TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/20 W133 2229987-1

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Veröffentlicht am 20.11.2020
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Entscheidungsdatum

20.11.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W133 2229987-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 30.01.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 13.09.2019 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) unter Vorlage eines Befundkonvoluts einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Dem Antrag wurde auch ein Protokoll einer Gerichtsverhandlung eines näher genannten Landesgerichtes betreffend eine Arbeits- und Sozialrechtssache vom 01.03.2019 beigelegt.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 02.01.2020 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Unterer Rahmensatz inkludiert die radiologisch nachweisbaren Veränderungen mit rezidivierenden Beschwerden und intermittierend notwendiger Therapie ohne sensomotorische Ausfälle.

02.01.02

30

2

Arthrose beider Schultergelenke und AC-Gelenke

Fixer Rahmensatz

02.06.04

30

3

Diabetes mellitus

Oberer Rahmensatz, da zwar instabile Stoffwechsellage, jedoch sehr schlechte Compliance und keine Therapie.

09.02.01

30

4

Antrumgastritis

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da ständige Magenbeschwerden ohne Beeinträchtigung des Ernährungszustandes.

07.04.01

20

5

Leichte Herzklappeninsuffizienz

Unterer Rahmensatz, da keine Funktionseinschränkung

05.07.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, die führende funktionelle Einschränkung werde durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe. Die Leiden 3 bis 5 würden nicht weiter erhöhen, da keine wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege. Ein Angiomyolipom der linken Niere (7 - 8mm), die Fettstoffwechselstörung sowie die Varikositas würden keinen Grad der Behinderung erreichen, da diesbezüglich keine Beschwerden angegeben worden seien. Betreffend eine rheumatologische Erkrankung gebe es laut dem vorgelegten Befundbericht eines näher genannten Facharztes für Innere Medizin vom 18.06.2019 keinen Anhaltspunkt.

Mit Schreiben vom 02.01.2020 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Der Beschwerdeführer brachte innerhalb der ihm dafür gewährten Frist keine Stellungnahme ein. Das Gutachten wurde nicht bestritten.

Daher wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.01.2020 der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) von der belangten Behörde abgewiesen, da er mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 11.03.2020, bei der belangten Behörde eingelangt am 20.03.2020, fristgerecht Beschwerde. Darin wird ohne Vorlage von Beweismitteln vorgebracht, seitens des Sozialministeriumservice sei das Nierenleiden des Beschwerdeführers nicht eingestuft worden. Richtigerweise hätte dieses mit einem Grad der Behinderung von zumindest 10 v.H. berücksichtigt werden müssen. Es wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Inneren Medizin beantragt.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 27.03.2020 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

Am 13.07.2020 wurde seitens der belangten Behörde ein MRT der Lendenwirbelsäule des Beschwerdeführers vom 17.06.2020 an das BVwG übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 13.09.2019 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Er ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, inkludiert die radiologisch nachweisbaren Veränderungen mit rezidivierenden Beschwerden und intermittierend notwendiger Therapie ohne sensomotorische Ausfälle;

2.       Arthrose beider Schultergelenke und AC-Gelenke;

3.       Diabetes mellitus, instabile Stoffwechsellage, da sehr schlechte Compliance und keineTherapie;

4.       Antrumgastritis, ständige Magenbeschwerden ohne Beeinträchtigung des Ernährungszustandes;

5.       Leichte Herzklappeninsuffizienz, keine Funktionseinschränkung.

Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht. Die Leiden 3 bis 5 erhöhen nicht weiter, da keine wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt zum Entscheidungszeitpunkt 40 v.H.

Ein Angiomyolipom der linken Niere (7 - 8mm), die Fettstoffwechselstörung sowie die Varikositas erreichen keinen Grad der Behinderung, da diesbezüglich keine Beschwerden angegeben wurden. Für eine rheumatologische Erkrankung gibt es laut dem vorgelegten Befundbericht eines näher genannten Facharztes für Innere Medizin vom 18.06.2019 keinen Anhaltspunkt.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 02.01.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im gegenständlich eingeholten Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

Das am 13.07.2020 zeitlich nach der Beschwerdevorlage (27.03.2020) an das Bundesverwaltungsgericht nachgereichte MRT der LWS vom 17.06.2020 unterliegt der Neuerungsbeschränkung; diesbezüglich wird auf die beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 02.01.2020. In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der von der medizinischen Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 02.01.2020 vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten schlüsselt konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen beim Beschwerdeführer vorliegen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden. Aufgrund der vom Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen und nach einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers konnte gegenwärtig kein höherer Grad der Behinderung als 40 v.H. objektiviert werden.

Die Feststellung der Sachverständigen, dass das führende Leiden 1 (Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule) durch das Leiden 2 (Arthrose beider Schultergelenke und AC-Gelenke) um eine Stufe erhöht wird, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen diesen Leiden besteht, weshalb der Gesamtgrad der Behinderung insgesamt mit 40 v.H. angenommen wurde, ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Des Weiteren kam die gegenständlich beigezogene Sachverständige korrekterweise zu dem Schluss, dass die übrigen Leiden (Leiden 3, 4, 5) das führende Leiden 1 nicht weiter erhöhen, da keine wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Diese Feststellungen der Sachverständigen wurden vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Festzuhalten ist weiters, dass die Einschätzungen der Sachverständigen, dass ein Angiomyolipom der linken Niere (7 - 8mm), die Fettstoffwechselstörung sowie die Varikositas, keinen Grad der Behinderung erreichen, da diesbezüglich keine Beschwerden angegeben wurden, nicht zu beanstanden sind. Auch in der Beschwerde werden diesbezüglich keine Funktionseinschränkungen vorgebracht. Für eine rheumatologische Erkrankung gibt es laut dem vorgelegten Befundbericht eines näher genannten Facharztes für Innere Medizin vom 18.06.2019 keinen Anhaltspunkt. Wenn nunmehr in der Beschwerde vorgebracht wird, dass das Nierenleiden des Beschwerdeführers nicht eingestuft worden sei, ist auszuführen, dass dies richtig und wie ausgeführt auch nachvollziehbar ist. Diesbezüglich wurde von der Sachverständigen in ihrem Gutachten nachvollziehbar festgehalten, dass das Angiomyolipom der linken Niere keinen Grad der Behinderung erreicht, da der Beschwerdeführer diesbezüglich keine Beschwerden angegeben hat. Diese Feststellung der Sachverständigen ist unter dem Aspekt, dass der Beschwerdeführer bei der Anamneseerhebung im Rahmen seiner persönlichen Untersuchung am 29.11.2019 lediglich vorgebracht hat, dass er „theoretisch auch an der Niere etwas haben müsste“, nicht zu monieren. Befunde, aus denen sich ein einschätzungsrelevantes Nierenleiden ergeben hätte, wurden im Verfahren nicht vorgelegt.

Das am 13.07.2020 zeitlich nach der Beschwerdevorlage (27.03.2020) an das Bundesverwaltungsgericht nachgereichte MRT der LWS vom 17.06.2020 unterliegt der Neuerungsbeschränkung. Aber selbst wenn dieses nicht der Neuerungsbeschränkung unterliegen würde, wäre es nicht geeignet, eine Änderung der gegenständlich vorgenommenen Einschätzung des Leidens 1 (Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule) herbeiführen. Unter diesem Leidenszustand wurden bereits die radiologisch nachweisbaren Veränderungen der Wirbelsäule mit rezidivierenden Beschwerden und intermittierend notwendiger Therapie ohne sensomotorische Ausfälle mit einem Einzelgrad der Behinderung von 30 v.H. berücksichtigt und dokumentiert das nachgereichte MRT der LWS keine höhere Funktionseinschränkung betreffend die Wirbelsäule.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Schmerzempfindungen wurden bereits im Rahmen der Statuserhebung im Zuge der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 29.11.2019 und bei der Erstellung des Gutachtens im Rahmen der vorzunehmenden Einstufungen nach den Bestimmungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung - insbesondere bei den Leiden 1 und 2 - mitberücksichtigt.

Dass die im gegenständlichen Verfahren beigezogene Sachverständige die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätte, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden von der beigezogenen Sachverständigen vielmehr umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer ist dem eingeholten Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen somit in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 02.01.2020 und am objektivierten, vorliegenden Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H.

Das vorliegende Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 02.01.2020 wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Gutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 02.01.2020 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 40 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in dem Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen waren nicht geeignet, das vorliegende Gutachten zu entkräften.

Die Feststellung im Gutachten, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 gemäß § 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung um eine Stufe erhöht wird, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen diesen Leiden besteht, weshalb der Gesamtgrad der Behinderung insgesamt mit 40 v.H. angenommen wurde, ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Des Weiteren kam die gegenständlich beigezogene Sachverständige korrekterweise zu dem Schluss, dass die übrigen Leiden (Leiden 3, 4, 5) das führende Leiden 1 nicht weiter erhöhen, da keine wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Das MRT der LWS vom 17.06.2020 wurde zeitlich nach der Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt, weshalb es von der Neuerungsbeschränkung umfasst ist und daher vom Bundesverwaltungsgericht im aktuellen Verfahren nicht berücksichtigt werden konnte. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass sich – wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auch bei Berücksichtigung des MRT keine Änderung des aktuell festgestellten Grades der Behinderung von 40 v.H. ergeben würde.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Soweit der Beschwerdeführer im Verfahren die Einholung weiterer medizinischer Sachverständigengutachten moniert, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden im Zusammenhang mit der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der geschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten einer bestimmten Fachrichtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114).

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2229987.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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