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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AZG §20 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in O, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 2. Dezember 1996, Zl. UVS-19/168/3-1996, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 31. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. schuldig erkannt, "daß die Gesellschaft bei der Beschäftigung" von 18 im folgenden namentlich genannten Arbeitnehmern "das Arbeitzeitgesetz in 18 Fällen durch Überschreiten der höchstzulässigen Tagesarbeitszeit von 10 Stunden ... übertreten hat". Es folgt eine Auflistung der betreffenden Arbeitnehmer sowie von Daten zwischen dem 9. Februar 1994 und dem 18. März 1994 jeweils mit dem Zusatz "Tagesarbeitszeit" und einer - zwischen 10,13 und 16,73 liegenden - Zahl von Arbeitsstunden. Dadurch habe der Beschwerdeführer
18 Übertretungen nach § 7 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes (AZG) begangen. Über ihn wurden 18 Geldstrafen im Ausmaß zwischen S 2.000,-- und 6.000,-- (insgesamt S 67.000,--) verhängt. Ihm wurde ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von S 6.700,-- vorgeschrieben. Die Ersatzfreiheitsstrafen wurden mit insgesamt zwei Wochen bemessen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis - abgesehen von der Richtigstellung eines Schreibfehlers - mit der Maßgabe bestätigt, "daß die Ersatzfreiheitsstrafen jeweils einen Tag betragen"; dem Beschwerdeführer wurde ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 13.400,-- vorgeschrieben.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 97/11/0042, wurde ein Bescheid der belangten Behörde in einem gleichgelagerten Fall wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die meisten Beschwerdegründe der vorliegenden Beschwerde stimmen mit denen zur hg. Zl. 97/11/0042 protokollierten Beschwerde überein. Insofern genügt es gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis zu verweisen.
Soweit in der vorliegenden Beschwerde Beschwerdegründe angeführt werden, die in der zur Zl. 97/11/0042 protokollierten Beschwerde nicht vorgebracht worden sind, ist folgendes auszuführen:
Das für den Beschwerdeführer nicht verständliche Erwähnen von Einbauarbeiten, um die es sich bei den inkriminierten Arbeiten nicht gehandelt habe, ist im Hinblick auf die Bezugnahme beider Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf § 8 AZG von vornherein ohne Bedeutung, weil nach dieser Bestimmung bestimmte Arbeiten eine halbe Stunde über die sonst zulässige Tagesarbeitszeit hinaus durchgeführt werden dürfen, was aber nicht zu einer 10 Stunden übersteigenden Tagesarbeitszeit führen darf. Die dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Beschäftigungen habe aber alle eine höhere Tagesarbeitszeit als 10 Stunden betroffen.
Der Beschwerdeführer beruft sich auch auf § 20 AZG. Nach dieser Bestimmung findet u.a. § 7 keine Anwendung auf vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten, die u.a. zur Behebung einer Betriebsstörung oder zur Verhütung des Verderbens von Gütern oder eines sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens erforderlich sind, wenn unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen und andere zumutbare Maßnahmen zur Erreichung dieses Zweckes nicht getroffen werden können. Der Arbeitgeber hat nach § 20 Abs. 2 die Vornahme von Arbeiten auf Grund des Abs. 1 ehestens, längstens jedoch binnen 4 Tagen nach Beginn der Arbeiten dem Arbeitsinspektorat schriftlich anzuzeigen.
Die belangte Behörde hat die Anwendbarkeit des § 20 AZG schon deswegen verneint, weil eine Anzeige im Sinne des Abs. 2 nicht erstattet worden sei. Diese Ansicht ist unzutreffend. Die Erstattung der Anzeige ist nicht Voraussetzung für die Vornahme der vorübergehenden und unaufschiebbaren Arbeiten im Sinne des § 20 AZG über die höchstzulässigen Tagesarbeitszeiten hinaus (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1996, Zl. 94/11/0078). Die Unterlassung der Anzeige bei Anordnung solcher Arbeiten ist vielmehr ein eigener Straftatbestand.
Die belangte Behörde hat - ausgehend von ihrem geschilderten Rechtsirrtum - eine Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Beschwerdeführers unterlassen. Sie hätte zu prüfen gehabt, ob die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Komplikationen beim Einbau einer neuen Druckmaschine einer Betriebsstörung im Sinne des § 20 Abs. 1 lit. b AZG gleichzuhalten sind, insbesondere ob deren Unvorhersehbarkeit auch unter dem Aspekt gegeben war, daß mit einem gewissen Ausmaß von Komplikationen bei jeder derartigen Neuaufstellung von Maschinen zu rechnen ist.
Im vorliegenden Fall waren schon aus diesem Grunde auch die Schuldsprüche aufzuheben, und zwar gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Diese Aufhebung bezieht sich begrifflich auch auf die Strafaussprüche und die Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrages.
Zur Strafbemessung ist zusätzlich anzumerken, daß die Verhängung der Ersatzfreiheitsstrafen gegen § 51 Abs. 6 VStG verstößt, weil die Summe der Ersatzfreiheitsstrafen nach dem angefochtenen Bescheid 18 Tage beträgt, während die Erstbehörde eine für sich schon rechtswidrige globale Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen verhängt hat.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997110043.X00Im RIS seit
20.11.2000