TE Bvwg Beschluss 2020/11/12 W133 2189546-2

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Veröffentlicht am 12.11.2020
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Entscheidungsdatum

12.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
VwGVG §32 Abs1 Z1

Spruch

W133 2189546-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Einzelrichterin über den Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2018, Zl. 16-1101154310/160029645, auf Wiederaufnahme des mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.11.2018, Zl. W133 2189546-1/6Z, abgeschlossenen Verfahrens betreffend XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX , den Beschluss:

A)

Dem Antrag auf Wiederaufnahme vom 03.12.2018 wird nicht stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

Die ehemalige Asylwerberin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte am 05.01.2016 zusammen mit ihrer Familie in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 08.01.2016 erfolgte ihre Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 05.02.2018 wurde sie durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Das BFA wies den Antrag der ehemaligen Asylwerberin auf internationalen Schutz vom 05.01.2016 mit Bescheid vom 13.02.2018 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegenüber der ehemaligen Asylwerberin eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach das BFA aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Mit Schriftsatz vom 14.03.2018 erhob die ehemalige Asylwerberin gegen den Bescheid vom 13.02.2018 fristgerecht eine Beschwerde.

Mit am 13.11.2018, Zl. W133 2189546-1/6Z, mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde der Beschwerde vom 14.03.2018 stattgegeben und der ehemaligen Asylwerberin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Begründend wurde Folgendes ausgeführt:

„Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist.

Sie bewegt sich in Österreich alleine im öffentlichen Raum, geht hier alleine einkaufen, geht alleine mit ihren Kindern zum Arzt, und ist darum bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen; sie spricht noch kaum Deutsch, versteht etwas besser, aber auch noch nicht sehr gut, ist jedoch Analphabetin und es fällt ihr daher der Spracherwerb deutlich schwerer als ihren Kindern. Sie hat aufgrund der Sorgepflichten für ihre vier Kinder, insbesondere der Fürsorge für den jüngsten Sohn und ihrer Erkrankung sowie der Schwierigkeiten beim Spracherwerb noch keine Deutschprüfungen erfolgreich abgelegt, versucht aber im Moment überwiegend zu Hause zu lernen. Sie kleidet, frisiert und schminkt sich in Österreich nach westlicher Mode. Sie ist zwar Muslimin, ist aber nicht streng gläubig. Die Familie geht nicht in die Moschee und pflegt keine regelmäßigen Gebete zu Hause. Gleiches gilt für die Erstbeschwerdeführerin selbst. Sie trägt in Österreich kein Kopftuch. Die Drittbeschwerdeführerin besucht keinen islamischen Religionsunterricht, nimmt aber unregelmäßig und nach Wunsch am katholischen Religionsunterricht teil. Die Erstbeschwerdeführerin geht gerne alleine spazieren und einkaufen. Um die finanziellen Angelegenheiten der Familie kümmert sich ebenfalls die Erstbeschwerdeführerin. Die Erstbeschwerdeführerin will in Österreich in Zukunft selbst berufstätig sein und als Schneiderin oder Verkäuferin arbeiten. Sie hat in Afghanistan auch schon in der Näherei im Haus auch für andere Frauen Erfahrungen in diesem Bereich. Die Erstbeschwerdeführerin möchte in Zukunft, sobald sie die Sprache besser kann, in Österreich selbst ihr Geld verdienen und auch auf eigenen Beinen stehen.

Die Erstbeschwerdeführerin lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab, will ihre Kinder frei von Zwängen erziehen und kann sich nicht vorstellen, wieder nach dem konservativ-afghanischen Wertebild zu leben, wobei auch der in Österreich aufhältige Zweitbeschwerdeführer hier ihr westliches Leben unterstützt.

Die Erstbeschwerdeführerin selbst konnte sich vor ihrer Ausreise weder frei und alleine im öffentlichen Raum bewegen, noch durfte sie alleine einkaufen gehen. Dies obwohl sie aus keinem sehr konservativen Elternhaus stammt.

Die selbständige und freie Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil im Leben der Erstbeschwerdeführerin geworden. Eine Rückkehr in ein eingeschränktes Leben nach dem Frauenbild der afghanischen Gesellschaft wird von ihr abgelehnt. Sie möchte ihre Freiheiten auch Weiterhin leben können. Sie erzieht auch ihre beiden Töchter frei und unabhängig und möchte ihnen ein freies selbstbestimmtes Leben in Österreich ermöglichen.

Die Erstbeschwerdeführerin würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld daher als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden, weshalb sie in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre. Die von der Erstbeschwerdeführerin in Österreich angenommene westliche Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Es kann von ihr daher nicht erwartet werden, diese Lebensweise in Afghanistan zu unterdrücken oder überhaupt abzulegen, um dort nicht physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein.“

Den Familienangehörigen der ehemaligen Asylwerberin, die sich mit ihr in Österreich befinden und die ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatten, wurde mit der genannten Entscheidung des BVwG vom 13.11.2018 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt (dem Ehemann zu Zl. W133 2189538-1/6Z, der am 01.01.2008 geborenen Tochter zu Zl. W133 2189540-1/6Z, dem am 01.01.2010 geborenen Sohn zu Zl. W133 2189495-1/6Z, der am 01.01.2014 geborenen Tochter zu Zl. W133 2189544-1/6Z und dem am 10.03.2017 in Österreich nachgeborenen Sohn zu Zl. W133 2189571-1/6Z).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte keinen Ausfertigungsantrag betreffend die mündlich verkündete Entscheidung.

Mit Schriftsatz vom 03.12.2018 stellte das BFA den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Begründend wird darin Folgendes ausgeführt:

„Die ehemalige Beschwerdeführerin wurde am 03.12.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - Regionaldirektion XXX – vorstellig, um einen Antrag auf die Ausstellung österreichischer Dokumente zu stellen. Die ehemalige Beschwerdeführerin erschien in Begleitung Ihres Mannes und weiterer Personen in traditionell-islamischer Kleidung, mit Kopftuch und soweit dies festgestellt werden konnte, ungeschminkt. Dieser Eindruck wurde im angehängten Aktenvermerk festgehalten (siehe Anhang).

Die ehemalige Beschwerdeführerin legte zudem ein Passfoto, welches am 01.12.2018 aufgenommen wurde, vor (siehe Anhang). Auf diesem Foto ist die ehemalige Beschwerdeführerin mit einem Kopftuch und ungeschminkt abgebildet. Dieses Foto wurde nur kurz nach Verkündung des Erkenntnisses des BVwG aufgenommen. Entgegen dem im Erkenntnis angehängten Foto, welches die Beschwerdeführerin in „westlicher“ Kleidung, ohne Kopfbedeckung und geschminkt zeigt, ist die Beschwerdeführerin auf diesem Foto mit Kopfbedeckung und ungeschminkt abgebildet. Außerdem erschien die ehemalige Beschwerdeführerin, wie bereits erwähnt, beim Bundesamt ebenfalls in traditionell-islamischer Kleidung, mit Kopfbedeckung und ungeschminkt.

Insgesamt ergibt sich nach Ansicht des Bundesamtes aus einer Zusammenschau der gesamten Aktenlage und der neu hervorgekommenen Tatsachen der dringendste Verdacht, dass die Beschwerdeführerin den Status des Asylberechtigten durch falsche Angaben, zuletzt vor dem Bundesverwaltungsgericht, erschlichen hat.

Sollte das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss kommen, dass der Argumentation des Bundesamtes zu folgen ist, wäre damit der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG unzweifelhaft erfüllt, das Verfahren wiederaufzunehmen und die Beschwerde gegen Spkt. I. des seinerzeitigen Bescheides abzuweisen.

…“

Dem Wiederaufnahmeantrag wurden unter anderem ein Passfoto der ehemaligen Asylwerberin vom 01.12.2018 und ein Aktenvermerk des BFA vom 03.12.2018 beigelegt.

Am 05.12.2018 erfolgte die gekürzte Ausfertigung der am 13.11.2018 mündlich verkündeten Entscheidung des BVwG betreffend alle sechs Familienmitglieder.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Mit am 13.11.2018, Zl. W133 2189546-1/6Z, mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, gekürzte Ausfertigung am 05.12.2018, wurde der ehemaligen Asylwerberin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Begründend wurde in Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände des Beschwerdefalles ausgeführt, dass es sich bei der ehemaligen Asylwerberin um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist, handelt. Dabei wurde als ein Aspekt – neben vielen anderen Aspekten - festgehalten, dass sich die ehemalige Asylwerberin in Österreich nach westlicher Mode kleidet, frisiert und schminkt und kein Kopftuch trägt. Zur mündlichen Verhandlung am 13.11.2018 war die ehemalige Asylwerberin westlich gekleidet, geschminkt und ohne Kopftuch erschienen (vgl. das Foto auf S. 11 des VH-Protokolls vom 13.11.2018).

Am 03.12.2018 wurde die ehemalige Asylwerberin beim BFA vorstellig, um einen Antrag auf Ausstellung von Dokumenten zu stellen. Dabei erschien sie in traditionell-islamischer Kleidung, mit Kopftuch und ungeschminkt. Außerdem legte sie ein Passfoto, welches am 01.12.2018 aufgenommen worden war, vor. Auf diesem Foto ist sie ebenfalls mit einem Kopftuch und ungeschminkt abgebildet.

Aus diesem Grund stellte das BFA mit Schriftsatz vom 03.12.2018 den vorliegend zu beurteilenden Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Begründend führt die Behörde darin im Wesentlichen aus, für das BFA ergebe sich aus einer Zusammenschau der gesamten Aktenlage und der neu hervorgekommenen Tatsachen der Verdacht, dass die ehemalige Asylwerberin den Status der Asylberechtigten durch falsche Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht erschlichen habe. Der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG sei erfüllt.

Festgestellt wird, dass der alleinige Umstand, dass die ehemaligen Asylwerberin am 03.12.2018 in traditioneller Kleidung mit Kopftuch und ungeschminkt beim BFA vorstellig geworden ist und ein Passfoto vom 01.12.2018 vorgelegt hat, auf welchem sie mit einem Kopftuch und ungeschminkt abgebildet ist, nicht hinreicht, um die Feststellung , dass es sich bei ihr um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau handelt, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist, in Frage zu stellen.

Das BVwG hatte in seiner Entscheidung vom 13.11.2018 den Aspekt des äußeren Erscheinungsbildes der ehemaligen Asylwerberin zwar gewürdigt, seine Entscheidung aber primär auf die von ihr glaubhaft geäußerte Wertehaltung gestützt. Ob sie ein Kopftuch trägt oder nicht, ist dafür von unwesentlicher Bedeutung.

Weitere Umstände, die – wie vom BFA ausgeführt – auf eine „Erschleichung“ hindeuten würden, brachte die Behörde bislang nicht vor.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Dass die ehemalige Asylwerberin eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frau ist und diese Lebensweise zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, ergibt sich insbesondere aus dem vom Bundesverwaltungsgericht von ihr in der mündlichen Verhandlung am 13.11.2018 gewonnenen persönlichen Eindruck und ihren diesbezüglichen eigenen überzeugenden Angaben, die durch die Aussagen ihres Ehemannes und ihrer älteren Tochter sowie die Unterstützungsschreiben, welche im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.11.2018 vorgelegt wurden, auch bestätigt wurden.

Die ehemalige Asylwerberin konnte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht überzeugend und glaubhaft darlegen, dass sie die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ablehnt und sich einer westlichen Wertehaltung und einem westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild zugehörig fühlt sowie nach einer solchen bzw. einem solchen lebt und daran festhalten will.

Daran vermag auch der Umstand, dass sie – anders als zur mündlichen Verhandlung am 13.11.2018 - am 03.12.2018 beim BFA in traditioneller Kleidung mit Kopftuch und ungeschminkt erschien und ein Passfoto vom 01.12.2018 vorlegte, auf welchem sie mit einem Kopftuch und ungeschminkt abgebildet ist, nichts zu ändern. Hierzu ist nochmals festzuhalten, dass das BVwG in seiner Entscheidung vom 13.11.2018 den Aspekt des äußeren Erscheinungsbildes der ehemaligen Asylwerberin zwar gewürdigt, seine Entscheidung aber primär auf die von ihr glaubhaft geäußerte Wertehaltung, welche durch die Aussagen ihres Ehemannes und ihrer älteren Tochter sowie Unterstützungsschreiben bestätigt wurden, gestützt hatte. Ob sie ein Kopftuch trägt oder sich schminkt oder nicht, ist dafür von unwesentlicher Bedeutung. Weitere Umstände, die – wie vom BFA ausgeführt – auf eine „Erschleichung“ hindeuten würden, brachte die Behörde nicht vor.

Die ehemalige Asylwerberin gab in der mündlichen Verhandlung am 13.11.2018 glaubhaft an, dass sie sich in Österreich alleine im öffentlichen Raum bewegt, hier alleine einkaufen geht, alleine mit ihren Kindern zum Arzt geht und darum bemüht ist, die deutsche Sprache zu erlernen. Sie ist zwar Muslimin, ist aber nicht streng gläubig. Die älteste Tochter der ehemaligen Asylwerberin besucht keinen islamischen Religionsunterricht, nimmt aber unregelmäßig und nach Wunsch am katholischen Religionsunterricht teil. Des Weiteren gab die ehemalige Asylwerberin glaubhaft an, dass sie sich um die finanziellen Angelegenheiten der Familie kümmert. All diese vom Bundesverwaltungsgericht als glaubhaft erachteten Angaben der ehemaligen Asylwerberin, welche auf einen tatsächlich gelebten "westlich" orientierten Lebensstil hinweisen, wurden vom BFA im Rahmen des gestellten Wiederaufnahmeantrages nicht widerlegt.

Somit ergeben sich für das erkennende Gericht zum Entscheidungszeitpunkt keine ausreichenden Hinweise darauf, dass die ehemalige Asylwerberin den Status der Asylberechtigten durch falsche Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht erschlichen hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

§ 32 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen.

Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG in § 17 VwGVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei auf Grund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können. In diesem Sinne hielt der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31.08.2015, Ro 2015/11/0012 (vgl. auch VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0136), unter Verweis auf die Materialien zu § 32 VwGVG fest, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet seien und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden könne.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederaufnahme bei Fehlen der Prozessvoraussetzungen zurückzuweisen. Liegt der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund nicht vor, ist der Antrag abzuweisen (bzw. ihm nicht stattzugeben), anderenfalls zu bewilligen (bzw. dem Antrag stattzugeben) (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 32 Anm 13).

Aus dem Antrag auf Wiederaufnahme muss hervorgehen, dass die Wiederaufnahme eines näher bezeichneten Verfahrens begehrt wird. Zumindest muss aus dem Inhalt der Eingabe hervorgehen, auf welches abgeschlossene Verfahren sich der Antrag auf Wiederaufnahme bezieht (vgl. zu § 69 AVG VwGH 18.03.1993, 92/09/0212). Aus dem gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag geht hervor, dass das BFA die Wiederaufnahme des mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.11.2018, Zl. W133 2189546-1/6Z, abgeschlossenen Verfahrens begehrt.

Voraussetzung für die Stellung eines Wiederaufnahmeantrages ist gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG die Parteistellung im wiederaufzunehmenden Verfahren. Das BFA hatte als belangte Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Parteistellung (vgl. § 18 VwGVG), sodass es zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrages berechtigt ist.

Der Wiederaufnahmeantrag ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst ab diesem Zeitpunkt schriftlich beim Verwaltungsgericht einzubringen. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Sowohl die zweiwöchige als auch die dreijährige Frist sind im gegenständlichen Fall gewahrt.

Der vorliegende Antrag auf Wiederaufnahme ist daher zulässig.

Er ist aber nicht berechtigt:

Erschleichen eines Erkenntnisses (§ 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG)

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein "Erschleichen" eines Bescheides (nunmehr: Erkenntnisses) dann vor, wenn dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen. Wenn es die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offenstehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Parteienangaben als Erschleichen des Bescheides im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG zu werten (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 12; VwGH 29.01.2004, 2001/20/0346; 13.12.2005, 2003/01/0184; 08.06.2006, 2004/01/0470).

Mit Irreführungsabsicht hat die Partei dann gehandelt, wenn sie vorsätzlich, also wider besseres Wissen, falsche Angaben gemacht oder entscheidungswesentliche Umstände verschwiegen hat (VwGH 25.04.1995, 94/20/0779) und damit das Ziel verfolgt, daraus einen (vielleicht) sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen (VwGH 10.09.2003, 2003/18/062; 29.01.2004, 2001/20/0346; 08.06.2006, 2004/01/0470). Die Behörde hat aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen in freier Beweiswürdigung auf das eventuelle Vorliegen einer solchen Absicht zu schließen. Als Beurteilungsgrundlage dient dabei das Gesamtverhalten jener Person, der die Erschleichung vorgehalten wird (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 14 mwN).

Der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat absoluten Charakter; es kommt nicht darauf an, ob ohne das verpönte Verhalten voraussichtlich ein anders lautender Bescheid ergangen wäre (VwGH 08.06.2006, 2004/01/0470; vgl. auch VwGH 25.09.1990, 86/07/0071; siehe weiters Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 27).

Gemäß der obigen Beschreibung des "Erschleichungstatbestandes" muss den zu beurteilenden unrichtigen Angaben aber wesentliche Bedeutung zukommen (VwGH 08.06.2006, 2004/01/0470 sowie auch vom 09.08.2018, Ra 2018/22/0076).

Es müssen daher gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes drei Voraussetzungen vorliegen, um von einem "Erschleichen" eines Erkenntnisses auszugehen:

1. Objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung,

2. ein Kausalzusammenhang zwischen der unrichtigen Angabe der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde und

3. Irreführungsabsicht der Partei, nämlich eine Behauptung wider besseres Wissen in der Absicht, daraus einen Vorteil zu erlangen (VwGH 25.04.1995, 94/20/0779).

Die genannten Voraussetzungen liegen aus folgenden Gründen nicht vor:

Im vorliegenden Fall hätte die ehemalige Asylwerberin nach Ansicht des BFA einen gelebten "westlich" orientierten Lebensstil vorgetäuscht. Dies macht die Behörde lediglich an dem Umstand fest, dass die ehemalige Asylwerberin – anders als zur mündlichen Verhandlung am 13.11.2018 - am 03.12.2018 in traditioneller Kleidung mit Kopftuch und ungeschminkt beim BFA erschienen ist und ein Passfoto vom 01.12.2018 vorgelegt hat, auf welchem sie mit einem Kopftuch und ungeschminkt abgebildet ist. Dabei übersieht das BFA, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 13.11.2018 den Aspekt des äußeren Erscheinungsbildes der ehemaligen Asylwerberin zwar gewürdigt, seine Entscheidung aber primär auf die von ihr glaubhaft geäußerte Wertehaltung, welche durch die Aussagen ihres Ehemannes und ihrer älteren Tochter sowie Unterstützungsschreiben bestätigt wurden, gestützt hat. Ob sie ein Kopftuch trägt oder sich schminkt oder nicht, ist dafür von unwesentlicher Bedeutung.

Die ehemalige Asylwerberin gab in der mündlichen Verhandlung am 13.11.2018 glaubhaft an, dass sie sich in Österreich alleine im öffentlichen Raum bewegt, hier alleine einkaufen geht, alleine mit ihren Kindern zum Arzt geht und darum bemüht ist, die deutsche Sprache zu erlernen. Sie ist zwar Muslimin, ist aber nicht streng gläubig. Die älteste Tochter der ehemaligen Asylwerberin besucht keinen islamischen Religionsunterricht, nimmt aber unregelmäßig und nach Wunsch am katholischen Religionsunterricht teil. Des Weiteren gab die ehemalige Asylwerberin glaubhaft an, dass sie sich um die finanziellen Angelegenheiten der Familie kümmert. All diese vom Bundesverwaltungsgericht als glaubhaft erachteten Angaben der ehemaligen Asylwerberin, welche auf einen tatsächlich gelebten "westlich" orientierten Lebensstil hinweisen, wurden vom BFA im Rahmen des gestellten Wiederaufnahmeantrages nicht widerlegt. Es ist daher in Gesamtbetrachtung nicht anzunehmen, dass die ehemalige Asylwerberin objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung betreffend ihre westliche Orientierung gemacht hat.

Mangels Vorliegens objektiv unrichtiger Angaben von wesentlicher Bedeutung scheidet auch ein Kausalzusammenhang mit dem Entscheidungswillen bei Erlassung des Erkenntnisses aus.

Es ist im gegenständlichen Fall keine Irreführungsabsicht der ehemaligen Asylwerberin anzunehmen. Dazu müsste ihr vorwerfbar sein, vorsätzlich, also wider besseres Wissen, falsche Angaben gemacht oder entscheidungsrelevante Umstände verschwiegen zu haben, um damit letztendlich ein für sie positives Verfahrensergebnis zu erlangen. Aus dem Gesamtverhalten der ehemaligen Asylwerberin, wie sich dieses für das Bundesverwaltungsgericht aus dem bisherigen Verfahrensverlauf und insbesondere aus dem in der durchgeführten mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck darstellt, ergeben sich jedoch keine dahingehenden Anhaltspunkte. Es müssten nämlich schon im wiederaufzunehmenden Verfahren (nicht also etwa nur im Wiederaufnahmeverfahren selbst) Handlungen oder Unterlassungen feststellbar gewesen sein, die eine Erschleichungsabsicht erkennen lassen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 14 mwN).

Damit ist der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht erfüllt und dem gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens war daher spruchgemäß nicht stattzugeben.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist, und es sich bei der Frage, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 32 Anm. 9), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylgewährung Erschleichen Kausalzusammenhang Wesentlichkeit Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2189546.2.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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