TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/26 97/06/0052

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §31;
BauG Vlbg 1972 §32;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des Dipl.Ing. Dr. Johannes N und der Mag. Christine N in H, beide vertreten durch Dr. Josef N, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 6. September 1996, Zl. II - 4151.0008/96, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Mai 1994 wurde den Beschwerdeführern die Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. 3032/1 erteilt. Anläßlich der dieser Baubewilligung vorausgegangenen mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 1994 war seitens des Bausachverständigen festgestellt worden, daß der im Eingabeplan eingezeichnete Geländeverlauf "nicht repräsentativ" sei, der tatsächliche Verlauf werde vor Ort mit dem Bauamt "abgesprochen". Die Baubewilligung wurde hinsichtlich des Geländeverlaufes unter Vorschreibung folgender Auflagen bewilligt: 1. Beginn und Ende der Schüttarbeiten sind zu melden. 2. Die Böschungsabsenkung hat ab der Höhe der halben Terrassentiefe zu erfolgen. 3. Von der Terrasse aus sind mindestens zwei Stufen zum westseitigen Terrain vorzusehen. Es dürfen keine Geländekanten ausgeführt werden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 13. Februar 1995 wurde gemäß § 40 Abs. 2 des Baugesetzes verfügt, die "Geländeanschüttungen bescheidmäßig auszuführen". Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde von der Gemeindevertretung mit Bescheid vom 14. August 1995 zurückgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Mit Eingabe vom 22. Februar 1995 stellten die Beschwerdeführer den Antrag auf Änderung bzw. Präzisierung der Auflagen des Baubescheides, die Auflage 2 möge abgeändert, die Auflage 3 möge gestrichen werden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 22. November 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Auch dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Ansuchen vom 1. September 1995 beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für die Erstellung einer Einfriedungs-Stützmauer sowie eine Verbindung dieser Stützmauer zum Wohngebäude. Mit einem am 17. Oktober 1995 eingelangten Nachtrag wurde dieses Ansuchen mit weiteren Plänen und Details ergänzt. Demnach sollte eine Stützmauer in der Höhe von 1,30 m errichtet werden, die laut Baugesuch gleichzeitig das südliche Nachbargrundstück vor möglichen Beschädigungen (Hangwasser, Schlamm, ...) schützen sollte. Im Anschluß an die Stützmauer ist eine ca. 35-grädige Anschüttung vorgesehen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 22. Mai 1996 wurde die Baubewilligung gemäß § 31 Abs. 5 des Baugesetzes versagt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der an der südlichen Grundstücksgrenze verlaufende Schmutzwasserkanal der Gemeinde sei bei Errichtung der Stützmauer und der dahinter vorgesehenen Aufschüttung nicht mehr zugänglich. Die Arbeitsergebnisse der Ortsentwicklungsplanung hätten ergeben, daß Stützmauern und Geländeaufschüttungen in Bereichen, die andere Geländegestaltungen erlaubten, nicht mehr bewilligt werden könnten.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer im wesentlichen vor, eine Stütz- oder Futtermauer sei als sonstige Wand zu beurteilen, die an der Grundstücksgrenze bis zu einer Höhe von 1,80 m erstellt werden könnte, wobei die Bewilligungspflicht lediglich durch die statischen Erfordernisse gegeben sei. Auch die Lage des Schmutzwasserkanals sei extra nicht auf der Grenze, sondern mit einem Abstand von ca. 1 m festgelegt worden; Vorsprachen beim Bauamtsleiter hätten ergeben, daß es für Satteins keine gültigen und beschlossenen Bebauungsrichtlinien gäbe, die "Arbeitsergebnisse" seien den Beschwerdeführern nicht mitgeteilt worden. Die beantragte Mauer inklusive Schüttung könne wohl kaum das Ortsbild stören, da sie wegen der ca. 10 m hohen Nordseite des anrainenden Hauses vom öffentlichen Gut aus nicht sichtbar sei. In der unmittelbaren Umgebung seien Stützmauern und Schüttungen dieser Art durchaus üblich und seien auch in jüngster Vergangenheit im Einverständnis mit der Gemeinde errichtet worden.

Mit Bescheid vom 19. Juli 1996 hat die Gemeindevertretung die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ebenfalls auf den an der Grundstücksgrenze verlaufenden Schmutzwasserkanal sowie die Arbeitsergebnisse der Ortsentwicklungsplanung hingewiesen, im ursprünglichen Bauvorhaben zur Errichtung des Einfamilienwohnhauses sei nie die Notwendigkeit zur Errichtung einer Stützmauer angeführt worden. Im ursprünglichen Baubescheid sei von Mauern irgendwelcher Art, die einer Veränderung und/oder Stützung des Geländes dienten, niemals die Rede gewesen. Die Veränderung des ursprünglichen Geländes im Zuge der Bauausführung sei demnach gemäß den Auflagen des Baubescheides vom 16. Mai 1994 ohne Mauern irgendwelcher Art auszuführen.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 6. September 1996 abgewiesen. Begründend wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, die Antragstellung der Beschwerdeführer bezwecke ebenso wie der mit Bescheid des Bürgermeisters vom 22. November 1995 zurückgewiesene Antrag vom 22. Februar 1995 die Abänderung der vorgeschriebenen Geländegestaltung durch eine neuerliche Aufrollung jener Vorschreibungen des ursprünglichen Baubewilligungsbescheides vom 16. Mai 1994, die mangels Bekämpfung durch die Beschwerdeführer in Rechtskraft erwachsen seien. Im seinerzeitigen Baubewilligungsbescheid sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß "der im Einlageplan eingezeichnete Geländeverlauf ... nicht repräsentativ sei", der tatsächliche Verlauf werde vor Ort mit dem Bauamt abgesprochen. Daraus ergebe sich, daß das seinerzeitige Bauansuchen zur Erstellung eines Einfamilienhauses nur unter gleichzeitiger Vorschreibung der projektsändernden Auflagen (insbesonders Auflage 2 und 3) bewilligt worden sei. Es sei nach dem System des Vorarlberger Baugesetzes die Abänderung der ursprünglichen Baubewilligung auf Antrag grundsätzlich zulässig, dies setze jedoch eine Abänderung des ursprünglichen Bauvorhabens selbst voraus. Ein Antrag jedoch, der wie der vorliegende, lediglich die Aufhebung von Auflagen bezwecke, sei im Hinblick auf die Rechtskraft der früheren Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Da die Beschwerdeführer mit ihrem nunmehrigen Antrag zur Errichtung einer Stützmauer ihr ursprüngliches Projekt nur in unwesentlicher Weise modifizierten, hätten sie in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen Rechtsanspruch auf eine Sachentscheidung.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. November 1996, B 3458/96-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, daß der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde das Bauansuchen inhaltlich erledigt, das heißt die beantragte Baubewilligung gemäß § 31 Abs. 5 des Baugesetzes versagt hat. Die Berufungsbehörde hat die Berufung im Spruch ihres Bescheides als unzulässig zurückgewiesen, nach der Begründung des Bescheides aber die Abweisung des Bauansuchens inhaltlich bestätigt. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß den Beschwerdeführern wegen des Vorliegens einer entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG kein Recht auf eine Sachentscheidung zukäme. Nach den Beschwerdeausführungen erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt. Dieses Beschwerdevorbringen ist begründet. Wie bereits ausgeführt, hat der Bürgermeister eine Sachentscheidung getroffen, die Gemeindevertretung hat wohl im Spruch des Bescheides die Berufung als unzulässig zurückgewiesen, aufgrund der Begründung ist aber davon auszugehen, daß sich die Berufungsbehörde lediglich im Ausdruck vergriffen hat und ebenfalls eine Sachentscheidung getroffen hat, die in der Abweisung des Baugesuches lag. Gemäß § 83 Abs. 7 des Vorarlberger Gemeindegesetzes hat die Aufsichtsbehörde dann, wenn durch den Bescheid Rechte des Einschreiters verletzt wurden, den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückzuverweisen. Die Gemeinde ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden. Die Beschwerdeführer wären durch die Abweisung der Vorstellung wegen entschiedener Sache dann nicht in ihren Rechten verletzt, wenn tatsächlich entschiedene Sache vorläge und schon die Baubehörden das Baubewilligungsgesuch aus dem Grunde § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen gehabt hätten, diesen Grund aber nicht aufgegriffen haben, sondern eine inhaltliche (abweisende) Entscheidung getroffen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1997, Zl. 96/05/0182). Im zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, daß die Rechtskraft eines Bescheides nicht einen Sachverhalt umfaßt, der sich nach Erlassung des Bescheides geändert hat, es sei denn, daß sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Begehren nur darin unterscheidet, daß es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumstände modifiziert worden ist. Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung sei dabei nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen rechtskräftigen Entscheidung erfahren habe.

Der Grund, der zur Aufnahme der Auflagen in den seinerzeitigen Baubewilligungsbescheid vom 16. Mai 1994 geführt hat, war nach der Aktenlage der Umstand, daß "die Baueingabe hinsichtlich des Geländeverlaufes nicht repräsentativ" gewesen sei. Um den Geländeverlauf zu definieren, wurden die Auflagen Nr. 1, 2 und 3 aufgenommen. Wie die belangte Behörde in einem im Akt einliegenden, an die Beschwerdeführer gerichteten Schreiben vom 3. Oktober 1996 ausgeführt hat, könne der Geländeverlauf zum südseitigen sowie zum westseitigen Grundstück aufgrund der Unbestimmtheit dieser Bescheidauflagen im Baubescheid vom 16. Mai 1994 nicht definiert werden, zumal auch aus den seinerzeitigen Planunterlagen und Beschreibungsunterlagen keine näheren Angaben zu entnehmen seien. Deshalb sah sich diesem Schreiben zufolge die belangte Behörde veranlaßt, das gegen die Beschwerdeführer eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG einzustellen und von einer Vollstreckung eines Bauauftrages zur Herstellung des mit Bescheid vom 16. Mai 1994 bewilligten Zustandes Abstand zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die im Schreiben vom 3. Oktober 1996 zum Ausdruck kommende Ansicht der belangten Behörde, wonach die im Baubewilligungsbescheid vom 16. Mai 1994 vorgeschriebenen Auflagen Nr. 1, 2 und 3 nicht nachvollziehbar definiert sind. Schon wegen der Unbestimmtheit dieser Bescheidauflagen kann das nunmehr eingereichte Bauprojekt, das die Lage der Stützmauer und die vorgesehenen Aufschüttungen im nachvollziehbaren Ausmaß auch im Schnitt darlegt, nicht als "dieselbe Sache" angesehen werden. Auch eine Beurteilung der Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung in bezug auf die Wertung, die das Sachverhaltselement in der seinerzeitigen rechtskräftigen Entscheidung (Baubewilligung vom 16. Mai 1994) erfahren hat, führt nicht zum Ergebnis des Vorliegens derselben Sache: Die seinerzeitige Wertung und die Erforderlichkeit der Vorschreibung der drei Auflagen lag in der Ungenauigkeit der Baueingabe. Daß andere Gründe, wie jene des Ortsbildschutzes oder ein vermeintliches Mitspracherecht der Nachbarn zur Vorschreibung dieser Auflagen geführt hätten, kann weder dem Bescheid vom 16. Mai 1994 noch der Niederschrift über die Bauverhandlung entnommen werden. Es liegt daher kein Grund für die Annahme vor, daß das nunmehr in bezug auf die Geländegestaltung geänderte Bauvorhaben dieselbe Sache gewesen sei, die der Baubewilligung vom 16. Mai 1994 zugrundegelegen ist, zumal auch im Bescheid der Gemeindevertretung vom 19. Juli 1996 ausgeführt wird, daß "niemals von Stützmauern die Rede gewesen sei", was auch bedeutet, daß auch kein etwa in diese Richtung gehender Wunsch der Beschwerdeführer abschlägig beurteilt wurde.

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, ergibt sich aus § 35 Abs. 2 des Baugesetzes die grundsätzliche Möglichkeit, das Bauansuchen betreffende Planabweichungen einzureichen. Die Baubehörden haben dementsprechend für die Versagung der Baubewilligung auch andere Gründe herangezogen, als jene, die zur Aufnahme der genannten Auflagen in den Bewilligungsbescheid vom 16. Mai 1994 geführt haben. Da, wie ausgeführt, nicht dieselbe Sache vorliegt, hätte sich die belangte Behörde im Beschwerdefall mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob die von den Baubehörden herangezogenen Versagungsgründe in einem mängelfreien Verfahren ermittelt wurden und im Gesetz (vgl. § 31 Abs. 5 des Baugesetzes) begründet sind oder nicht.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof lediglich die Einbringung einer dreifachen Beschwerdeergänzung erforderlich war und für die Zuerkennung von Kosten, die den Beschwerdeführern vor dem Verfassungsgerichtshof entstanden sind, keine Rechtsgrundlage besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1993, Slg.Nr. 11185/A.)

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997060052.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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