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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §69 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der R in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Februar 1997, Zl. 03-12.10 S 72-97/13, betreffend Antrag auf Wiederaufnahme in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. E-Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, 2. Gemeinde S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,--, der Erstmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- und der Zweitmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Über Antrag der erstmitbeteiligten Partei (Bauwerberin) um Erteilung der Baubewilligung für ein 11-Familienwohnhaus mit einem Geschäftslokal und Lagerraum, 5 freie PKW-Abstellplätze und eine Tiefgarage für 11 PKW in der A-Gasse 3, S, auf dem Grundstück Nr. 356/5, Teil von 356/14 und Teil von 356/17, EZ N7/N4/N3, KG S, wurde für den 27. September 1995 eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der die Beschwerdeführerin als Anrainerin nachweislich unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß des § 42 AVG geladen wurde. In dieser Verhandlung, der die eingereichten Pläne, unter anderem der Plan Nr. 06 zugrundelagen, wurde das Bauprojekt dargestellt.
Die Beschwerdeführerin gab wörtlich an:
"während der Bauzeit bis zur Errichtung der Einfriedung bzw. Fertigstellung der Tiefgaragenzufahrt darf mein Grundstück von jedweglichen Baufahrzeugen nicht befahren werden und meine Parkfläche nicht verstellt werden."
In der Folge wurde die beantragte Baubewilligung mit Bescheid des Bürgermeisters vom 3. Oktober 1995 unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Im Spruch des Bescheides des Bürgermeisters wurde ausgeführt, daß die mit dem Genehmigungsvermerk versehenen und beiliegenden Pläne und Unterlagen einen wesentlichen Bestandteil bilden. Der Baubewilligungsbescheid wurde der Beschwerdeführerin nachweislich am 5. Oktober 1995 zugestellt, sie hat den Bescheid (RSb-Sendung) selbst übernommen. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin nicht berufen, er ist in der Folge in Rechtskraft erwachsen.
Mit Eingabe vom 14. Dezember 1995, eingelangt bei der Gemeinde am 15. Dezember 1995, stellte die Beschwerdeführerin, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, einen Wiederaufnahmeantrag und brachte vor, nach der Bauverhandlung vom 27. September 1995, in der noch ausdrücklich eine Zufahrt zur geplanten Garage in vollkommen gerader Richtung vom öffentlichen Grund her vorgesehen gewesen sei, liege nunmehr im Bauakt ein Plan vor, in welchem die Zufahrt in einer Schleife von 16,39 m Abstand zur Kärntnerstraße direkt an der Grundgrenze 356/14, planlich vorgesehen worden sei. Dieser Wiederaufnahmeantrag ist nicht Gegenstand dieser Beschwerde.
Mit einem weiteren Antrag vom 20. Mai 1996, eingelangt bei der Gemeinde am 21. Mai 1996, beantragte die Beschwerdeführerin nochmals die Wiederaufnahme, sie brachte dafür "das Faktum des § 69 Abs. 1 Z. 1b AVG zur Geltung". Zur Begründung wurde ausgeführt, der Rechtsvertreter habe am Dienstag, dem 7. Mai 1996, in den nunmehrigen Bauakt
GZ 2/131-91/0/48-51810986/1996-2, Einsicht genommen und sich Ablichtungen über das Bewilligungsansuchen der Bauwerberin im weitergehenden Bauverfahren über dieselbe Widmungsfläche, das sodann am 13. Mai 1996 abgehandelt worden sei, besorgt. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beschwerdeführerin davon Kenntnis erhalten, daß anschließend an das Haus A-Gasse 3 noch das Haus K-Straße 518 mit Geschäfts- une Wohnräumen, einem Parkplatz mit 24 Parkplätzen und eine weitergehende Tiefgarage mit 41 Parkplätzen zusätzlich zur seinerzeitigen Tiefgarage mit 11 Abstellplätzen sowie 5 Freiplätzen gebaut werden sollte. Der Wiederaufnahmsantrag sei daher innerhalb der 14-tägigen Frist erfolgt. In der Sache selbst wurde vorgebracht, durch die massive Projekterweiterung habe sich der Sachverhalt des seinerzeitigen Bauvorhabens, als es nur um das Haus A-Gasse 3 und eine Tiefgarage sowie die Zufahrt zu derselben ging, erheblich geändert. Es seien die Immissionsbelastungen, die gutachtlich am 15. März 1996 untersucht worden seien und an der Grenze des Zumutbaren lägen, doch ausschließlich auf das seinerzeitige Projekt bezogen gewesen. Im seinerzeitigen Bauverfahren vom 27. September 1995, das nunmehr wiederaufgenommen werden möge, seien keinerlei Immissionen ausgehend von der Tiefgarage 1 und der rampenartigen Zufahrt gemessen bzw. ins Kalkül gezogen worden. Durch diese massive Projekterweiterung hätten sich die Umstände erheblich geändert und es seien die im neuerlichen Bauvorhaben zu erwartenden Immissionen mit jenen des alten Bauverfahrens zu summieren. Eine Änderung der Verhältnisse bedinge jedenfalls, daß die Beschwerdeführerin nunmehr die Wiederaufnahme des seinerzeitigen Bauverfahrens und die Einbeziehung der durch dieses Bauvorhaben zu erwartenden Immissionen mit denen, die aufgrund der Gutachten im zweiten Bauverfahren zu erwarten seien, zu fordern berechtigt sei.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Juni 1996 wurde der Wiederaufnahmeantrag vom 20. Mai 1996 als unbegründet abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 2. Oktober 1996 abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, daß es sich nicht um neu entstandene Tatsachen handle, sondern die Konsenswerberin nunmehr ein Gesamtprojekt erstelle, das nicht in dieser Klarheit den Nachbarn vorgestellt worden sei, sondern das nur abschnittsweise, versehen mit einigen Änderungen, in verschiedene Bauabschnitte zerteilt behandelt werde. Es sei eine Gesamtbeurteilung von Immissionen, die vom nunmehrigen Gesamtprojekt ausgingen, im vorzitierten Verfahren nicht erfolgt. Wegen dieser Änderung und der in diesem Zusammenhang erforderlichen neuen Bewilligungen sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin sehr wohl eine Wiederaufnahme des Verfahrens geboten.
Mit Bescheid vom 7. Februar 1997 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 2. Oktober 1996 abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erst- und zweitmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
2. neue Tatsachen oder Beweise hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Der verfahrensgegenständliche Wiederaufnahmeantrag vom 20. Mai 1996 ist auf "§ 69 Abs. 1 Z. 1b" AVG gestützt. Geltend gemacht wird sinngemäß, daß durch die in einem zweiten Bauverfahren zusätzlich beantragte zweite Tiefgarage die Fahrfrequenz auf der mit Bescheid vom 3. Oktober 1995 bewilligten Rampe eine wesentlich stärkere Frequenz erfahren soll, als ursprünglich geplant. Ein derartiger Umstand (Änderung eines Bauvorhabens durch Erweiterung und in dessen Folge eine vermehrte Frequenz der Rampe) kann aber nicht unter die im § 69 Abs. 1 Z. 1 und 2 normierten Tatbestände subsumiert werden. Es handelt sich dabei weder um die Fälschung einer Urkunde, ein falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung noch um eine sonstige Erschleichung des Bescheides. Vielmehr wurde eine Ausweitung eines Bauvorhabens beantragt, im diesbezüglichen Verfahren ist die Immissionsbelastung einer Begutachtung zuzuführen; der Beschwerdeführerin kommt in diesem Verfahren die Parteistellung zu (auf das geänderte Bauvorhaben bezieht sich das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 97/06/0037). Die Tatsachen, die nach Ansicht der Beschwerdeführerin neu hervorgekommen sind (§ 69 Abs. 1 Z. 2 AVG), beziehen sich nicht auf das Verfahren, dessen Wiederaufnahme beantragt wurde, sondern auf ein neues Baugesuch, das erst nach Rechtskraft des Bescheides vom 3. Oktober 1995 eingereicht wurde.
Da der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund in § 69 AVG keine Deckung findet, ist die Beschwerdeführerin durch die Abweisung ihres Antrages und die Bestätigung dieser Abweisung durch die belangte Behörde in keinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei für die Vergebührung nichterforderlicher Beilagen war abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997060079.X00Im RIS seit
20.11.2000