfolgung drohe. Dem Beschwerdeführer stehe daher eine innerstaatliche Fluchtalternative innerhalb des von ukrainischen Sicherheitskräften kontrollierten Staatsgebiets der Ukraine zur Verfügung.

2. Zweites (gegenständliches) Asylverfahren:

2.1. Am 02.01.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz. Hierzu wurde er am 02.01.2020 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab im Wesentlichen an, Österreich seit Abschluss seines ersten Asylverfahrens nicht verlassen zu haben. Seine Mutter habe am 11.12.2019 erfahren, dass er nicht mehr nur als Zeuge, sondern nunmehr auch als Beschuldigter geführt werde. Sein Freund stehe mittlerweile vor Gericht, es drohen ihm sechs bis zehn Jahre Haft. Er selbst sei nunmehr in der Anklageschrift auch als Beschuldigter geführt, weswegen ihn zu Hause ein Strafprozess erwarte. Seine Mutter habe ihm dieses behördliche Schriftstück nach Österreich nachgesendet. Zudem müsse er anmerken, dass er in seinem ersten Asylverfahren als ukrainischer Staatsbürger geführt worden sei. Russland habe jedoch im Jahr 2014 die Krim erobert und es seien alle Dokumente auf Russland umgeschrieben worden. Er habe zwar noch ukrainische Dokumente, allerdings akzeptiere die Ukraine seine Staatsbürgerschaft nicht mehr. Er habe also nur noch die russische Staatsbürgerschaft.

2.2. Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.10.2020 gab der Beschwerdeführer zu den Gründen seiner neuen Antragstellung im Wesentlichen an, in Russland laut § 282.01 Abs. 1 als Beschuldigter geführt zu werden und sechs bis zehn Jahre Freiheitsstrafe zu befürchten. Sein Freund sei mittlerweile zu sechs Jahren Haft verurteilt worden und sitze jetzt in Krasnodar in Haft. Gegen den Beschwerdeführer werde dasselbe Verfahren geführt. Er könne nicht nach Russland zurückkehren, da ihm dort ebenfalls zumindest sechs Jahre Haft drohen. Er habe diverse Unterlagen und könne diese übersetzen lassen. Er sei gesund, nehme aber Magenschutztabletten.

2.3. Mit dem im Anschluss an die Einvernahme mündlich verkündeten Bescheid vom 14.10.2020, wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 aufgehoben. Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Asylverfahren dieselben Gründe angegeben habe, wie in dem bereits abgeschlossenen Vorverfahren. Seine nunmehrigen Angaben führen jedenfalls nicht zu einer entscheidungsrelevanten Änderung des Sachverhaltes. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht hinreichend geändert, weswegen der neue Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein werde. Auch hinsichtlich seiner gesundheitlichen und sonstigen persönlichen Verhältnisse in Österreich sei keine Änderung eingetreten, weswegen sein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz auch in dieser Hinsicht zurückzuweisen sein werde.

2.4. Der Verwaltungsakt langte am 16.10.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund der Anträge auf internationalen Schutz, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Bescheide des Bundesamtes und des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakten, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführten Personalien, ist Staatsangehöriger der Ukraine und der Russischen Föderation. Seine Identität steht fest. Er gehört der Volksgruppe der Russen an und bekennt sich zum Glauben der Zeugen Jehovas. Er beherrscht die Sprachen Ukrainisch und Russisch.

In Österreich lebt der zum dauerhaften Aufenthalt berechtigte Bruder des Beschwerdeführers samt Ehefrau und gemeinsamem Kind. Der Beschwerdeführer lebt mit diesen nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Hinweise auf ein besonderes Naheverhältnis oder gegenseitige Abhängigkeit sind nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Deutschkenntnisse, bezieht Grundversorgung und ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Es konnte im Fall des Beschwerdeführers keine besonders schützenswerte Integration im Bundesgebiet festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Auf der Halbinsel Krim leben die Eltern des Beschwerdeführers, die als Ärzte tätig sind. Der Beschwerdeführer verfügt über einen Schulabschluss und war Informatikstudent, zusätzlich ging er als Handelsvertreter einem Erwerb nach und wurde von seinen Eltern finanziell unterstützt.

1.2. Zum Verfahrensgang und dem Vorbringen des Beschwerdeführers:

Der Ablauf des Verfahrensganges wird festgestellt, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im aktuellen Asylverfahren zu seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz bezieht sich ausschließlich auf jene Gründe, die er bereits in seinem ersten Asylverfahren geltend machte und die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2019, GZ. W212 2224719-1/3E, wegen der Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Ukraine als nicht asylrelevant gewertet wurden. Dem Beschwerdeführer steht die Möglichkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative des von ukrainischen Sicherheitskräften kontrollierten Staatsgebiets der Ukraine nach wie vor zur Verfügung.

Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den letzten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers kann ebensowenig festgestellt werden, wie das Vorliegen einer maßgeblichen Bedrohung des Beschwerdeführers in der Ukraine abseits der Halbinsel Krim. Neue Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer im Vergleich zu seinem Vorverfahren im Zuge seines zweiten Asylverfahrens nicht vor. Der Folgeantrag wird daher voraussichtlich zurückzuweisen sein.

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2019, GZ. W212 2224719-1/3E).

Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des Covid-19 Erregers kann für die Herkunftsstaaten Ukraine und Russische Föderation derzeit keine derartige Entwicklung erkannt werden, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageveränderung erkennen lässt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zur Identität des Beschwerdeführers und seinen beiden Staatsbürgerschaften ergibt sich aus den bereits in den Vorverfahren vorgelegten Identitätsdokumenten (ukrainischer Reisepass und russischer Reisepass, AS 17 und 19 des Erstverfahrens). Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, der Religion und den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers basieren auf seinen eigenen Angaben und wurden zudem schon im Vorverfahren festgestellt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers sowie seiner mangelnden Integration in Österreich ergeben sich aus Abfragen aus den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem), aus seinen Angaben in seinen Asylverfahren sowie aus einer Einsicht in den Gerichtsakt des Bruders des Beschwerdeführers zur Zahl W103 2117820-1.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist und an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, ist auf dessen Angaben in der Einvernahme vom 14.10.2020 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich seiner Gesundheit gestützt. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister am 16.10.2020.

Die Feststellungen zu seinen Privat- und Familienverhältnissen und zu den Umständen im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem bezüglich dieser Feststellungen widerspruchsfreien und daher glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem Bundesamt.

2.2. Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang und zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Der oben unter Punkt I. angeführte sowie festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Verfahren auf Grund der zwei Anträge auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer begründete bereits seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 12.05.2019 im Wesentlichen damit, aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas auf der Halbinsel Krim und in der Russischen Föderation einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Aufgrund eines Treffens mit einem Freund im Park sei seine Wohnung vom FSB durchsucht und er zur Vernehmung mitgenommen worden. Gegen seinen Freund sei ein Verfahren eingeleitet worden und er selbst werde als Zeuge geführt, doch sei im Raum gestanden, dass auch er als Tatverdächtiger gelte. Soweit der Beschwerdeführer diese Gründe neuerlich als Grundlage für seine gegenständliche Asylantragstellung nennt, handelt es sich hiebei somit weder um einen neuen Sachverhalt noch um einen solchen der – aufgrund der Möglichkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative – asylrelevant wäre.

Dem „neuen“ Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe über seine Mutter mittlerweile erfahren, dass er nunmehr selbst als Beschuldigter geführt werde und gegen ihn das gleiche Verfahren wie gegen seinen Freund eröffnet worden sei, der zu sechs Jahren Haft verurteilt worden sei und in Krasnodar im Gefängnis sitze, ist entgegen zu halten, dass es sich hiebei um keinen Sachverhalt handelt, der zu einer Andersbeurteilung seiner Angaben im Erstverfahren geführt hätte. Bei diesem „neuen“ Vorbringen des Beschwerdeführers handelt es sich erneut um einen Sachverhalt, der sich ausschließlich auf das Gebiet der Halbinsel Krim und jenes der Russischen Föderation bezieht. Dem Beschwerdeführer steht nach wie vor die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in das von ukrainischen Sicherheitskräften kontrollierten Staatsgebiets der Ukraine zur Verfügung. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, er sei gar kein ukrainischer Staatsbürger mehr, da die Ukraine seine Dokumente nicht mehr anerkenne, sei auf die im Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen verwiesen und ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer zwar grundsätzlich beizupflichten ist, dass die Gesetzgebung der Ukraine die einzige Staatsbürgerschaft vorsieht. Dies bedeutet, dass im Fall der legalen Annahme einer anderen Staatsbürgerschaft, ein Verzicht auf die ukrainische Staatsbürgerschaft abgegeben werden muss. Von den russischen Behörden werden jedoch, entgegen ukrainischen und internationalen rechtlichen Normen, russische Reisepässe an die Bevölkerung der Krim mit ukrainischer Staatsbürgerschaft ausgegeben. Diese Reisepässe der Russischen Föderation für Einwohner der Krim, werden international nur von einigen Ländern anerkannt (Nordkorea, Bolivien, Nicaragua, Armenien). Da die Beendigung der Staatsbürgerschaft der Ukraine aber erst durch einen entsprechenden Erlass des Präsidenten der Ukraine erfolgen kann, bleiben nach ukrainischem Recht die Einwohner der Krim Staatsbürger der Ukraine. Der Beschwerdeführer kann somit auf dem restlichen Gebiet der Ukraine (abgesehen von der Halbinsel Krim) Rückzug finden. Seine nunmehrigen Angaben stellen somit lediglich eine Fortsetzung seines bereits im Erstverfahren getätigten Vorbringens dar.

Lediglich am Rande sei hier zudem angemerkt, dass der Beschwerdeführer zwar mehrfach davon spricht, im Besitz von Unterlagen zu sein, die sein Fluchtvorbringen untermauern könnten, er zur Vorlage selbiger jedoch nicht in der Lage war.

Zusammenfassend ist dem Bundesamt somit zuzustimmen, dass es sich bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Begründung seines gegenständlichen Asylantrages um Gründe handelt, die keine maßgebliche Änderung jenes Sachverhalts darstellen, der bereits in seinem ersten Asylverfahren Gegenstand war. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht hinreichend geändert. Es ist daher davon auszugehen, dass der Folgeantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Dass die allgemeine Situation in der Ukraine seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage im Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer nicht geändert hat, ergibt sich aus einem Vergleich der im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2019 enthaltenen Feststellungen zur Ukraine mit jenen im Bescheid des Bundesamtes vom 14.10.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:

§ 12a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG 2005 („Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen“):

„§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1.       gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2.       kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3.       im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4.       eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1.       gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2.       der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3.       die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.“

§ 22 (10) AsylG 2005 („Entscheidungen“):

„§ 22. (10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.“

§ 22 BFA-VG („Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes“):

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

3.2. Zu den Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005, bezogen auf den gegenständlichen Fall, im Detail:

Das Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2019, GZ. W212 2224719-1/3E, rechtskräftig abgeschlossen. Bei dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 02.01.2020 handelt es sich somit unzweifelhaft um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005. Ein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 liegt nicht vor.

3.2.1. Aufrechte Rückkehrentscheidung:

Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüberhinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.

Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2019, GZ. W212 2224719-1/3E, eine Rückkehrentscheidung erlassen. Der Beschwerdeführer hat Österreich nach rechtskräftigem Abschluss seines Erstverfahrens nicht verlassen, weswegen gegenständlich eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt.

3.2.2. Res iudicata

Der Antrag vom 02.01.2020 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich – wie oben in der Beweiswürdigung bereits dargelegt – kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt. Auch die Ländersituation ist im Wesentlichen gleichgeblieben. Es ist daher davon auszugehen, dass der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

3.2.3. Verletzung der EMRK

Bereits im vorangegangenen Verfahren haben das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde. In der Begründung des gegenständlich mündlich verkündeten Bescheides des Bundesamtes wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Gefährdung seiner Person glaubhaft machen konnte. Es sei nicht anzunehmen, dass er im Falle einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein würde. Auch aus der allgemeinen Situation im Heimatland bzw. der zu erwartenden Rückkehrsituation alleine ließe sich eine solche nicht ableiten.

Auch im gegenständlichen Asylverfahren vor dem Bundesamt sind bis dato keine Risiken für den Beschwerdeführer im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des Beschwerdeführers wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt.

Vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK ist zudem der Ansicht des Bundesamtes beizupflichten, dass kein schützenswertes Familien- oder Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich feststellbar ist. Bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2019, GZ. W212 2224719-1/3E, wurde ein solches schützenswertes Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verneint. Insbesondere im Hinblick auf den in Österreich aufenthaltsberechtigten Bruder des Beschwerdeführers ist neuerlich hervorzuheben, dass zu diesem nach wie vor keine relevante Beziehungsintensität festzustellen ist. Der Beschwerdeführer lebt mit seinem Bruder nicht in einem gemeinsamen Haushalt und hat auch ansonsten kein finanzielles oder persönliches Abhängigkeitsverhältnis zu diesem geltend gemacht.

In Anbetracht des nur knapp eineinhalbjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und der nicht vorhandenen Integration (keine Deutschkenntnisse, keine Ausbildungen, keine Selbsterhaltungsfähigkeit, der Beschwerdeführer ist zudem obdachlos gemeldet), kann mit der Ausweisung auch kein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers erkannt werden.

3.2.4. Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 14.10.2020 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.3. Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da in der gegenständlichen Entscheidung die maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Im vorliegenden Fall liegen daher die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nicht vor; es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W236.2224719.3.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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