TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/26 96/06/0285

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.1997
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 4. November 1996, Zl. 03-12 Ga 91 - 96/142, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:

G in G, R in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, Dr. KP in G, D.I. Dr. J in G, Stadt G, vertreten durch den Bürgermeister, AT in G, ET, G, R in G, Gemeinde W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Spruch

a) Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über die Vorstellung des AT und der ET meritorisch abspricht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

b) Soweit der angefochtene Bescheid aufgrund der Vorstellungen der übrigen Vorstellungswerber den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde W vom 28. August 1995 wegen Verletzung von Rechten der Vorstellungswerber behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde W verwiesen hat, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- und der mitbeteiligten Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund des Ansuchens der Beschwerdeführerin vom 4. August 1989 um Widmungsbewilligung betreffend die Grundstücke 896/1, 896/2, 890 und 891, KG W, wurde ihr diese mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. August 1991 erteilt. Die dagegen erhobene Berufung von Anrainern wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom 12. November 1993 abgewiesen, der dagegen erhobenen Vorstellung von Anrainern gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 2. September 1994 Folge, behob den Bescheid des Gemeinderates und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. Im zweiten Rechtsgang hat die Beschwerdeführerin das ursprüngliche Widmungsansuchen insofern abgeändert, als der Antrag auf eine Widmungsfläche von 9.200 m2 eingeschränkt wurde und als Verwendungszweck alle gemäß § 23 Abs. 5 lit. e ROG zulässigen Nutzungen angegeben wurden. Mit Bescheid des Gemeinderates vom 6. Dezember 1994 wurden die Berufungen der Anrainer als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Bescheides vom 28. August 1991 im Sinne des abgeänderten Widmungsansuchens modifiziert.

Mit einem weiteren Ansuchen vom 4. August 1989 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Asphaltmisch- und Gußasphaltanlage auf den o. a. Grundstücken. Mit Eingabe vom 9. August 1994 wurden hinsichtlich dieses Bauansuchens geänderte Pläne sowie Gutachten vorgelegt. Weitere Gutachten und Urkunden wurden mit Eingabe vom 6. September 1994 vorgelegt.

Mit Kundmachung vom 17. August 1994 wurde über das Ansuchen vom 4. August 1989 eine mündliche Verhandlung für den 6. September 1994 anberaumt.

In der Verhandlung brachten die Anrainer Dr. KP , GN, GP, AP, M und R vor, daß trotz eingebrachter Vorstellung gegen die Widmungsbewilligung eine Bauverhandlung abgehalten werde, unzumutbare Geruchsbelästigungen vorlägen und das medizinische Gutachten weder schlüssig noch zielführend sei, die subjektive Belästigung jedenfalls nach Befragung der Betroffenen medizinisch nachempfunden werden könne. Dr. J, mit Vollmacht für GN , EV, Dr. KP und GP, brachte zusammengefaßt vor, trotz unerträglicher Geruchsbelastung und Gesundheitsgefährdung durch den vorliegenden Betrieb sei eine Umwidmung befürwortet worden; es komme immer wieder zu Geruchsbelastungen und Gesundheitsproblemen. ET brachte vor, daß das Werk "unheimlich geruchsbelästigend" sei, sie fühle sich durch die Firma X in ihrer Gesundheit geschädigt; WT erklärte, auch ihm sei bestätigt worden, daß sein Halsleiden und Augentränen durch Umweltverschmutzung verursacht werde, er fühle sich durch die Firma X gesundheitlich gefährdet. Dr. R brachte für die Stadt G vor, es sei davon auszugehen, daß für das Grundstück Nr. 896/1 keine gesetzmäßige Widmungsbewilligung vorliege, im Zusammenhang mit etwaigen unzulässigen Immissionen an der Grundgrenze werde die Vorschreibung größerer Abstände im Sinne des § 4 Abs. 3 Stmk BO beantragt. M brachte vor, er habe zur heutigen Bauverhandlung keine ordnungsgemäße Ladung erhalten, obwohl ihm im Widmungsverfahren die Parteistellung zuerkannt worden sei. Gegen die Widmungsbewilligung habe er Vorstellung bei der Landesregierung ergriffen, dieses Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Auch seiner Ehefrau AK sei im Widmungsverfahren Parteistellung zuerkannt worden. Auch sie sei zum gegenständlichen Bauverfahren nicht ordnungsgemäß geladen worden. Da eine Ladung nicht erfolgt sei, habe er sich auf die heutige Verhandlung nicht vorbereiten können, er beantrage daher, ihm 14 Tage für die Durchsicht der umfangreichen Unterlagen und Gutachten als zusätzliche Einspruchsfrist einzuräumen.

In dieser Verhandlung erstellte der Bausachverständige sein Gutachten, es wurde das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten des D.I. R vom September 1989 erörtert, der medizinische Sachverständige Dr. Z.V.-H. legte die Entscheidungsgrundlagen für sein schriftliches Gutachten vom 4. September 1994 dar und erklärte, daß dies die Widmungsunterlagen seien. Zu den, in der Verhandlung von Nachbarn und dem Umweltanwalt gestellten Fragen äußerte sich Dr. Z.V.-H. mit Schreiben vom 17. September 1994 zusammengefaßt, daß im maßgebenden Nachbarschaftsbereich aufgrund des Betriebes der Aufbereitungsanlage für bituminöses Mischgut mit keiner Gesundheitsgefährdung zu rechnen sei; aufgrund der Geruchsimmission sei eine unerhebliche Belästigung festzustellen. Trotz dieser unerheblichen Belästigung werde aus medizinischer Sicht die weitere Reduktion der Geruchsimmissionen nach dem heutigen Stand der technischen Möglichkeiten gefordert. Es dürfe nicht unerwähnt bleiben, daß eine spürbare Geruchsimmissionsentlastung der Nachbarschaft nur im Rahmen eines Gesamtkonzeptes aller Emittenten zu verwirklichen sei. Lärmimmissionen, die vom Betrieb der Beschwerdeführerin ausgingen, erzeugten zufolge der Meßergebnisse keine zusätzliche Belastung.

Mit Mitteilung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. Dezember 1994 wurden die Anrainer dahingehend informiert, daß nach Durchführung der Bauverhandlung vom 6. September 1994 der Widmungsbescheid des Gemeinderates vom 12. November 1993 durch den Bescheid der Vorstellungsbehörde vom 2. September 1994 behoben worden sei. In der weiteren Folge habe die Konsenswerberin ihr Widmungsansuchen dahingehend modifiziert, daß der Verwendungszweck der vorgesehenen Bauten auf jene Nutzungen eingeschränkt worden sei, die (entsprechend der Ausweisung des Bauplatzes im Flächenwidmungsplan) im Industrie- und Gewerbegebiet II nach § 23 Abs. 5 lit. e ROG zulässig seien, und weiters dadurch, daß der Bauplatz auf jene Grundstücksteile Nr. 896/1, 896/2, 890 und 891 der KG W eingeschränkt worden sei, wie sich diese Fläche nach Maßgabe des Flächenwidmungsplanes des D.I. E.P. vom 16. September 1994, GZ 1461/90, ergebe. Auf dieser Grundlage sei sodann der Widmungsbescheid des Gemeinderates vom 6. Dezember 1994, GZ 89/1989 (94), ergangen. Zur Prüfung der Frage, ob das antragsgegenständliche Bauvorhaben in der vorgenannten Widmungsbewilligung Deckung finde, sei in Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ein Gutachten des bautechnischen Sachverständigen eingeholt worden, der in seinem Gutachten vom 15. Dezember 1994 zum Ergebnis komme, daß das antragsgegenständliche Bauvorhaben der vorgenannten Widmungsbewilligung entspreche. Den Anrainern wurde die Möglichkeit, binnen 14 Tagen eine Stellungnahme abzugeben, eingeräumt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 17. Februar 1995 wurde der Beschwerdeführerin die beantragte Baubewilligung nach Maßgabe des Widmungsbewilligungsbescheides vom 6. Dezember 1994 unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die Pläne, die mit Eingabe vom 9. August 1994 vorgelegt wurden, nämlich die Baupläne vom 31. März 1994, bilden einen Bestandteil der Baubewilligung. Die Einwendungen der Nachbarn wurden teils als unbegründet, teils als unzulässig abgewiesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 16. Februar 1995 wurde der Antrag des MK und der AK auf Zuerkennung der Parteistellung abgewiesen.

Gegen den Ausspruch betreffend die Abweisung der Parteistellung haben MK und AK die Berufung eingebracht, die mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. August 1995 abgewiesen wurde.

Gegen die Erteilung der Baubewilligung hat GN mit der Begründung berufen, daß die penetranten Geruchsbelästigungen zu Unrecht als unerhebliche Belästigung dargestellt würden, es seien auch keinerlei Auflagen zur Verringerung von Immissionen aufgrund der Einwendungen der Nachbarn vorgeschrieben worden. Er hat beantragt, den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben und die Baubewilligung zu versagen oder die Angelegenheit zur notwendigen Verfahrensergänzung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. In dieser Berufung hat GN auf eine Unterschriftenliste verwiesen, die seiner Berufung angeschlossen war, und die, soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, auch von W und ET unterfertigt war. Weiters haben GR, GD, Dr. KP und die Landeshauptstadt G gegen die Erteilung der Baubewilligung berufen. Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. August 1995 wurden unter anderem die Berufungen des GD, Dr. KP, Dr. JK, GN, GR und der Stadt G, abgewiesen. Über eine Berufung des W und der ET wurde nicht abgesprochen.

Gegen diesen Bescheid haben JK, AK, die Stadt G, Dr. KP, GD und GN Vorstellung erhoben, wobei die Vorstellung des GN noch von W und ET sowie GR und MK unterfertigt war.

Mit Bescheid vom 4. November 1996, Zl. 03-12Ga 91-96/142, hat die Steiermärkische Landesregierung unter I aufgrund der von GD, GN, Dr. KP, D.I. Dr. JK, der Stadt G, WT und ET sowie der GR, erhobenen Vorstellungen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. August 1995 wegen Verletzung von Rechten der Vorstellungsweber behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, das zu bebauende Gebiet sei als Industrie- und Gewerbegebiet II gewidmet. Gemäß § 23 Abs. 5 lit. e ROG 1974 seien dies Flächen, die für solche Betriebe und Anlagen bestimmt seien, die keine unzumutbaren Belästigungen oder gesundheitsgefährdenden Immissionen verursachten. Die Baubehörden hätten in allen der Entscheidung zugrundeliegenden Gutachten lediglich das Immissionspotential der verfahrensgegenständlichen Anlage geprüft, sie hätten aber nicht das Summenmaß aus Istmaß und Prognosemaß dem Widmungsmaß gegenübergestellt. Diesbezüglich hätte eine Prüfung der Widmungskonformität der gegenständlichen Anlage in bezug auf § 23 Abs. 5 lit. e ROG durchgeführt werden müssen. Es sei ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchzuführen, weil grundsätzlich das Istmaß ohne die Immissionen der Beschwerdeführerin zu ermitteln sei, in der Folge das Prognosemaß aus dem Betrieb der Beschwerdeführerin diesem hinzuzurechnen sei und dies das Gesamtmaß der Immissionsbelastung ergäbe. Der Immissionsschutz sei gemäß § 61 Abs. 2 lit. b BO als subjektiv-öffentliches Nachbarrecht anzusehen und von den Vorstellungswerbern geltend gemacht worden. Hinsichtlich der Vorstellungswerber WT, ET und GR sei festzuhalten, daß diese durch ihre Unterschrift auf der Vorstellung des GN auch als Vorstellungswerber anzusehen seien, da sie die in der Vorstellung angezogenen Beschwerdepunkte zur Gänze beträfen. Es würde nicht, wie die Berufungsbehörde ausführe, die Verletzung von Rechten Dritter geltend gemacht.

Unter Spruchpunkt II wurde die Berufung des M. K gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 28. August 1995 mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen, unter III wurde die Berufung der JB gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde W vom 28. August 1995 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid, und zwar ausschließlich gegen seinen Spruch I, richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die mitbeteiligte Gemeinde sowie der mitbeteiligte GN haben in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, K hat eine Gegenschrift ohne Kostenbegehren eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

ad a) Zunächst ist festzustellen, daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit seinem Bescheid vom 28. August 1995 nach dem eindeutigen Spruch dieses Bescheides über eine Berufung des WT und der ET nicht entschieden hat. Da der Gemeinderat mit der genannten Entscheidung die Berufungen der in diesem Bescheid näher genannten Berufungswerber als unbegründet abwies, konnten die mitbeteiligten W.T und E.T durch diesen Bescheid nicht in ihren Rechten berührt sein. Die dagegen erhobene Vorstellung dieser Beteiligten hätte die belangte Behörde daher mangels Vorliegens eines an diese Nachbarn gerichteten Berufungsbescheides als unzulässig zurückzuweisen gehabt. Diesbezüglich war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

ad b) Der Gemeinderat ging in seiner Berufungsentscheidung davon aus, daß in der Verhandlung vom 6. September 1994 die Frage der Raumordnungsverträglichkeit geprüft worden sei, davon getrennt zu sehen sei die Frage, ob bei grundsätzlicher Raumordnungsverträglichkeit allenfalls größere Abstände nach § 4 Abs. 3 Stmk BO festzulegen seien. Aus den vorliegenden Gutachten des Immissionstechnikers, des Klimatologen und darauf aufbauend des medizinischen Sachverständigen, wonach im unmittelbaren Nachbarbereich, also im Bereich der Bauplatzgrenzen, schon keine unzumutbaren Immissionen zu befürchten seien, gäbe dies der Behörde tatsächlich keine Handhabe, für (noch dazu wesentlich) weiter weg liegende Nachbargrundstücke Vorschreibungen nach § 4 Abs. 3 Stmk BO in Erwägung zu ziehen.

Laut Gutachten des medizinischen Sachverständigen vom 4. September 1994, das dieser in der Verhandlung vom 6. September 1994 erläuterte und auf das sich der Gemeinderat in seiner Berufungsentscheidung stützte, sei eine Zuordnung der Geruchsemittenten nicht möglich, weil während des gesamten Beobachtungszeitraumes beide Mischanlagen, jene der Beschwerdeführerin und jene der Firma "K", in Betrieb gewesen seien. Seine Aufgabenstellung sah der medizinische Sachverständige darin, die immissionsseitigen Auswirkungen des Betriebes der Beschwerdeführerin im maßgebenden Nachbarschaftsbereich zu beurteilen, wobei die maximalen Immissionswerte des Betriebes der Beschwerdeführerin der Beurteilung zugrundegelegt wurden. Es wurde ausgeführt, daß bislang deutliche Hinweise dafür fehlten, daß Gerüche krank machen könnten, es seien Befindlichkeitsstörungen, die als Belästigung bezeichnet würden. Wenn man die Geruchsimmission auf die Gesamtjahresstunden berechne, ergebe sich eine ca. 4,56 %ige Geruchsbelästigung. In Anlehnung an die Geruchsemmissionsrichtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen handle es sich aufgrund des Prozentsatzes um eine unerhebliche Belästigung. Damit sei aus ärztlicher Sicht aufgrund der eigenen Wahrnehmungen und aufgrund der vorgelegten Unterlagen, Messungen und Befunde festzustellen, daß aufgrund des Betriebes der Aufbereitungsanlage für bituminöses Mischgut im maßgebenden Nachbarschaftsbereich mit keiner Gesundheitsgefährdung zu rechnen sei; hinsichtllich der Geruchsimmission sei eine unerhebliche Belästigung festzustellen.

Gemäß § 23 Abs. 5 lit. e ROG 1974 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 41/1991 sind Industrie- und Gewerbegebiete II Flächen, die für Betriebe und Anlagen bestimmt sind, die keine unzumutbaren Belästigungen oder gesundheitsgefährdenden Immissionen verursachen, wobei auch die für die Aufrechterhaltung dieser Anlagen in ihrer Nähe erforderlichen Wohnungen, Verwaltungs- und Geschäftsgebäude errichtet werden können.

Mit der Widmung Industrie- und Gewerbegebiet II ist somit ein Immissionsschutz verbunden; gemäß § 61 Abs. 2 lit. b Stmk BO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Diese sind u.a. die Bestimmungen über die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan und den Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist (§ 3 Abs. 2).

Die Steiermärkische Bauordnung räumt somit dann, wenn mit der Widmung ein Immissionsschutz verbunden ist, dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht dahingehend ein, daß durch das Bauvorhaben keine Immissionen hervorgerufen werden, die der Flächenwidmung widersprechen. Das in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin zitierte hg. Erkenntnis vom 26. November 1992, Zl. 90/06/0025, bezog sich auf die Flächenwidmung gemäß § 25 Abs. 3 ROG "Freiland"; mit dieser Widmung ist kein Immissionsschutz verbunden. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß § 4 Abs. 3 BO einen Immissionsschutz zugunsten der Nachbarn enthält, der unabhängig von der Flächenwidmung ist. Ein weiteres von der Beschwerdeführerin zitiertes Erkenntnis Zl. 91/06/0020, bezieht sich auf die Vorarlberger Rechtslage, die nur die Einräumung größerer Abstände kennt, beide Erkenntnisse sind daher nicht geeignet, die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin zu stützen, wonach die Steiermärkische Bauordnung dem Nachbarn kein Mitspracherecht in bezug auf die Einhaltung der Flächenwidmung einräumte, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist. Die Steiermärkische Bauordnung räumt dem Nachbarn vielmehr ein Recht auf Immissionsschutz, der mit der Flächenwidmung verbunden ist, ein sowie unabhängig davon auf Immissionsschutz zufolge des § 4 Abs. 3 BO durch Festsetzung größerer Abstände.

Entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin waren die Nachbarn, aufgrund deren Vorstellung der Bescheid es Gemeinderates aufgehoben wurde, auch nicht präkludiert: Es haben alle mit hinreichender Deutlichkeit entweder vor der mündlichen Verhandlung vom 6. September 1994 (D) oder während dieser Verhandlung zu erkennen gegeben, daß durch den Betrieb der Beschwerdeführerin eine unzumutbare Geruchsbelästigung gegeben sei. Ausführungen dahingehend, daß die Behörde daher größere Abstände im Sinne des § 4 Abs. 3 BO festsetzen müßte, waren schon deshalb nicht erforderlich, weil, wie bereits ausgeführt, hier ein zusätzlicher Immissionsschutz auf Einhaltung der Flächenwidmung eingeräumt ist und der Nachbar zur rechtlichen Subsumption seiner Einwendungen nicht verhalten ist.

Mit der Frage, welche Immissionen von den Nachbarn hinzunehmen sind und wie die Ermittlungen durchzuführen sind, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt auseinandergesetzt. Seine Judikatur läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß Maßstab des Zulässigen einerseits das sogenannte Widmungsmaß des zur Bebauung ausersehenen Bauplatzes insoferne ist, als die Summe von vorhandener Grundbelastung (sogenanntes Istmaß) und aus dem Projekt hervorgehender Zusatzbelastungen (sogenanntes Prognosemaß) dieses Widmungsmaß nicht überschreiten darf. Als zumutbar müssen Immissionen auch dann noch angesehen werden, wenn sie zwar das Ausmaß der in der unmittelbaren Umgebung feststellbaren Immissionen übersteigen, sich aber im Rahmen des im Widmungsmaß sonst üblichen Ausmaßes halten. Andererseits ist Maßstab der Zulässigkeit dort, wo die Summe aus Istmaß und Prognosemaß das Widmungsmaß nicht überschreitet, das Ausmaß an Gesamtimmissionsbelastungen (Summenmaß aus Istmaß und Prognosemaß), welches der medizinische Sachverständige als sogenanntes Beurteilungsmaß vorgibt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0235 sowie die dort angeführte Vorjudikatur), wobei infolge des § 4a BO in der Fassung LGBl. Nr. 42/1991, der gemäß Art. III Abs. 1 am 29. Juni 1991 in Kraft getreten ist, auch alle im Projekt vorgesehenen, im Interesse des Nachbarschutzes gelegenen Maßnahmen zu berücksichtigen sind.

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, daß nicht allein Immissionen des zu bewilligenden Betriebes ausschlaggebend sind, sondern das Ausmaß an Gesamtimmissionsbelastung, nämlich das Summenmaß aus Istmaß - ohne Immissionen des zu bewilligenden Betriebes - und dazu das Prognosemaß, nämlich jene Immissionen, die aus dem Betrieb hervorgehen werden. Im medizinischen Sachverständigengutachten wurde das Ausmaß der Gesamtimmissionsbelastung nicht berücksichtigt. Da die Anrainer aber einen Anspruch auf Einhaltung der Flächenwidmung und damit einen Anspruch darauf haben, daß die Gesamtimmissionsbelastung nicht dem Widmungsmaß des Bauplatzes widerspricht, hat die belangte Behörde zu Recht den Bescheid des Gemeinderates wegen Verletzung von Rechten der Vorstellungswerber aufgehoben.

Mit den Beschwerdeausführungen, die belangte Behörde fordere ein "nicht definierbares Widmungsmaß für Geruch" ein, verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage: Das Widmungsmaß des Bauplatzes in bezug auf die zulässigen Geruchsimmissionen ist genauso definiert, wie jenes in bezug auf Lärm und andere Immissionen, es lassen sich nur Lärmimmissionen leichter messen, sie sind damit objektivierbarer. Es obliegt aber auch hinsichtlich des zulässigen Ausmaßes an Geruchsbelästigungen dem medizinischen Sachverständigen, aufgrund seiner Erfahrung und der vorgenommenen Erhebungen zu beurteilen, ob das Ausmaß an Gesamtimmissionsbelastung auch unter Berücksichtigung der durch den zu bewilligenden Betrieb zusätzlich auftretenden Geruchsimmissionen das zumutbare Ausmaß nicht übersteigt.

Der Beschwerderüge, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, daß die Anrainer in keinem Bereich, insbesondere auch nicht bei einer Immissions- bzw. ärztlichen Beurteilung zu den vorliegenden schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene Stellungnahmen beigebracht hätten, ist zu entgegnen, daß auch ohne besondere Fachkenntnis die unzureichende Befundaufnahme bzw. das Ausgehen von unrichtigen Voraussetzungen für die Infragestellung eines Gutachtens ausreichen kann und die Behörde Feststellungen dahingehend zu treffen hat, ob tatsächlich unzureichende Grundlagen vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1991, Zl. 91/09/0135).

Die Beschwerdeführerin rügt ferner, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Unterschrift des A und der ET sowie der GR unter der Berufung des Vorstellungswerbers N ausreiche, und von zulässigen Einwendungen auszugehen sei. Hinsichtlich des W und der ET ist auf die Begründung zu a) zu verweisen, GR hat eine eigene, von ihr unterfertigte Berufung eingebracht (Blatt 103 und 103 verso des vorgelegten Verwaltungsaktes).

Dem Beschwerdevorbringen, die Vorstellungen der Stadt G, des Dr. K, Dr. P und G. D seien derart allgemein formuliert, daß nicht nachvollziehbar sei, welche konkreten Ansprüche (außer genereller Aufhebungs- und Beseitigungswünsche) im Zusammenhang mit allenfalls nicht präkludierten Einwendungen verfolgt würden, ist zu entgegnen, daß in jeder dieser Vorstellungen der Antrag auf Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates, mit dem die Baubewilligung erteilt wurde, enthalten ist. Damit ist nicht nur hinreichend erkennbar, was die Vorstellungswerber mit ihrer Vorstellung bezwecken wollten, sondern es ist mit diesem Antrag - der im übrigen jeweils begründet war - auch der Vorschrift des § 94 Abs. 2 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 entsprochen.

Der Bescheid der belangten Behörde vom 4. November 1996, der nur in seinem Spruch I angefochten war, war daher soweit, als er die Vorstellung des AT und der ET inhaltlich behandelte, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid die Vorstellungen des GD, GN, Dr. KP, Dr. JK, der Stadt G, sowie der GR meritorisch behandelt wurden, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996060285.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten