Entscheidungsdatum
03.11.2020Norm
AVG §18 Abs3Spruch
W237 2228715-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Moldawien, vertreten durch XXXX , dieser substitutionsweise vertreten durch die Rechtsanwälte XXXX , gegen die Erledigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2020, Zl. 1250305604-191083909:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
1. Feststellungen:
Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom 08.01.2020 (im Folgenden: Bescheid) erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Moldawien fest (Spruchpunkt II.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.).
Die im Verwaltungsakt befindliche Urschrift des Bescheids bezeichnet auf der letzten Seite „ XXXX “ in einwandfrei leserlicher Druckschrift als genehmigende Person. Über diesem Namen befindet sich folgende, mit blauem Kugelschreiber gesetzte Zeichenfolge:
Sonstige Hinweise bzw. Vermerke enthält die Urschrift nicht.
Im Verwaltungsakt liegen weiters die Zustellverfügung vom selben Tag sowie ein mit „Parteiengehör“ betiteltes Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen vom 24.10.2019 auf; beide Dokumente sind ebenfalls mit dem Namen „ XXXX “ und einer gleichartigen Zeichenfolge wie in der obigen Darstellung gefertigt.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl adressierte die Erledigung vom 08.01.2020 an die Beschwerdeführerin, die dagegen am 05.02.2020 Beschwerde erhob. Der Beschwerdeschriftsatz sowie der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.02.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt bzw. der darin aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids sowie den Angaben der Beschwerdeführerin, gegen welchen behördlichen Akt sich ihre Beschwerde richtet.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz aufgestellt, dass jede Erledigung zu genehmigen ist, und zwar durch die Unterschrift eines (hiezu berufenen) Organwalters. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).
Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die – interne – Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).
Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten. Im vorliegenden Fall wurde kein derartiges Verfahren nach E-GovG durchgeführt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn dieser Vorschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen (vgl. für viele VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 20.04.2017, Ra 2017/20/0095 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hielt aber wiederholt fest, dass eine Paraphe keine Unterschrift ist (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 04.09.2000, 98/10/0013 und 0014; s. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 23 mwH).
2. Die handschriftliche Abzeichnung auf der im Verwaltungsakt aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids erfüllt die Merkmale einer Unterschrift nicht:
2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass die handschriftliche Fertigung über dem (klar erkennbaren) Namen des/der Genehmigers/in aus keinem durchgehenden Schriftzug, sondern aus einer aus drei separaten Buchstaben oder Zeichen gebildeten Schriftzeichenfolge besteht. Davon ist aber kein einziges einem Buchstaben oder Teil des Namens „ XXXX “ zuordenbar: So lässt das erste Schriftzeichen den Buchstaben „P“ oder „p“ erkennen, das zweite ein „t“, ein (punktloses) „i“, allenfalls ein „A“ oder gar die Ziffer „1“ und das dritte ein „C“, „l“ oder „h“. Der ausgewiesene Name besteht aus keinem dieser Zeichen und lässt sich auch nicht in Buchstabenfolgen gliedern, denen sich auch nur eines der handschriftlichen Zeichen zuordnen ließe. Auch aus der Abzeichnung der Zustellverfügung und des Schriftsatzes vom 24.10.2019 ergibt sich nichts, was zu einer anderen Interpretation der Zeichenfolge auf der Urschrift des Bescheids führen könnte.
Die Abzeichnung lässt es somit nicht zu, den Namen des genehmigenden Organs – auch in Kenntnis desselben und größtmöglicher Abstrahierungstoleranz – noch in irgendeiner Form zu erkennen. Selbst wenn dem letzten Zeichen ein kurzer, nach rechts auslaufender (bloß angesetzter) Wellenzug entnehmbar wäre, läge damit im vorliegenden Fall keine infolge eines starken Abschleifungsprozesses abstrahierende Linie vor, aus der auf weitere Buchstaben geschlossen werden könnte (vgl. dazu VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051), weil bereits die ersten beiden Zeichen keine zum Namen passenden Buchstaben darstellen.
2.2. Die Schriftzeichenfolge der Abzeichnung der Urschrift stellt damit in Anbetracht des aus neun Buchstaben und zwei Wortstämmen („ XXXX “) bestehenden Namens des/der Genehmigers/in eine bloße Paraphe dar, die nach der Rechtsprechung keine Unterschrift ist.
3. Der (als Bescheid bezeichneten) Erledigung der belangten Behörde vom 08.01.2020 fehlt es mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen eine als Bescheid absolut nichtige Erledigung richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge; das Verfahren über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots ist stattdessen nach wie vor vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.
Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch BVwG 26.05.2020, W234 2127997-2; 16.07.2020, W237 2225489-1).
4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. So entspricht es ständiger, einheitlicher Rechtsprechung, dass eine Paraphe keine Unterschrift darstellt, wobei die Beurteilung, was (noch) eine Unterschrift darstellt, stets einzelfallbezogen ausfallen muss.
Schlagworte
Bescheiderlassung Bescheidqualität Nichtbescheid Nichtigkeit Unterschrift Unzulässigkeit der Beschwerde Unzuständigkeit BVwG ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W237.2228715.1.00Im RIS seit
21.01.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021