TE Vfgh Beschluss 2020/9/22 V97/2019

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Veröffentlicht am 22.09.2020
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
V des Gemeinderates der Marktgemeinde Sierning vom 13.09.2018 über die Erklärung bestimmter Grundstücke zum Neuplanungsgebiet
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Verordnungsbestimmungen betreffend die Erklärung bestimmter Grundstücke zum Neuplanungsgebiet mangels Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit dem auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin die Aufhebung der besagten Verordnung zur Gänze, in eventu ihrer §§1 und 2, in eventu ihres Textteiles "199/5, 199/6" in §1.

2. Die Antragstellerin führt dazu im Wesentlichen aus, sie sei Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 453 Katastralgemeinde 49208 Gründberg, bestehend aus den Grundstücken Nr 199/5 und 199/6, die derzeit als "Bauland-Wohngebiet" ausgewiesen seien. Auf diesen Grundstücken plane sie die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit Wohneinheiten und Tiefgarage. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Sierning habe aber am 13. September 2018 die Verhängung eines Neuplanungsgebietes beschlossen; die entsprechende Verordnung sei am 25. Oktober 2018 in Kraft getreten und erfasse auch die beiden erwähnten Grundstücke der Antragstellerin. Teil dieser Verordnung sei ein Entwurf des Bebauungsplanes Nr 71, auf Grund dessen künftig nur mehr Gebäude mit maximal drei Wohneinheiten und eine Gebäudehöhe von maximal zwölf Metern über dem Niveau der Gründbergstraße erlaubt seien.

3. Es liege ein aktueller Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin vor, weil sie Normadressatin der genannten Verordnung sei und nunmehr auf Grund der geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der Beschränkung der maximalen Wohneinheiten und der Begrenzung der Gebäudehöhe, das geplante Bauvorhaben auf den betroffenen Grundstücken nicht durchführen könne. Weiters stehe der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Rechtsweg offen, zumal für eines der Grundstücke bereits eine Bauplatzbewilligung vorliege und somit der Umweg über die Beantragung einer Bauplatzbewilligung ausgeschlossen sei. Die bekämpfte Verordnung sei eine unzulässige Anlassgesetzgebung, weil sie erst nach Einreichen des Planentwurfes an die Gemeinde zur Vorprüfung des Bauvorhabens und ausschließlich zu dem Zweck erlassen worden sei, das Bauvorhaben der Antragstellerin – das bis dahin allen Voraussetzungen der Oö. BauO 1994, des Oö. BauTG 2013 und des Oö. ROG 1994 entsprochen habe – zu verhindern.

4. Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, dass die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B-VG voraussetze, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt sei, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).

5. Es kann zwar von der Antragstellerin nicht erwartet werden, alleine zum Zweck der Anfechtung der Verordnung die für ein Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung erforderlichen Planunterlagen anfertigen zu lassen. Der Verfassungsgerichtshof erachtet jedoch in ständiger Rechtsprechung dann, wenn das maßgebliche Gesetz etwa das Institut der Bauplatzbewilligung vorsieht, die Einbringung eines auf die Erklärung des Grundstückes zum Bauplatz gerichteten, keiner aufwendigen Planunterlagen bedürftigen Ansuchens als einen zumutbaren Weg, der die Unzulässigkeit der unmittelbaren Anfechtung einer Verordnung beim Verfassungsgerichtshof bewirkt (vgl VfSlg 12.448/1990, 13.766/1994, 16.730/2002, 16.783/2003; VfGH 8.10.2014, V85/2014).

6. Die Antragstellerin bringt vor, der Bürgermeister der Marktgemeinde Sierning habe mit Bescheid vom 25. Februar 2019 eine Bauplatzbewilligung zur Schaffung eines gemeinsamen Bauplatzes für die beiden genannten Grundstücke erteilt, ua unter Vorschreibung der Auflage, dem genannten Bebauungsplan "in jeder Hinsicht Folge zu leisten". Die Antragstellerin habe gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erhoben und "gleichzeitig angeregt", dieses möge beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des genannten Bebauungsplanes beantragen. Mit Entscheidungen vom 29. Oktober 2019, Zlen LVwG-152186/2/VG und LVwG-152187/2/VG, habe das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diese Anregung "abgelehnt".

7. Der Antragstellerin stand damit ein Weg zur Verfügung, die Frage der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung im Rahmen des Verfahrens über ihren Antrag auf Erteilung einer Bauplatzbewilligung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl VfSlg 10.004/1984, 16.703/2002, 16.783/2003). Von dieser Möglichkeit, im Rahmen einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG die Prüfung des bekämpften Bebauungsplanes durch den Verfassungsgerichtshof anzuregen, hat die Einschreiterin aber keinen Gebrauch gemacht (vgl VfGH 5.10.1992, V7/92). Die Antragstellerin hat auch keine besonderen Umstände geltend gemacht, die ausnahmsweise dennoch zur Zulässigkeit ihres Individualantrages führen könnten.

Der Antragstellerin fehlt es daher an der Legitimation zur Antragstellung gemäß Art139 Abs1 Z3 -VG.

8. Der Antrag ist daher ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation, Verordnung, VfGH / Weg zumutbarer, Bauplatzgenehmigung, Baurecht, Raumordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:V97.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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