TE Vwgh Erkenntnis 1957/5/20 1957/73

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Veröffentlicht am 20.05.1957
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Index

Baurecht - Wien
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82000 Bauordnung
L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Wr §129 Abs2
BauO Wr §129 Abs4
BauO Wr §135 Abs3
BauRallg implizit
VStG §5 Abs1 implizit

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
1959/73

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter, im Beisein des Schriftführers Ministerialoberkommissär Dr. Gancz über die Beschwerden des RZ in W, vertreten durch Dr. Othmar Wokalik, Rechtsanwalt in Wien III, Ungargasse 4, gegen die Bescheide der Wiener Landesregierung vom 16. Oktober 1973, Zlen. MA 64-253/72/Str. und MA 64-252/72/Str., betreffend Übertretungen baurechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von je S 600,-- (zusammen: S 1.200,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Beschwerden wegen des bestehenden Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung zu verbinden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16. Oktober 1973, Zl.: MA 64-253/72/Str. (hg. Zl. 1957/73), wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Verwalter des Hauses in Wien, H-gasse 1, ohne Veranlassung und Vorwissen der Eigentümer dieses Hauses in der Zeit vom 20. September 1971 bis 4. Juli 1972 unterlassen, das gebrochene Putzstück des ersten Putzschachtes nach dem Stiegenabgang und den durchgerosteten Putzstückdeckel im Putzschacht links von der Kellerstiege erneuern, das schadhafte Schachtmauerwerk sowie den teilweise verrosteten Schachtrahmen des 1. Putzschachtes im Hof und das schadhafte Schachtmauerwerk des 2. Putzschachtes im Hof instandsetzen zu lassen. Er habe somit nicht dafür gesorgt, daß die Baulichkeiten und die dazugehörigen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechendem Zu-stand erhalten werden, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien begangen; hiefür wurde über ihn gemäß § 135 Abs. 1 dieses Gesetzes eine Geldstrafe von S 1.200,-- (bei Uneinbringlichkeit drei Tage Arrest) verhängt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16. Oktober 1973, Zl.: MA 64-252/72/Str. (hg. Zl. 1959/73), wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als verantwortlicher Verwalter des Hauses in Wien, H-gasse in der Zeit vom 20. September 1971 bis 4. Juli 1972 unterlassen, den an der Steinzeugrohrleitung ...... vorhandenen seitlichen Gegenstoß ...... zu beseitigen, den fehlenden Putzstückdeckel im Putzschacht nach dem Stiegenabgang rechts zu ersetzen, die Steinzeugrohrleitung im Bereich der vier Putzschächte im linken Keller von den Fäkalienablagerungen zu reinigen sowie die Gegenstöße im Kanal .... an der Grundgrenze .... zu beseitigen. Er habe somit nicht dafür gesorgt, daß die Baulichkeiten und die dazugehörigen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechenden Zustand erhalten werden, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien begangen; hiefür wurde über ihn gemäß § 135 Abs. 1 dieses Gesetzes eine Geldstrafe in Höhe von S 1.000,-- (bei Uneinbringlichkeit drei Tage Arrest) verhängt.

In beiden Fällen hatte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht, nach Rechtskraft der Entscheidungen der Schlichtungsstelle über Mietzinserhöhungsanträge (etwa Anfang 1972) sofort die Instandsetzungsaufträge an Gewerbetreibende vergeben zu haben, doch habe es der vom Hauseigentümer namhaft gemachte Tischler nach zwei Monaten abgelehnt, die Arbeiten zu verrichten, wodurch Terminschwierigkeiten bei den übrigen Professionisten aufgetreten seien. In den Berufungen behauptete der Beschwerdeführer, die Instandsetzungen innerhalb der der Hausinhabung gesetzten Frist an einen Bauunternehmer in Auftrag gegeben zu haben und bot hierüber den Zeugenbeweis an. Die beiden Berufungsbescheide wurden im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer bei der Auftragsvergabe eine angemessene Frist setzen und erforderlichenfalls ein anderes Unternehmen hätte beauftragen müssen, sich aber durch die bloße Vergabe der Instandsetzungsaufträge seiner gesetzlichen Verpflichtung nicht habe entledigen können; im übrigen habe er auch die Anträge auf Mietzinserhöhung nicht sofort nach Kenntnis von den Baugebrechen, welche ihm bei einer baupolizeilichen Verhandlung im September 1971 vermittelt worden sei, eingebracht. Der ihm gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 obliegende Entlastungsbeweis sei daher nicht gelungen und es hätte daran auch die angebotene Vernehmung eines Vertreters des Bauunternehmens nichts ändern können.

Gegen diese beiden Berufungsbescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof, in welchen der Beschwerdeführer die Aufhebung dieser Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt; Beschwerdepunkt ist in beiden Fällen das vermeintliche Recht auf Straflosigkeit. Die belangte Behörde beantragt unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens die Abweisung der beiden Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In den Beschwerden wird bestritten, daß es sich um Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien handle, weil die belangte Behörde nicht festgestellt habe, daß durch die Schäden die öffentlichen Interessen berührt würden. Dem hält die belangte Behörde in der Gegenschrift entgegen, daß Kanalgebrechen offenkundigerweise stets eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen mit sich brächten. Nach Auffassung des Gerichtshofes kann der Beschwerdeführer in diesem Punkte schon deswegen nicht durchdringen, weil sich die - im übrigen auch nicht näher konkretisierte - und nur nach zusätzlichen Sachverhaltsfeststellungen überprüfbare Behauptung, die öffentlichen Interessen würden nicht beeinträchtigt, erstmalig in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof findet, was gegen das im § 41 Abs. 1 VwGG 1965 zum Ausdruck kommende Neuerungsverbot verstößt (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1966, Slg. N. F. Nr. 6883/A). Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 22. April 1958, Zl. 2189/56, ausgesprochen und begründet, daß und warum Gebrechen an noch benützten Kanälen als Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien anzusehen sind; auf dieses Erkenntnis, an dessen Grundsätzen der Gerichtshof weiterhin festhält, wird unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Der Beschwerdeführer bestreitet in den beiden Beschwerden weiters das zur Strafbarkeit gemäß § 5 VStG 1950 erforderliche Verschulden mit der Begründung, er habe unmittelbar nach Bekanntwerden der Kanalgebrechen, und zwar bereits im August 1971, einem Bauunternehmen unter Anschluß einer Ablichtung des Kanalbefundes den Auftrag erteilt, die Mängel zu beheben und sich mit der zuständigen. Dienststelle des Wiener Magistrates in Verbindung zu setzen. Der beauftragte Unternehmer habe versichert, daß alles unternommen werde, um die Verbindlichkeit zu erfüllen; er habe über telephonische Anfrage dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß eine Unterredung mit Organen der Baupolizei stattfinden werde, weshalb der Beschwerdeführer auf die rechtzeitige Behebung der Gebrechen habe vertrauen können, zumal es sich um ein seriöses Bauunternehmen handle. Auf diese Tatsachen habe sich sein Beweisanbot in den beiden Berufungen bezogen. Hierauf erwidert die belangte Behörde in der Gegenschrift, der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren lediglich vorgebracht, den Auftrag an ein Bauunternehmen weitergegeben zu haben, von einer Urgenz sei aber nicht die Rede gewesen; selbst in der Beschwerde werde nicht behauptet, es sei dem Bauunternehmen eine angemessene Frist gesetzt und nach deren fruchtlosem Ablauf ein anderes Unternehmen, beauftragt worden. Auch die zeitgerechte Beschaffung der Geldmittel im Wege eines Mietzinserhöhungsantrages werde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Nach Auffassung des Gerichtshofes muß die in den Beschwerden aufgestellte Behauptung, es sei bereits im August 1971 ein Auftrag zur Instandsetzung der Gebrechen an ein Bauunternehmen vergeben worden, als eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 unzulässige Neuerung unbeachtet bleiben. Nach dem Ausweis der Verwaltungsakten hat der Beschwerdeführer nämlich im Verwaltungsverfahren lediglich behauptet, nach Rechtskraft der Entschädigungen der Schlichtungsstelle „(etwa Anfang 1972)“ die Aufträge sofort erteilt zu haben. In der Berufung wurde allerdings entgegen der Meinung der belangten Behörde vorgebracht, der Beschwerdeführer habe sich telephonisch nach dem Stand der Ausführung erkundigt und die Antwort erhalten, es werde „in den nächsten Tagen“ eine Unterredung mit Organen der Baupolizei stattfinden. Diese Behauptung ließ aber nicht erkennen, wann sich der Beschwerdeführer erkundigt habe; es wurde auch im Verwaltungsverfahren nicht die Behauptung aufgestellt, der Beschwerdeführer habe über das bloße Erkundigen hinaus die ungesäumte Durchführung der Arbeiten unter Fristsetzung betrieben. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vorn 4. Juli 1961, Zl. 99/61, ausgesprochen und begründet hat, genügt die bloße Auftragserteilung an einen Gewerbetreibenden nicht, um der Instandhaltungspflicht nach § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien zu entsprechen, vielmehr muß der Hauseigentümer - und in Fällen des § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien statt dessen der Hausverwalter - alles in seinen Kräften Stehende unternehmen, um die Gebrechen zeitgerecht zu beheben. Der belangten Behörde ist daher darin beizupflichten, es hätte zur erfolgreichen Führung des Entlastungsbeweises im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 auch des Beweises bedurft, daß gegenüber dem ursprünglich beauftragten Bauunternehmer alle zivilrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um die eheste Behebung der Baugebrechen, allenfalls, nach Rücktritt vom Vertrage bei erfolgloser Fristsetzung, unter Heranziehung eines anderen Bauunternehmens, sicherzustellen. Da die in dieser Richtung vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren aufgestellten Behauptungen nicht hätten dartun können, daß er alle Möglichkeiten zur rechtzeitigen Behebung der Gebrechen ausgeschöpft habe, war der von ihm gestellte Beweisantrag, als unvollständig, unerheblich. Somit hat die belangte Behörde aber den Beschwerdeführer auch dadurch nicht in seinen Rechten verletzt, daß sie im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 sein persönliches Verschulden als gegeben annahm; die Verantwortlichkeit gemäß § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien hat der Beschwerdeführer in keinem Stadium des Verwaltungsverfahrens bestritten und bestreitet sie auch nicht in den vorliegenden Beschwerden.

Schließlich wird in den Beschwerden noch vorgebracht, in den dem Verwaltungsstrafverfahren vorangegangenen auf dieselben Baugebrechen bezüglichen baupolizeilichen Aufträgen vom 5. Oktober 1971 sei jeweils eine Erfüllungsfrist von sechs Monaten ab Rechtskraft festgesetzt worden, welche also in die angelastete Tatzeit hineinreiche, und es habe keine Notwendigkeit für besondere Sicherungsmaßnahmen bestanden. Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, daß eine Verwaltungsstrafe auch vor Ablauf der in einem baupolizeilichen Auftrag festgesetzten Erfüllungsfrist verhängt werden könne. Der Gerichtshof stimmt der belangten Behörde darin unter Erinnerung an sein Erkenntnis vom 15. November 1960, Zl. 2461/59, auf welches unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen wird, bei, weil die in § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien festgelegte Instandhaltungspflicht kraft Gesetzes besteht und von der vorherigen Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages, somit aber auch vom Ablauf der in einem solchen Auftrag festgesetzten Erfüllungsfrist, unabhängig ist. Insoweit wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid also gleichfalls nicht in seinen Rechten verletzt.

Da sich die beiden Beschwerden somit in allen Punkten als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 14. November 1972, BGBl. Nr. 427.

Wien, am 20. Mai 1974

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Baurecht Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1957:1973001957.X00

Im RIS seit

19.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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