Entscheidungsdatum
18.11.2020Norm
COVID-19-VwBG §2Spruch
W259 2230331-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT über den Fristsetzungsantrag von XXXX vertreten durch Mag. Dr. Martin Dercsaly, vom 16.11.2020:
Der Fristsetzungsantrag wird gemäß § 30a Abs. 1 iVm § 30a Abs. 8 iVm § 38 VwGG als unzulässig zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Schriftsatz vom 23.03.2020, beim Bundesverwaltungsgericht am 15.04.2020 eingelangt, erhob die Antragstellerin Säumnisbeschwerde.
Mit Schriftsatz vom 16.11.2020, beim Bundesverwaltungsgericht mittels ERV am selben Tag eingelangt, stellte die Antragstellerin einen Fristsetzungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung, dass über ihre Beschwerde noch nicht entschieden wurde.
Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus dem gegenständlichen Verwaltungsakt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 30a Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist oder wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 30a Abs. 8 VwGG sind auf Fristsetzungsanträge die Abs. 1 und 2 sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGVG ist das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anders bestimmt ist, verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 B-VG beginnt die Entscheidungsfrist mit Vorlage der Beschwerde.
Gemäß § 38 Abs. 1 VwGG kann ein Fristsetzungsantrag erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache nicht binnen sechs Monaten, wenn aber durch Bundes - oder Landesgesetz eine kürzere oder längere Frist bestimmt ist, nicht binnen dieser entschieden hat.
Die hier maßgebenden Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes (Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz - COVID-19-VwBG; StF: BGBl. I Nr. 16/2020, Änderung BGBl. I Nr. 24/2020, BGBl. I Nr. 42/2020), lauten:
„Sonderregelungen für bestimmte Fristen
§ 2. (1) Die Zeit vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 wird nicht eingerechnet:
1. in die Zeit, in der ein verfahrenseinleitender Antrag (§ 13 Abs. 8 AVG) zu stellen ist,
2. in Entscheidungsfristen mit Ausnahme von verfassungsgesetzlich festgelegten Höchstfristen und
3. in Verjährungsfristen.
Im Anwendungsbereich der Z 2 verlängert sich die jeweilige Entscheidungsfrist um sechs Wochen, wenn sie jedoch weniger als sechs Wochen beträgt, nur im Ausmaß der Entscheidungsfrist selbst.
[...]
§ 6 (1) (Verfassungsbestimmung) Auf das Verfahren der Verwaltungsgerichte sind die §§ 1 bis 5 dann sinngemäß anzuwenden, wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das AVG anzuwenden ist. Im Fall des § 4 Abs. 2 hat der Verwaltungsgerichtshof ein anderes sachlich zuständiges Verwaltungsgericht, in Ermangelung eines solchen ein anderes Verwaltungsgericht zu bestimmen.
[...]
Inkrafttreten und Außerkrafttreten
§ 9. (1) Dieses Bundesgesetz mit Ausnahme des § 6 Abs. 1 tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
(2) (Verfassungsbestimmung) § 6 Abs. 1 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
(3) Der Titel, § 1 Abs. 1 zweiter bis letzter Satz und Abs. 1a und § 2 samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2020 treten mit 22. März 2020 in Kraft.
(4) § 3 samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 42/2020 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 42/2020 in Kraft."
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies Folgendes:
Das Bundesverwaltungsgericht hat im gegenständlichen Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG im Sinn des § 6 Abs. 1 COVID-19-VwBG (zumindest) auch das AVG anzuwenden. Somit finden die Bestimmungen des § 2 COVID-19-VwBG Anwendung.
Entsprechend der Bestimmung des § 34 Abs. 1 VwGVG beginnt im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG - ein solches liegt dem gegenständlichen Fristsetzungsantrag zu Grunde - die Entscheidungsfrist mit Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu laufen.
Die Beschwerdevorlage der antragstellenden Partei ist beim Bundesverwaltungsgericht am 15.04.2020 eingelangt. Grundsätzlich hätte daher die Entscheidungsfrist nach § 34 Abs. 1 VwGVG am 15.10.2020 geendet. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 COVID-19-VwBG ist allerdings die Zeit vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 in die Entscheidungsfrist nicht einzurechnen. Zudem verlängerte sich die Entscheidungsfrist, die hier nicht weniger als sechs Wochen beträgt, nach § 2 Abs. 1 letzter Satz COVID-19-VwBG um zusätzliche sechs Wochen.
Diese erst mit BGBl. I Nr. 24/2020 geschaffene (und gemäß § 9 Abs. 3 COVID-19-VwBG rückwirkend mit 22. März 2020 in Kraft gesetzte) Regelung - zuvor war im COVID-19-VwBG eine Unterbrechung der Entscheidungsfrist vorgesehen - begründete der Gesetzgeber wie folgt (IA 403/A BlgNR 27. GP, 26):
„Bei Entscheidungsfristen würde eine Fristenunterbrechung dazu führen, dass das Ausmaß der der Behörde für ihre Entscheidung insgesamt zur Verfügung stehenden Frist von bloßen Zufälligkeiten abhinge, nämlich davon, wann innerhalb der Entscheidungsfrist das die Frist unterbrechende Ereignis eintritt: Je später dies ist, desto mehr Zeit stünde der Behörde für ihre Entscheidung insgesamt zur Verfügung. Anstatt der nach geltender Rechtslage vorgesehenen Unterbrechung der Entscheidungsfristen soll daher nach dem vorgeschlagenen § 2 Abs. 1 Z 2 eine Hemmung dieser Fristen eintreten, und zwar in dem Sinn, dass Zeiten der Corona-Krise in die Frist nicht eingerechnet werden. Als Ausgleich dafür, dass die Corona-Krise eine rasche und einfache Erledigung der Sache durch die Behörde erschwert, soll sich die Entscheidungsfrist zusätzlich in bestimmtem Ausmaß verlängern. Die Verpflichtung der Behörde gem. § 73 Abs. 1 AVG, ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden, bleibt davon unberührt."
Wie bereits der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23.09.2020, Fr 2020/14/0035, festhält, ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 COVID-19- VwBG als auch den soeben wiedergegebenen Erläuterungen zweifellos, dass sich die für Behörden und Verwaltungsgerichte (soweit § 2 COVID-19-VwBG gemäß dessen § 6 Abs. 1 auf deren Verfahren anzuwenden ist) bestehenden Entscheidungsfristen - weil deren Einhaltung seitens dieser Institutionen wegen der zur Bekämpfung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen, die zu deutlichen Einschränkungen auch im Dienstbetrieb von Behörden und Gerichten geführt haben, nicht gewährleistet werden konnte - sowohl um jene Zeit, die gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 COVID-19-VwBG in die Entscheidungsfrist nicht eingerechnet werden soll, als auch „[a]ls Ausgleich dafür, dass die Corona-Krise eine rasche und einfache Erledigung der Sache durch die Behörde erschwert, [...] zusätzlich in bestimmtem Ausmaß" (so ausdrücklich die Erläuterungen) - dieses Ausmaß wurde letztlich in § 2 Abs. 1 letzter Satz COVID-19-VwBG mit sechs Wochen (oder falls an sich die Entscheidungsfrist weniger als sechs Wochen beträgt, mit jener Zeit, die der kürzeren Entscheidungsfrist entspricht) festgelegt - verlängern.
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass der Zeitraum vom 15.04.2020 bis 30.04.2020 in die Entscheidungsfrist nicht einzurechnen war und sich somit die Entscheidungsfrist zunächst um 16 Tage und sodann um zusätzliche 6 Wochen verlängert. Der dem Bundesverwaltungsgericht für seine Entscheidung zur Verfügung stehende letzte Tag war daher der Samstag, der 12.12.2020, woraus sich gemäß § 33 Abs. 3 AVG wiederum der Montag, der 14.12.2020, ergibt. Die Entscheidungsfrist war daher zum Zeitpunkt der Einbringung des Fristsetzungsantrages am 16.11.2020 noch nicht abgelaufen.
Da sohin zum Zeitpunkt der Stellung des Fristsetzungsantrages keine Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichtes vorliegt, war der Fristsetzungsantrag gemäß § 30a Abs. 1 iVm Abs. 8 VwGG iVm § 38 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
Entscheidungsfrist Entscheidungspflicht Fristenhemmung Fristsetzungsantrag Pandemie ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W259.2230331.1.00Im RIS seit
21.01.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021