TE Bvwg Beschluss 2020/11/23 W132 2234846-1

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Veröffentlicht am 23.11.2020
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Entscheidungsdatum

23.11.2020

Norm

BEinstG §14
BEinstG §2
BEinstG §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W132 2234846-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen, über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 17.08.2020, OB 51659150300016, betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 sowie § 14 Abs. 1 und 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:
1.         Der Beschwerdeführer hat am 11.12.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gestellt.
1.1.         Im zur Überprüfung des Antrages von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten wird von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 15.06.2020, im Wesentlichen Folgendes angeführt:

„Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB

01

Colitis ulcerosa

Wahl des unteren Rahmensatzes dieser Richtsatzposition, da zwar wiederholte Schübe in längeren Intervallen dokumentiert sind, jedoch nur geringe vorübergehende Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes

07.04.05

30 vH

02

Zustand nach wiederholter tiefer Beinvenenthrombose

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Schwellneigung und Erfordernis einer Kompressionstherapie am rechten Bein; Zustand nach Pulmonalembolie 2016 und bestehende Faktor V Leiden Mutation werden mitberücksichtigt

05.08.01

20 vH

03

Allergische Disposition; g.z.

fixer Rahmensatz berücksichtigt medikamentöse Therapie

01.01.01

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Leiden 1 wird durch die übrigen Leiden nicht erhöht, da diese von zu geringer funktioneller Relevanz sind bzw. keine wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Rosazea und Hydrozele testis sin. erreichen ohne nachweisbare schwerwiegende Funktionseinschränkungen keinen Grad der Behinderung.

Der Beschwerdeführer kann trotz seiner Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen.“
1.2.         Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurde am 23.07.2020 ohne Vorlage weiterer Beweismittel im Wesentlichen zusammengefasst eingewendet, dass sich der Gesundheitszustand seit der Untersuchung am 15.06.2020 enorm verschlechtert habe. Der Beschwerdeführer sei seit längerer Zeit nicht arbeitsfähig und vom Arzt krankgeschrieben. Es würden bis spätestens Mitte September weitere Beweismittel in Vorlage gebracht werden.
1.3.         Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde von der bereits befassten Sachverständigen, Dr. XXXX , basierend auf der Aktenlage, eine mit 15.08.2020 datierte medizinischen Stellungnahme eingeholt in welcher die Sachverständige Folgendes ausführt:

Der Antragsteller wurde am 15.6.2020 in der Landesstelle des Sozialministeriumservice untersucht und mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30% eingestuft. Der Antragsteller ist mit dem Ergebnis der Einstufung nicht einverstanden, der Grad der Behinderung sei zu gering. Es werden keine neuen Befunde vorgelegt.

Es wird festgehalten, dass aus allgemeinmedizinischer Sicht, nach neuerlicher Durchsicht des Akteninhaltes und Berücksichtigung des neu vorgelegten Befundes keine Änderung der getroffenen Einschätzung vorgeschlagen wird, da die relevanten objektivierbaren Gesundheitsschädigungen und Funktionsbehinderungen in der Beurteilung entsprechend berücksichtigt und bewertet wurden.
1.4.         Seitens der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit gegeben zum Ergebnisses des erweiterten Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.
1.5.         Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde aufgrund des in Höhe von 30 vH festgestellten Grades der Behinderung den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 sowie § 14 Abs. 1 und 2 BEinstG abgewiesen.

Als Beilage zum Bescheid wurde der eingeholte Sachverständigenbeweis übermittelt.
2.         Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seit der Untersuchung verschlechtert habe. Der Beschwerdeführer sei derzeit krankgeschrieben und nicht arbeitsfähig. Es werde um Berücksichtigung der neuen Befunde ersucht.
2.1.         Mit dem im Bundesverwaltungsgericht am 08.09.2020 eingelangten Schreiben selben Datums hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 durch den Senat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1.       wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte aus (vgl. u.a. 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016).

Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.

Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:

Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 3 BEinstG)

Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. (§ 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung BGBl. II Nr. 261/2010 auszugsweise)

Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten. (§ 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung BGBl. II Nr. 261/2010)

Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a)       eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002, oder des Bundesverwaltungsgerichtes;

b)       eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c)       eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) oder des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d)       in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ( § 2 ) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Personen angehören zu wollen. (§ 14 Abs. 1 BEinstG)

Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit der der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird. (§ 14 Abs. 2 BEinstG)

Maßgebend für die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ist die Feststellung der Art und des Ausmaßes der beim Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen, sowie in der Folge die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung.

Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nur ansatzweise Ermittlungen geführt.

Der Beschwerdeführer hat bereits mit seinem Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten vorgebracht, an Colitis ulcerosa, Faktor V Leiden Mutation, Lungenembolie, Beinvenenthrombose und Rosazea zu leiden, und hat - diese Gesundheitsschädigungen dokumentierende - medizinische Beweismittel vorgelegt.

Die belangte Behörde hat zur Überprüfung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers jedoch lediglich ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Zwar besteht kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes, jedoch ist im vorliegenden Fall das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten zur Beurteilung des beim Beschwerdeführer vorliegenden internistischen Beschwerdebildes nicht geeignet. Aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass zusätzlich zur erfolgten Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Allgemeinmedizin, auch die Einholung eines Gutachtens der Fachrichtung Innere Medizin erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers (auch im Hinblick auf eine mögliche wechselseitige Leidensbeeinflussung der festgestellten Gesundheitsschädigungen) zu gewährleisten. Die alleinige Heranziehung einer Sachverständigen der Fachrichtung Allgemeinmedizin durch die belangte Behörde ist somit offensichtlich sachwidrig erfolgt.

Darüber hinaus ist das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten hinsichtlich der Beurteilung der beim Beschwerdeführer vorliegenden Leidenszustände, und somit auch bezüglich der Beurteilung des Gesamtleidenszustandes, nicht nachvollziehbar. So ist eine schlüssige und nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Beweismitteln durch die befasste Sachverständige nicht im ausreichenden Maße erfolgt, da in dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht konkret eingegangen worden ist. Es wurden lediglich einzelne der vorgelegten Befunde angeführt und auszugsweise daraus zitiert, Aussagen über die Schwere der darin beschriebenen Gesundheitsschädigungen, bzw. Feststellungen hinsichtlich deren Auswirkungen und Einfluss auf den Grad der Behinderung, sind nicht getroffen worden.

Dies insbesondere, da der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs vorgebracht hat, dass sein Gesundheitszustand sich seit der Untersuchung massiv verschlechtert habe und er diesbezügliche Befunde nachreichen werde. So hat die belangte Behörde das Einlangen dieser angekündigten medizinischen Beweismittel einerseits gar nicht abgewartet und ist zudem die zur Überprüfung der Einwendungen eingeholte allgemeinmedizinische Stellungnahme nicht schlüssig, da einleitend dargestellt wird, dass keine neuen Befunde in Vorlage gebracht wurden, gleichzeitig aber festgehalten wird, dass unter Berücksichtigung des neu vorgelegten Befundes keine Änderung der getroffenen Einschätzung vorgeschlagen wird. Auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Verschlechterung des Gesundheitszustandes wird in dieser Stellungnahme in keiner Weise eingegangen. Dies wiegt umso schwerer, als in den vorliegenden medizinischen Beweismitteln ein jahrelanger Krankheitsverlauf dokumentiert ist und es sich bei Colitis ulcerosa um ein schubhaft verlaufendes Leiden handelt.

Auch werden im gegenständlichen Sachverständigengutachten die Leiden Zustand nach Beinvenenthrombose, Zustand nach Pulmonalembolie, und Faktor V Leiden Mutation unter einer Richtsatzposition zusammengefasst, dass Gutachten gibt aber keinen Aufschluss darüber mit welcher Begründung keine Einzeleinstufung dieser Leiden erfolgt ist.

Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag daher die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen. Ein Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme, welche Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage daher nicht möglich.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes ist nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde darauf verzichtet hat, das Ermittlungsverfahren dahingehend zu erweitern, ein Sachverständigengutachten der Fachrichtung Innere Medizin einzuholen, da - wie bereits oben ausgeführt - zur schlüssigen und umfassenden Einschätzung der beim Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen und in weiterer Folge zur umfassenden Beurteilung des Gesamtleidenszustandes, jedenfalls die Einholung eines Sachverständigengutachtens dieser Fachrichtung erforderlich gewesen wäre.

Das Verwaltungsgericht hat im Falle einer Zurückverweisung darzulegen, welche notwendigen Ermittlungen die Verwaltungsbehörde unterlassen hat. (Ra 2014/20/0146 vom 20.05.2015)

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und der vorgelegten Beweismittel, unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen, zusätzlich zum bereits eingeholten Gutachten der Fachrichtung Allgemeinmedizin, jedenfalls ein Sachverständigengutachten der Fachrichtung Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers einzuholen, und die Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.

Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG – nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.

Im Übrigen scheint die Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde auch vor dem Hintergrund der seit 01.07.2015 geltenden Neuerungsbeschränkung in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 19 Abs. 1 BEinstG zweckmäßig. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdeführer zuletzt keine Möglichkeit gegeben wurde, zum Ergebnis der auf Grund der erhobenen Einwendungen erfolgten Überprüfung des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hatte sohin keine Gelegenheit, der sachverständigen Beurteilung konkret und substantiiert entgegenzutreten und auszuführen ob, gegebenenfalls welche, gutachterlichen Ausführungen dem tatsächlichen Leidensausmaß widersprechen.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016, Ra 2014/20/0146 vom 20.05.2015, Ra 2015/08/0171 vom 27.01.2016, Ra 2015/10/0106 vom 24.02.2016) ausgeführt, warum die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen geboten war.

Schlagworte

Ermittlungspflicht Grad der Behinderung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W132.2234846.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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