Entscheidungsdatum
19.10.2020Norm
AVG §33 Abs2Spruch
W120 2234339-2/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian Eisner als Vorsitzenden, Mag. Jirina Rady als fachkundige Laienrichterin auf Auftraggeberseite und Dr. Annemarie Mille als fachkundige Laienrichterin auf Auftragnehmerseite über den mit dem 24.08.2020 datierten Antrag der XXXX in XXXX auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 13.08.2020 betreffend das Vergabeverfahren „Reflektierende Dachbeschichtung/Beschichtungsarbeiten Technisches Museum Wien“ der Auftraggeberin Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Burghauptmannschaft Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Dem Antrag,
„die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären“,
wird stattgegeben.
Die am 13. August 2020 der Antragstellerin im gegenständlichen Vergabeverfahren bekanntgegebene Zuschlagsentscheidung wird für nichtig erklärt.
B)
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schriftsatz vom 24.08.2020 beantragte die Antragstellerin die Zuschlagsentscheidung vom 13.08.2020 für nichtig zu erklären und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend, dass der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Erteilung des Zuschlags untersagt werde. Zudem stellte die Antragstellerin den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Akteneinsicht.
Zur Begründung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass 1. vermutlich keine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt worden sei, der Gesamtpreis des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht plausibel und nachvollziehbar sei und das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin daher auszuscheiden gewesen wäre, 2. die Antragstellerin keine Aufforderung erhalten habe, ihre Preise kalkulatorisch nachzuweisen und somit keine detaillierte Preisprüfung stattgefunden habe und 3. bestimmte Bieterlücken von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht ordnungsgemäß ausgefüllt worden seien, deren Angebot daher den Vorgaben widerspreche und somit auszuscheiden gewesen wäre.
2. Am 27.08.2020 erteilte die Auftraggeberin zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Es sei darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Nachprüfungsantrag vor dem Hintergrund der Verfristung zurückzuweisen und dieser Umstand daher bei der Erlassung der einstweiligen Verfügung zu berücksichtigen sei.
3. Am 31.08.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ein. Der Angebotspreis der Mitbeteiligten bzw. dessen Preiskomponenten seien angemessen und betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Demgegenüber sein die Preise der Antragstellerin in deren Angebot augenscheinlich grob überhöht und jedenfalls unangemessen. Keinesfalls sei der Angebotspreis der Mitbeteiligten im Verhältnis zur ausgeschriebenen Leistung ungewöhnlich niedrig, wobei auf Nachfolgendes verwiesen werde:
Nach ihren Informationen habe die Antragsgegnerin im Vorfeld des gegenständlichen Vergabeverfahrens Informationen über das Preisniveau eingeholt um eine Kostenschätzung zur Wahl des Vergabeverfahrens durchzuführen. Ihr Angebot liege im (gehobenen) marktüblichen Segment für die ausschreibungsgegenständlichen Leistungen. Dieser Umstand sei von der Antragsgegnerin auch im Zuge eines Aufklärungsgesprächs am 12.08.2020 mit der Mitbeteiligten erörtert worden. Dieses belege auch, dass von Seiten der Antragsgegnerin eine ordnungsgemäße Preisprüfung durchgeführt worden sei. Nachdem davon auszugehen sei, dass die Antragsgegnerin das Protokoll vom 12.08.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt habe, werde auf dessen Inhalt verwiesen. Vereinfacht gesagt ergebe sich aus wirtschaftlicher Sicht, dass die Mitbeteiligte die vergabegegenständliche Leistung zu einem kalkulatorischen Satz von rund netto € XXXX über die Kubatur berechnet angeboten habe. Dieser Wert beinhalte die Reinigung, den Schutz, die Grundierung und den Deckanstrich. Demgegenüber habe die Antragstellerin diese Leistung massiv überhöht/überteuert mit einem kalkulatorischen Ansatz von mehr als netto € XXXX angeboten. Warum die Antragstellerin im Unterbleiben einer „detaillierten Preisprüfung“ ihres eigenen Angebotes eine Rechtswidrigkeit ortet, bleibe verborgen. Gemäß § 135 Abs. 2 Z. 4 BVergG 2018 sei die Angemessenheit der Preise nur bei denjenigen Angeboten zu prüfen, welche für den Zuschlag in Betracht kommen würden. Das Angebot der Antragstellerin sei keines, welches für den Zuschlag in Betracht gekommen sei. Nicht nachvollziehbar sei, warum das Angebot der Mitbeteiligten in Anbetracht der herangezogenen Bieterlücken den Vorgaben der Ausschreibung widersprechen solle. Richtig sei, dass die Ausschreibungsunterlage mangels Anfechtung bestandsfest geworden sei. Die Mitbeteiligte habe entsprechend der Festlegungen in den Positionen 23.81.24Z und 23.21.26Z das vorgegebene Leitprodukt mangels abweichender Anmerkungen im Angebot angeboten. Weshalb in dieser Vorgangsweise ein Widerspruch zu der Ausschreibungsunterlage vorliegen solle, sei nicht ersichtlich (§ 125 Abs. 7 BVergG 2018). Es wurde daher die Zurück- bzw Abweisung des Antrags beantragt.
4. Mit Schriftsatz vom 02.09.2020 langte eine Stellungnahme der Auftraggeberin ein, der zwei Beilagen (Beilage 1 und Beilage 2) angeschlossen waren. Ziel dieses Vergabeverfahrens sei der Abschluss eines Leistungsvertrags mit einem Unternehmer über die Aufbringung einer reflektierenden Dachbeschichtung am Technischen Museum, Mariahilferstraße 212, 1140 Wien. Insgesamt seien mehrere Bieter eingeladen worden ein Angebot abzugeben. Die Öffnung der Angebote sei am 03.08.2020 unter Ausschluss der Teilnahme der Bieter bzw. Bietervertreter erfolgt. XXXX Bieter, nämlich die präsumtive Zuschlagsempfängerin und die Antragstellerin, hätten ein Angebot abgegeben. Am 13.08.2020 sei die Zuschlagsentscheidung den Bietern elektronisch via Vergabeplattform bereitgestellt worden. Der Antragstellerin sei diesbezüglich jedoch zu entgegnen, dass in den Ausschreibungsunterlagen im Leistungsverzeichnis unter Punkt „00.11.24 D“ bestandsfest festgelegt worden sei, dass die Angebote nach dem Angebotspreis, dh nach dem Billigstbieterprinzip, bewertet würden. Nach der erfolgten Prüfung der Angebote erhalte sohin das billigste Angebot den Zuschlag. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin definitiv keine Kenntnis von den Angebotsdetails der präsumtiven Zuschlagsempfängerin haben könne, seien die Behauptungen gänzlich unsubstantiiert, stellten reineMutmaßungen dar und sei der Nachprüfungsantrag schon allein aus diesem Grund abzuweisen. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass die Antragsgegnerin eine vertiefte Angebotsprüfung im Sinne des § 137 Abs 3 BVergG 2018 durchgeführt habe. Hierzu sei auch ein entsprechender externer Sachverständiger herangezogen worden. Ausdrücklich sei an dieser Stelle daher festzuhalten, dass entgegen den Behauptungen der Antragstellerin hinsichtlich des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eine vertiefte Angebotsprüfung nach § 137 Abs 3 BVergG 2018 durchgeführt worden sei. Im Zuge dieser Prüfung sei seitens der präsumtiven Zuschlagsempfängerin der angebotene Preis plausibel aufgeschlüsselt und erläutert worden. Die Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin seien vollumfänglich betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar. Wenn daher die Antragstellerin schlussendlich vermeine, dass keine ordnungsgemäße Angebotsprüfung vorgenommen worden sei, so sei sie einerseits daran zu erinnern, dass es ausschließlich dem Aufgabenbereich der Antragsgegnerin zufalle zu prüfen, ob Angebote den Ausschreibungsbestimmungen entsprechen und sei andererseits zudem festzuhalten, dass die Überprüfung der Preisgestaltung als Plausibilitätsprüfung ausgestaltet sei, weswegen nicht die gesamte Kalkulation minutiös nachvollzogen werden müsse. Der öffentliche Auftraggeber habe lediglich eine grobe Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen könne. Da im gegenständlichen Fall seitens der Antragsgegnerin eine vertiefte Angebotsprüfung vorgenommen worden sei, sei die Verpflichtung zur Preisprüfung seitens der Antragsgegnerin vollumfänglich erfüllt worden und sei die gegenständliche Zuschlagsentscheidung nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet. Der dahingehende Vorhalt der Antragstellerin gehe daher jedenfalls ins Leere. Zumal sowohl im Prüfprotokoll als auch in der Stellungnahme des externen Sachverständigen die Angebotsdetails der präsumtiven Zuschlagsempfängerin enthalten sein, werde seitens der Antragsgegnerin beantragt, dass die Beilagen ./1 und ./2 von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin ausgenommen würden, andernfalls Angebotsdetails eines Konkurrenzunternehmen offengelegt werden würden. Damit einhergehend würde es zur Verletzung berechtigter Geschäftsinteressen kommen. Schließlich sei der Antragstellerin zu entgegnen, dass lediglich aus dem Umstand, dass sie selbst nicht aufgefordert worden sei, ihre Angebotspreise zu plausibilisieren, nicht geschlossen werden könne, dass hinsichtlich der präsumtiven Zuschlagsempfängerin keine vertiefte Angebotsprüfung stattgefunden habe. Die Antragstellerin führe des Weiteren aus, dass die Bieterlücken in den Positionen „23.81.24 Z“ und „23.81.26 Z“ von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht ordnungsgemäß ausgefüllt worden wären und das Angebot daher auszuscheiden gewesen wäre. Hierzu sei vorab bereits festzuhalten, dass die Antragstellerin keinen Kenntnisstand über die Angebotsdetails der präsumtiven Zuschlagsempfängerin haben könne. Das Vorbringen der Antragstellerin beruhe daher auch in diesem Punkt lediglich auf Mutmaßungen und sei der Antragstellerin diesbezüglich lediglich zu entgegnen, dass auch diese Festlegung im Leistungsverzeichnis seitens der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erfüllt bzw. ordnungsgemäß angeboten worden seien und die Offenlegung der dahingehenden Angebotsdetails ebenso die berechtigten Geschäftsinteressen des Konkurrenzunternehmens verletzen würde. Auch dieser Vorhalt der Antragstellerin erweise sich daher als reine Schutzbehauptung und gehe damit der gesamte Nachprüfungsantrag vollumfänglich ins Leere.
5. Mit Schriftsatz vom 10.09.2020 langte eine Stellungnahme der Antragsgegnerin ein. Ebenfalls wurde das Prüfprotokoll vom 08.09.2020 der beigezogenen externen Sachverständigen vorgelegt. Aus diesem gehe eindeutig hervor, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin bzw. mitbeteiligten Partei iSd § 137 Abs 3 BVergG 2018 betriebswirtschaftlich nachvollzieh- und erklärbar sei. Zumal im Prüfprotokoll der externen Sachverständigen die Angebotsdetails der präsumtiven Zuschlagsempfängerin bzw. mitbeteiligten Partei enthalten seien, werde seitens der Antragsgegnerin beantragt, dass ebenso die Beilage ./3 von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin ausgenommen werde, andernfalls Angebotsdetails eines Konkurrenzunternehmen offengelegt werden würden. Damit einhergehend würde es zur Verletzung berechtigter Geschäftsinteressen kommen.
6. Am 01.10.2020 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der ua folgende Erklärungen abgegeben wurden (die für die rechtliche Beurteilung konkret relevanten Aussagen, werden im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wiedergegeben):
„VR: Mit Zuschlagsentscheidung vom 13.08.2020 wurde mitgeteilt, dass der Angebotspreis der Zuschlagsempfängerin € XXXX beträgt. Die Antragstellerin hat einen Preis von € XXXX angeboten. Im Protokoll über die Öffnung der Angebote ist € XXXX als LV-Summe genannt und ein [ … ] Nachlass [ … ] und daher ein Gesamtpreis [ … ]. Als Angebotspreis wird [ … ] (mit 20 % USt) genannt. Wie kam es dazu?
AGV: Wie wir schon kurz besprochen haben wurde seitens der PräsZE bei der ANKÖ-Maske die Felder hinsichtlich des Nachlasses und der MwSt. verwechselt. Aus dem objektiven Erklärungswert sowie im Zuge eines Klärungsgesprächs war jedoch klar ersichtlich, dass es sich hierbei um ein Versehen gehandelt hat.
VR: Mit E-Mail vom gestrigen Tag übermittelte die Finanzprokuratur eine Screenshot der Eingabemaske, die als Beilage ./A zum Akt genommen wird.
VR an mP: Ist das die Maske, in die Sie eingetragen haben?
mP: Ja.
mPV: Das Angebot der Präsumtiven wurde am letzten Tag der Antragsfrist im Portal ANKÖ hochgeladen und kam es dabei zu mehreren Softwareproblemen. Aufgrund des bereits zeitlich nahen Endes der Angebotsfrist unterlief dem Geschäftsführer der Präsumtiven Zuschlagsempfängerin beim Ausfüllen der Preismaske ein Irrtum, welcher erst nach Ende der Angebotsfrist bemerkt wurde. Aus rechtlicher Sicht weist die PräsZE auf die Festlegung in den Ausschreibungsunterlagen/dem LV unter Pos. 00.11.03 hin, wonach für das Angebot der vom Ausschreiber erstellte Vordruck maßgeblich ist und rechtsgültig zu unterfertigen ist. Dies erfolgte durch die PräsZE und ist im Vordruck, welcher für den Angebotspreis maßgeblich ist, ein Nachlass vom Bieter nicht angeboten. Der objektive Erklärungswert führt daher zum per Zuschlagsentscheidung zugrunde gelegten Angebotspreis.
VR: Wo im LV wäre korrespondierend die Position für den Nachlass?
mPV: Auf Seite 9 des Vordruckes wird in Punkt 00.11.08 d ausgeführt, dass unter anderem Nachlässe nur zulässig sind, wenn dies durch Datenfelder im Ausdruck in etwaigen Formularen oder auf den Ausschreibungsdatenträger des Ausschreibers vorgesehen ist. So etwas war nicht vorgesehen in den Formularen, die Gegenstand der Ausschreibung waren.
AGV: Ich kann mich dem nur anschließen.
VR an mP: Können Sie sich erinnern, wie Sie das Formular ausgefüllt haben?
mP: Nein, ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern. Ich bin ziemlich unter Stress gestanden, da ich das Angebot 5 oder 10 Minuten vor Fristende abgegeben habe. Ich habe mehrmals bei ANKÖ angerufen, weil ich mich nicht zurechtgefunden habe.
VR: Wenn ich mir diese Maske ansehe, dann stelle ich mir vor, dass Sie bei Ihrem Eingabevorgang ca. XXXX oben eingegeben haben und unten der Preis von [ … ] gestanden ist. Können Sie sich daran erinnern?
mP: Ich habe diese Maske ursprünglich gar nicht gesehen und sie ist mir daher knapp vor Ende aufgefallen. Ich kann mich daher nicht mehr an die Eingabe erinnern.
VR: Wie kam es dazu, dass in den Positionen 21.90.51.0 LB Materiallieferung f. Regieleistungen und 23.90.51 [ … ] statt [ … ] eingetragen wurde?
mP: [ … ] hätte ich gemeint und habe mich wahrscheinlich verschrieben. Die [ … ] sind richtig. Die Berechnung erfolgte zutreffend mit [ … ], d.h. mit [ … ] nach der Position.
mPV: Dasselbe gilt auch für die zweite Eventualposition.
VR: Wenn Sie auf die S.38 schauen, warum ist hier die erste Summe durchgestrichen?
mP: Ich schätze, weil ich mich verrechnet habe. Dadurch, dass ich es erst kurz vorher ausgefüllt habe, habe ich es kein zweites Mal ausgedruckt.
VR: Welche Auswirkung hat das auf das Angebot und was bedeutet es überhaupt, wenn in dieser Position [ … ] eingetragen ist?
AGV: Es kommt nur zum Tragen, wenn Eventualarbeiten gemacht werden. Falls das der Fall ist, falls mehr Material benötigt wird – bezogen auf die Regiestunden – kommt diese Position zum Tragen. Wenn [ … ] eingetragen ist, wären es dann [ … ]. Angenommen wurde aber, dass es sich um [ … ] handeln soll. Wir möchten festhalten, dass es sich nicht auf die Angebotssumme durchschlägt.
[…]
AGV: Der öffentliche AG hat im Zuge einer vertieften Preisprüfung zu prüfen, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (Vgl. VwGH 2010/04/0070).
Der Antragsteller wird um 11:25 Uhr in den Verhandlungssaal gebeten und es wird der bisherige Verfahrensablauf zusammengefasst.
Fortsetzung um 11:59 (ohne mP und mPV).
VR an ASt: Wollen Sie bisher ein Vorbringen erstatten oder eine Stellungnahme abgeben?
ASt: Ich möchte darauf hinweisen, dass hier offensichtlich mit falschen Zahlen hantiert wird. Es ist richtig, dass die € XXXX einen ungefähren Preis von XXXX pro qm ergeben, unrichtig ist allerdings, dass in der begründeten Einwendung der mP vom 24.08.2020 ein qm-Preis von XXXX Euro angegeben wird und im Protokoll auf S. 9, 4. Absatz schon von XXXX Euro pro Quadratmeter gesprochen wird als Preis von der ASt. Vielmehr ist richtig, dass sich die Angebotssumme von € XXXX dividiert durch die 5815 qm lt. Ausschreibung einen qm-Preis von XXXX € ergeben.
AGV: Keine Stellungnahme dazu.
VR an LR1 und LR2: Haben Sie Fragen?
LR1 und LR2: Keine Fragen.
VR an ASt: Wollen Sie noch etwas vorbringen?
ASt an AG: Es wird immer von einer vertieften Angebotsprüfung gesprochen. Welche Schritte haben Sie genau unternehmen, um dieses Angebot zu prüfen?
AGV: Die AG hat eine vertiefte Preisprüfung iSd § 137 Abs. 3 BVergG 2018 vorgenommen und ist in dieser Norm konkret beschrieben, welche Schritte vorzunehmen sind. Die AG hat dieser Norm voll und ganz entsprochen und hat sie im Zuge dessen sowohl ein persönliches Aufklärungsgespräch als auch eine entsprechende schriftliche Dokumentation der vertieften Preisprüfung samt Detailkalkulation der mP erstellt.
ASt: Auf S. 6 des Protokolls, 1 und 2. Absatz wird darauf Bezug genommen, dass ein Protokoll nicht vollständig und offensichtlich auch nicht richtig ausgefüllt wurde.
AGV: Es gibt sowohl ein Protokoll zum abgehaltenen persönlichen Klärungsgespräch als auch darauf aufbauende vollumfängliche Stellungnahmen zur vertieften Preisprüfung.
ASt: Wurden bei der vertieften Preisprüfung auch K3 und K7 Blätter herangezogen?
AGV: Nein.
ASt: Warum?
AGV: Die mir dargestellte Kalkulation schien plausibel, daher wurde das nicht weiter geprüft.
ASt: Wie können Sie eine Plausibilität der Preise feststellen, wenn Sie kein K3-Blatt, das den Brutto-Mittellohn darstellt und keine K7-Blätter, die die Detailkalkulationen der einzelnen Positionen aufzeigen, geprüft haben?
AGV: Die Ausschreibungsunterlage hat nicht die Vorlage eines K3- und K7-Blattes verlangt. Im Zuge der vertieften Preisprüfung wurde sohin geprüft, ob die kollektivvertraglichen Vorgaben eingehalten werden.
ASt: Die Antwort zum K7-Blatt fehlt mir noch.
AGV: Dieses war nicht Teil der Ausschreibungsunterlagen.
ASt: Auch, wenn es nicht der Teil der Ausschreibung ist, kann ich es noch nachfordern.
VR: Welche Information ist aus Ihrer Sicht im K7 Blatt enthalten, die hier nicht geprüft wurde?
ASt: Im K7-Blatt habe ich eine genaue Kalkulation der einzelnen Positionen bzw. Arbeitsschritte. Ich kann damit prüfen, ob das, was ausgeschrieben wurde, auch kalkuliert wurde.
AGV: Natürlich hat der AG geprüft, ob alle einzelnen Arbeitsschritte eingehalten werden, auch, wenn kein K7-Blatt verwendet wurde. Die Einzelpositionen wurden aufgeschlüsselt, eine Detailkalkulation wurde vorgelegt.
ASt: Haben Sie Kalkulationsunterlagen, die ähnlich dem K7-Blatt sind, überprüft?
AG: Ja.
ASt: Das liegt auch der Prüfdokumentation vor?
AGV: Ja.
ASt: Warum wurde nur bei der mP die vertiefte Preisprüfung vorgenommen und nicht bei der ASt?
AGV: Zumal die mP nach der erfolgten Angebotsprüfung an erster Stelle gereiht war, erfolgt naturgemäß nur beim PräsZE eine vertiefte Preisprüfung.
ASt zitiert § 137 Abs. 2. Daraus schließe ich, dass auch ein Überangebot geprüft hätte werden müssen. Ich möchte dazu noch kurz auf Heid/Schiefer Vergaberecht, Seite 579, Z1582 verweisen.
AGV: Bei der wiedergebenden Literaturstelle handelt es sich um eine Stelle, die derart gemeint ist, dass eine vertiefte Preisprüfung beim Bestbieter auch dann durchzuführen ist, wenn überhöhte Preise vorliegen. Damit ist nicht gemeint, dass ein Zweit- oder drittgereihter Bieter im Zuge einer vertieften Preisprüfung zu prüfen ist, nur, weil dieser einen höheren Angebotspreis als der Bestbieter angeboten hat. Keinesfalls ergibt sich aus den Vorgaben nach § 137 sowie auch aus der ständigen Judikatur der Vergabekontrollbehörden, dass nachgeordnete Angebote ebenso einer vertieften Preisprüfung zu unterziehen sind und würde dies einen enormen Verwaltungsaufwand bedeuten, müsste ein AG sämtliche Angebote vertieft prüfen, obwohl diese aufgrund eines ordnungsgemäßen Angebots des Bestbieters für einen Zuschlag nicht in Frage kommen.
ASt: Für mich heißt das, dass, wenn zwei so unterschiedliche Angebote, wie im konkreten Fall, abgegeben wurden, beide vertieft hätten geprüft werden müssen.
AGV: Ich bestreite dies und verweise auf meine Ausführungen von vorher.
ASt: Ich möchte darauf verweisen, dass der geschätzte Auftragswert zwischen XXXX und XXXX Euro gelegen ist.
Sie sagen, dass Sie die XXXX Euro pro qm geprüft haben, für angemessen empfunden haben und auch einen vormaligen AG der mP kontaktiert haben. Gibt es darüber ein Protokoll?
AGV: Es gibt eine Aktennotiz darüber.
ASt: Geht daraus hervor, in welchem Umfang die damaligen Arbeiten beim AG zu tätigen waren?
AGV: Ja. Es handelt sich hier um ein Referenzprojekt mit einem noch größeren Leistungsvolumen der Fläche, als ggst. ausgeschrieben.
ASt: Sind die Arbeitsschritte gleich?
AGV: Es ist ein Referenzprojekt, das eine ähnliche Leistung hat.
ASt: Es ist die Frage, mit welchem Material und welchen Arbeitsschritten beispielsweise gearbeitet wurde. Das weiß ich nicht. Darauf kommt es aber aus meiner Sicht an.
AGV verweist auf das bisher Gesagte.
VR an ASt: Was ist der Hauptätigkeitsbereich Ihres Unternehmens?
ASt: Wir sind tätig im gesamten Sortiment, das ein Maler und Anstreicher, hauptsächlich aber Beschichtungstechniker, insbesondere für Lackanstriche auf Dächern, auf Eingangsportalen durchführt.
VR: Liegt die ausgeschrieben Leistung in diesem Betätigungsfeld?
ASt: Zu 100 %. Ein Referenzprojekt wäre das XXXX in XXXX .
ASt: Wenn Sie die vertiefte Preisprüfung vorgenommen haben, haben Sie feststellen können, ob eine oder zwei Deckbeschichtungen bei der mP zur Ausführung kommt?
AGV: Ja, XXXX .
ASt: Im Protokoll auf S. 9 gibt die mP an, dass XXXX Deckbeschichtung ausgeführt wird.
AGV: Nein, das führt sie nicht aus.
ASt: Auch in der Stellungnahme, S. 3 2. Absatz führ die mP das aus.
VR: Diese Frage wird dann an die mP gestellt.
ASt: Keine weiteren Fragen.
MP und mPV betreten nach Aufforderung um 12:35 Uhr den Verhandlungssaal, ihnen wird der bisherige Verfahrensgang zusammengefasst.
VR an mP: Werden bei Ihnen eine oder zwei Deckbeschichtungen gemacht?
mP: XXXX .
VR: Möchten Sie zu dem bisher Gesagtem etwas ausführen?
mPV: Nein, außer dass der ermittelte Preis von XXXX Euro pro qm grob überhöht ist.
VR an LR1 und LR2: Gibt es noch Fragen?
LR1 und LR2: Keine Fragen.
VR: Gibt es Beweisanträge?
ASt: Ich möchte gerne unsere K3- und K7-Blätter vorlegen.
Diese werden als Beilage ./B zum Akt genommen. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich dabei um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse handelt.
ASt: Ich habe noch eine Frage: Wie kommen Sie zu den auf S.9 genannten Durchschnittspreis? Woher wissen Sie, welche Arbeitsschritte damit abgegolten werden?
mP: Dies ergibt sich aus Konsumentenschutzseiten, wo für Arbeiten wie Reinigen, Grundieren und Beschichten dieser Preis genannt wird.
ASt: Aus unserer Erfahrung liegt der Preis zwischen XXXX und XXXX Euro pro qm, allerdings nicht mit den konkret zu verwendenden Materialien. Das Material im konkreten Fall kostet mehr.
mP: Aus meiner Sicht führt der Materialpreis im konkreten Fall zu keinem höheren Preis.“
7. Am 01.10.2020 erfolgte die Beschlussfassung im Senat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Auftraggeberin schrieb unter der Bezeichnung „Reflektierende Dachbeschichtung/Beschichtungsarbeiten Technisches Museum Wien“ einen Bauauftrag nach dem Billigstangebotsprinzip im Unterschwellenbereich aus. Es erfolgte keine Unterteilung in Lose.
Der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer beträgt EUR XXXX ,--.
Die Auftraggeberin führt dieses Verfahren als nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung durch.
Die Angebotseröffnung fand am 03.08.2020 ohne Anwesenheit der Bieter statt.
Am 13.08.2020 übermittelte die Auftraggeberin an die Antragstellerin die hier gegenständliche Zuschlagsentscheidung, welche auszugsweise wie folgt lautet:
„Sehr geehrter Bieter!
Die Burghauptmannschaft Österreich informiert gemäß BVergG 2018 § 143, dass der Zuschlag an die Firma XXXX , mit einem Gesamtpreis in der Höhe von XXXX (exkl. MwSt.) erteilt wird.
Ausschlaggebend dafür ist:
‚Angebotspreis‘
Damit hat dieses Angebot im Hinblick auf die von uns gewählte Bewertungsmethode gemäß dem in der Ausschreibung festgelegten Kriterium:
‚Angebotspreis‘
die höchste Wertung unter den eingegangenen Angeboten erreicht und war daher als wirtschaftlich günstigstes Angebot zu bewerten.
Die Stillhaltefrist endet am 23. August 2020, 24 Uhr“
Der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer beträgt € XXXX ,-- (Allgemeine Auskünfte Auftraggeberin S 4).
Der Angebotspreis der Antragstellerin beträgt € XXXX ,-- (Nachprüfungsantrag und Vergabeakt).
Das Angebot der Antragstellerin wurde von der Auftraggeberin nicht ausgeschieden.
Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt.
Die Antragstellerin bezahlte die entsprechenden Pauschalgebühren.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeberin keine Bedenken ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Anzuwendendes Recht:
3.1.1. § 28 Abs 1 VwGVG („Erkenntnisse“), BGBl I Nr 33/2013, lautet wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
[…]“
3.1.2. Der 4. Teil des BVergG 2018, der die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält, geht als lex specialis den Bestimmungen des VwGVG vor. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65, lauten:
„„Dokumentationspflichten
§ 49. (1) Der öffentliche Auftraggeber hat alle wesentlichen Entscheidungen und Vorgänge im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren so ausreichend zu dokumentieren, dass sie nachvollzogen werden können. Ferner ist jede Mitwirkung von Dritten an der Vorbereitung einer Ausschreibung zu dokumentieren. Die Dokumentation ist für mindestens drei Jahre ab Zuschlagserteilung aufzubewahren.
(2) Sofern Dokumente ausschließlich in elektronischer Form erstellt bzw. übermittelt werden, sind sie in jener Form und mit jenem Inhalt, die oder den sie zum Zeitpunkt des Verfassens durch den öffentlichen Auftraggeber oder des Absendens vom bzw. des Einlangens beim öffentlichen Auftraggeber aufweisen, so zu kennzeichnen und zu speichern, dass ein nachträgliches Verändern des Inhaltes sowie des Zeitpunktes des Verfassens, des Absendens vom bzw. des Einlangens beim öffentlichen Auftraggeber feststellbar ist (Integrität der Daten).
[…]
Prüfung der Angemessenheit der Preise und vertiefte Angebotsprüfung
§ 137. (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen. Dabei ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.
(2) Der öffentliche Auftraggeber muss Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 3 vertieft prüfen, wenn
1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, oder
2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen aufweisen, oder
3. nach der Prüfung gemäß Abs. 1 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.
(3) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob
1. im Preis von Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze sowie die Personalkosten, diese insbesondere im Hinblick auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge, nachvollziehbar sind,
2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen, und
3. die gemäß § 105 Abs. 2 geforderte oder vom Bieter gemäß § 128 Abs. 2 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.
[…]
Vorgehen bei Mangelhaftigkeit der Angebote
§ 138. (1) Ergeben sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot oder über die geplante Art der Durchführung der Leistung oder werden Mängel festgestellt, so ist, sofern die Unklarheiten für die Beurteilung der Angebote von Bedeutung sind, vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen. Die vom Bieter übermittelten Auskünfte bzw. die vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise sind der Dokumentation über die Prüfung der Angebote beizuschließen.
(2) Die durch die erfolgte Aufklärung allenfalls veranlasste weitere Vorgangsweise darf die Grundsätze der §§ 20 Abs. 1, 112 Abs. 3, 113 Abs. 2 und 139 nicht verletzen.
(3) Ergeben sich bei der Prüfung der Eignung von Subunternehmern, die für den Nachweis der Eignung des Bieters nicht erforderlich sind, Mängel, die nicht durch eine Aufklärung gemäß Abs. 1 und 2 behoben werden können, so hat der öffentliche Auftraggeber den betreffenden Subunternehmer abzulehnen.
(4) Weist ein Angebot solche Mängel auf, dass eine Bearbeitung nicht zumutbar ist, so ist es auszuscheiden.
(5) Stellt der öffentliche Auftraggeber im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung fest, dass die angebotenen Preise nicht angemessen sind, so hat er vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen. Der öffentliche Auftraggeber darf das Angebot nur ausscheiden, wenn trotz des Vorbringens des Bieters die Preise für den öffentlichen Auftraggeber nicht betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Er hat das Angebot jedenfalls auszuscheiden, wenn die Prüfung ergibt, dass der Bieter die in § 93 genannten Bestimmungen nicht berücksichtigt hat. Die Prüfung hat unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Bieters zu erfolgen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind in die Dokumentation der Prüfung der Angebote aufzunehmen.
(6) Stellt der öffentliche Auftraggeber bei einem Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich fest, dass ein Angebotspreis im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig ist, weil der betreffende Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so darf er das Angebot allein aus diesem Grund nur dann ausscheiden, wenn der Bieter nach Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber nicht innerhalb einer vom öffentlichen Auftraggeber festgesetzten angemessenen Frist nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe im Sinne des Art. 107 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar war. Sofern der öffentliche Auftraggeber aus diesem Grund ein Angebot ausscheidet, hat er dies der Kommission bekannt zu geben.
(7) Rechnerisch fehlerhafte Angebote sind, sofern dies in der Ausschreibung festgelegt wurde, dann nicht weiter zu berücksichtigen, wenn die Summe der Absolutbeträge aller Berichtigungen – erhöhend oder vermindernd – 2% oder mehr des ursprünglichen Gesamtpreises beträgt. Berichtigungen von Seitenüberträgen der Zwischensummen im Angebot (Übertragungsfehler), mit denen nicht weitergerechnet wurde, bleiben dabei unberücksichtigt. Eine Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers ist, ausgenommen der öffentliche Auftraggeber hat in der Ausschreibung ausdrücklich anderes festgelegt, unzulässig.“
[…]
Dokumentation der Angebotsprüfung
§ 140. (1) Die Prüfung der Angebote ist so zu dokumentieren, dass alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände nachvollziehbar sind.
(2) Über die Gesamtpreise, die sich nach Prüfung der Angebote ergeben – bei Teilvergabe auch über die betreffenden Teilgesamtpreise –, ist jedem verbliebenen Bieter Auskunft zu geben, sofern das Ergebnis der Angebotsöffnung nicht geheim ist. Jeder Bieter kann von seinem allenfalls berichtigten Angebot oder der Durchrechnung seines Angebotes Kenntnis nehmen.
(3) Der Bieter kann die Übermittlung oder Bereitstellung des Teiles der Dokumentation verlangen, der sein Angebot betrifft.
[…]
4. Teil
Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht
1. Hauptstück
Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.
[…]
2. Hauptstück
Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
[…]
2. Abschnitt
Nachprüfungsverfahren
Einleitung des Verfahrens
§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
[…]
Inhalt und Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages
§ 344. (1) Ein Antrag gemäß § 342 Abs. 1 hat jedenfalls zu enthalten:
1. die Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung,
2. die Bezeichnung des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
3. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluss, insbesondere bei Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung die Bezeichnung des für den Zuschlag in Aussicht genommenen Bieters,
4. Angaben über den behaupteten drohenden oder bereits eingetretenen Schaden für den Antragsteller,
5. die Bezeichnung der Rechte, in denen der Antragsteller verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte) sowie die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
6. einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung, und
7. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
(2) Der Antrag ist jedenfalls unzulässig, wenn
1. er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet, oder
2. er nicht innerhalb der in § 343 genannten Fristen gestellt wird, oder
3. er trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.
[…]
Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers
§ 347. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn
1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und
2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
(2) Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in der Ausschreibung in Betracht.
(3) Erklärt das Bundesverwaltungsgericht eine gesondert anfechtbare Entscheidung für nichtig, ist der Auftraggeber verpflichtet, in dem betreffenden Vergabeverfahren mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
[…]“
3.1.1. Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 137 BVergG 2018 (ErläutRV 69 BlgNR 26. GP 153) ergibt sich Folgendes:
„Zu § 137 (Prüfung der Angemessenheit der Preise und vertiefte Angebotsprüfung): § 137 dient dem Schutz des Auftraggebers (zB vor spekulativen Angeboten) und soll zugleich auch einen fairen Wettbewerb gewährleisten. Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 29. März 2006, 2003/04/0181, festgehalten hat, handelt es sich bei der vertieften Angebotsprüfung um eine Plausibilitätsprüfung, bei der nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur – grob – geprüft werden muss, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann. Zu betonen ist ferner, dass nach dem System der RL und des BVergG die Prüfung der Preisangemessenheit im Ober- wie auch im Unterschwellenbereich stattzufinden hat (vgl. dazu auch EuGH verbundene Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP) und keine Einschränkung der Prüfmöglichkeit des Auftraggebers (zB auf sogenannte ‚wesentliche Positionen‘) besteht (siehe dazu insbesondere auch EuGH Rs C-568/13, Data Medical Services). § 137 regelt die Vorgangsweise des Auftraggebers, falls dieser zur Auffassung kommt, dass angebotene Preise (vgl. dazu § 2 Z 26) ungewöhnlich niedrig sind. Weder die RL noch das BVergG definieren den Begriff eines ‚ungewöhnlich niedrigen Angebots‘. Es ist daher Sache des Auftraggebers festzulegen (entweder rein intern oder im Rahmen der Ausschreibungsunterlagen), wie die Ungewöhnlichkeitsschwelle für ein ‚ungewöhnlich niedriges Angebot‘ zu errechnen bzw. wo sie wertmäßig anzusetzen ist (so auch EuGH Rs C-285/99 und C-286/99, Lombardini und Mantovani, Rs C- 568/13, Data Medical Service). Dies könnte etwa durch Festlegung eines maximalen Differenzprozentsatzes (zB 10%) im Vergleich zum zweitgereihten Bieter (beim Angebotspreis) oder zum zweitbilligsten Positions-, Pauschal- oder Regiepreis oder durch Festlegung eines maximalen Differenzprozentsatzes (zB 15%) zum Mittelwert der entsprechenden Preise erfolgen. Unter ‚alternativ angebotenen‘ Leistungen gemäß Abs. 1 sind sowohl Alternativ- wie auch Abänderungsangebote zu verstehen (Variantenangebote fallen unter das Konzept der ‚ausgeschriebenen‘ Leistung). Bei der Prüfung der Angebotspreise können allgemein anerkannte Leitlinien, standardisierte Kalkulationshilfen und wissenschaftliche Publikationen für die Feststellung herangezogen werden, welche Bandbreite an Preisen für die ausgeschriebenen Leistungen angemessen ist. Abs. 2 regelt jene Umstände, die den Auftraggeber zur Aufklärung und zur vertieften Angebotsprüfung verpflichten. Abs. 3 beinhaltet die bei einer vertieften Angebotsprüfung anzulegenden Maßstäbe. Abs. 3 Z 1 verweist im Kontext der Prüfung der Nachvollziehbarkeit der Personalkosten demonstrativ auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge (die – falls sie nicht ohnehin bereits im Angebot offen gelegt wurden – der Auftraggeber im Rahmen der Aufklärung vom Unternehmer identifizieren lassen kann; vgl. dazu auch die verschiedenen, online verfügbaren Kollektivvertragsdatenbanken). Dies stellt eine flankierende Maßnahme zur leichteren Aufdeckung von Lohn- und Sozialdumping dar. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass bei der vertieften Angebotsprüfung des Bieters keine Verpflichtung zur Nachprüfung der Preise allenfalls bereits namhaft gemachter Subunternehmer besteht. Zur weiteren Vorgangsweise des Auftraggebers bei nicht erklär- oder nachvollziehbaren Preisen vgl. § 138 und insbesondere dessen Abs. 5.“
3.2. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:
3.2.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 ist im Anwendungsbereich des BVergG 2018 grundsätzlich die Entscheidung durch Senate vorgesehen.
Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Burghauptmannschaft Österreich, Abteilung 304. Diese ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 1 BVergG 2018. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 5 BVergG 2018. Nach den Angaben der Auftraggeberin beträgt der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer EUR XXXX ,--, sodass es sich gemäß § 12 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 um ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich handelt.
Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.
3.3. Zum Vorbringen der Parteien:
Bezüglich der Rechtzeitigkeit des gegenständlichen Nachprüfungsantrags inklusive des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führte die Auftraggeberin in ihrer Stellungnahme vom 27.08.2020 Folgendes aus:
Da die Zuschlagsentscheidung der Antragstellerin am 13.08.2020 elektronisch übermittelt worden sei, habe die gegenständliche Anfechtungsfrist am 23.08.2020 geendet. Da das Fristende auf einen Sonntag gefallen sei, wäre daher die Einbringung am 24.08.2020 grundsätzlich noch möglich gewesen.
Gemäß § 20 Abs 2 und 6 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes (GO-BVwG) könnten schriftliche Anbringen nur innerhalb der Amtsstunden physisch (postalisch, persönlich oder mit Boten) oder elektronisch beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden und schriftliche Anbringen, die nach Ablauf der Amtsstunden eingebracht werden würden, würden erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Tages als eingebracht gelten.
Gemäß § 20 Abs 1 GO-BVwG seien die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes an jedem Arbeitstag (mit drei Ausnahmen) von 08:00 bis 15:00 Uhr.
Seitens der Antragstellerin sei der gegenständliche Nachprüfungsantrag jedoch erst am 24.08.2020 um 15.47 Uhr eingebracht worden, weshalb dieser daher gemäß § 20 Abs 6 GO-BVwG mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages, sohin am 25.08.2020, als eingebracht gelte.
Bei den in § 343 BVergG 2018 angeführten Zeitpunkten handle es sich jedoch um keine verfahrensrechtlichen Fristen im Sinne des AVG. Dies habe ua zur Folge, dass das Postlaufprivileg des § 33 Abs 3 AVG nicht zur Anwendung gelange und es daher auf das tatsächliche Einlangen bei der Behörde ankomme. Es reiche daher nicht aus, den Nachprüfungsantrag am letzten Tag der Nachprüfungsfrist der Post oder einem anderen Zustelldienst zu übergeben, sondern der Nachprüfungsantrag müsse vielmehr an diesem Tag bereits bei der Vergabekontrollbehörde einlangen.
Lediglich der Vollständigkeit halber sei festzuhalten, dass ein Einbringen von Schriftsätzen nach den Amtsstunden im Sinne des § 20 Abs 7 GO-BVwG lediglich per elektronischem Rechtsverkehr im Sinne der Verordnung des Bundeskanzlers über den elektronischen Verkehr zwischen Bundesverwaltungsgericht und Beteiligten möglich und damit Rechtsanwälten vorbehalten sei.
Der gegenständliche Nachprüfungsantrag sei jedoch nicht per elektronischem Rechtsverkehr eingebracht worden, weshalb dieser – wie oben bereits ausgeführt – gemäß § 20 Abs 6 GO-BVwG als mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages beim Bundesverwaltungsgericht als eingelangt gelte. Festzuhalten sei daher, dass der gegenständliche Nachprüfungsantrag nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 343 Abs 1 BVergG 2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt sei und demgemäß als verspätet bzw. verfristet zurückzuweisen sei.
Das Bundesverwaltungsgericht geht aus folgenden Gründen davon aus, dass der gegenständliche Nachprüfungsantrags inklusive des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung rechtzeitig eingebracht wurde:
Der Verwaltungsgerichtshof sprach dazu in seinem Erkenntnis vom 08.08.2019, Ra 2018/04/0116, Folgendes aus:
„27 Mit den Regelungen des § 20 Abs. 2 und 6 GO-BVwG, an die in § 13 Abs. 2 und 5 AVG angeknüpft wird, legt das Bundesverwaltungsgericht fest, zu welchen Zeiten es zur Entgegennahme schriftlicher Anbringen bereit ist bzw. wann außerhalb der Amtsstunden eingebrachte Anbringen als eingebracht gelten. Diese Regelungen haben ihrem Wesen nach allerdings keine Verkürzung der Rechtsmittelfrist des § 321 Abs. 1 BVergG 2006 als solche zur Folge. Dies ist zunächst vor dem Hintergrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 3. März 2014, G 106/2013, zu sehen, denen zufolge die organisatorischen Beschränkungen des elektronischen Verkehrs und die Festlegung der Amtsstunden, während derer eine Behörde zur Entgegennahme von schriftlichen Anbringen verpflichtet ist, eine Angelegenheit des Verwaltungsorganisationsrechts und nicht des Verwaltungsverfahrensrechts sind. Eine organisationsrechtliche Festlegung von Amtsstunden in einer Geschäftsordnung kann daher innerstaatlich nicht als Verkürzung einer verfahrensrechtlichen Frist angesehen werden. Zudem ist auf die Regelung des § 33 Abs. 3 AVG hinzuweisen, der zufolge die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinn des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die verfahrensrechtliche Frist nicht eingerechnet werden. Erfolgt die Übermittlung eines Anbringens somit im Wege eines Zustelldienstes, kommt es nicht auf das Einlangen des Anbringens bei der Behörde, sondern auf die Übergabe an den Zustelldienst an (siehe eingehend dazu Hengstschläger/Leeb, AVG I2 (2014) § 33 Rz. 3 ff, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des VwGH). Die Regelungen über die Amtsstunden bzw. die Bereitschaft zur Entgegennahme von schriftlichen Eingaben in zeitlicher Hinsicht betreffen somit nicht alle, sondern nur bestimmte Formen der Übermittlung von Eingaben.“
Die Novellierung von § 19 BVwGG wurde vom Gesetzgeber (561 der Beilagen XXVI. GP, 4f) in folgender Weise begründet:
„Im Hinblick auf den elektronischen Verkehr zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und den Beteiligten beschränkende organisations- bzw. geschäftsordnungsrechtliche Regelungen (vgl. § 20 Abs. 2 und 6 der gemäß § 19 BVwGG erlassenen Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes – GOBVwG vom 4. August 2014) ist es derzeit zur Fristenwahrung erforderlich, Schriftsätze, die dem Bundesverwaltungsgericht im elektronischen Verkehr übermittelt oder im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht werden, so rechtzeitig einzubringen, dass sie am letzten Tag der Frist noch vor dem Ende der Amtsstunden beim Bundesverwaltungsgericht einlangen (vgl. VwSlg. 19.247 A/2015; VfSlg. 19.849/2014). Demgegenüber gilt für durch einen Zustelldienst erfolgende Übermittlungen das ‚Postlaufprivileg‘: Die Tage von der Übergabe an den Zustelldienst bis zum Einlangen bei der Behörde sind in die Frist nicht einzurechnen (§ 33 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991). Vor diesem Hintergrund hat der Nationalrat in seiner Sitzung am 29. Juni 2017 in einer einstimmig angenommenen Entschließung den Bundeskanzler aufgefordert, ‚einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass mittels ERV und E-Mail gemachte Eingaben an Behörden und Verwaltungsgerichte in Hinblick auf die Rechtzeitigkeit ihres Einlangens gleichbehandelt werden wie postalisch gemachte Eingaben‘ (216/E XXV. GP). Diesem Wunsch des Nationalrates soll mit dem Entwurf entsprochen werden. Nach der vorgeschlagenen Regelung soll es zur Wahrung von (verfahrensrechtlichen) Fristen künftig ausreichend sein, wenn der Schriftsatz am letzten Tag der Frist an das Bundesverwaltungsgericht elektronisch versendet oder im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht wird (im Sinne des § 1 Abs 1 BVwG-EVV). Ob dies während der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes oder nach ihrem Ende geschieht und wann der Schriftsatz beim Bundesverwaltungsgericht einlangt, soll künftig für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit rechtlich ohne Bedeutung sein, vorausgesetzt, der Schriftsatz langt überhaupt dort ein und geht nicht auf dem Übermittlungsweg ‚verloren‘; die Gefahr des ‚Verlustes‘ des Schriftsatzes auf dem Übermittlungsweg soll also nach wie vor der Einschreiter zu tragen haben. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Einlangen eines Schriftsatzes Handlungspflichten des Bundesverwaltungsgerichtes auslösen kann (zB die Pflicht zur Entscheidung über einen in einer Revision gestellten Antrag auf aufschiebende Wirkung oder die Bekanntmachungs- und Verständigungspflichten nach § 345 des Bundesvergabegesetzes 2018 – BVergG 2018, BGBl I Nr. 65/2018), die von ihm bei realistischer Betrachtung außerhalb der Amtsstunden nicht erfüllt werden können. Wird ein Schriftsatz außerhalb der Amtsstunden eingebracht, so sollen derartige Handlungspflichten daher erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden ausgelöst werden (vorausgesetzt, der Schriftsatz ist zu diesem Zeitpunkt bereits eingelangt, was, außer bei technischen Störungen, in der Regel der Fall sein wird).“
Bei den Fristen zur Einbringung von Nachprüfungsanträgen handelt es sich um verfahrensrechtliche Fristen, die nach dem AVG zu berechnen sind und bei denen alle Rechtsbehelfe nach dem VwGVG wie die Wiedereinsetzung zur Verfügung stehen. Grundsätzlich ist für die zulässige Form des Einbringens von Nachprüfungsanträgen die BVwG-EVV zu beachten, wobei die falsche Wahl einer Übermittlungsart einen grundsätzlich verbesserbaren Formfehler darstellt. Eine Ausnahme stellt das E-Mail dar, dessen Einbringung jedenfalls unzulässig ist und bewirkt, dass gar keine Eingabe erfolgte. Beim Einbringen eines Nachprüfungsantrags im Postweg gilt das Postlaufprivileg gemäß § 33 Abs 3 AVG, allerdings geht insbesondere bei der Anfechtung der Zuschlagsentscheidung die Dauer der Übermittlung an das Bundesverwaltungsgericht und damit das Risiko einer vorzeitigen Zuschlagserteilung zu Lasten des Nachprüfungswerbers (Reisner, in Heid/Reisner/Deutschmann/Hofbauer [Hrsg], BVergG 2018 – Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2018 [2019] § 343 Rz 3).
Die vom Bundesverwaltungsgericht in § 20 GO-BVwG getroffene organisatorische Beschränkung der Einbringung auf dessen Amtsstunden betrifft weder schriftliche Anbringen, für die das Postlaufprivileg des § 33 Abs 3 AVG zur Anwendung gelangt, noch die besondere Form der Einbringung von schriftlichen Anbringen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (Autengruber/Schindl, in Gast [Hrsg], Bundesvergabegesetz inklusive BVergG Konz – Leitsatzkommentar [2019] § 343 Rz 13).
Die Zuschlagsentscheidung wurde der Antragstellerin am 13.08.2020 elektronisch übermittelt, weshalb die gegenständliche Anfechtungsfrist grundsätzlich am 23.08.2020 geendet hätte.
Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24.12., so ist gemäß § 33 Abs 2 AVG der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.
Da der 23.08.2020 ein Sonntag war, war daher die Einbringung am 24.08.2020 möglich.
Der gegenständliche Nachprüfungsantrag inklusive des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung langte am 24.08.2020 um 15:47 per E-Mail beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im postalischen Wege langte der vorliegende Nachprüfungsantrag inklusive des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung am 25.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein, nachdem dieser am 24.08.2020 um 15:49 Uhr der Post zur Zustellung übergeben worden war.
Aus all dem ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht, dass der Nachprüfungsantrag inklusive des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung rechtzeitig eingebracht wurde.
3.3.1. Inhaltliche Begründetheit
Gemäß § 20 Abs 1 letzter Satz BVergG 2018 hat die Vergabe an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen. Folglich ist die Angemessenheit der Preise gemäß § 135 Abs 2 Z 4 BVergG 2018 im Zuge der Angebotsprüfung entsprechend den Vorgaben des § 137 BVergG 2018 einer Überprüfung zu unterziehen. Die Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung liegt nicht im Ermessen des Auftraggebers. Angebote sind einer solchen zu unterziehen, wenn sie (1) einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, (2) zu hohe oder niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen enthalten oder (3) nach der Angemessenheitsprüfung begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen. Dabei hat der Auftraggeber dem Gebot der kontradiktorischen Angebotsprüfung zu entsprechen (BVA 01.10.2004, 06N-84/04-22 unter Verweis auf EuGH 27.11.2001, Rs C-285/99 und C-286/99, Lombardini und Mantovani; VwGH 29.03.2006, 2003/04/0181; Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 [2015], Rz 1582ff). Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu klären, ob die Preisgestaltung betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar ist, wobei im Einzelnen die in § 135 Abs 4 Z 1 bis 3 BVergG 2018 genannten Kriterien maßgeblich sind (vgl zum BVergG 2006 Eilmansberger/Fruhmann in Schramm/Aicher/Fruhmann [Hrsg], Bundesvergabegesetz: Kommentar zum Bundesvergabegesetz 20062 [2009] § 19 Rz 53). Dabei handelt es sich um eine Plausibilitätsprüfung, b