Entscheidungsdatum
05.01.2021Norm
Satzung Versorgungseinrichtung TeilA ÖRAK §24Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Pathy über die Beschwerde des Dr F M, B, gegen den Bescheid des Gesamtausschusses der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 14.11.2018, GZl. , betreffend Ruhen und Rückforderung einer Altersrente nach der Rechtsanwaltsordnung, zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid so abgeändert, dass
? im Spruchpunkt I die Wortfolge „jedenfalls in den Kalendermonaten Dezember 2014 bis (einschließlich) Februar 2015 sowie in den Kalendermonaten Juli bis (einschließlich) August 2015“ durch die Wortfolge „im Kalendermonat August 2015“ ersetzt wird; und
? im Spruchpunkt II
o der Ausdruck „gesamt € 11.020,48 (brutto)“ durch den Ausdruck „2.755,12 Euro (2.361,53 Euro [Bruttopension A für August 2015] zuzüglich 393,59 Euro [anteilige Sonderzahlungen für einen Monat, brutto])“ ersetzt wird und
o die tabellarische Übersicht entfällt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Begründung
Angefochtener Bescheid
1. Der Beschwerdeführer ist emeritierter Rechtsanwalt und bezieht eine Altersrente aus der Versorgungseinrichtung der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer.
Im angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, dass
I. der Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Bezug der Altersrente in den Monaten Dezember 2014 bis (einschließlich) Februar 2015 und in den Monaten Juli und August 2015 gemäß § 6 Abs 5 der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A ruhte; und
II. der Beschwerdeführer verpflichtet ist, die Altersrentenbeiträge samt den anteiligen Sonderzahlungen von gesamt 11.020,48 Euro (brutto) an die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer zurückzubezahlen.
Die zurückzuzahlenden Bruttobeträge wurden im Spruchpunkt II wie folgt berechnet:
Dezember 2014 2.361,53
Jänner 2015 2.361,53
Februar 2015 2.361,53
August 2015 2.361,53
Anteilige SZ für
4 Monate 1.574,36
Gesamtsumme 11.020,48
Die Altersrente für den Monat Juli 2015 wurde nicht zurückgefordert.
Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer habe rechtsanwaltliche Tätigkeiten ausgeübt, obwohl er unter Berücksichtigung seiner Emeritierung aus dem aktiven Anwaltsstand dazu nicht berechtigt gewesen sei.
Beschwerde
2. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben. Darin werden die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. In der Beschwerde wird dazu insbesondere Folgendes ausgeführt:
? In der ersten Instanz sei der Vorwurf, dass der Beschwerdeführer in der Rechtssache A anwaltlich tätig gewesen sei, nicht erhoben worden. Der Beschwerdeführer habe daher keine Möglichkeit gehabt, zu diesen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des VwGH dürfe die Behörde zweiter Instanz in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sei, keinen Sachbescheid im Ergebnis erstmals erlassen. Daraus folge, dass das Verfahren hinsichtlich der angeblich rechtswidrigen Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Rechtssache A A einzustellen sein werde.
? Die Rechtssache Sstraße in D umfasse den Zeitraum 12.11.2014 bis 13.7.2015. Diese Rechtssache sei der Rechtsanwaltskammer seit Einleitung des Verfahrens, das zum Bescheid vom 9.3.2016 führte, bekannt. Die Ansprüche der Kammer seien daher verjährt.
? Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Rechtssache D Sstraße sei im Verfahren der Rechtsanwaltskammer, das mit Bescheid vom 9.3.2016 abgeschlossen worden sei, und auch im Rechtsmittelverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg Zahl LVwG-460-1/2016-R9 umfassend behandelt worden. Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 22.12.2016 sei rechtskräftig. Eine erneute Behandlung dieser Rechtssache sei unzulässig und verstoße gegen das Verbot des ne bis in idem.
? Da es keinen Rechtsstreit zwischen den Miteigentümern der WEG Sstraße D und der F A im Jahre 2014 gegeben habe und daher auch kein Ortsaugenschein in dieser Angelegenheit am 12.11.2014 durchgeführt worden sei, gebe es keinen Sachverhalt, der die Eröffnung und Durchführung eines Verwaltungsverfahrens, gerichtet auf Ruhendstellung von Pensionsbezügen des Beschwerdeführers, rechtfertige. Auch diesbezüglich sei das Verfahren einzustellen.
? Im angefochtenen Bescheid werde mit keinem Wort erwähnt, ob und welches Entgelt der Beschwerdeführer für seine angeblich anwaltlichen Tätigkeiten erhalten habe. In der Rechtssache A A werde im bekämpften Bescheid weder dargelegt, welche anwaltlichen Tätigkeiten der Beschwerdeführer gem. § 8 Abs 1 RAO erbracht habe, noch ob und welches Entgelt er dafür erhalten habe.
Der Beschwerdeführer hat daher beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Sachverhalt
Allgemeines
3. Der Beschwerdeführer war als Rechtsanwalt tätig. Er hat am 16. Mai 2014 auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet. Seit Juni 2014 bezieht er eine Altersrente aus der Versorgungseinrichtung Teil A der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer. Er hat Altersrente ua in folgender Höhe erhalten:
Monat Brutto Lohnsteuer Netto
Dezember 2014 2.361,53 630,05 1.731,48
Jänner 2015 2.361,53 630,05 1.731,48
Februar 2015 2.361,53 630,05 1.731,48
August 2015 2.361,53 628,85 1.732,68
9.446,12 2.519,00 6.927,12
Anteilige Sonderzahlung
für vier Monate: 1.574,36 94,46 1.479,90
Gesamtsumme: 11.020,48 2.613,46 8.407,02
4. Zum mittlerweiligen Stellvertreter des Beschwerdeführers wurde RA Dr. M B bestellt. Der Beschwerdeführer hat an derselben Adresse wie RA Dr. M B eine Rechtsanwaltskanzlei in S. geführt. RA Dr. M B hat die noch offenen Fälle des Beschwerdeführers übernommen.
Ortsaugenschein am 12. November 2014; Klage der Eigentümergemeinschaft N.
5. Am 22. Mai 2014 hat die Eigentümergemeinschaft N. eine Klage gegen die Firma A. eingebracht und die Behebung von Baumängeln beantragt. Die Eigentümergemeinschaft wurde von RA Dr. M B vertreten. Das Verfahren war zur Zahl beim Landesgericht Feldkirch anhängig.
Am 12. November 2014 hat in diesem Verfahren ein Ortsaugenschein mit dem vom Gericht bestellten Sachverständigen stattgefunden. Der Ortsaugenschein diente der Befundaufnahme. Der Beschwerdeführer hat an diesem Ortsaugenschein für die klagende Eigentümergemeinschaft teilgenommen.
6. RA Dr. B hat in der Verhandlung vor dem Landesgericht am 24. März 2015 ein Kostenverzeichnis vorgelegt, in der für die Teilnahme am Ortsaugenschein Kosten verrechnet wurden. Die beklagte Partei (die Firma A.) hat dagegen Einwände erhoben, weil der Beschwerdeführer und nicht RA Dr. B am Ortsaugenschein teilgenommen hat.
Das Landesgericht hat der Klägerin im Urteil vom 25. Juni 2015 keine Kosten zugesprochen, weil sie den Rechtsstreit im überwiegenden Ausmaß verloren hat.
7. In einer E-Mail vom 15. Oktober 2015 hat ein Vertreter der Firma A. der Rechtsanwaltskammer ua mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer im Verfahren an einem Lokalaugenschein teilgenommen habe. Mit E-Mail vom 5. November 2015 wurden der Rechtsanwaltskammer ein Rechtsanwalt und ein Sachverständiger namhaft gemacht, bei denen nähere Auskünfte eingeholt werden könnten.
Besprechung am 28. Mai 2015; Eigentümergemeinschaft Sstraße in D
8. Der Beschwerdeführer hat die Eigentümergemeinschaft Sstraße seit dem Jahr 2013 in diversen rechtlichen Problemstellungen betreut. Sein Ansprechpartner bei der Eigentümergemeinschaft war Herr W V.
Mit Kostennote vom 19. März 2015 haben der Beschwerdeführer und Dr. B der Eigentümergemeinschaft einen Kostenvorschuss von 1.800 Euro vorgeschrieben. Der Kostenvorschuss war für die weitere Betreibung der Angelegenheit gegen die Hausverwaltung, die Firma Mag. K, die Beschlüsse der Miteigentümergemeinschaft nicht umgesetzt hat. Der Kostenvorschuss wurde im Juli 2015 überwiesen.
Am 28. Mai 2015 hat der Beschwerdeführer an einer Besprechung mit der Hausverwaltung, der Firma Mag. K in G, teilgenommen. Er hat an dieser Besprechung in Vertretung für Herrn V teilgenommen. Es wurde eine Abrechnung einer Firma über die Dachsanierung besprochen. Der Beschwerdeführer hat Herrn V mit E-Mail vom 13. Juli 2015 über diese Besprechung informiert. Die belangte Behörde hat von der Teilnahme des Beschwerdeführers im April 2017 erfahren.
Rechtssache A A
9. Herr A A hat am 8. Juli 2015 einen Arbeitsunfall erlitten. Er wollte rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen. Da er damals noch nicht gut deutsch gesprochen hat, hat seine Frau telefonisch mit der Kanzlei des RA Dr. M B Kontakt aufgenommen. Sie wurde an den Beschwerdeführer verwiesen, weil RA Dr. B gerade im Urlaub war.
Es haben daraufhin mehrere Gespräche mit dem Beschwerdeführer stattgefunden. Das erste Gespräch war bereits im Juli 2015, das genaue Datum konnte nicht festgestellt werden. An den Gesprächen hat die Ehefrau des A A teilgenommen, meistens war auch ihr Mann anwesend, gelegentlich auch ihr Vater. Die Gespräche haben in der Kanzlei des RA Dr. B stattgefunden.
In diesen Gesprächen wurde darüber gesprochen, ob und welche Ansprüche geltend gemacht werden können. Es wurde mit dem Beschwerdeführer die weitere Vorgangsweise besprochen, z.B. welche Fristen man beachten muss, und der Beschwerdeführer hat rechtliche Auskünfte erteilt. Der Beschwerdeführer hat in den Gesprächen nie darauf hingewiesen, dass nicht er, sondern RA Dr. B die Sache bearbeite. Herr A A und seine Frau waren der Meinung, dass der Beschwerdeführer ein Rechtsanwalt sei, der in der Kanzlei des RA Dr. B sein Büro habe und dort arbeite.
10. Die Leistungen wurden von der Rechtsschutzversicherung mit RA Dr. B abgerechnet. Der Beschwerdeführer wurde für seine Tätigkeit entlohnt. Wieviel der Beschwerdeführer konkret erhalten hat, kann nicht festgestellt werden.
11. Nachdem Herr A A den Rechtsanwalt gewechselt hat, hat die Rechtsanwaltskammer im April 2017 von dieser Rechtssache von RA Dr F. erfahren.
Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 2016
12. Die belangte Behörde hat bereits im Bescheid vom 9. März 2016 ausgesprochen, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Altersrente in den Monaten April 2015 bis Juni 2015, September 2015 bis November 2015 und Jänner 2016 bis März 2016 geruht hat. Der Beschwerdeführer wurde zur Rückzahlung der für diese Monate ausbezahlten Altersrente verpflichtet. Das Landesverwaltungsgericht hat diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 22. Dezember 2016, LVwG-460-1/2016-R6, bestätigt.
Erwägungen zur Feststellung des Sachverhalts
Aufgenommene Beweise
13. Es wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Beschwerdeführer und Vertreter der belangten Behörde haben daran teilgenommen. Als Zeugen wurden befragt: DI I G; S A; R S; A A; Dr. I B und RA Dr. M B.
Außerdem wurde folgende Akten eingesehen: der Akt der belangten Behörde GZl; der Akt des Landesgerichtes Feldkirch und der Akt des Landesverwaltungsgerichtes LVwG-460-1/2016-R9.
Feststellungen zu „Allgemeines“ (Punkte 3 und 4)
14. Die allgemeinen Feststellungen sind unstrittig. Die Höhe der Pension, die der Beschwerdeführer bezogen hat, ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid. Das wurde in der Beschwerde nicht bestritten.
Feststellungen zum Ortsaugenschein am 12. November 2014 (Punkte 5 bis 7)
15. Dass der Beschwerdeführer an einem Ortsaugenschein am 12. November 2014 teilgenommen hat, ergibt sich aus einem Gutachten des DI G vom 9. Februar 2015, das für das Landesgericht Feldkirch im Verfahren erstellt worden ist, sowie der Zeugenaussage des DI G in der mündlichen Verhandlung am 1. Juli 2020. Im Gutachten wird der „Anwalt Dr. M“ als anwesend angeführt. Der Zeuge DI G hat in der mündlichen Verhandlung dazu ausgeführt, er habe „den hier anwesenden Dr. M gemeint, auch wenn im Gutachten Dr. M angeführt wird“. Das Landesverwaltungsgericht hat keine Zweifel, dass die Angaben des Zeugen richtig waren.
16. Die Feststellungen zum Kostenverzeichnis ergeben sich aus dem Akt des Landesgerichtes Feldkirch, in dem sich das Kostenverzeichnis des RA Dr. B (AS 99) und das Urteil des Landesgerichtes vom 25. Juni 2015 (ON 23) befinden.
17. Die im Sachverhalt angeführten E-Mails vom 15. Oktober 2015 und vom 5. November 2015 wurden im Beschwerdeverfahren vorgelegt. Ihre Richtigkeit wurde nicht bestritten.
Feststellungen zur Besprechung am 28. Mai 2015 (Punkt 8)
18. Dass der Beschwerdeführer an einer Besprechung am 28. Mai 2015 teilgenommen hat, ergibt sich aus der E-Mail vom 13. Juli 2015, die der Beschwerdeführer an Herrn W V geschrieben hat. Darin nimmt er ausdrücklich auf diese Besprechung Bezug (die E-Mail beginnt mit dem Satz: „Bei der Besprechung, die am 28. Mai 2015 bei der Firma […] in G stattgefunden hat, habe ich vorgebracht, dass […]“).
Die Feststellungen zum Kostenvorschuss ergeben sich aus dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 22. Dezember 2016, Zahl: LVwG-460-1/2016-R9, und den Angaben, die der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 24. August 2016 im Beschwerdeverfahren zur Zahl LVwG-460-1/2016-R9 gemacht hat. Dass die belangte Behörde von der Besprechung im April 2017 erfahren hat, ergibt sich aus den Angaben des Vertreters der belangten Behörde, Dr. I B, in der Verhandlung am 30. Oktober 2019.
Feststellungen zur Rechtssache A (Punkte 9 bis 11)
19. Dass der Beschwerdeführer das Ehepaar A rechtlich beraten hat, ergibt sich insbesondere aus der Aussage der Zeugin S A. Die Zeugin hat glaubhaft und lebensnah geschildert, wie es zum Kontakt mit dem Beschwerdeführer gekommen ist und dass mehrere Gespräche mit dem Beschwerdeführer stattgefunden haben. Ihre Angaben wurden von ihrem Ehemann, dem Zeugen A A, und ihrem Vater, dem Zeugen R S, bestätigt, die an den Gesprächen mit dem Beschwerdeführer teilweise teilgenommen haben.
Das Landesverwaltungsgericht hat keine Zweifel daran, dass die Zeugen die Wahrheit gesagt haben.
Dass das erste Gespräch mit dem Beschwerdeführer bereits im Juli 2015 stattgefunden hat, ergibt sich daraus, dass der Arbeitsunfall am 08. Juli 2015 passiert ist und nach den Angaben der Zeugin S A „[es ist] keine Woche vergangen [ist] nach dem Arbeitsunfall, bevor wir beim Rechtsanwalt waren“.
Dass der Beschwerdeführer Rechtsauskünfte erteilt hat, steht für das Landesverwaltungsgericht ebenfalls fest. Die Zeugin S A hat die Frage, worüber geredet wurde, mit den Worten „halt über den Fall“ beantwortet und die Frage, ob der Beschwerdeführer zB auch gesagt haben, wie man vorgehen müsse, mit den Worten „Ja, darüber haben wir ja geredet, zB welche Fristen man beachten muss“. Auch hat sie die Frage bejaht, ob darüber gesprochen wurde, ob und welche Ansprüche man geltend machen könne.
Dass der Beschwerdeführer lediglich eine Aktennotiz angefertigt, RA Dr. B informiert und später der Zeugin lediglich die Schritte des Dr. B mitgeteilt hat, wie er es in der Verhandlung am 30. Oktober 2019 angegeben hat, ist nicht glaubhaft. Das Landesverwaltungsgericht ist davon überzeugt, dass in diesem Fall bei der Zeugin S A nie der Eindruck entstanden wäre, dass der Beschwerdeführer ihren Fall bearbeite und dass „der Herr M ein Rechtsanwalt ist, der in der Kanzlei des Dr. B sein Büro hat und dort arbeitet“. Außerdem hat die Zeugin geschätzt, dass sie „vielleicht 10-mal oder 15-mal“ beim Beschwerdeführer gewesen ist. So viele Gespräche sind nur dann nachvollziehbar, wenn der Beschwerdeführer diese Rechtssache auch inhaltlich bearbeitet hat.
Die Schreiben, die der Zeuge A A in dieser Sache erhalten hat, waren von Dr. B unterfertigt. Das hat auch die Zeugin S A angegeben. Dieser Umstand ist aber kein Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer keine rechtlichen Beratungen in dieser Sache durchgeführt hat.
20. Dass die Leistungen in der Rechtssache A über die Rechtsschutzversicherung abgerechnet wurde, ergibt sich aus der Aussage der Zeugin S A („Wir waren rechtsschutzversichert. Das wurde über die Versicherung abgewickelt“). RA Dr. B hat die Frage, ob er in dieser Angelegenheit ein Honorar von der Rechtsschutzversicherung erhalten hat, mit „möglich“ beantwortet.
Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass der Beschwerdeführer für seine Beratungstätigkeiten keine Vergütung erhalten hat. Das Landesverwaltungsgericht ist daher davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer ein Entgelt für seine Tätigkeit erhalten hat, obwohl der Beschwerdeführer angegeben hat, er habe kein Geld erhalten, und der Zeuge RA Dr. B die Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer einen Teil des Honorars erhalten hat, verweigert hat.
21. Dass die belangte Behörde im April 2017 von der „Rechtssache A“ erfahren hat, ergibt sich aus der Aussage des Dr. I B in der mündlichen Verhandlung am 1. Juli 2020. Im Verfahren sind keine Umstände hervorgekommen, die darauf hinweisen, dass die belangte Behörde bereits früher von dieser Rechtssache erfahren hat.
Feststellung zum Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 2016 (Punkt 12)
22. Diese Feststellung ergeben sich aus dem Akt des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg LVwG-460-1/2016-R9.
Maßgebliche Rechtsvorschriften
23. Der § 8 Abs 1 Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. Nr. 96/1868 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2008, lautet:
„(1) Das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts erstreckt sich auf alle Gerichte und Behörden der Republik Österreich und umfaßt die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten. Vor allen Gerichten und Behörden ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis.“
24. Der § 6 Abs 5 der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung lautet:
„(5) Der Rechtsanspruch auf Bezug einer Altersrente ruht bei Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit, die in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten (§ 8 RAO) fällt, ab dem der Ausübung der Tätigkeit folgenden Kalendermonat für die Dauer der Tätigkeit, mindestens aber für die Dauer von 3 Monaten. Kein Ruhen wird bewirkt durch die Ausübung von Hilfstätigkeiten in einer Rechtsanwaltskanzlei, der der Rechtsanwalt vor seinem Verzicht angehört hat, wobei als Hilfstätigkeit nur administrative Tätigkeiten gelten.“
Die § 16 Abs 7 und 8 der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung lautet:
„(7) Der Leistungsempfänger hat zu Unrecht bezogene Leistungen zurückzuzahlen, insbesondere, wenn die Leistungen durch unrichtige Angaben oder Nichtmeldung maßgeblicher Tatsachen zu Unrecht bezogen oder irrtümlich unrichtig berechnet wurden.
(8) Die Rechtsanwaltskammer darf geschuldete fällige Beträge und Umlagen jeder Art oder nach Abs 7 rückzahlbare Leistungen gegen nach dieser Satzung zu erbringende Versorgungsleistungen aufrechnen, sofern das Recht auf Einforderung der Beiträge, Umlagen und Leistungen nicht verjährt ist. […]“
25. Die Verordnung der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltstages über die Versorgungseinrichtung Teil A der österreichischen Rechtsanwaltskammern (Satzung Teil A 2018), gültig ab 1. Jänner 2018, lautet auszugsweise:
„Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen
§ 24. Zu Unrecht erbrachte Leistungen können von der die Leistung auszahlenden Rechtsanwaltskammer (§ 54) zurückgefordert werden, insbesondere, wenn die Leistungen durch unrichtige Angaben oder Nichtmeldung maßgeblicher Tatsachen zu Unrecht erbracht oder irrtümlich falsch berechnet wurden.
[…]
Ruhen des Leistungsanspruchs
§ 30. (1) Der Anspruch auf Altersrente ruht, wenn die Bezieherin oder der Bezieher der Altersrente eine entgeltliche Tätigkeit ausübt, die in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten (§ 8 RAO) fällt. Das Ruhen wird bereits durch die einmalige Ausübung einer solchen Tätigkeit bewirkt. Die Ausübung von Hilfstätigkeiten in der Rechtsanwaltskanzlei, der die oder der Versicherte unmittelbar vor Inanspruchnahme der Altersrente oder vorzeitigen Altersrente angehört hat, bewirkt kein Ruhen.
(2) Das Ruhen tritt ab dem der Ausübung folgenden Kalendermonat ein und gilt für die Dauer der Tätigkeit, mindestens aber für die Dauer von drei Kalendermonaten.“
Rechtliche Beurteilung
Einleitung
26. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die an den Beschwerdeführer ausbezahlte Altersrente für die Monate Dezember 2014 bis Februar 2015 und für den Monat August 2015 zurückgefordert, weil sie der Meinung ist, dass der Bezug der Altersrente in diesen Monaten geruht hat.
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde im Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides auch das Ruhen der Altersrente im Monat Juli 2015 festgestellt hat. Die belangte Behörde hat dazu in der mündlichen Verhandlung am 1. Juli 2015 klargestellt, dass ein Ruhen lediglich für die Monate Dezember 2014 bis Februar 2015 und für den Monat August 2015 ausgesprochen werden sollte; das im Spruchpunkt I ausgesprochene Ruhen für Juli 2015 sei insoweit ein Versehen gewesen. Das Landesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass Gegenstand des angefochtenen Bescheides die Rückforderung der Altersrente für die Monate Dezember 2014 bis Februar 2015 und für den Monat August 2015 war.
Die belangte Behörde stützt die Rückforderung der Altersrente
? für die Monate Dezember 2014 bis Februar 2015 darauf, dass der Beschwerdeführer am 12. November 2014 in einem gerichtlichen Verfahren an einem Ortsaugenschein teilgenommen und damit eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt hat und
? für den Monat August 2015 darauf, dass der Beschwerdeführer am 28. Mai 2015 an einer Besprechung teilgenommen und im Juli 2015 eine Beratungstätigkeit durchgeführt hat.
Das Landesverwaltungsgericht vertritt dazu die Meinung, dass die für Dezember 2014 bis Februar 2015 ausbezahlte Rente wegen Verjährung nicht mehr zurückgefordert werden kann, und dass die für August 2015 ausbezahlte Rente zu Recht zurückgefordert wurde.
Rückforderung der Altersrente für Dezember 2014 bis Februar 2015
27. Der Anspruch auf Altersrente ruht, wenn eine entgeltliche Tätigkeit ausgeübt wird, die in den beruflichen Aufgabenkreis eines Rechtsanwaltes fällt; das Ruhen tritt im Folgemonat ein und dauert zumindest drei Monate (vgl. § 6 Abs 5 der bis 31. Dezember 2017 gültigen Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A; § 30 der Satzung Teil A 2018).
Der Beschwerdeführer hat am 12. November 2014 in einem gerichtlichen Zivilverfahren in Vertretung der klagenden Partei an einem Ortsaugenschein teilgenommen. Die Tätigkeit wurde auch entgeltlich ausgeübt, was sich daran zeigt, dass diese Tätigkeit in das Kostenverzeichnis aufgenommen wurde, das dem Gericht vorgelegt wurde. Dass diese Kosten vom Gericht nicht zugesprochen wurden, ändert nichts an der Entgeltlichkeit der Tätigkeit.
Der Beschwerdeführer hat damit eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt, die zum Ruhen seines Anspruches auf Altersrente in den Monaten Dezember 2014 bis Februar 2015 geführt hat.
28. Die belangte Behörde war berechtigt, die für diese Monate ausbezahlte Altersrente zurückzufordern. Dieses Recht unterliegt aber der Verjährung. Das zeigt der § 16 Abs 8 erster Satz der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer. Danach dürfen rückzahlbare Leistungen gegen zu erbringende Versorgungsleistungen aufgerechnet werden, „sofern das Recht auf Einforderung der […] Leistungen nicht verjährt ist“. Der (damalige) Satzungsgeber ist davon ausgegangen, dass das Recht auf Einforderung der rückzahlbaren Leistungen verjährt. Zwar fehlt ein entsprechender Hinweis in der ab dem 1. Jänner 2018 gültigen Satzung (vgl. § 24 der Satzung Teil A 2018). Der Satzungsgeber hätte sich aber klarer ausgedrückt, wenn er die Verjährung abschaffen hätte wollen, zumal nach wie vor ein Interesse besteht, Streitigkeiten über die Rückforderung zu Unrecht ausbezahlter Leistungen in einer angemessenen Frist zu bereinigen.
29. Die belangte Behörde hat Anspruch auf Rückzahlung der trotz Ruhens ausbezahlten Altersrente. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat auf Forderungen eines Dienstgebers auf Rückzahlung irrtümlich zu viel bezahlten Lohnes an einen Vertragslehrer eine dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB angewendet (OGH 9ObA157/97x). Das irrtümlich Ausbezahlen einer Altersrente und das irrtümlich Ausbezahlen eines zu hohen Lohnes sind vergleichbar. Das Landesverwaltungsgericht ist daher der Meinung, dass die Rückforderung innerhalb von drei Jahren geltend gemacht werden muss, gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem die belangte Behörde objektiv erkennen konnte, dass die Altersrente trotz Ruhens des Anspruches ausbezahlt wurde.
Das war spätestens am 5. November 2015 der Fall: Am 15. Oktober 2015 wurde die belangte Behörde in einer E-Mail darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer auch im Verfahren an Lokalaugenscheinen mit dem vom Gericht beauftragten Sachverständigen DI G. als Rechtsvertreter der Eigentümergemeinschaft teilgenommen hat. Am 5. November 2015 wurden der belangten Behörde in einer weiteren E-Mail die Namen und Telefonnummern eines Rechtsanwaltes und des Gerichtssachverständigen mitgeteilt.
Die belangte Behörde hatte spätestens zu diesem Zeitpunkt (am 5. November 2015) ausreichende Informationen, um festzustellen, dass der Beschwerdeführer am 24. November 2014 an einem Ortsaugenschein teilgenommen und damit eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt hat. Die belangte Behörde hätte z.B. bei den namhaft gemachten Personen Auskünfte einholen können. Noch konkretere Hinweise waren nicht erforderlich, um die entscheidungswesentlichen Feststellungen ermitteln zu können.
Die dreijährige Verjährungsfrist ist am 5. November 2018 abgelaufen. Der angefochtene Bescheid vom 14. November 2018 wurde dem Beschwerdeführer am 3. Dezember 2018 zugestellt. Der Rückforderungsanspruch für Dezember 2014 bis Februar 2015 war zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt.
Rückforderung der Altersrente für August 2015
30. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auch die für August 2015 ausbezahlte Altersrente zurückgefordert. Das ist zu Recht erfolgt:
Der Beschwerdeführer hat im Juli 2015 eine Beratungstätigkeit in der Rechtssache „A“ ausgeübt. Zur umfassenden Parteienvertretung der Rechtsanwälte gehört auch das Beratungsrecht. Die Beratungstätigkeit ist eine Tätigkeit, die in den beruflichen Aufgabenkreis der Rechtsanwälte fällt. Ein nach außen in Erscheinung tretendes Vertretungsverhalten ist nicht erforderlich. Der Beschwerdeführer hat diese Tätigkeit auch entgeltlich ausgeübt. Sein Pensionsanspruch hat daher ab August 2015 geruht.
Die Behörde hat von dieser Beratungstätigkeit erst im Jahr 2017 erfahren, sodass keine Verjährung eingetreten ist.
Außerdem hat der Beschwerdeführer am 28. Mai 2015 an einer Besprechung mit einer Hausverwaltung teilgenommen, in der er einen Wohnungseigentümer vertreten hat. Auch bei dieser Tätigkeit hat es sich um eine anwaltliche Tätigkeit gehandelt, die der Beschwerdeführer gegen Entgelt ausgeübt hat.
31. Der Beschwerdeführer hat eingewendet, dass die Beratungstätigkeit im Juli 2015 nicht Gegenstand des erstinstanzliches Verfahren gewesen sei. Diese Beratungstätigkeit sei ihm im Verfahren vor der Behörde auch nie vorgehalten worden.
Dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit gegeben hat, sich dazu zu äußern, mag ein Verfahrensfehler gewesen sein. Der Beschwerdeführer hatte aber im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht ausreichend Gelegenheit, zu dieser Beratungstätigkeit Stellung zu nehmen und Zeugen zu befragen. Allfällige Fehler im Verfahren vor der belangten Behörde wurden im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht saniert.
32. Zusammenfassend ergibt sich daher, dass der Beschwerde teilweise Folge zu geben war. Die Rückforderung der Altersrente für Dezember 2014 bis Februar 2015 kann nicht mehr erfolgen, weil der entsprechende Anspruch verjährt ist. Der Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides war so abzuändern, dass lediglich die für August 2015 ausbezahlte Altersrente zurückgefordert wird.
Um der Klarheit willen wird auch der Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides entsprechend abgeändert, obwohl durch die Tätigkeit des Beschwerdeführers am 12. November 2014 sein Anspruch auf Bezug der Altersrente in den Monaten Dezember 2014 bis Februar 2015 ex lege geruht hat.
Zulässigkeit der Revision
33. Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit ersichtlich gibt es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie lange die Rechtsanwaltskammer Altersrenten zurückfordern darf, die trotz Ruhens des Rentenanspruches ausbezahlt wurden. Auch sind die einschlägigen Satzungsbestimmungen im Hinblick auf eine Verjährung nicht so klar und eindeutig, dass keine andere Auslegung möglich wäre.
Schlagworte
Rechtsanwaltsordnung, Altersrente, Rückforderung, VerjährungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2021:LVwG.460.5.2018.R11Zuletzt aktualisiert am
18.01.2021