Entscheidungsdatum
20.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
I403 2235367-1/3E I403 2235363-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1.) XXXX , StA. Nordmazedonien, und (2.) XXXX , StA. Nordmazedonien, gesetzlich vertreten durch ihre Eltern XXXX , beide vertreten durch: Mag. Susanne SINGER, Rechtsanwältin in 4600 Wels, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2020, Zl. (1.) XXXX und (2.) XXXX , zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. erster Satz der angefochtenen Bescheide wird als unbegründet abgewiesen.
II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. zweiter Satz der angefochtenen Bescheide wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG bis zum 31.12.2020 vorübergehend unzulässig ist.
III. Spruchpunkte II. und III. der angefochtenen Bescheide werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (im Folgenden: Erstbeschwerdeführerin) stellte am 21.02.2020 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK.
2. Am 04.06.2020 wurde die Erstbeschwerdeführerin von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.
3. Am 24.06.2020 stellte der Vater der am XXXX 2020 geborenen XXXX (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführerin) als gesetzlicher Vertreter einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK.
4. Am 05.08.2020 wurden die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.
5. Mit den Bescheiden der belangten Behörde vom 07.08.2020, Zl. (1.) XXXX und (2.) XXXX wurden die Anträge vom 21.02.2020 und 24.06.2020 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK abgewiesen und gegen die Beschwerdeführerinnen gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen gemäß § 46 FPG nach Nordmazedonien zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).
6. Gegen diese Bescheide richten sich die fristgerecht erhobenen Beschwerden vom 07.09.2020 (bei der belangten Behörde eingelangt am 07.09.2020).
7. Mit Schriftsatz vom 21.09.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 24.09.2020, legte die belangte Behörde die Beschwerden samt den Verwaltungsakten vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den Beschwerdeführerinnen:
Die volljährige und unbescholtene Erstbeschwerdeführerin und ihre Tochter, die in Österreich am XXXX .2020 geborene Zweitbeschwerdeführerin, sind Staatsangehörige von Nordmazedonien. Ihre Identitäten stehen fest.
Die Erstbeschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig. Die Zweitbeschwerdeführerin hatte Mitte Juni 2020 Atemprobleme und wurde ihr – neben der Verabreichung von Vitamin-D-Tropfen - für die Dauer von drei bis sechs Monaten ein Heimmonitoring empfohlen, um der Gefahr eines plötzlichen Kindstodes vorzubeugen. Heimmonitoring ist die kontinuierliche Überwachung von Atmung, Herzfrequenz und optional peripherer Sauerstoffsättigung mittels eines für den Heimgebrauch entwickelten Monitors.
Die Erstbeschwerdeführerin ist seit XXXX .2018 mit XXXX , einem in Österreich lebenden Staatsangehörigen von Nordmazedonien, verheiratet. XXXX verfügt über eine bis 21.02.2021 gültige Rot-Weiß-Rot Karte plus.
In den Jahren 2018 und 2019 reiste die Erstbeschwerdeführerin insgesamt dreimal nach Österreich, um ihren Mann zu besuchen, wobei sie sich jeweils nicht länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhielt. Zuletzt reiste sie am 09.02.2020 nach Österreich zu ihrem Mann und hält sich seitdem durchgehend im Bundesgebiet auf. Seit 13.02.2020 hat sie einen aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz und wohnt mit ihrem Mann und ihrer Tochter kostenlos bei ihrem Schwiegervater, der in Österreich über eine Mietwohnung verfügt. Ihr Mann sorgt für sie und ihre Tochter. Sie ist derzeit nicht erwerbstätig und hat kein Einkommen.
Die Familie der Erstbeschwerdeführerin bestehend aus den Eltern, ihren zwei Schwestern und ihrem Bruder lebt in Nordmazedonien. Mit ihren Geschwistern steht sie nach wie vor in Kontakt. Mit ihren Eltern ist sie seit der Verehelichung zerstritten. In Österreich verfügt die Erstbeschwerdeführerin bis auf ihren Mann und dessen Familie, ihren Onkel mit dessen Familie und ihre Tochter über kein soziales Umfeld bzw. über keine maßgeblichen privaten oder familiären Beziehungen. Die Beschwerdeführerinnen weisen in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.
1.2. Zur Lage in Nordmazedonien:
Bei Nordmazedonien handelt es sich um einen sicheren Herkunftsstaat.
Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 16.04.2020) „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nordmazedonien vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine entscheidungswesentliche Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
Zur Lage im Herkunftsstaat werden die für das gegenständliche Verfahren relevanten Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nordmazedonien vom 16.04.2020 festgestellt:
1.2.1. Grundversorgung/Wirtschaft
Letzte Änderung: 16.4.2020
2018 hat sich die Wirtschaft endlich erholt und wuchs um 2,7%. Der positive Trend hat sich auch heuer fortgesetzt, das Wirtschaftswachstum lag im 1. Halbjahr 2019 bei 3,6% (WKO 21.10.2019a). Die öffentliche Verschuldung macht ca. 51% des BIP aus. Etwa zwei Drittel der Staatsausgaben sind für Sozialausgaben bestimmt, wodurch wenig Spielraum für produktive Investitionen bleibt. Die Arbeitslosigkeit ist immer noch sehr hoch und liegt bei ca. 20%. Auffallend ist, dass trotz der hohen Arbeitslosigkeit die Unternehmen Schwierigkeiten haben, qualifiziertes Personal zu finden. Das ist einerseits auf die hohe Abwanderung zurückzuführen, aber andererseits auch auf ein Bildungssystem, das den Anforderungen des Arbeitsmarkts nicht entspricht. Trotz vieler Reformen im Zuge der Transformation zu einer liberalen Marktwirtschaft, haben internationale und hausgemachte Krisen immer wieder zu Rückschlägen in der Wirtschaftsentwicklung geführt, sodass Mazedonien weiterhin das ärmste Land unter den Nachfolgestaaten Jugoslawiens ist (WKO 21.10.2019b).
Das Parlament hat im Juli 2019 die Gesetze zur Ratifizierung der Abkommen zwischen Nordmazedonien und Griechenland über die Eröffnung der zwei Grenzübergänge ratifiziert. Die Grenzübergänge sind für den bilateralen Wirtschafts- und Handelsaustausch, den Tourismus und die Menschen in den Grenzgebieten von großer Bedeutung (VB 9.4.2020).
Mietkosten variieren stark je nach Lage der Wohnung und Dauer des Mietverhältnisses. Im zentralen Teil von Skopje wird eine 60qm Wohnung für ca. 350 bis 400 Euro vermietet. Außerhalb Skopjes ist die Miete wesentlich niedriger (BAMF-IOM 2019).
Den am 20.3.2020 veröffentlichen Daten des Statistischen Landesamtes zu Folge belief sich die Zahl der in der Republik Nordmazedonien erwerbsaktiven Personen im Jahr 2019 auf 964.014.
797.651 Personen waren beschäftigt und 166.363 arbeitslos. Die Erwerbsquote betrug 57,2% die Beschäftigungsquote 47,3% und die Arbeitslosenquote 17,3% (VB 9.4.2020).
1.2.2. Sozialhilfe und Existenzsicherung
Der Erhalt von Sozialleistungen ist an einen Aufenthalt in Nordmazedonien gebunden. Hinzu kommt die Verpflichtung, sich einmal jährlich bei den Sozialbehörden zu melden. Als Folge davon müssen Rückkehrer neuerliche Anträge auf Sozialhilfe stellen, über die innerhalb von zwei Monaten entschieden werden muss. Die Summe der gezahlten Sozialleistungen beträgt für zwei Personen monatlich ca. 50,- Euro (das Durchschnittsgehalt liegt bei 380,- Euro monatlich). Nordmazedonien verfügt nicht über eigene Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer (AA 6.11.2019).
Sozial benachteiligte Personengruppen können von verschiedenen Maßnahmen profitieren, z.B. von Notunterkünften, finanzieller Unterstützung, Sozialwohnungen und anderen Unterstützungsmaßnahmen. Die wichtigsten Institutionen, an die sich mazedonische Bürger/-innen wenden können, um das Recht auf Sozialen Schutz auszuüben, ist das Zentrum für soziale Arbeit, welches in jeder größeren Gemeinde zu finden ist. Dieses Zentrum entscheidet über sozialen Schutz, erkennt und ermittelt soziale Anliegen und Probleme, und bietet Unterstützung für schutzbedürftige Personen. Die Grundfinanzhilfe beträgt 35 EUR und erhöht sich mit jedem weiteren Familienmitglied. Um Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu können, muss man sich beim Zentrum für soziale Arbeit registrieren (BAMF-IOM 2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Nordmazedonien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019),https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/685389/685472/6029573/21601642/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Nordmazedonien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_August_2019%29%2C_06%2E11.2019.pdf?nodeid=21601753&vernum=-2, Zugriff 31.3.2020
- BAMF - IOM (2019 - geändert am 19.3.2020): Republik Nordmazedonien, Länderinformationsblatt - Country Fact Sheet 2019, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/10863297/21861796/Nordmazedonien_%2D_Country_Fact_Sheet_2019%2C_deutsch.pdf?nodeid=21860037&vernum=-2, Zugriff 7.4.2020
- WKO - Die Wirtschaftskammer Österreich (21.10.2019a): Außenwirtschaft, Länder, Die nordmazedonische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-nordmazedonische-wirtschaft.html, Zugriff 7.3.2020
- WKO - Die Wirtschaftskammer Österreich (21.10.2019b): MAZEDONIEN LOS GEHT‘S, LÄNDERREPORT, AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA 2019, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/nordmazedonien-laenderreport.pdf, Zugriff 7.4.2020
- VB des BMI für Mazedonien (9.4.2020): Auskunft des VB, per E-Mail
1.2.3. Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 16.4.2020
In Nordmazedonien gibt es ein öffentliches Gesundheitswesen, das jedem registrierten (standesamtlich erfassten) Bürger zur Verfügung steht. Es ist nicht bekannt, wie viele Roma nicht registriert sind und damit keine Personaldokumente erhalten können. Dieser Teil der Bevölkerung kommt auch nicht in den Genuss der staatlichen medizinischen Versorgung. Eine nachträgliche Registrierung ist grundsätzlich möglich, stellt sich nach Aussagen von NGOs aber als sehr langwierig und schwierig dar, weil oftmals bereits die Eltern von Registrierungspflichtigen nicht erfasst sind. Die medizinische Versorgung im staatlichen Gesundheitssystem hat sich verbessert. Die apparative Ausstattung ist in verschiedenen (aber nicht allen) Abteilungen der beiden wichtigsten öffentlichen Krankenhäuser in Skopje gut bis sehr gut. Problematisch ist neben baulichen Mängeln der Personalmangel durch Abwanderung. In den ländlichen Gegenden ist die medizinische Versorgung schlechter. Insbesondere fehlt es dort oft sowohl an der nötigen Ausstattung als auch an qualifiziertem Personal (AA 6.11.2019).
Außerhalb der größeren Städte ist die medizinische Versorgung beschränkt (EDA 7.4.2020). Die medizinische Versorgung in der Hauptstadt Skopje ist im privaten Sektor sehr gut und auch im öffentlichen Sektor in vielen Bereichen gut oder sehr gut. Außerhalb der Hauptstadt ist die medizinische Versorgung jedoch oft problematisch und vielfach technisch, apparativ und / oder hygienisch nicht auf dem neuesten Stand. Personalmangel ist vor allem im Pflegebereich ein häufiges Problem (AA 18.3.2020c).
Die Versicherten und ihre Familienangehörigen sind verpflichtet sich an den Behandlungskosten zu beteiligten. Der Beitrag liegt jedoch nicht höher als 20% der Gesamtkosten der Behandlung. Für die verpflichtende Krankenversicherung ist die Registrierung bei der örtlichen Niederlassung des HIF (Krankenkasse) notwendig. Nahezu alle Bürger/-innen (etwa 95% der Gesamtbevölkerung) sind durch die obligatorische Krankenversicherung versichert. Dies kann der Fall sein auf der Grundlage der Beschäftigung, Rentenansprüchen, oder auf anderer Grundlage, wie Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfeempfänger, Kriegsverletzte Personen (Soldaten und Zivilisten), Familienangehörige der Versicherten, Personen, die im Gefängnis sitzen oder zu anderen Strafmaßnahmen verurteilt wurden, sowie Personen in religiösen Gemeinden. Eine detaillierte Liste der verfügbaren Medikamente, sowie deren Kosten, findet man unter: https://lekovi.zdravstvo.gov.mk/ (BAMF-IOM 2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Nordmazedonien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019),https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/685389/685472/6029573/216 01642/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 27
%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Nordmazedonien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_August_2019%29%2C_06%2E11.2019.pdf?nodeid=21601753&vernum=-2, Zugriff 31.3.2020
- AA - Auswärtiges Amt (18.3.2020c): Republik Nordmazedonien: Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nordmazedonien-node/mazedoniensicherheit/207612, Zugriff 31.3.2020
- BAMF - IOM (2019 - geändert am 19.3.2020): Republik Nordmazedonien, Länderinformationsblatt - Country Fact Sheet 2019, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/10863297/21861796/Nordmazedonien_%2D_Country_Fact_Sheet_2019%2C_deutsch.pdf?nodeid=21860037&vernum=-2, Zugriff 7.4.2020
- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (7.4.2020): Nordmazedonien, Reisehinweise für Nordmazedonien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und reisehinweise/nordmazedonien/reisehinweise-nordmazedonien.html, Zugriff 7.4.2020
1.3 Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80% der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 20% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Sehr schwere oder tödliche Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).
Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen.
Die medizinischen Hauptindikationen sind:
-fortgeschrittene chronische Lungenkrankheiten, welche eine dauerhafte, tägliche, duale Medikation benötigen
-chronische Herzerkrankungen mit Endorganschaden, die dauerhaft therapiebedürftig sind, wie ischämische Herzerkrankungen sowie Herzinsuffizienzen
-aktive Krebserkrankungen mit einer jeweils innerhalb der letzten sechs Monate erfolgten onkologischen Pharmakotherapie (Chemotherapie, Biologika) und/oder einer erfolgten Strahlentherapie sowie metastasierende Krebserkrankungen auch ohne laufende Therapie
-Erkrankungen, die mit einer Immunsuppression behandelt werden müssen
-fortgeschrittene chronische Nierenerkrankungen
-chronische Lebererkrankungen mit Organumbau und dekompensierter Leberzirrhose ab Childs-Stadium B
-ausgeprägte Adipositas ab dem Adipositas Grad III mit einem BMI >= 40
-Diabetes mellitus
-arterielle Hypertonie mit bestehenden Endorganschäden, insbesondere chronische Herz- oder Niereninsuffizienz, oder nicht kontrollierbarer Blutdruckeinstellung.
Diese medizinischen Hauptindikationen werden in der Verordnung weiter unterteilt und genau beschrieben (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html).
In Österreich gibt es mit Stand 15.10.2020 14:00 Uhr insgesamt 59.368 laborbestätigte Fälle, aktuell 14.867 aktive Fälle und 888 gemeldete Todesfälle (https://info.gesundheitsministerium.at/dashboard_Epidem.html?l=de).
In Nordmazedonien gibt es mit Stand 15.10.2020 insgesamt 21.193 positiv bestätigte Fälle, 80 neue Fälle und 800 Todesfälle (https://covid19.who.int/region/euro/country/mk).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Erstbeschwerdeführerin und des Vaters der Zweitbeschwerdeführerin vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.
2.2. Zu den Beschwerdeführerinnen:
Die Feststellung, dass es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um eine Staatsangehörige von Nordmazedonien handelt, basiert auf ihrer Angabe im Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK vom 21.02.2020 (AS 1 im Akt zu 2235367-1), der von ihr vorgelegten Geburtsurkunde (AS 11 im Akt zu 2235367-1) und dem vorgelegten Reisepass mit der Nr XXXX (AS 45 im Akt zu 2235367-1).
Dass die Zweitbeschwerdeführerin am XXXX 2020 in Österreich geboren wurde, geht aus der vorgelegten österreichischen Geburtsurkunde hervor (AS 57 im Akt zu 2235367-1). Die Staatsangehörigkeit der Zweitbeschwerdeführerin leitet sich von ihren Eltern ab und wurde im Verfahren von keiner Partei bestritten.
Da die Erstbeschwerdeführerin über einen Reisepass sowie eine Geburtsurkunde verfügt (AS 11, 45 im Akt zu 2235367-1) und eine österreichische Geburtsurkunde betreffend die Zweitbeschwerdeführerin vorgelegt wurde (AS 57 im Akt zu 2235367-1), stehen ihre Identitäten fest.
Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin gesund ist, gründet sich auf ihrer Aussage in der niederschriftlichen Einvernahme am 04.06.2020 (AS 41 im Akt zu 2235367-1). Entsprechend ist von keiner Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit auszugehen.
Hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Zweitbeschwerdeführerin wurde in der niederschriftlichen Einvernahme am 05.08.2020 erwähnt, dass sie Atemaussetzer habe und mit einem Monitor überwacht werde (AS 25 im Akt zu 2235363-1). Außerdem wurde die erste Seite eines Arztbriefes vom Klinikum XXXX vorgelegt (AS 61 im Akt zu 2235367-1), aus dem hervorgeht, dass die Zweitbeschwerdeführerin von 17.06.2020 bis 19.06.2020 stationär im Klinikum aufhältig war und ihr bei Entlassung nach „R0 6.8 ALTE (apparent life threatening event) FA: pos. für SIDS“ diagnostiziert wurde. ALTE ist die Abkürzung für den Begriff „apparent life threatening event“ und bezeichnet damit ein „anscheinend lebensbedrohliches Ereignis“ im Säuglingsalter. Ein ALTE ist definiert als „eine plötzlich auftretende Episode, die durch die Kombination von Atempause (zentrale, seltener obstruktive Apnoe), Veränderung der Hautfarbe (Zyanose, Blässe oder Rötung) und Muskeltonusveränderungen (in der Regel Muskelhypotonie) charakterisiert ist. Auf den Beobachter wirkt dieses Geschehen dramatisch und es kann der Eindruck entstehen, das Kind sterbe oder sei bereits tot. ALTE dient demnach als Begriff, der einen Symptomenkomplex beschreibt, nicht ein spezifisches Krankheitsbild (Shahed Salimi-Palum, SIDS-Prävention und Betreuung von Risikokindern mit Heimmonitor in der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital in den Jahren 2005 bis 2010. Dissertation an der Uni München 2012, abrufbar unter https://edoc.ub.uni-muenchen.de/15055/1/Salimi-Palum_Shahed.pdf). SIDS steht für „Sudden Infant Death Syndrome“ und ist die englische Bezeichnung für den plötzlichen Kinds- oder Säuglingstod.
Vom Klinikum wurden zur Behandlung der Beschwerdeführerin zwei Maßnahmen empfohlen, einerseits die tägliche Einnahme von „Oleovit D3 Tropfen 1gtt“ als Medikation, andererseits ein Heimmonitoring für 3-6 Monate. Heimmonitoring ist die kontinuierliche Überwachung von Atmung, Herzfrequenz und optional peripherer Sauerstoffsättigung mittels eines für den Heimgebrauch entwickelten Monitors. Ziel des Heimmonitorings ist es, Risikokinder vor dem plötzlichen Kindstod zu bewahren, indem die Eltern durch Alarmierung über ein potentiell lebensbedrohliches Ereignis unverzüglich informiert werden und somit ein rasches Reagieren und Einleiten von Wiederbelebungsmaßnahmen ermöglicht wird (Shahed Salimi-Palum, SIDS-Prävention und Betreuung von Risikokindern mit Heimmonitor in der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von XXXX Kinderspital in den Jahren 2005 bis 2010. Dissertation an der Uni München 2012, abrufbar unter https://edoc.ub.uni-muenchen.de/15055/1/Salimi-Palum_Shahed.pdf).
Die Einnahme des Vitamin D3 Präparats kann jedenfalls in Nordmazedonien erfolgen und ist dort eine medizinische Versorgung grundsätzlich gegeben.
Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin seit XXXX 2018 mit XXXX , einem in Österreich lebenden Staatsangehörigen von Nordmazedonien, verheiratet ist, basiert auf den glaubhaften Aussagen der Erstbeschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme am 04.06.2020 und der von ihr vorgelegten Heiratsurkunde (AS 9, 37, 39 im Akt zu 2235367-1).
Dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, XXXX , über eine bis 21.02.2021 gültige Rot-Weiß-Rot Karte plus verfügt, ergibt sich aus der Abfrage vom 03.08.2020 aus dem Informationssystem des Fremdenregisters (AS 65 im Akt zu 2235367-1).
Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt dreimal nach Österreich reiste, um ihren Mann zu besuchen, wobei sie sich jeweils nicht länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhielt, ergibt sich aus den glaubhaften Aussagen der Erstbeschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme am 04.06.2020 (AS 37 im Akt zu 2235367-1) und dem Auszug aus dem zentralen Melderegister vom 25.09.2020.
Dass die Erstbeschwerdeführerin sich durchgehend seit 09.02.2020 in Österreich aufhält und seit 13.02.2020 einen aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz hat, geht aus dem Auszug aus dem zentralen Melderegister vom 25.09.2020 hervor. Die Feststellung, dass sie derzeit mit ihrem Mann und ihrer Tochter kostenlos bei ihrem Schwiegervater wohnt, der in Österreich über eine Mietwohnung verfügt, ergibt sich aus ihrer Angabe in der niederschriftlichen Einvernahme am 04.06.2020 (AS 37, 39 im Akt zu 2235367-1) und dem Auszug aus dem zentralen Melderegister vom 25.09.2020.
Dass XXXX für die Beschwerdeführerin sorgt und die Erstbeschwerdeführerin derzeit nicht erwerbstätig ist, ergibt sich aus der Aussage der Erstbeschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme am 04.06.2020 (AS 39 im Akt zu 2235367-1).
Die Feststellungen zur Familie der Erstbeschwerdeführerin und zum Kontakt zu ihren Geschwistern basieren auf den Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme am 04.06.2020 (AS 38, 39 im Akt zu 2235367-1).
Dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich bis auf ihren Mann und dessen Familie, ihren Onkel mit dessen Familie und ihre Tochter über keine Verwandten und über kein soziales Umfeld bzw. über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus der diesbezüglichen Angabe der Erstbeschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme am 04.06.2020 (AS 39, 41 im Akt zu 2235367-1).
Die Erstbeschwerdeführerin besitzt zwar ein ÖSD Zertifikat A1 bzw. spricht Deutsch auf Niveau A1 (AS 55 im Akt zu 2235367-1), jedoch handelt es dabei angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet um keine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung.
Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Erstbeschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 08.10.2020.
2.3. Zum Herkunftsstaat und zur aktuellen Covid 19 Pandemie:
Nach § 1 Z 4 der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr 145/2019 gilt Nordmazedonien als sicherer Herkunftsstaat.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nordmazedonien vom 16.04.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen.
Die Feststellungen zur aktuellen Covid 19 Pandemie beruhen auf den unter Punkt 1.3 zitierten Quellen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerden
3.1. Zur Nichtgewährung der Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK und zur Erlassung der Rückkehrentscheidungen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 55 Abs 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.
Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Ein Antrag iSd. § 55 AsylG vermittelt gemäß § 58 Abs. 13 AsylG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht.
Gemäß § 52 Abs 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, gilt gemäß § 2 Abs 4 Z 10 als Drittstaatsangehöriger.
Gemäß § 31 Abs 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.
Nach Art 4 der Verordnung (EU) 2018/1806 des europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 sind Staatsangehörige von Mazedonien für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Visumpflicht befreit.
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Im gegenständlichen Fall ist im Rahmen einer Interessensabwägung zu prüfen, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG in Betracht käme.
Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer von unter einem Jahr und des Fehlens von maßgeblichen integrationsschritten in Österreich liegt jedenfalls kein schützenswertes Privatleben der Beschwerdeführerinnen vor.
Zwar führen die Beschwerdeführerinnen ein Familienleben im Bundesgebiet, jedoch fällt die gebotene Interessensabwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu Lasten der Beschwerdeführerinnen aus und die Rückkehrentscheidung stellt – wie im Folgenden begründet wird - keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Erstbeschwerdeführerin sich wegen Überschreitung der zulässigen visumfreien Aufenthaltsdauer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Ihr rechtmäßiger Aufenthalt war auf die Dauer von 90 Tagen beschränkt und der Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gewährt ihr kein Aufenthaltsrecht, weshalb die Erstbeschwerdeführerin nicht von einer Erlaubnis zu einem Verbleib im Bundesgebiet ausgehen durfte.
Im gegenständlichen Fall ist zudem besonders darauf hinzuweisen, dass die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art 8 EMRK offenkundig mit der gezielten Absicht gestellt wurden, um das Fremden- und Niederlassungsrecht zu umgehen. Der Gesetzgeber normierte insbesondere in den §§ 11, 21 und 46 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) ein genaues Verfahren, unter welchen Umständen eine Familienzusammenführung unter Drittstaatsangehörigen rechtlich möglich ist.
Würde in Fällen wie dem vorliegenden ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG gewährt werden, wären die in den §§ 11, 21 und 46 NAG geregelten Voraussetzungen für eine Familienzusammenführung obsolet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in Fällen, in denen ein Fremder seinen in Österreich aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (Ehegatten bzw. Kindern) nachgereist war und einen Antrag auf internationalen Schutz bzw. auf Erteilung eines Aufenthaltstitels missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt hatte, festgehalten, dass in solchen Konstellationen das öffentliche Interesse besonders schwer wiegt, zumal von den Beteiligten nicht von einem (rechtmäßigen) Verbleib in Österreich ausgegangen werden konnte (vgl. VwGH, 21.02.2020, Ra 2020/18/0047-6 und VwGH, 23.01.2019, Ra 2018/19/0683, mwN).
Die öffentlichen Interessen an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes durch Vermeidung unkontrollierter Zuwanderung wiegen im gegenständlichen Fall insgesamt höher als die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerinnen an einem Verbleib im Bundesgebiet. Allein ein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde zu einer Bevorzugung von rechtsmissbräuchlichem Verhalten führen und Personen, die sich rechtskonform verhalten, schlechter stellen.
Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass aufgrund des Aufenthaltstitels von XXXX ein Recht auf Familienzusammenführung bestehe, die Erstbeschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Familienzusammenführung erfülle und die Zweitbeschwerdeführerin denselben Aufenthaltstitel wie ihr Vater erhalten müsse, sind die Beschwerdeführerinnen auf die bereits zitierten Bestimmungen des NAG über den Familiennachzug zu verweisen.
Wenn sie das gemeinsame Familienleben in Österreich fortsetzen wollen, steht es ihnen frei, nach der Ausreise aus Österreich die ausländische Vertretungsbehörde aufzusuchen und sich unter Nachweis der gesetzlichen Erteilungsvoraussetzungen um einen Aufenthalt zu bemühen.
Wenn die Beschwerdeführerinnen, wie in der Beschwerde behauptet wurde, die Voraussetzungen für eine Familienzusammenführung erfüllen, sind sie in dieser Zeit, in der sie im Drittstaat auf die Erteilung des Niederlassungstitels warten, nicht gezwungen, ihre Bindungen in Österreich gänzlich abzubrechen. Abgesehen von telefonischen Kontakten (die aber im Falle der Zweitbeschwerdeführerin kaum möglich sind) gibt es die Möglichkeit gegenseitiger Besuche, zumal es Staatsangehörigen von Nordmazedonien möglich ist, sich bis zu 90 Tagen sichtvermerksfrei im Bundesgebiet aufzuhalten.
Die Rückkehrentscheidung greift daher auch nicht derart gravierend in das Recht der Zweitbeschwerdeführerin auf persönlichen Kontakt zu ihrem Vater und in das Familienleben der Beschwerdeführerinnen ein. Gegenseitige Besuche, um den persönlichen Kontakt aufrechtzuerhalten, sind nach wie vor möglich, zumal die Erstbeschwerdeführerin schon in der Vergangenheit ihren Gatten und dessen Familie regelmäßig besuchte. Überdies ist XXXX Staatsangehöriger von Nordmazedonien. Er kann sich jederzeit im Herkunftsstaat aufhalten und mit den Beschwerdeführerinnen gemeinsam in sein Heimatland zurückkehren, um das Familienleben fortzusetzen.
Das in der Beschwerde erwähnte Kindeswohl ist folglich nicht stark beeinträchtigt. Wie bereits ausgeführt, wird ein persönlicher Kontakt der Zweitbeschwerdeführerin zu ihrem Vater durch die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer beeinträchtigt. Die Pflege des gemeinsamen Kindes ist durch die Mutter gesichert, und es kann aufgrund des jungen anpassungsfähigen Alters des Kindes nicht festgestellt werden, dass eine Übersiedelung nach Nordmazedonien zu gravierenden Einschnitten in der Lebensführung des Kindes führen würde.
Die familiären Bindungen der Beschwerdeführerinnen in Österreich stellen daher keine besonderen Umstände dar, die es ihnen unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen.
Aus diesem Grund lagen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht vor und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. erster Satz der angefochtenen Bescheide abzuweisen.
Allerdings ist im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen, dass die Zweitbeschwerdeführerin aktuell einem Heimmonitoring unterzogen wird, um das Risiko eines plötzlichen Kindstodes zu verringern. Im Allgemeinen hat aber kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0105; Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff). Grundsätzlich ist eine medizinische Versorgung in Nordmazedonien zudem gewährleistet.
Nachdem im gegenständlichen Fall ein Heimmonitoring von bis zu sechs Monaten (ab Mitte Juni 2020) angeordnet wurde, erscheint es im gegenständlichen Fall aber angemessen, die Kontrolle durch das Monitoring nicht abrupt abzubrechen, sondern die Beendigung der medizinischen Kontrolle Mitte/Ende Dezember 2020 zu ermöglichen. Es handelt sich dabei aber um kein generelles, sondern nur ein kurzfristiges Abschiebehindernis, so dass die Rückkehrentscheidung hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin nur vorübergehend, konkret bis zum 31.12.2020, für unzulässig zu erklären war. Nachdem eine Trennung des Säuglings von seiner Mutter, der Erstbeschwerdeführerin, aus Sicht des Kindeswohls nicht zumutbar erscheint, ist auch in ihrem Fall die Rückkehrentscheidung bis Jahresende vorübergehend für unzulässig zu erklären.
Aufgrund dieser Gesamtabwägung der Interessen und unter Beachtung aller bekannten Umstände ergibt sich, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerinnen gem. § 9 Abs. 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist.
3.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung und zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt II. und III. der angefochtenen Bescheide):
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
Da die Rückkehrentscheidung mit gegenständlichem Erkenntnis für vorübergehend unzulässig erklärt und daher nicht erlassen wird, kommt eine Abschiebung der Beschwerdeführerinnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht und war eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festzulegen, weshalb die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben sind.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist – aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht rund 2 Monate liegen – die gebotene Aktualität auf. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.
Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus der Aktenlage, dass mit den Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK die Regeln des NAG über den Familiennachzug umgangen werden sollten, weshalb unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des VwGH zu solchen Konstellationen anhand der Aktenlage entschieden werden konnte.
Da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten der Beschwerdeführerinnen sprechenden Fakten auch dann für die Beschwerdeführerinnen kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihnen einen persönlichen Eindruck verschafft, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall war hauptsächlich eine Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG durchzuführen, welche grundsätzlich nicht revisibel ist (vgl. B 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0079). Zudem stützte sich das Bundesverwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH, 21.02.2020, Ra 2020/18/0047-6 und VwGH, 23.01.2019, Ra 2018/19/0683, mwN).
Schlagworte
Abschiebung Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ersatzlose Teilbehebung freiwillige Ausreise Frist Interessenabwägung Kassation Kindeswohl medizinische Versorgung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung vorübergehend unzulässig SpruchpunktbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2235367.1.01Im RIS seit
21.01.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021