TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/19 W136 2225298-1

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Veröffentlicht am 19.10.2020
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Entscheidungsdatum

19.10.2020

Norm

ÄrzteG 1998 §27
ÄrzteG 1998 §4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch

W136 2225298-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Helmut GRAUPNER; gegen den Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 24.09.2019, Zl. BÄL01/2013/24092019-Mag.Sch/SB, betreffend Eintragung in die Ärzteliste nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben.
Die belangte Behörde hat XXXX nach Vorlage eines aktuellen, seine gesundheitliche Eignung bescheinigenden ärztlichen Zeugnisses im Sinne des § 27 Abs. 4 ÄrzteG 1998, gemäß § 27 ÄrzteG 1998 in die Ärzteliste einzutragen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020, nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgegenstand und Gang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens:

Verfahrensgegenständlich ist die Frage, ob die durch den im Spruch bezeichneten Bescheid erfolgte Feststellung, dass XXXX die für die Berufsausübung erforderliche Voraussetzung der Vertrauenswürdigkeit nicht erfüllt und eine Eintragung in die Ärzteliste nicht erfolgen kann, rechtmäßig ist oder nicht.

Mit Schreiben des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 05.11.2019 wurden die Beschwerde des XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer) und die bezugnehmenden Verwaltungsakte am 12.11.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Nach Durchführung weiterer Ermittlungen wurde am 03.09.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an deren Ende dieses Erkenntnis mündlich verkündet wurde. Die belangte Behörde hat mit Note vom 09.09.2020, beim BVwG am 14.09.2020 eingelangt, einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer war nach Abschluss seines Medizinstudiums im Jahr 2002 als Turnusarzt tätig.

1.2.1. Mit Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 30.06.2005 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB (Tatzeitraum November 2003 bis Oktober 2004), der Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs. 3 StGB (Tatzeitraum Februar 2003 bis September 2004) und der Vergehen nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 SMG (Tatzeitraum 1999 bis Jänner 2002) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Der Beschwerdeführer befand sich von 17.12.2004 bis 17.12.2006 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Aus der Anhaltung in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher wurde der Beschwerdeführer am 30.06.2008 unter Vorschreibung von Weisungen (geregelte Arbeit, psychotherapeutische Nachbetreuung) auf eine Probezeit von fünf Jahren mit der Begründung, die einweisungsrelevante Gefährlichkeit hätte in einem hinreichenden Ausmaß abgebaut werden können, bedingt entlassen. Die angeordnete Bewährungshilfe wurde am 19.01.2009 aufgehoben worden. Der Beschwerdeführer hat nach seiner Entlassung aus der Maßnahme sofort, am 01.07.2008, wieder eine Stelle als Turnusarzt erlangt. Aus Anlass dieser Verurteilung wurde gegen die P weder ein Disziplinarverfahren noch ein Verfahren zur Streichung aus der Ärzteliste eingeleitet.

1.2.2. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 08.03.2011 wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen worden, das Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs. 1 Z. 1 und 2, 5. Fall StGB begangen zu haben (Tatzeitraum Dezember 2008 bis November 2009) und wurde zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden. Mit diesem Urteil erging auch der Beschluss, dass vom Widerruf der bedingten Entlassung aus der mit dem Urteil des Landesgerichtes Krems angeordneten Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher abgesehen wird.

1.3. Nach der Entlassung aus der Strafhaft (10.03.2010 bis 09.09.2011) war der Beschwerdeführer von 01.12.2011 bis 12.08.2013 wieder als Turnusarzt tätig. Dieses Dienstverhältnis wurde gelöst, nachdem der Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Bescheid vom 31.07.2013 wegen fehlender Vertrauenswürdigkeit aus der Ärzteliste gestrichen wurde und festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer nicht mehr berechtigt ist, den ärztlichen Beruf auszuüben. Im Hinblick auf die letztgenannte Verurteilung wurde der Beschwerdeführer vom Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer mit Erkenntnis vom 05.10.2011 eines Disziplinarvergehens für schuldig erkannt und eine Geldstrafe in der Höhe von € 10.000,- unter Setzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren erkannt.

1.4.1. Aus Anlass der gegen den vorgenannten Bescheid vom 31.07.2013 vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 06.03.2014, gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, näher bezeichnete Teile der §§ 59, 117b und 125 ÄrzteG 1998 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 23.07.2014, VfSlg 19.887, ob der Verfassungsgerichtshof näher bezeichnete Teile Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998 als verfassungswidrig auf. Mit Erkenntnis vom 27.08.2014, Zl. 2014/11/0004, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 31.07.2013 unter Bezugnahme auf Art. 140 Abs. 7 B-VG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde auf.

1.4.2. Mit Bescheid vom 30.06.2015 stellte die Bezirkshauptmannschaft Mödling fest, dass die Berechtigung des Beschwerdeführers zur Ausübung des ärztlichen Berufes aufgrund mangelnder Vertrauenswürdigkeit erloschen sei, er daher aus der Ärzteliste zu streichen sei und die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes damit nicht mehr bestehe. Mit Erkenntnis vom 03.06.2016 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ab. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen außerordentlichen Revision wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.12.2016, Ra 2016/11/0111, stattgegeben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 30.06.2015 wegen Unzuständigkeit derselben aufgehoben.

1.5. Der Beschwerdeführer stellte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiedereintragung in die Ärzteliste am 25.03.2018. Der Beschwerdeführer war von April 2018 bis Oktober 2018 in einer Lehrpraxis ärztlich tätig, ohne in die Ärzteliste eingetragen zu sein. Anlässlich eines Telefonates am 27.06.2018 informierte eine Vertreterin der belangten Behörde den Beschwerdeführer, dass er nicht berechtigt sei, ärztlich tätig zu sein, wenn er nicht in der Ärzteliste eingetragen ist.

1.6. Aktuell ist der Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer Firma für Küchentischlerei,- und montage tätig. Davor bezog die P zeitweilig Arbeitslosenentgelt.

1.7. Gegen den Beschwerdeführer wird kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt.

1.8. Aus psychiatrisch-fachärztlicher Sicht besteht beim Beschwerdeführer keine psychische Störung und liegen keine Erkrankungen vor, die die Fähigkeit zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit einschränken oder ausschließen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den Punkten 1.1 bis 1.4 ergeben sich aus den Verwaltungsakten sowie den genannten Gerichtsurteilen.

2.2. Die Feststellungen zu Punkten 1.5. ergeben sich aus dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung.

2.3. Die Feststellungen zu den Punkten 1.7. und 1.8. ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht. Insoweit der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angab, dass ein Polizist bei seiner Vernehmung im Sommer 2020 als Beschuldigter wegen des Verdachtes des Diebstahls (Anm. BVwG: der Beschwerdeführer hatte nach Betankung des Firmen-LKW vergessen zu bezahlen) gemeint habe, dass das Verfahren sicher eingestellt werde, hat die P zwischenzeitlich die staatsanwaltschaftliche Benachrichtigung über die Einstellung des gegen ihn geführten Verfahrens vorgelegt.

2.4. Die Feststellung zu Punkt 1.8. ergibt sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten psychiatrischen Gutachten des Prim DI Dr. med. Brosch, Gerichtssachverständiger für Psychiatrie und Neurologie, vom 16.08.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Die anzuwendenden Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 86/2020 lauten (auszugsweise):

„Erfordernisse zur Berufsausübung

§ 4. (1) Zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als approbierter Arzt, als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt bedarf es, unbeschadet der §§ 34 bis 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

(2) Allgemeine Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind
1.         die Handlungsfähigkeit in allen Belangen im Hinblick auf die Berufsausübung,
2.         die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche Vertrauenswürdigkeit,
3.         die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung,
4.         ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, sowie
5.         ein rechtmäßiger Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet, mit dem das Recht auf Ausübung einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit verbunden ist.

(3) …..

(4) Zur unselbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als Turnusarzt in Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt bedarf es des Nachweises der Erfüllung
1.         der allgemeinen Erfordernisse gemäß Abs. 2 und
2.         des besonderen Erfordernisses
a)         eines an einer Universität in der Republik Österreich erworbenen Doktorats der gesamten Heilkunde oder eines gleichwertigen, im Ausland erworbenen und in Österreich als Doktorat der gesamten Heilkunde nostrifizierten akademischen Grads oder
b)         einer Berufsqualifikation gemäß § 5 Z 1 oder gemäß § 5a sowie
3.         der Eintragung in die Ärzteliste.

(5) …..

Ärzteliste und Eintragungsverfahren

§ 27. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat die Anmeldungen für die Ausübung des ärztlichen Berufes entgegenzunehmen und eine elektronische Liste der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen (Ärzteliste) jedenfalls mit folgenden Daten zu führen:
1….
….

(2) Personen, die den ärztlichen Beruf als Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt oder Turnusarzt auszuüben beabsichtigen, haben sich vor Aufnahme ihrer ärztlichen Tätigkeit bei der Österreichischen Ärztekammer zur Eintragung in die Ärzteliste anzumelden und im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht alle erforderlichen Unterlagen (Personal- und Ausbildungsnachweise sowie sonstige Urkunden) zum Nachweis der entsprechenden allgemeinen und besonderen Erfordernisse für die selbständige oder unselbständige Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß § 4 vorzulegen. Erforderlichenfalls haben diese Personen auf Verlangen der Österreichischen Ärztekammer den Ausbildungsnachweisen eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates, aus der hervorgeht, dass die vorgelegten Ausbildungsnachweise den in der Richtlinie 2005/36/EG vorgeschriebenen Nachweisen entsprechen, sowie eine Bescheinigung des Herkunftsstaats, dass die Berufsausübung nicht vorübergehend oder endgültig untersagt wurde, vorzulegen. Für Verfahren zur Anerkennung von EWR-Berufsqualifikationen ist § 28 anzuwenden. Die für die Eintragung in die Ärzteliste erforderlichen Unterlagen sind im Original oder in beglaubigter Abschrift und fremdsprachige Urkunden erforderlichenfalls in beglaubigter Übersetzung vorzulegen. Im Übrigen ist die Anmeldung zur Eintragung in die Ärzteliste in deutscher Sprache einzubringen. Vor Aufnahme einer unselbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes ist vom Dienstgeber auf dieses Erfordernis hinzuweisen.

(3) ……

(4) Der Nachweis der gesundheitlichen Eignung ist vom Eintragungswerber durch ein ärztliches Zeugnis zu erbringen, aus dem hervorgeht, dass er an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, die die Erfüllung der Berufspflichten nicht erwarten lassen. Das ärztliche Zeugnis darf zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung nicht älter als drei Monate sein.

(5) Der Nachweis der Vertrauenswürdigkeit ist vom Eintragungswerber durch
1.         eine Strafregisterbescheinigung oder einen vergleichbaren Nachweis des Heimat- oder Herkunftsstaates und
2.         sofern dies die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Heimat- oder Herkunftsstaates vorsehen, durch eine Disziplinarstrafregisterbescheinigung oder einen vergleichbaren Nachweis

zu erbringen. In der Bescheinigung (den Bescheinigungen) darf keine Verurteilung enthalten sein, die eine verlässliche Berufsausübung nicht erwarten lässt. Die Bescheinigung (Bescheinigungen) darf (dürfen) zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung nicht älter als drei Monate sein.

(6) ..

(Anm.: Abs. 7 und 8 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 9/2016)

(9) Erfüllt der Eintragungswerber die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse, so hat ihn die Österreichische Ärztekammer in die Ärzteliste einzutragen und ihm einen mit seinem Lichtbild versehenen Ausweis (Ärzteausweis) auszustellen. Wenn die Erfüllung der ausländerbeschäftigungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Beschäftigung zeitlich befristet ist, hat auch die Eintragung in die Ärzteliste entsprechend zeitlich befristet zu erfolgen. Dies ist der Person anlässlich der Eintragung in die Ärzteliste unter dem Hinweis, dass ihre ärztliche Berufsberechtigung nach Fristablauf von Gesetzes wegen erlischt, schriftlich mitzuteilen. In diesem Fall kann von der Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 59 Abs. 3 abgesehen werden.

(10) Erfüllt die Eintragungswerberin/der Eintragungswerber die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse nicht, so hat die Präsidentin/der Präsident der Österreichischen Ärztekammer dies mit Bescheid festzustellen.

[….]“

3.2. Die belangte Behörde hat mit dem bekämpften Bescheid ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf die im Strafregister aufscheinenden, oben unter Punkt 1.2.1. und 1.2.2. genannten strafgerichtlichen Verurteilungen bzw. den diesen Verurteilungen zugrundeliegenden Taten nicht die für die Ausübung des ärztlichen Berufes notwendige Vertrauenswürdigkeit aufweist, da sich daraus nach Geisteshaltung und Sinnesart des Beschwerdeführers ein Persönlichkeitsbild ergäbe, das ein in ihn gesetztes Vertrauen nicht zu rechtfertigen vermag.

3.3. Das ÄrzteG enthält – wie auch weitere Gesetze, die als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aufnahme und der weiteren Ausübung einer beruflichen Tätigkeit Vertrauenswürdigkeit normieren (vgl. etwa § 5 Abs 2 RAO hinsichtlich der anwaltlichen Tätigkeit; § 34 Abs 2 FSG 1997 hinsichtlich der Tätigkeit als Sachverständiger zur Begutachtung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen; § 57a Abs 2 KFG 1967 hinsichtlich der Durchführung der wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen; §2 Abs. 2 Z 1 lit. e SDG hinsichtlich der Tätigkeit als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger; § 11 Z 4 PsychotherapieG hinsichtlich der Tätigkeit als Psychotherapeut) – keine nähere Begriffsbestimmung der Vertrauenswürdigkeit. Hiezu hat jedoch der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass Vertrauenswürdigkeit im Sinne des ÄrzteG bedeutet, dass sich Patienten darauf verlassen können, dass ein Arzt bei Ausübung des ärztlichen Berufes den Berufspflichten nach jeder Richtung entspricht. Es sind demnach insbesondere strafbare Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes, aber auch sonstige Straftaten geeignet, die Vertrauenswürdigkeit eines Arztes zu erschüttern, sofern sich darin ein Charakter manifestiert, der auch in Zukunft die Begehung strafbarer Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes befürchten lässt (VwGH 20.07.2006, 2004/11/0202; VwGH 24.07.2013, 2010/11/0075; VwGH 15.12.2016, Ra 2016/11/0111).

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem oben unter Punkt 1.4.2. genannten Erkenntnis vom 15.12.2016, Ra 2016/11/0111, das im inhaltlich gleich gelagerten Vorverfahren zur gegenständlichen Rechtssache ergangen ist, ausgesprochen, dass im gegenständlichen Verfahren entscheidend ist, ob die Vertrauenswürdigkeit iSd. § 4 Abs. 2 Z. 3 ÄrzteG 1998 zum Zeitpunkt der behördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gegeben ist oder nicht (RZ 43). Weiters hat der VwGH ausgesprochen, dass zwecks Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen das Gewicht eines Fehlverhaltens unter Bedachtnahme auf die seither verstrichene Zeit zu beurteilen ist, wobei ein bereits länger zurückliegendes Verhalten im Hinblick auf zwischenzeitiges Wohlverhalten weniger schwer wiegt als "aktuelle" Verstöße (RZ 44).

3.4. Im vorliegenden Fall endete der Tatzeitraum des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs.1 StGB im Oktober 2004, das Ende des Tatzeitraums lag zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides bereits fast 15 und nunmehr beinahe 16 Jahre zurück. Das Ende der deswegen verhängten Strafhaft bzw. die bedingte Entlassung aus der Unterbringung liegt nunmehr mehr als zwölf Jahre zurück. Auch das Ende des Tatzeitraums der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a StGB liegt nunmehr bereits mehr als zehn Jahre, das Ende der deswegen verhängten Strafhaft neun Jahre zurück.

3.5. Im Hinblick auf das von der P seither gezeigte Wohlverhalten, das von der belangten Behörde in keiner Weise gewürdigt wurde, kann nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer nach wie vor aufgrund der den gerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten eine Geisteshaltung und Sinnesart hat, nach der ihr die für die Ausübung des ärztlichen Berufes notwendige Vertrauenswürdigkeit fehlt.

Wenn die belangte dazu Behörde ausführt, dass allein die Aussage des Beschwerdeführers, wonach er sich im Zusammenhang mit seiner Verurteilung nach § 207a StGB an den EGMR gewandt habe, ein Persönlichkeitsbild zeige, das mit dem ärztlichen Beruf unvereinbar sei, sei bemerkt, dass die Inanspruchnahme eines gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfes unter keinem Umstand als ein der Vertrauenswürdigkeit einer Person beeinträchtigendes Verhalten angesehen werden kann.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer von April 2018 bis Oktober 2018, ohne in die Ärzteliste eingetragen zu sein, ärztlich tätig war, und ihm der Umstand, dass er dazu nicht berechtigt ist, ab Ende Juni 2018 nachweislich aufgrund einer Mitteilung einer Vertreterin der belangten Behörde bekannt war, ist unter Würdigung aller in der Verhandlung dargelegten Umstände nicht geeignet, seine Vertrauenswürdigkeit zu beeinträchtigen. Davon ist auch die belangte Behörde offenkundig ausgegangen, hat sie doch diesen Sachverhalt, der ihr im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides bekannt war, im Zusammenhang mit der Frage nach der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers nicht gewürdigt.

3.6. Nachdem auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Umstände hervorgekommen sind, aufgrund derer sich ein Hinweis auf eine Vertrauensunwürdigkeit des Beschwerdeführers ergeben würde, ist seinem Antrag auf Eintragung in die Ärzteliste der Österreichischen Ärztekammer stattzugeben, da er gemäß § 27 Abs. 9 ÄrzteG 1998 einen Rechtsanspruch auf Eintragung bei Erfüllung der vorgeschriebenen Erfordernisse hat.

Nach dem Gesagten erweist sich der bekämpfte Bescheid als rechtswidrig und war aufzuheben. Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer nach Vorlage eines aktuellen, seine gesundheitliche Eignung bescheinigenden ärztlichen Zeugnisses im Sinne des § 27 Abs. 4 ÄrzteG 1998, gemäß § 27 ÄrzteG 1998 in die Ärzteliste einzutragen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; Auf das Erkenntnis Verwaltungsgerichtshofes vom 15.12.2016, Ra 2016/11/0111, wird verwiesen.

Schlagworte

Ärztekammer Ärzteliste Berufsausübung Disziplinarstrafe Eintragung Eintragungsvoraussetzungen gesundheitliche Eignung Rechtswidrigkeit Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Vertrauenswürdigkeit Wohlverhalten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2225298.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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