TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 W108 2207908-1

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Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GEG §1 Z1
GEG §6a Abs1
GEG §6b Abs4
GGG Art1 §21
GGG Art1 §32 TP4
VGebG §2 Z3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W108 2207908-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27.09.2018, Zl. 100 Jv 3856/18b-33a (003 Rev 9692/18t), betreffend Gebührenvorschreibung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang/Sachverhalt:

1. Im Grundverfahren vor dem Bezirksgericht XXXX brachte die minderjährige, betreibende Partei, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX , am 09.02.2018 einen Antrag auf Fahrnisexekution und Sicherstellung (betriebener Anspruch: EUR 1.200,00 Rückstand + Sicherstellung für 1 Jahr: EUR 5.040,00) gegen den Beschwerdeführer als verpflichtete Partei ein.

Mit Beschluss des genannten Bezirksgerichtes vom 13.02.2018 wurde dem Antrag stattgegeben und die Exekution bewilligt. Unter einem wurden die Kosten der betreibenden Partei mit EUR 90,00 bestimmt und dem Beschwerdeführer die Entrichtung der Gerichtsgebühren in Höhe von EUR 121,90 (inklusive EUR 7,50 Vollzugsgebühren) aufgetragen.

Dieser Beschluss sollte laut Zustellverfügung dem Beschwerdeführer als verpflichtete Partei beim Vollzug zugestellt werden.

Am 27.03.2018 fand ein Vollzug an der Hauptwohnsitzadresse des Beschwerdeführers statt, der jedoch infolge Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers erfolglos blieb.

Der Beschluss vom 13.02.2018 wurde in der Folge nicht per Post an den Beschwerdeführer als verpflichtete Partei zugestellt.

2. Im gegenständlichen Verfahren zur Einbringung der Pauschalgebühr erließ die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Bescheid - nach Außer-Kraft-Treten des zunächst ergangenen Mandatsbescheides/Zahlungsauftrages vom 08.05.2018 – (erneut) einen Zahlungsauftrag gemäß § 6a Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG), mit dem der Beschwerdeführer als zahlungspflichtige Partei aufgefordert wurde, die im Grundverfahren angefallene Gerichtsgebühr (Pauschalgebühr) nach TP 4 lit. a GGG (Bemessungsgrundlage: EUR 6.240,00) in Höhe von EUR 114,40, die Vollzugsgebühr gemäß § 2 Z 3 VGebG in Höhe von EUR 7,50 und die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG in Höhe von EUR 8,00, sohin einen Betrag von insgesamt EUR 129,90, binnen 14 Tagen auf ein näher genanntes Konto des Bezirksgerichtes XXXX bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründend wurde festgehalten, dass gemäß TP 4 Anm 8 GGG in Unterhaltsverfahren, die sich auch auf die Hereinbringung von Unterhaltsforderungen minderjähriger Kinder bezögen, die betreibende Partei von der Verpflichtung zur Entrichtung der Gerichtsgebühren nach der TP 4 befreit sei. Die Zahlungspflicht treffe die verpflichtete Partei nach Maßgabe des § 21 GGG.

Gemäß § 6b Abs. 4 GEG könnten im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden.

Mit Beschluss vom 13.02.2018 sei die Gerichtsgebühr gemäß TP 4 lit. a GGG mit EUR 121,90 bestimmt worden. Dieser Beschluss bilde die gerichtliche Entscheidung und zugleich die Zahlungspflicht der verpflichteten Partei im Sinne des § 6b Abs. 4 GEG, weshalb dem Beschwerdeführer die Gerichtsgebühr zur Zahlung vorzuschreiben sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

4. Die belangte Behörde sah von einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Ausführungen oben unter Punkt I. zum Verfahrensgang (Verwaltungsgeschehen) und Sachverhalt werden festgestellt.

Damit steht insbesondere fest, dass der Exekutionsbewilligungsbeschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 13.02.2018, mit welchem dem Beschwerdeführer die Entrichtung der Gerichtsgebühren in Höhe von EUR 121,90 aufgetragen wurde, dem Beschwerdeführer nicht zugestellt wurde. Der Beschluss erwuchs sohin nicht in Rechtskraft.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt, die relevanten Ermittlungsergebnisse und Urkunden liegen in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ein. Die nicht erfolgte Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses vom 13.02.2018 an den Beschwerdeführer als verpflichtete Partei ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes, insbesondere, aus dem Schreiben des Bezirksgerichtes XXXX vom 04.04.2018, wonach die Exekutionsbewilligung nicht per Post an die verpflichtete Partei zugestellt werde, da es sich um kein vereinfachtes Bewilligungsverfahren handle. Das Bezirksgericht XXXX bestätigte dies dem Bundesverwaltungsgericht am 14.02.2020 telefonisch und gab an, dass der Exekutionsbewilligungsbeschluss dem Beschwerdeführer beim Vollzug hätte zugestellt werden sollen, dies sei jedoch infolge der Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers unterblieben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu den Prozessvoraussetzungen:

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.

3.3. In der Sache:

3.3.1. Gemäß § 1 Z 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) sind Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren von Amts wegen einzubringen.

Gemäß § 21 GGG ist der Verpflichtete im Exekutionsverfahren zur Zahlung der Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, auf jeden Fall verpflichtet, soweit nicht der Antrag des betreibenden Gläubigers abgewiesen wird oder soweit nicht nach § 75 EO die Gebühren dem Gläubiger zur Last fallen (Abs. 1 leg.cit.). Ist in einem dem Anwendungsbereich der Tarifpost 4 Z I lit. a unterliegenden Exekutionsverfahren der betreibende Gläubiger von der Entrichtung der Gerichtsgebühren befreit, so ist in dem Beschluss, mit dem die Exekution bewilligt wird, dem Verpflichteten gleichzeitig auch die Zahlung der in Tarifpost 4 Z I lit. a angeführten Pauschalgebühr aufzutragen; dieser Beschluss ist sofort vollstreckbar. Die Exekution ist auch zur Hereinbringung der Pauschalgebühr zu führen; die Pauschalgebührenforderung steht im Rang vor der betriebenen Forderung (Abs. 2 leg. cit.).

Die Pauschalgebühr in Exekutionsverfahren mit Ausnahme der in lit. b angeführten Verfahren beträgt gemäß TP 4 GGG I. a bei einem Wert des Streitgegenstandes über EUR 3.500,00 (bis EUR 7.000,00) EUR 107,00.

Gemäß Anm. 1a zur TP 4 GGG erhöhen sich die in der Tarifpost 4 Z I angeführten Gebühren um jeweils 7,40 Euro, wenn – allein oder gemeinsam mit anderen Exekutionsmitteln – Exekution auf bewegliche körperliche Sachen beantragt wird.

Gemäß Anm. 8 zur TP 4 GGG ist die betreibende Partei in Unterhaltsexekutionsverfahren, die sich auch auf die Hereinbringung von Unterhaltsforderungen minderjähriger Kinder beziehen, von der Verpflichtung zur Entrichtung der Gerichtsgebühren nach der Tarifpost 4 befreit; die Zahlungspflicht trifft die verpflichtete Partei nach Maßgabe des § 21 GGG.

Gemäß § 6b Abs. 4 GEG können im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden.

3.3.2. Umgelegt auf den hier vorliegenden Sachverhalt ergibt sich daraus Folgendes:

Die belangte Behörde sieht im bezirksgerichtlichen Beschluss vom 13.02.2018 eine die Einbringungsbehörde bindende gerichtliche Entscheidung im Sinne von § 6b Abs. 4 GEG.

Wenn § 6b Abs. 4 GEG von einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes spricht, ist davon auszugehen, dass damit der Eintritt der formellen Rechtskraft gemeint ist, dass also den Parteien des Verfahrens dagegen kein ordentliches Rechtsmittel mehr zusteht. Diese formelle Rechtskraft tritt im Falle der Erhebung von Rechtsmitteln mit der Zustellung der letztinstanzlichen Entscheidung ein. Dass eine gerichtliche Entscheidung (formell) rechtskräftig geworden ist, ist daher ausgeschlossen, wenn diese dem zur Zahlung Verpflichteten nicht wirksam zugestellt wurde (vgl. VwGH 11.09.2015, 2012/17/0130 zu § 7 Abs. 1 zweiter Satz GEG).

Gegenständlich wurde jedoch – wie festgestellt - der Exekutionsbewilligungsbeschluss vom 13.02.2018, mit welchem dem Beschwerdeführer die Zahlung der Gebühren aufgetragen wurde, dem Beschwerdeführer nicht zugestellt. Mangels Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses an den Beschwerdeführer ist die gerichtliche Entscheidung nicht rechtskräftig und kommt eine Einbringung im Justizverwaltungsweg auf Grundlage des § 6b Abs. 4 GEG nicht in Betracht (vgl. VwGH 10.03.1988, 86/16/0222; 11.09.2015, 2012/17/0130). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die belangte Behörde vor Rechtskraft des gerichtlichen Gebührenbestimmungsbeschlusses das Verwaltungsverfahren zur Einbringung der Forderung nicht einleiten (vgl. VwGH 27.06.1979, 1550/78; Dokalik, Gerichtsgebühren¹³ § 6a GEG, E 28).

Sieht das Gesetz für eine nach dem GEG einzubringende Gebühr die Fassung eines gerichtlichen Gebührenbestimmungsbeschlusses vor, so bildet dieser Beschluss eine zwingende Voraussetzung für die Einbringung der Gebühr im Justizverwaltungsweg (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2017/17/0175).

Der belangten Behörde war es also auch verwehrt, als Vorschreibungsbehörde selbst die Gebühr mittels Erlassung eines Zahlungsauftrages festzusetzen (vgl. VwGH 14.02.1987, 86/17/0024; 30.09.1988, 87/17/0270).

3.3.3. Da dem angefochtenen Bescheid sohin eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anhaftet, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

3.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Schlagworte

Einhebungsgebühr ersatzlose Behebung Exekutionsverfahren formelle Rechtskraft Gerichtsgebühren Gerichtsgebührenpflicht Pauschalgebühren Rechtswidrigkeit Unterhaltsexekution Unterhaltsverfahren Vollzugsgebühr Zustellmangel Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W108.2207908.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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