Entscheidungsdatum
20.11.2020Norm
AVG §8Spruch
W133 2230938-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den an XXXX , geb. XXXX , gerichteten Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 04.11.2019, betreffend die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird wegen mangelnder Beschwerdelegitimation als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Am 24.10.2019 stellte Herr XXXX (in der Folge als Antragsteller bezeichnet) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet), einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG). Diesem Antrag legte er ein Befundkonvolut und eine Kopie seines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ bei.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Aktengutachten vom 04.11.2019 wurde zusammengefasst nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.) eingeschätzt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.11.2019 wurde auf Grund des am 24.10.2019 eingelangten Antrages des Antragstellers festgestellt, dass dieser ab 24.10.2019 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört. Der Grad der Behinderung wurde mit 50 v.H. festgesetzt. Dies erfolgte unter Zugrundelegung des ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 04.11.2019, wonach der Grad der Behinderung 50 v.H. betrage. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Das eingeholte Gutachten vom 04.11.2019 wurde dem Antragsteller gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.
Der Antragsteller brachte innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist keine Beschwerde ein.
Hingegen brachte die anwaltlich vertretene XXXX als Arbeitgeberin des Antragstellers (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) mit Schriftsatz vom 07.01.2020, bei der belangten Behörde eingelangt am 08.01.2020, eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.11.2019 ein. Darin wird ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin als Beilage ./A mit der Klage zu XXX des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zugestellt worden sei. Somit erfolge die Beschwerdeerhebung innerhalb offener sechswöchiger Frist. Die Beschwerdeführerin sei beschwerdelegitimiert, da durch den gegenständlichen Bescheid in ihre Rechtssphäre eingegriffen werde. Die Beschwerdeführerin sei seit 19.11.2007 Dienstgeberin des Antragstellers, der die am 30.10.2019 ausgesprochene Kündigung auf der Grundlage des angefochtenen Bescheides bekämpfe. Der angefochtene Bescheid werde aus den Gründen der unrichtigen, mangelhaften, Tatsachenfeststellung zufolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft. Bestritten werde die Anwendbarkeit des Behinderteneinstellungsgesetzes auf den Antragsteller. Dieser sei türkischer Staatsbürger, sodass das zitierte Gesetz nicht auf ihn anzuwenden sei. Auch in meritorischer Hinsicht werde das Vorliegen eines Grades der Behinderung von 50 v.H. für eine Dauer von mehr als sechs Monaten bestritten. Insbesondere sei keine konkrete körperliche Untersuchung des Antragstellers durchgeführt, sondern lediglich ein Aktengutachten erstellt worden. Beim Antragsteller liege ein Zustand nach Darmverschluss und Krebsoperation vor. Sowohl der Darmverschluss als auch die Krebsoperation würden nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und Kunst jeweils Standardoperationen darstellen, die nach einer überschaubaren Rekonvaleszenz wiederum zur vollständigen Arbeitsfähigkeit führen würden. Der Antragsteller sei vom 25.07.2019 bis zur Antragstellung am 24.10.2019 im laufenden Krankenstand gewesen. Dieser Krankenstand habe also nur drei Monate angedauert, sodass noch kein 26-wöchiger durchgehender Krankenstand samt Aussteuerung durch den Sozialversicherungsträger vorgelegen habe. Aus diesem Grund sei die erforderliche sechsmonatige Dauer einer möglichen Behinderung noch nicht erfüllt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei das medizinische Heilungsverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen. Nach Abschluss des medizinischen Heilungsverfahrens sei jedoch mit einer voll inhaltlichen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Antragstellers zu rechnen. Bei Durchführung einer körperlichen Untersuchung des Antragstellers samt Beischaffung der gesamten Krankengeschichte sei zu erweisen, dass lediglich ein vorübergehender krankhafter Zustand vorliege, der im Rahmen einer zumutbaren medizinischen Behandlung zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit führe, nicht jedoch eine länger als sechs Monate dauernde und somit dauerhafte Einschränkung bzw. Behinderung. In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht komme dem Antragsteller weder Berufsschutz noch Tätigkeitsschutz zu, da der Antragsteller über keine qualifizierte Berufsausbildung mit Lehrabschluss verfüge. Bei gehöriger Überprüfung des Antragsvorbringens des Antragstellers wäre somit hervorgekommen, dass keine dauerhafte Behinderung im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliege. Durch den angefochtenen Bescheid reklamiere jedoch der Antragsteller die Unkündbarkeit nach den Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes, wodurch in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin als seine Dienstgeberin eingegriffen werde. Es wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.
Die belangte Behörde übermittelte mit Schreiben vom 14.01.2020 dem Arbeits- und Sozialgericht die gegenständliche Beschwerde.
Am 11.05.2020 wurde die gegenständliche Beschwerde vom Arbeits- und Sozialgericht wiederum an die belangte Behörde rückübermittelt. Dazu wurde vermerkt, dass keine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit (insbesondere keine Leistungssache nach § 65 ASGG) ersichtlich sei, vielmehr sei das Bundesverwaltungsgericht in der gegenständlichen Sache zu einer Entscheidung berufen.
Die belangte Behörde legte in der Folge am 13.05.2020 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.11.2019 wurde auf Grund des am 24.10.2019 eingelangten Antrages des Antragstellers festgestellt, dass dieser ab 24.10.2019 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört.
Der beschwerdelegitimierte Antragsteller brachte innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist keine Beschwerde gegen diesen Bescheid ein.
Hingegen brachte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin des Antragstellers mit Schriftsatz vom 07.01.2020, bei der belangten Behörde eingelangt am 08.01.2020, eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.11.2019 ein. Eine Bevollmächtigung der Beschwerdeführerin durch den Antragsteller für die Einbringung der vorliegenden Beschwerde besteht nicht und wurde auch nicht vorgebracht.
Der Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin des Antragstellers kommt gegenständlich keine Parteistellung und somit keine Beschwerdelegitimation gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 04.11.2019 zu; diesbezüglich wird auf die nachfolgende rechtliche Beurteilung verwiesen.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der oben festgestellte und für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Nach Art. 132 Abs. 1 B-VG können nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen eine solche Beeinträchtigung von Rechten mit Beschwerde bei einem Verwaltungsgericht geltend machen, denen in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zukam oder zuerkannt wurde. Parteistellung im Verwaltungsverfahren und die Befugnis zur Beschwerdeerhebung an ein Verwaltungsgericht hängen nach der innerstaatlichen Rechtslage somit unmittelbar zusammen (vgl. VwGH vom 20.12.2019, Zl. Ro 2018/10/0010 u.a.).
Gemäß § 8 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz) sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.
Dem Dienstgeber kommt im Feststellungsverfahren gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG (Behinderteneinstellungsgesetz), wonach auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Sozialministeriumservice den Grad der Behinderung festzustellen hat, keine Parteistellung zu. Aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Bestimmungen und der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers lässt sich ableiten, dass dem Arbeitgeber im Feststellungsverfahren ungeachtet der Auswirkungen der behördlichen Entscheidung auf sein Rechtsverhältnis zum behinderten Arbeitnehmer und die ihm auferlegte Beschäftigungspflicht kein rechtliches Interesse im Sinne des § 8 AVG 1991 zugestanden wird. Der Ausschluss des Dienstgebers von der Parteistellung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich (VfGH vom 13.12.1988, B 639/87-9).
Der Verwaltungsgerichtshof führt in seiner Entscheidung vom 30.09.2011, Zl. 2009/11/0009, diesbezüglich aus, dass die Aufnahme in den Kreis der begünstigten Behinderten aus dem Blickwinkel der öffentlichen Interessen erfolgt, vor allem unter Berücksichtigung der persönlichen Betroffenheit, sohin der persönlichen Interessen des Menschen mit Behinderung (Hinweis E vom 30.01.2002, Zl. 96/08/0313, Urteil des OGH vom 08.07.1998, Zl. 9ObA104/98d, beide unter Hinweis auf das E des VfGH vom 13.12.1988, VfSlg. 11.934). Das Recht, dem Kreis der begünstigten Behinderten anzugehören, ist ein subjektiv-öffentliches Recht des Behinderten. Nur er ist Partei des - auf seinen Antrag zu führenden - Feststellungsverfahrens nach § 14 Abs. 2 BEinstG; einem Arbeitgeber etwa kommt in diesem Verfahren (da ihm in der Sache kein subjektiv-öffentliches Recht eingeräumt ist) keine Parteistellung zu (VfSlg. 11.934).
Zwar wird jeder Arbeitgeber durch die Feststellung der Behinderung in seiner Rechtsstellung berührt (zum Beispiel erhöhter Kündigungsschutz etc), jedoch reichen irgendwelche Auswirkungen der Parteienstellung nicht aus. Maßgeblich ist ein rechtliches Interesse "an der Sache" (Art 6 Abs. 1 MRK). Alleiniger Gegenstand dieses Verfahrens ist aber die Feststellung der nur den Behinderten betreffenden Behinderung, nicht aber auch über die damit kraft Tatbestandswirkung verbundenen Auswirkungen der Feststellung auf die Rechtsstellung des Arbeitgebers (OGH 08.07.1998 Zl. 9ObA104/98d, OGH 20.03.2001 Zl. 10ObS 25/01a).
Die bisherige Rechtsprechung hat im Anschluss an das Erkenntnis des VfGH vom 13.12.1988, VfSlg 11934/1988, den Ausschluss des Arbeitgebers von der Parteistellung im Verfahren auf Zuerkennung der Behinderteneigenschaft stets als sachlich gerechtfertigt angesehen. Die Aufnahme in den Kreis der begünstigten Behinderten erfolgt aus dem Blickwinkel der öffentlichen Interessen, vor allem unter Berücksichtigung der persönlichen Betroffenheit, sohin der persönlichen Interessen des Behinderten, sodass in diesem Verfahren privatrechtliche Interessen des Arbeitgebers nicht gestaltet werden und daher über "Civil rights" nicht zu entscheiden ist (VwGH vom 30.01.2002, GZ: 96/08/0313, Urteil des OGH vom 08.07.1998, Zl. 9ObA104/98d, beide unter Hinweis auf das E des VfGH vom 13.12.1988, VfSlg. 11.934).
Der Feststellungsbescheid im Sinne des § 14 Abs. 2 BEinstG entfaltet trotz mangelnder Parteistellung des Arbeitgebers volle Tatbestandswirkung auch gegenüber diesem (vgl. z.B. VwGH vom 30.01.2002, Zl. 96/08/0313 u.a.).
Da nach der dargestellten eindeutigen und ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte der Beschwerdeführerin als Arbeitsgeberin des Antragstellers im Verfahren des Antragstellers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigen Behinderten keine Parteistellung und somit auch keine Beschwerdelegitimation zukommt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) eine mündliche Verhandlung entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Arbeitgeber Beschwerdelegimitation Parteistellung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2230938.1.00Im RIS seit
21.01.2021Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021