Entscheidungsdatum
19.11.2020Norm
ASVG §410Spruch
W209 2224303-1/15E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter in Erledigung der Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte Celar, Senoner, Weber-Wilfert, Mariahilferstraße 88a, 1070 Wien, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (nunmehr Gesundheitskasse Österreich) vom 03.07.2019, GZ: VA/ED-V-0170/2013, betreffend Verpflichtung zur Zahlung eines Nachverrechnungsbetrages in Höhe von € 23.695,13 zuzüglich der hierauf entfallenden Verzugszinsen in Höhe von € 13.913,20, sohin von insgesamt € 37.608,33, nach am 22.10.2020 durchgeführter mündlicher Verhandlung beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 03.07.2019 stellte die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (im Folgenden: NÖGKK) die Verpflichtung der XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) zur Zahlung eines Nachverrechnungsbetrages in Höhe von € 23.695,13 zuzüglich der hierauf entfallenden Verzugszinsen in Höhe von € 13.913,20, sohin von insgesamt € 37.608,33, betreffend die Beschäftigung des Dienstnehmers XXXX , VSNR XXXX , fest.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin am Standort XXXX das Gewerbe "Fotografen" betreibe und ein auf die Akquisition von Fototerminvereinbarungen mit Kindergärten und Schulen ausgerichtetes Unternehmen sei. Der oben genannte Dienstnehmer habe bei der Wiener Gebietskrankenkasse mündlich die Erlassung eines versicherungsrechtlichen Bescheides betreffend seine Tätigkeit für die Beschwerdeführerin beantragt. Der verfahrensgegenständliche Akt sei von der Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: WGKK) zuständigkeitshalber der NÖGKK übermittelt worden. Mit versicherungsrechtlichem Bescheid der NÖGKK vom 08.09.2015 bzw. mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2015 sei festgestellt worden, dass der o.a. Dienstnehmer auf Grund seiner Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter für die Beschwerdeführerin in der Zeit von 03.09.2008 bis 31.01.2012 der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliege.
Mit zu W126 2117954-1/26E ergangenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2018 sei die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen worden. Die außerordentliche Revision der Beschwerdeführerin gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30.10.2018 zu Ra 2018/08/0217-5 zurückgewiesen worden.
Im Rahmen des festgestellten Dienstverhältnisses sei der Kollektivvertrag für Gewerbeangestellte, Verwendungsgruppe II, anzuwenden. Die Beitragsnachverrechnung basiere auf dem kollektivvertraglichen Anspruchslohn. Dieser betrage im Jahr 2008 € 1.158,88, im Jahr 2009 € 1.200,60, im Jahr 2010 € 1.218,61, im Jahr 2011 € 1.332,60, und im Jahr 2012 € 1.381,24 brutto/monatlich.
2. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, in der ausgeführt wurde, dass gemäß § 58 Abs. 1 ASVG allgemeine Beträge am letzten Tag des Kalendermonats fällig seien, in dem das Ende des Beitragszeitraums falle. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung seien Sonderbeiträge am letzten Tag des Kalendermonates fällig, in dem die Sonderzahlung fällig geworden sei. Die Verjährung des Rechtes einer Gebietskrankenkasse auf Feststellung der Verpflichtung eines Dienstgebers zur Zahlung von Beiträgen werde im § 68 ASVG geregelt. Nach dieser Bestimmung verjähre das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen drei Jahren ab dem Tag der Fälligkeit der Beträge. Gemäß § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG werde die Verjährung des Feststellungsrechtes durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hiervon in Kenntnis gesetzt wird. Unter einer derartigen Maßnahme sei jede nach außen hin in Erscheinung tretende und dem Beitragsschuldner zur Kenntnis gebrachte Tätigkeit des Versicherungsträgers zu verstehen, die der Feststellung der Beitragsschulden dient. Die Unterbrechung setze somit – dem Regelungszweck des § 68 Abs. 1 ASVG entsprechend – eine Maßnahme der Behörde voraus, die objektiv dem Ziel diene, die Verpflichtung zur Beitragszahlung festzustellen (vgl. VwGH 19.10.2005, 2003/08/0140, ARD 5722/13/2006). Die NÖGKK habe erst mit Bescheid vom 08.09.2015 bzw. mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2015 festgestellt, dass der o.a. Dienstnehmer in der Zeit von 03.09.2008 bis 31.01.2012 der Vollversicherung unterliege. Die Beiträge seien somit bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Bescheiderlassung verjährt gewesen; eine nunmehrige Einforderung scheide daher gänzlich aus.
Zur Höhe des Nachverrechnungsbetrages wurde ausgeführt, dass zwar zutreffend der Kollektivvertrag für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung in Information und Consulting anzuwenden sei. Die belangte Kasse verkenne jedoch, dass die Normalarbeitszeit nach § 4 des Kollektivvertrages 40 Stunden wöchentlich betrage. Gemäß § 19a des Kollektivvertrages sei bei teilzeitbeschäftigten Dienstnehmern das bei voller kollektivvertraglicher Normalarbeitszeit zustehende kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt durch 173 zu teilen und dann der so ermittelte Wert mit jener Zahl zu multiplizieren, die sich aus der vereinbarten Stundenzahl ergebe. Dass der o.a. Dienstnehmer bei der Beschwerdeführerin vollzeitig beschäftigt gewesen sei, sei zu keiner Zeit behauptet worden und ergebe sich dies auch nicht aus den Feststellungen des bekämpften Bescheides. Tatsächlich liege auch keinesfalls eine Vollzeitbeschäftigung vor und sei der o.a. Dienstnehmer nur fallweise für die Beschwerdeführerin tätig geworden. Wie sich aus einer der Beschwerde angeschlossenen Tabelle für das Jahr 2011 exemplarisch ergebe, habe der o.a. Dienstnehmer wöchentlich durchschnittlich 8,15 Termine vereinbart, von welchen er tatsächlich nur 4,33 wahrgenommen habe. Selbst wenn man die neun Wochen im Sommer, an welchen überhaupt keine Termine vereinbart worden seien, unberücksichtigt lasse, ergäben sich daraus 10,34 vereinbarte und 5,49 wahrgenommene Termine pro Woche. Zudem sei jede Woche an mehreren Tagen überhaupt keine Arbeitsleistung erbracht worden. Daraus ergebe sich, dass der o.a. Dienstnehmer im Durchschnitt einen Termin pro Werktag wahrgenommen habe. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes sowie der großzügigen Veranschlagung von zwei Stunden für einen Termin inklusive Vor- und Nachbearbeitung ergebe sich eine wöchentliche Arbeitszeit von höchstens zehn Stunden. Die Bemessungsgrundlage auf Vollzeitbasis, welche von der belangten Kasse zur Berechnung der Nachverrechnungsbeträge herangezogen worden sei, sei daher nicht nachvollziehbar und würden sich daraus weit überhöhte Beträge ergeben. Tatsächlich wäre aufgrund des Beschäftigungsausmaßes höchstens ein Viertel der Bemessungsgrundlage der Berechnung zugrunde zu legen.
Ungeachtet dessen sei von der belangten Kasse auch ein weit überhöhter Betrag für die Verzugszinsen veranschlagt worden, wobei sich dem angefochtenen Bescheid eine Berechnung sowie Aufschlüsselung nicht entnehmen lasse. Diesbezüglich sei jedoch darauf hinzuweisen, dass sich der Hundertsatz nach § 59 Abs. 1 2. Punkt ASVG in der geltenden Fassung jeweils für ein Kalenderjahr aus dem Basiszinssatz zuzüglich vier Prozentpunkten berechne. Da sich der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde entnehmen lasse, dass die Zinsen offenbar mit einem Hundertsatz für ein Kalenderjahr aus dem Basiszinssatz zuzüglich acht Prozentpunkten berechnet worden seien, leide der angefochtene Bescheid bereits deshalb schon an Rechtswidrigkeit seines Inhalts.
Schließlich sei die Berechnung der belangten Kasse aufgrund fehlender Feststellungen sowie einer damit korrespondierenden rechtlichen Beurteilung auch nicht weiter überprüfbar und daher mangelhaft.
3. Am 11.10.2019 einlangend legte die belangte Kasse die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
4. Mit vorbereitendem Schriftsatz vom 15.10.2020 verwies die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der ihrer Ansicht nach bereits eingetretenen Verjährung auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.12.2004, VwGH 2004/08/0099, in welcher festgehalten worden sei, dass eine einmal eingetretene Unterbrechung der Verjährung nicht beendet werde, solange ein Streit über die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen bestehe. Ein solcher Streit müsse sich aber in konkreten und in angemessener Zeit gesetzten Verfahrensschritten dokumentieren, wobei zwar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zur Feststellung der Beitragspflicht oder der Beitragshöhe als verjährungsunterbrechend in Betracht komme, nicht aber auch – wie aus dem Erkenntnis vom 30. Jänner 1986, VwSlg. Nr. 12 010/A, hervorgehe – ein Verfahren, in welchem die Versicherungspflicht geklärt werde. Bekanntlich sei mit dem bekämpften Bescheid der NÖGKK vom 08.09.2015 zu VA/ED-V-01-0170/2013 festgestellt worden, dass XXXX aufgrund seiner Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter für die Beschwerdeführerin vom 03.09.2008 bis 31.01.2012 als Dienstnehmer der Voll- (Krank-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AIVG unterliege. Der Streit in jenem Verfahren habe sich somit nicht auf die Feststellung der Beitragspflicht oder Beitragshöhe bezogen, weshalb eine Unterbrechung der Verjährung nicht eingetreten sei. Die eingeforderten Beiträge seien daher bereits zur Gänze verjährt.
5. Am 22.10.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Prokurist und der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin sowie eine Vertreterin der Österreichischen Gesundheitskasse teilnahmen. Im Rahmen der Verhandlung wurden der in die Pflichtversicherung mit einbezogene Dienstnehmer, XXXX , sowie der damalige Vertriebsleiter der Beschwerdeführerin, XXXX , zur Tätigkeit des Erstgenannten für die Beschwerdeführerin befragt. Der ebenfalls geladene Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, XXXX , ließ sich krankheitshalber entschuldigen. In der Verhandlung wurde seitens des Rechtsvertreters erneut auf die seiner Ansicht nach bereits eingetretene Verjährung der Beiträge verwiesen und dies ergänzend damit begründet, dass dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.03.1985, VwGH 83/08/0135, zufolge durch Maßnahmen unzuständiger Versicherungsträger die Verjährung nicht unterbrochen werde. Dementsprechend sei die Prüfung der hier unzuständigen WGKK keinesfalls geeignet gewesen, die Verjährung zu unterbrechen.
6. Mit Stellungnahme vom 27.10.2020 gab die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Niederösterreich, bekannt, dass das seitens der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführerin vorgebrachte Erkenntnis des VwGH vom 21.03.1985, 83/08/0135, die Unterbrechung der Verjährung durch Maßnahmen eines sachlich unzuständigen Versicherungsträgers behandle, vorliegend jedoch allenfalls eine Maßnahme eines örtlich unzuständigen Versicherungsträgers vorliege. Hier stelle sich allerdings vorab die Frage, ob tatsächlich Maßnahmen eines örtlich unzuständigen Versicherungsträgers gesetzt worden seien. Vielmehr habe sich im Rahmen der gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängiger Angaben (GPLA) richtigerweise die WGKK für örtlich zuständig erklärt und im Rahmen der darauffolgenden versicherungs- und beitragsrechtlichen Überprüfung des Dienstverhältnisses die NÖGKK richtigerweise für örtlich zuständig erklärt. Ebenso habe sich der Dienstnehmer im Rahmen des in der Sozialversicherung geltenden Allspartenservices korrekterweise mit seinem Anliegen an die WGKK gewendet. Erst konkrete Erhebungen der WGKK hätten es überhaupt ermöglicht, auf eine örtliche Zuständigkeit der NÖGKK zu schließen. Allein aufgrund dieses Umstandes erscheine es nicht dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen, hier keine Unterbrechung der Verjährung eintreten zu lassen. Das Erkenntnis des VwGH zu 83/08/0135 erscheine sohin als kein taugliches Präjudiz in gegenständlicher Angelegenheit. Es sei somit keine Verjährung eigetreten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:
Nach der Vorsprache des XXXX betreffend seine von 03.09.2008 bis 31.01.2012 dauernde Beschäftigung bei der beschwerdeführenden XXXX beauftragte die WGKK am 22.05.2012 ihre Abteilung Beitragsprüfung mit der Überprüfung der Pflichtversicherung des Genannten. Begründet wurde dies damit, dass aufgrund der Tätigkeitsbeschreibung von einem Dienstverhältnis iSd § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen sei.
Mit Erhebungsbericht vom 25.02.2013 wurde der Erhebungsakt zuständigkeitshalber an die NÖGKK zur weiteren Überprüfung der Pflichtversicherung übermittelt. Begründet wurde dies damit, dass sich aufgrund des festgestellten Sachverhalts, wonach der Genannte seine (Außendienst-)Tätigkeit von seinem Wohnort in Niederösterreich aus ausgeübt habe, von der örtlichen Zuständigkeit der NÖGKK auszugehen sei.
Letztere stellte nach Durchführung weiterer Erhebungen sodann mit Bescheid vom 08.09.2015, GZ: VA/ED-V-0599/2013, fest, dass der Genannte auf Grund seiner Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter für die XXXX in der Zeit von 03.09.2008 bis 31.01.2012 der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliege.
Mit zu W126 2117954-1/26E ergangenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2018 wurde die Beschwerde gegen die Einbeziehung in die Pflichtversicherung als unbegründet abgewiesen und die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene außerordentliche Revision vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30.10.2018 zu Ra 2018/08/0217-5 zurückgewiesen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes wurde der NÖGKK am 16.11.2018 zugestellt.
Am 07.02.2019 übermittelte die NÖGKK der Beschwerdeführerin eine Mahnung samt beiliegendem Erlagschein, in welcher der Beschwerdeführerin mitgeteilt wurde, dass sie Beiträge in Höhe von € 37.608,33 sowie die gesetzlichen Verzugszinsen schulde. Die Mahnung langte am 13.02.2019 bei der Beschwerdeführerin ein, die daraufhin mit Schreiben vom 21.02.2019 die Ausstellung eines Bescheides begehrte.
Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 03.07.2019 stellte die NÖGKK sodann die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Zahlung eines Nachverrechnungsbetrages in Höhe von € 23.695,13 zuzüglich der hierauf entfallenden Verzugszinsen in Höhe von € 13.913,20, sohin von insgesamt € 37.608,33 fest. Dabei wurde die Beitragsnachverrechnung auf den bei einer Vollzeitbeschäftigung gebührenden kollektivvertraglichen Anspruchslohn des in die Pflichtversicherung mit einbezogenen Dienstnehmers gestützt, der laut dem anzuwendenden Kollektivvertrag für Gewerbeangestellte, Verwendungsgruppe II, im Jahr 2008 € 1.158,88, im Jahr 2009 € 1.200,60, im Jahr 2010 € 1.218,61, im Jahr 2011 € 1.332,60, und im Jahr 2012 € 1.381,24 brutto/monatlich betrug. Inklusive Sonderzahlungen entspricht dies einem Bruttojahreseinkommen von € 17.060,54 im Jahr 2010 sowie von € 18.254,74 im Jahr 2011.
In der im Verfahren zur Feststellung der Pflichtversicherung gegen den Bescheid vom 08.09.2015 erhobenen Beschwerde legte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zum Beweis, dass das konkrete Einkommen bzw. der konkrete Arbeitsaufwand ausschließlich der Disposition des in die Pflichtversicherung mit einbezogenen Dienstnehmers unterlag, ein Auszahlungsjournal betreffend die Jahre 2010 bis 2012 vor, demzufolge an den in die Pflichtversicherung mit einbezogenen Dienstnehmer im Jahr 2010 € 27.819,89 und im Jahr 2011/12 € 32.022,04 zur Auszahlung gelangten.
Aus den vom in die Pflichtversicherung mit einbezogenen Dienstnehmer vorgelegten Kontoauszügen ergibt sich, dass an diesen im Jahr 2009 € 25.724,12, im Jahr 2010 € 21.037,09 und im Jahr 2011 € 27.210,46 von der Beschwerdeführerin ausbezahlt wurden.
Die belangte Kasse unterließ jegliche Ermittlungstätigkeit zur Feststellung des tatsächlich ausgezahlten Entgelts.
Ebenso führte sie keinerlei Ermittlungen zu der von ihr angenommenen Vollzeitbeschäftigung des in die Pflichtversicherung mit einbezogenen Dienstnehmers durch.
2. Beweiswürdigung:
Die am 22.05.2012 erfolgte Beauftragung der Beitragsabteilung der WGKK mit der Überprüfung der Pflichtversicherung sowie die Weiterleitung des Erhebungsaktes am 25.02.2013 an die NÖGKK ergibt sich aus den Gerichtsakten zu W126 2117954-1.
Die Einbeziehung in die Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG mit Bescheid der NGKK vom 08.09.2015, die Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht sowie die Zurückweisung der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.10.2018 steht aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.
Die Zustellung des (laut Amtssignatur am 14.11.2018 ausgefertigten) Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes am 16.11.2018 ist einem entsprechenden elektronischen Vermerk am Beschluss zu entnehmen, der den mitübermittelten Verwaltungsakten beiliegt.
Die Mahnung vom 07.02.2019 ist ebenfalls den mitübermittelten Verwaltungsakten zu entnehmen. Der Umstand, dass diese der Beschwerdeführerin am 13.02.2019 zur Kenntnis gelangte, räumte letztere in ihrem Bescheidantrag vom 21.02.2019 selbst ein.
Das Auszahlungsjournal sowie die Kontoauszüge wurden den Gerichtsakten zu W126 2117954-1 entnommen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 414 Abs. 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
§ 414 Abs. 2 ASVG sieht in den in § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG aufgezählten Angelegenheiten die Entscheidung durch einen Senat unter Laienrichterbeteiligung vor, wenn dies von einer Partei beantragt wird. Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine derartige Angelegenheit. Mangels Antrages liegt jedoch Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Die im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden maßgeblichen Bestimmungen des ASVG lauten (auszugsweise):
§ 49 ASVG idF BGBl. I Nr. 83/2009, BGBl. I Nr. 84/2009, BGBl. I Nr. 135/2009 und BGBl. I Nr. 147/2009:
„Entgelt
§ 49. (1) Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
(2) bis (8) …“
§ 58 ASVG idF BGBl. I Nr. 132/2005:
„Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge; Beitragsvorauszahlung
§ 58. (1) Die allgemeinen Beiträge sind am letzten Tag des Kalendermonates fällig, in den das Ende des Beitragszeitraumes fällt, sofern die Beiträge nicht gemäß Abs. 4 vom Träger der Krankenversicherung dem Beitragsschuldner vorgeschrieben werden. Die gemäß Abs. 4 vorgeschriebenen Beiträge sind mit Ablauf des zweiten Werktages nach der Aufgabe der Beitragsvorschreibung zur Post bzw. mit dem Zeitpunkt der Zustellung durch Organe des Trägers der Krankenversicherung fällig. Die Satzung kann, sofern sie einen anderen als den im § 44 Abs. 2 erster Satz bezeichneten Beitragszeitraum bestimmt und für den Fall, daß durch Vereinbarung mit dem Dienstgeber ein abweichender Beitragszeitraum festgelegt wird, vorsehen, daß die Beiträge am letzten Tag des Beitragszeitraumes fällig werden. Die Fälligkeit der Sonderbeiträge wird durch die Satzung des Versicherungsträgers geregelt.
§ 59 ASVG idF BGBl. I Nr. 79/2015:
„Verzugszinsen
§ 59. (1) Werden Beiträge nicht innerhalb von 15 Tagen
1. nach der Fälligkeit,
2. in den Fällen des § 4 Abs. 4 nach dem Ende des Monats, in dem der Dienstgeber Entgelt leistet,
eingezahlt, so sind von diesen rückständigen Beiträgen, wenn nicht gemäß § 113 Abs. 1 ein Beitragszuschlag oder gemäß § 114 Abs. 1 ein Säumniszuschlag vorgeschrieben wird, Verzugszinsen in einem Hundertsatz der rückständigen Beiträge zu entrichten. Erfolgt die Einzahlung zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der 15-Tage-Frist, so bleibt diese Verspätung ohne Rechtsfolgen. Der Hundertsatz berechnet sich jeweils für ein Kalenderjahr aus dem Basiszinssatz (Art. I § 1 Abs. 1 des 1. Euro-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl. I Nr. 125/1998) zuzüglich vier Prozentpunkten; dabei ist der Basiszinssatz, der am 31. Oktober eines Kalenderjahres gilt, für das nächste Kalenderjahr maßgebend. Für rückständige Beiträge aus Beitragszeiträumen, die vor dem Zeitpunkt einer Änderung dieses Hundertsatzes liegen, sind die Verzugszinsen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt nicht bereits vorgeschrieben sind, mit dem jeweils geänderten Hundertsatz zu berechnen. § 108 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, gilt entsprechend. Für die Berechnung der Verzugszinsen können die rückständigen Beiträge auf den vollen Eurobetrag abgerundet werden.
(2) Der zur Entgegennahme der Zahlung berufene Versicherungsträger kann die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen, wenn durch ihre Einhebung in voller Höhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet wären. Die Verzugszinsen können überdies nachgesehen werden, wenn es sich um einen kurzfristigen Zahlungsverzug handelt und der Beitragsschuldner ansonsten regelmäßig seine Beitragspflicht erfüllt hat.
(3) Der im Abs. 1 vorgesehene Zeitraum von 15 Tagen beginnt in den Fällen, in denen die Beiträge vom Träger der Krankenversicherung nach § 58 Abs. 4 oder § 68a Abs. 1 dem Beitragsschuldner vorgeschrieben werden, erst mit Ablauf des zweiten Werktages nach Aufgabe der Beitragsvorschreibung (sie gilt als Zahlungsaufforderung) zur Post; wird die Beitragsvorschreibung durch Organe des Trägers der Krankenversicherung zugestellt, so beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt der Zustellung.
(4) Die vom Träger der Krankenversicherung eingehobenen Verzugszinsen sind auf die beteiligten Versicherungsträger und sonstigen Stellen schlüsselmäßig nach Maßgabe des auf den einzelnen Versicherungsträger entfallenden Gesamtbeitragsrückstandes am Ende des Vormonates aufzuteilen.
§ 68 ASVG in der Stammfassung sowie idF BGBl. I Nr. 29/2010 und BGBl. I Nr. 58/2010:
„Verjährung der Beiträge
§ 68. (1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt bei Beitragsschuldnern und Beitragsmithaftenden binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.
(2) bis (3) …“
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
a) Zur Verjährungseinrede
Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die ihr zur Nachentrichtung vorgeschriebenen Beiträge bereits verjährt seien, und begründete dies damit, dass das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen drei Jahren ab dem Tag der Fälligkeit der Beträge verjähre, die belangte Kasse aber erst mit Bescheid vom 08.09.2015 bzw. mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2015 festgestellt habe, dass der Dienstnehmer XXXX in der Zeit von 03.09.2008 bis 31.01.2012 der Vollversicherung unterliege. Zu diesem Zeitpunkt sei selbst die jüngste Beitragsforderung bereits verjährt gewesen.
Dem ist jedoch einerseits entgegenzuhalten, dass sich die dreijährige Verjährungsfrist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Dienstgeber oder Meldepflichtige gemäß § 36 ASVG keine Meldung nach § 33 ASVG erstattet hat, auf fünf Jahre verlängert und dementsprechend vorliegend von einer fünfjährigen Verjährungsfrist, die mit der Fälligkeit der Beiträge zu laufen begonnen hat, auszugehen ist (vgl. VwGH 12.02.1987, 86/08/0105).
Andererseits ist auf § 68 Abs. 1 ASVG zu verweisen, gemäß dessen vorletztem Satz die Verjährung des Feststellungsrechtes durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen wird, in dem der Zahlungspflichtige hiervon in Kenntnis gesetzt wird.
Darunter ist jede nach außen hin in Erscheinung tretende und dem Beitragsschuldner zur Kenntnis gebrachte Tätigkeit des Versicherungsträgers zu verstehen, die der rechtswirksamen Feststellung der Beitragsschuld dient. Eine solche Maßnahme stellt nicht erst die Erlassung des Bescheides des Krankenversicherungsträgers an den Beitragsschuldner dar, dem eine Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen festgestellt wird. Schon eine durch ausgewiesene Bedienstete vorgenommene Beitragsprüfung (Einsicht in die Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen) unterbricht die Feststellungsverjährung, weil gerade diese Prüfung der Feststellung dienen soll, ob die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß entrichtet wurden. Zur Herbeiführung der Unterbrechungswirkung ab Beginn der Beitragsprüfung genügt es, dass der Beitragsschuldner von der Vornahme dieser Maßnahme in Kenntnis gesetzt wird; eines ausdrücklichen Hinweises auf diesen Zweck bedarf es nicht (vgl. Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG11 § 68 Rz 11).
Keine verjährungsunterbrechende Maßnahme zum Zweck der Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen ist jedoch die Einleitung und Durchführung eines Verfahrens zur Feststellung der Pflichtversicherung (VwGH 85/08/0116, VwSlg 12.010 A; umgekehrt kann das Recht auf Feststellung der Pflichtversicherung nicht verjähren: VwGH 99/08/0008, VwSlg 15.981 A = ARD 5410/11/2003 = infas 2003, S 35 = ZfVB 2004/753 = SVSlg 47.841 = SVSlg 47.908; zuletzt VwGH 2001/08/0053, DRdA 2005, 549).
Gemäß § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG, der durch die 49. Nov, BGBl. 1990/294, angefügt wurde, ist die Verjährung aber gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist. Eine verjährungsunterbrechende Wirkung der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zur Klärung der Versicherungspflicht hat der Verwaltungsgerichtshof auch nach dieser Rechtslage nicht angenommen (VwGH 2004/08/0099, VwSlg 16.524 A). Nach Abschluss eines solchen Verfahrens läuft daher die Feststellungsverjährungsfrist nur mit ihrer restlichen Dauer weiter (VwGH 2006/08/0152, SVSlg 55.360 = SVSlg 56.337) (s. Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 68 ASVG (Stand 1.7.2020, rdb.at) Rz 11).
Demensprechend führte die am 22.05.2012 mit der Beauftragung der Abteilung Beitragsprüfung erfolgte Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Pflichtversicherung zwar nicht zur Unterbrechung der Verjährung. Es wurde damit aber die Verjährung bis zum (endgültigen) Abschluss des Verfahrens mit der Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an die NÖGKK am 16.11.2018 gehemmt.
Soweit die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung die (örtliche) Unzuständigkeit der WGKK und die sich daraus ergebende Unmöglichkeit der Setzung verjährungsunterbrechender (bzw. verjährungshemmender) Maßnahmen relevierte, ist auf das Erkenntnis Verwaltungsgerichtshofes vom 14.10.2009, 2008/08/0038 zu verweisen, in dem dieser unter Hinweis auf die in § 321 ASVG vorgesehene gegenseitige Verwaltungshilfe der Versicherungsträger festgehalten hat, dass allein durch den Umstand, dass eine andere Gebietskrankenkasse die Erhebungen durchgeführt und die Beitragsprüfungen vorgenommen hat als jene, die zur Bescheiderlassung zuständig gewesen ist, keine Feststellungsverjährung eintritt. Dies muss auch auch hinsichtlich der Setzung verjährungshemmender Maßnahmen durch die örtlich unzuständige Gebietskrankenkasse gelten.
Abgesehen davon war – wie die NÖGKK in ihrer Stellungnahme vom 27.10.2020 zutreffend ausführte – fallgegenständlich gar nicht von der Unzuständigkeit der WGKK zur Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Pflichtversicherung auszugehen. Vielmehr ergab sich die Zuständigkeit der NÖGKK erst im Zuge des weiteren Ermittlungsverfahrens, als sich herausstellte, dass der in die Pflichtversicherung mit einbezogene Dienstnehmer von seinem Wohnsitz in Niederösterreich aus für die Beschwerdeführerin tätig wurde.
Ausgehend von der Fälligkeit der ältesten Beitragsschuld am 30.09.2008 verblieb somit zum Zeitpunkt des Endes der Hemmung der Verjährung am 16.11.2019 noch eine „Restlaufzeit“ von rund vier Monaten, innerhalb derer die Beschwerdeführerin über eine zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in Kenntnis gesetzt werden konnte, um die Unterbrechung der Verjährung zu bewirken.
Dies geschah den Feststellungen folgend schließlich mit der Übermittlung der mit 07.02.2019 datieren Mahnung, von der die Beschwerdeführerin ihren eigenen Angaben nach am 13.02.2019 Kenntnis erlangte.
Damit wurde noch vor Ablauf der Verjährungsfrist die Unterbrechung der Verjährung bewirkt, weswegen sich die Verjährungseinrede vorliegend als nicht begründet erweist.
b) Zur Zurückverweisung
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Diese Voraussetzungen treffen im gegenständlichen Fall zu.
Die belangte Kasse stellte die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Zahlung eines Nachverrechnungsbetrages fest, wobei die Beitragsnachverrechnung auf den bei einer Vollzeitbeschäftigung gebührenden kollektivvertraglichen Anspruchslohn des in die Pflichtversicherung mit einbezogenen Dienstnehmers gestützt wurde.
Wie sich jedoch aus dem von der Beschwerdeführerin im Verfahren über das Bestehen der Pflichtversicherung vorgelegten Auszahlungsjournal und den in diesem Verfahren vorgelegten (vollständigen) Kontoauszügen des in die Pflichtversicherung mit einbezogenen Dienstnehmers ergibt, war das tatsächlich geleistete Entgelt im gesamten Prüfzeitraum durchwegs höher als der der Beitragsnachverrechnung zugrunde gelegte kollektivvertragliche Anspruchslohn.
Die belangte Kasse unterließ dennoch jegliche Ermittlungstätigkeit zur Feststellung des tatsächlich zur Auszahlung gelangten Entgelts, obwohl der Beitragsberechnung gemäß § 49 Abs. 1 ASVG das tatsächlich geleistete höhere Entgelt zugrunde zu legen gewesen wäre (vgl. Rudolf Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 49 ASVG (Stand 1.9.2016, rdb.at) § 68 ASVG Rz 9).
Schließlich traf sie auch keinerlei Feststellungen zu der von ihr offensichtlich bloß vermuteten Vollzeitbeschäftigung des in die Pflichtversicherung mit einbezogenen Dienstnehmers, was sich aber in jenen Beitragszeiträumen als erforderlich erweisen könnte, in denen ein geringeres Entgelt als der bei einer Vollzeitbeschäftigung gebührende kollektivvertragliche Anspruchslohn ausbezahlt wurde.
Dadurch hat die belangte Kasse keine für eine Entscheidung in der Sache nach § 28 Abs. 2 VwGVG ausreichenden brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert. Der Umstand, dass die belangte Kasse den entscheidungswesentlichen Sachverhalt gar nicht festgestellt hat, berechtigt das Verwaltungsgericht schließlich, von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088).
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Kasse daher festzustellen haben, wie hoch das dem in die Pflichtversicherung einbezogenen Dienstnehmer geleistete Entgelt tatsächlich war, wobei sie zu berücksichtigen haben wird, dass auch der als Umsatzsteuer geleistete Betrag beitragspflichtiges Entgelt ist, weil Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht der Umsatzbesteuerung unterliegen (vgl. VwGH 18.06.1991, 90/08/0209, 0216, ZfVB 1992/1874; ebenso VwGH 29.09.2014, 2013/08/0241).
Darüber hinaus wird sie in jenen Beitragszeiträumen, in denen das tatsächlich ausbezahlte Entgelt den bei angenommener Vollzeitbeschäftigung gebührenden Anspruchslohn unterschreitet, auch Feststellungen zum tatsächlichen Beschäftigungsausmaß treffen müssen, um beurteilen zu können, ob das geleistete Entgelt den Anspruchslohn überstieg.
Hinsichtlich des in der Beschwerde geäußerten Einwands, die belangte Kasse sei bei der Berechnung der Verzugszinsen von einem zu hohen Zinssatz ausgegangen, ist festzuhalten, dass § 59 Abs. 1 ASVG vorsieht, dass für rückständige Beiträge aus Zeiträumen, die vor dem Zeitpunkt einer Änderung des Zinssatzes liegen, die Verzugszinsen – soweit sie zu dem Zeitpunkt nicht bereits vorgeschrieben sind – mit dem jeweils (zuletzt) geänderten Hundertsatz zu berechnen sind.
Vorliegend wurden die Verzugszinsen für die aus dem Prüfungszeitraum rückständigen Beiträge erstmals (mittels Mahnung vom 07.02.2019) im Februar 2019 vorgeschrieben, sodass für die erstmalige Verzinsung der für das Kalenderjahr 2019 geltende Zinssatz von 3,88 % anzuwenden ist (vgl. VwGH 07.09.2017, Ro 2014/08/0029).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Beitragsnachverrechnung Berechnung Entgelt Ermittlungspflicht Kassation Kollektivvertrag mangelnde Sachverhaltsfeststellung VerjährungsfristEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2224303.1.00Im RIS seit
21.01.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021