TE Bvwg Beschluss 2020/11/13 W227 1418132-3

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Veröffentlicht am 13.11.2020
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Entscheidungsdatum

13.11.2020

Norm

AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

W227 1418132-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über den Antrag des afghanischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vom 30. Oktober 2020 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer mündlichen Verhandlung:

A)

Der Wiedereinsetzungsantrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Begründung

I. Verfahrensgang

1. Am 29. September 2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des (damaligen) Vertreters des Antragstellers eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Der Antragsteller erschien nicht.

Im Anschluss an die Verhandlung verkündete die Richterin das nachfolgende Erkenntnis samt wesentlichen

Text


Entscheidungsgründen und erteilte die Rechtsmittelbelehrung:

„IM NAMEN DER REPUBLIK!

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass in Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides die Wortfolge „und Absatz 2 Ziffer 2“ zu entfallen hat sowie Spruchteil VII. des angefochtenen Bescheides zur Gänze zu entfallen hat.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Wesentliche Entscheidungsgründe

1. Zur Abweisung der Beschwerde [Spruchpunkt A)]

1.1. Der (zumindest) 25-jährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, stammt aus der Stadt Jalalabad, Provinz Nangarhar. Er ist gesund und arbeitsfähig; er leidet weder an Epilepsie noch an einer hinsichtlich Covid-19 relevanten Vorerkrankung. Er verfügt nach wie vor über Familienangehörige in Jalalabad. Er besuchte zwei Jahre lang die Grundschule in Afghanistan und arbeitete vor seiner Ausreise in einem Hotel. Bei einer Rückkehr würde er gerne ein Bekleidungsgeschäft betreiben (AS 636).

Nangarhar ist eine volatile Provinz Afghanistans, in der die Taliban und der ISKP aktiv sind und in der das Niveau an willkürlicher Gewalt ein hohes Ausmaß erreicht. In Jalalabad – die Hauptstadt der Provinz – besteht zwar auch ein hohes Maß an willkürlicher Gewalt, jedoch in geringerem Maße als im Rest der Provinz. Eine Rückkehr nach Jalalabad wäre für den Beschwerdeführer – unter Berücksichtigung seines dortigen bestehenden ausgeprägten familiären Netzwerkes – mit keiner ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin möglich wäre.

Alternativ steht es dem Beschwerdeführer auch offen, sich in der Stadt Mazar-e Sharif niederzulassen, in der das Niveau an willkürlicher Gewalt gering ist, die Versorgung der afghanischen Bevölkerung im Hinblick auf den Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung hinreichend gesichert und die über einen Flughafen über den Luftweg sicher und legal erreichbar ist. Hier wäre es dem Beschwerdeführer als gesunden, jungen und alleinstehenden Mann auch zumutbar, sich ohne familiäres Netzwerk niederzulassen (vgl. etwa VwGH 20.08.2020, Ra 2020/19/0239).

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mehrfach straffällig (Strafregisterauszug vom 25. September 2020):

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-West vom 21. Mai 2015, 19 U 27/2014b, rechtskräftig seit 26. Mai 2015, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je EUR 4,--, somit insgesamt EUR 280,--, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 24. August 2015, 7 Hv 67/2015g, rechtskräftig seit 28. August 2018, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Mir Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 20. Juli 2016, 7 Hv 46/2016w, rechtskräftig seit 13. Dezember 2016, wurde der Beschwerdeführer wegen den Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Vergehens des unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe nach § 50 Abs. 1 Z 2 Waffengesetz (WaffG) sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 26. April 2017, 9 Hv 129/2016s, rechtskräftig seit 3. Mai 2017, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-West vom 15. März 2018, 12 u 125/2017t, rechtskräftig seit 20. März 2018, wurde der Beschwerdeführer aufgrund des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 12. Juni 2019, 12 Hv 18/2019v, rechtskräftig seit 18. Juni 2019, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 1. März 2019, 191 Hv 3/2019d, rechtskräftig seit 20. November 2019, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall, Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer besuchte ein Jahr lang die Schule in Österreich. Ob er tatsächlich eine Verlobte hat, konnte nicht festgestellt werden (vgl. Auskünfte aus der Zentralen Melderegisterauskunft vom 25. September 2020), es kann jedoch dahingestellt bleiben.

1.2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Schutzstatus (§ 8 Abs. 1 leg. cit.) nicht oder nicht mehr vorliegen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG betrifft hingegen jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 77; 14.08.2019, Ra 2016/20/0038, Rn. 32; 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, Rn. 17). Die Heranziehung des zweiten Tatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, m.w.N.). Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (vgl. etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0381, Rn. 13f).

Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund seiner angeblichen Epilepsie (sie ist medizinisch nicht belegt), eines angeblich (seine Angaben stellten sich als falsch heraus) mangelnden familiären Netzwerkes in Afghanistan, unzureichender Versorgung mit Nahrung, Wohnraum sowie unzureichender medizinischer Versorgung und des Umstandes, dass eine staatliche Unterstützung von Rückkehrern in Afghanistan sehr unwahrscheinlich sei, – offenbar zu Unrecht – subsidiärer Schutz zuerkannt.

Da der junge Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist (und dies immer war), über ein ausgeprägtes familiäres Netzwerk in Afghanistan (nach wie vor) verfügt sowie die Versorgungslage – zumindest in der Stadt Mazar-e Sharif – hinreichend gesichert ist und Rückkehrer sowohl von staatlicher als auch diversen Organisationen unterstützt werden, liegen hier beide Tatbestandsvarianten des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG (vgl. auch VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0173). Weiters droht dem Beschwerdeführer, der keiner Risikogruppe angehört, aus der Covid-19 Pandemie in Mazar-e Sharif kein „real risk“ einer Situation gemäß Art. 3 EMRK (vgl. etwa VwGH 20.08.2020, Ra 2020/19/0239).

Damit erübrigt sich, ob auch § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG erfüllt ist, weshalb Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides dahingehend abzuändern ist, dass die Wortfolge „und Absatz 2 Ziffer 2“ zu entfallen hat.

1.2.2. Da dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen war, erfolgte der Entzug der Aufenthaltsberechtigung nach § 9 Abs. 4 AsylG zu Recht.

1.2.3. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführer weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

1.2.4. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellt keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf ein Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG in Verbindung mit Art. 8 EMRK dar. Dem öffentlichen Interesse der Verhinderung von Straftaten kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zu (vgl. bspw. VwGH 07.07.2020, Ra 2020/20/0231). Ein allfällig in Österreich bestehendes Familien- bzw./und Privatleben des Beschwerdeführers vermag keinesfalls das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers aufzuwiegen (vgl. etwa VwGH 25.04.2019, 2019/19/0114).

1.2.5. Da die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiären Schutz nach § 8 Abs. 1 AsylG nicht erfüllt sind und – wie bereits mit Bescheid des BFA vom 4. September 2010 rechtskräftig festgestellt – kein Sachverhalt nach § 3 AsylG vorliegt, war gemäß § 52 Abs. 9 FPG festzustellen, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Da auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht, steht § 50 Abs. 3 FPG der Zulässigkeit der Abschiebung nicht entgegen.

1.2.6. Die Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes in der Dauer von fünf Jahren nach § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Z 1 FPG erfolgte zu Recht, weil der Beschwerdeführer zu einer unbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten sowie mehrfach wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Handlungen rechtskräftig verurteilt wurde. Auch die Festsetzung von fünf Jahren erfolgte im Sinne des Gesetzes, weil aus der Tatsache, dass er Beschwerdeführer in relativ kurzen zeitlichen Abständen wiederholt Straftaten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, beging (zweimalige Verurteilung wegen Suchtmitteldelikte, dreimalige Verurteilung wegen Körperverletzung, dreimalige Verurteilung wegen Sachbeschädigung), eine Gefährlichkeit des Beschwerdeführers und damit eine nicht unerhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abzuleiten ist (vgl. VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237; 20.12.2016, Ra 2016/21/0109)

1.2.7. Spruchteil VII. des angefochtenen Bescheides hat hingegen zu entfallen, weil es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen Asylwerber, sondern um einen subsidiär Schutzberechtigten handelt. § 13 AsylG ist daher nicht anzuwenden.

2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B.)]

Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen ist sowie eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.“

2. Mit Erkenntnis vom 16. Oktober 2020, Zl. W227 1418132-2/21E, erließ das Bundesverwaltungsgericht am 19. Oktober 2020 die gekürzte Urteilsausfertigung.

3. Am 30. Oktober 2020 stellte der Antragsteller den vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag, den er wie folgt begründete:

Er habe „im Zuge der Übergabe“ der gekürzten Ausfertigung des am 29. September 2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses „über den Verein Menschenrechte Österreich“ am 22. Oktober 2020 erfahren, dass am 29. September 2020 eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgefunden habe. Eine Ladung sei ihm jedoch nicht zugestellt worden. Er habe keine Gelegenheit gehabt, seine Fluchtgründe darzulegen und seine derzeitige Lebenssituation und Integration zu schildern. Es werde daher beantragt, das mit Erkenntnis vom 29. September 2020, Zl. W227 1418132-2/21E, abgeschlossene Verfahren „wiederaufzunehmen“ und eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen. Weiters werde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Wiedereinsetzungsantrags mit der Begründung gestellt, dass der Antragsteller mittlerweile im Bundesgebiet eine Familie (Lebensgefährtin und Kind) habe und „auch bereits entsprechend integriert“ sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Am 29. September 2020 fand in Anwesenheit des Vertreters des Antragstellers eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Der Antragsteller erschien nicht.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Schriftsatz vom 19. September 2020 zum Vertretungsverhältnis (OZl 17) und der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2020 (OZl 20).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages [Spruchpunkt A I.)]

3.1.1. Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

3.1.2. „Versäumt“ ist eine mündliche Verhandlung (nur) dann, wenn die Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Verhandlung nicht erschienen ist (siehe die in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 33 VwGVG, Anm. 7 angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Nicht jedoch tritt die Versäumung einer Verhandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGVG ein, wenn die Partei nicht oder nicht ordnungsgemäß zur Verhandlung geladen wurde, weshalb in einer derartigen Fallkonstellation ein Antrag auf Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt (vgl. etwa VwGH 26.06.2019, Ra 2019/20/0137; 03.07.2020, Ra 2019/06/0036, jeweils m.w.N.).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind dem Vertretenen alle Verfahrenshandlungen des Vertreters einschließlich jener, die der Vertreter gegen den nur ihm gegenüber geäußerten Willen des Vertretenen setzt, sowie alle Unterlassungen seines Vertreters unmittelbar zuzurechnen (siehe dazu die in Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 22 [Stand 01.01.2014, rdb.at] zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Wie oben ausgeführt sind dem Vertretenen alle Verfahrenshandlungen seines Vertreters unmittelbar zuzurechnen.

Zur mündlichen Verhandlung am 29. September 2020 wurde der Antragsteller über seinen (damaligen) Vertreter geladen. Es lag daher eine ordnungsgemäße Ladung zur Verhandlung vor.

Wenn der Antragsteller im Wiedereinsetzungsantrag meint, es sei ihm eine Ladung nicht zugestellt worden, betrifft das das interne Verhältnis zwischen ihm und seinem Vertreter. Abgesehen davon würde bei einer nicht ordnungsgemäßen Ladung ein Antrag auf Wiedereinsetzung schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommen (vgl. wieder VwGH 03.07.2020, Ra 2019/06/0036).

Bei der Verhandlung am 29. September 2020 erschien der Antragsteller zwar nicht, jedoch sein Vertreter. Mit diesem fand dann auch die mündliche Verhandlung statt.

Folglich wurde die mündliche Verhandlung vom Antragsteller gar nicht „versäumt“, weshalb sich der Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig erweist.

Ein gesonderter Abspruch über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung. Abgesehen davon käme aufgrund der oben unter Punkt I.1. dargelegten Straffälligkeit des Antragstellers (zweimalige Verurteilung wegen Suchtmitteldelikte, dreimalige Verurteilung wegen Körperverletzung, dreimalige Verurteilung wegen Sachbeschädigung) eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von vornherein nicht in Betracht, weil ein (allfällig) in Österreich bestehendes Familien- und Privatleben des Antragstellers keinesfalls das öffentliche Interesse an seiner Aufenthaltsbeendigung aufzuwiegen vermag (vgl. etwa VwGH 25.04.2019, 2019/19/0114).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass der Wiedereinsetzungsantrag mangels Versäumung der Verhandlung unzulässig ist, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Ladungen mündliche Verhandlung Rechtsvertreter unzulässiger Antrag Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W227.1418132.3.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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