TE Bvwg Beschluss 2020/11/12 W129 2232112-1

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Veröffentlicht am 12.11.2020
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Entscheidungsdatum

12.11.2020

Norm

AVG §58 Abs2
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
SchUG §32
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W129 2232112-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde der mj. XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die erziehungsberechtigten Eltern XXXX und XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Niederösterreich vom 29.04.2020, GZ. I-305/2967-2020:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bildungsdirektion für Niederösterreich zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die mj Beschwerdeführerin ersuchte am 12.03.2020 um die Bewilligung eines freiwilligen 11. Schuljahres an der NMS XXXX .

2. Darauffolgend erließ die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 29.04.2020, mit welchem der Antrag gem. § 32 Abs 2a SchUG abgewiesen wurde.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die mj. Beschwerdeführerin im Wege ihrer gesetzlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und brachte dabei im Wesentlichen und zusammengefasst vor, sie habe im BRG XXXX die dritte Klasse zwei Mal aufgrund von großen Problemen im Pflichtfach Mathematik wiederholen müssen. Im bewilligten 11. Schuljahr habe sie die dritte Klasse an der NMS XXXX erfolgreich absolviert.

4. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 12.06.2020, eingelangt am 18.06.2020, die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Dem Ersuchen der Beschwerdeführerin wurde nicht vollinhaltlich stattgegeben. Eine Begründung im Sinne der Vorschriften des § 58 Abs. 2 und des § 60 AVG enthält der angefochtene Bescheid nicht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde sowie der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).

Zu A)

3.3. Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide unter anderem dann zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse der Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Die Begründungserfordernisse des § 60 AVG schließen auch in jenen Fällen, in denen der maßgebende Sachverhalt von vornherein klar gegeben ist, die Verpflichtung der Behörde mit ein, in der Bescheidbegründung in eindeutiger Weise darzutun, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen sie bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist (VwGH 11.05.1990, 90/18/0018 mit weiteren Hinweisen). Bescheide, in denen die Behörde nicht in eindeutiger Weise aufzeigt, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme sie ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Tatsachenfeststellungen in Einzelnen stützen, sind mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 60, insb. Rz 35ff mwN).

Das innere Ausmaß der Begründungspflicht wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse der Partei bestimmt. Begründungslücken sind dann wesentlich, wenn sie zur Folge haben, dass der Beschwerdeführer über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird (vgl. zB. VwGH 8.3.1989, 86/17/0044; 19.5.1992, 91/04/0242; 15.03.2012, 2010/17/0210).

Zum angefochtenen Bescheid ist zunächst festzuhalten, dass die iSd §§ 58 und 60 AVG gebotene Entscheidungsbegründung verlangt, in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheids geführt haben (vgl. VwGH 11.11.2015 2013/11/0244 unter Hinweis auf VwGH 15.10.2015, 2013/11/0079).

Der angefochtene Bescheid lässt den derart gebotenen klaren Aufbau ebenso vermissen wie sämtliche Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt. Die Begründung besteht aus einem wörtlichen Gesetzeszitat und einer sich auf § 32 Abs 2a SchUG stützenden allgemeinen Erwägung, die sich in dieser Form nicht in der genannten Norm wiederfindet (sondern in Absatz 2, nicht aber eben in Absatz 2a). In wie fern § 32 Abs. 2a SchUG nicht zur Anwendung kommen soll, lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen.

Damit unterschreitet der angefochtene Bescheid die Anforderungen an eine im Sinn des § 60 AVG ausreichende, nachvollziehbare Begründung.

Nach den eindeutigen Gesetzeserläuterungen (IA 2206/A BlgNR 24.GP) soll ein Pflichtschulabschluss durch die Novelle BGBl I Nr. 76/2013 deutlich erleichtert werden (vgl. auch früher IA 159/A BlgNR 22.GP sowie AB 191 BlgNR). Im Sinne dieser Rechtslage wurde durch eine frühere Entscheidung der belangten Behörde – angeblich (da die Behörde diesbezüglich keine Feststellungen traf, konnte die diesbezügliche Behauptung der Beschwerdeführerin nicht kontrolliert werden) – ein zehntes Schuljahr für die siebente Schulstufe bewilligt, welche – angeblich (auch hier fehlt es an einer entsprechenden Feststellung) – erfolgreich absolviert wurde. Somit fehlt im gegenständlichen Fall – die Richtigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin vorausgesetzt – zum erfolgreichen Abschluss der NMS nur noch ein Jahr (vgl. IA 2206/A BlgNR 24.GP: „Nach Beendigung des Schulbesuches kann in einem allfälligen 11. Schuljahr gemäß § 32 Abs. 2a SchUG der Pflichtschulabschluss nachgeholt werden, wenn nicht mehr als ein Jahr zu erfolgreichen Beendigung dieses Schulbesuches fehlen [sic!).“

Die dem angefochtenen Bescheid anhaftenden Begründungsmängel haben zur Folge, dass die Beschwerdeführerin über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird. Wegen seiner Unüberprüfbarkeit in dieser Hinsicht konnte daher auch auf die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht eingegangen werden.

In der Gesamtschau ist der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis der Vorzug zu geben. Das behördliche Verfahren erweist sich aus den dargelegten Gründen insgesamt als so mangelhaft, dass von dem in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumten Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen war (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Der Bescheid war daher nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit der belangten Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 60 AVG, wonach durch einen Begründungsmangel ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, wenn entweder die Parteien an der Verfolgung ihrer Rechte im Verwaltungsverfahren gehindert oder die Überprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit verhindert wird (vgl. statt vieler VwGH 8.3.1989, 86/17/0044; VwGH 19.5.1992, 91/04/0242).

Schlagworte

Begründungspflicht Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Pflichtschule Schulbesuch Schuljahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W129.2232112.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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