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L80001 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung BebauungsplanNorm
BauRallg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Gemeinde Parndorf, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen die Burgenländische Landesregierung, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht wegen Nichterledigung des Antrages der Beschwerdeführerin um Genehmigung der Verordnung des Gemeinderates der Beschwerdeführerin vom 29. Februar 1996, mit der der Flächenwidmungsplan geändert wurde (9. Änderung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der belangten Behörde wird gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit §§ 19 Abs. 4 und 18 Abs. 9 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 12/1994 aufgetragen, über den Antrag der Beschwerdeführerin binnen a c h t Wochen unter Zugrundelegung nachstehender Rechtsanschauung zu entscheiden:
§ 1 lit. e letzter Satz der Verordnung ("Die Grundflächen entlang der B 50 und der A 4 bis zur 220 kV/Leitung in Richtung Neusiedl/See wird von "Bauland-Industriegebiet (BI)" in "Bauland-Betriebsgebiet (BB)" geändert.") erfüllt KEINEN der im § 18 Abs. 7 des Burgenländischen Raumordnungsgesetzes genannten Versagungstatbestände.
Begründung
Tagesordnungspunkt der Sitzung des Gemeinderates der Beschwerdeführerin vom 29. Februar 1996 war u.a. die
9. Änderung des Flächenwidmungsplanes. Diesbezüglich berichtete der Schriftführer, daß aufgrund von zahlreichen Nutzungsänderungen von Grundflächen eine neuerliche Änderung des örtlichen Flächenwidmungsplanes notwendig geworden sei. Der größte Teil dieser Änderungen sei in der Zeit vom 14. Juni bis einschließlich 9. August 1995 zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt worden. Danach seien zwei Änderungsanträge an die Gemeinde gerichtet worden; einer davon habe die Änderung der Flächenwidmung im Industriezentrum Parndorf betroffen und zwar die Änderung der Flächenwidmung von "Bauland-Industriegebiet (BI)" in "Bauland-Betriebsgebiet (BB)". Aufgrund dieser Umwidmungsanträge sei die 9. Änderung in der Zeit vom 2. Jänner bis einschließlich 28. Februar 1996 neuerlich zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt worden.
Daraufhin beschloß der Gemeinderat einstimmig die nachstehende Verordnung:
"VERORDNUNG
des Gemeinderates der Gemeinde Parndorf vom 29. Feber 1996, Zahl: 32 - 1995, mit der der Flächenwidmunsplan der Gemeinde Parndorf geändert wird (9. Änderung).
Auf Grund der §§ 11 Abs. 1, 19 Abs. 4 und 18 Abs. 2 - 12 des Burgenländischen Raumordnungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969 i. d.g.F. wird verordnet:
§ 1
Der vereinfachte Flächenwidmungsplan der Gemeinde Parndorf vom 01. Dezember 1973, Zahl: 719/1973, in der Fassung der Verordnung vom 25.03.1994, Zahl: 32 - 1994, wird wie folgt geändert:
a)
...
e)
Industriegebiet IZP: ...
Die Grundflächen entlang der B 50 und der A 4 bis zur 220 kV/Leitung in Richtung Neusiedl/See wird von "Bauland-Industriegebiet (BI)" in "Bauland-Betriebsgebiet (BB)" geändert
...
§ 2
Diese Verordnung tritt gemäß § 18 Abs. 10 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes nach Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft.
Der Flächenwidmungsplan (planliche Darstellung) sowie der Erläuterungsbericht mit dem überarbeiteten örtlichen Entwicklungskonzept bilden einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung."
Mit Schreiben vom 1. März 1996 übermittelte die Beschwerdeführerin diesen Verordnungstext mit einem Auszug aus dem entsprechenden Sitzungsprotokoll und dem Erläuterungsbericht des Ingenieurkonsulenten für Raumordnung und Raumplanung, Dipl. Ing. K. P., der belangten Behörde zur weiteren Behandlung.
Der Erläuterungsbericht des Dipl. Ing. K. P. lautet auszugsweise wie folgt:
"1. Ausgangssituation:
Unter Hinweis auf die im Burgenländischen Raumplanungsgesetz, § 19 Abs. (1) und (2) angeführten Anforderungen, die eine Änderung des Flächenwidmungsplanes ermöglichen, lassen sich in diesem Zusammenhang folgende wesentliche, innerhalb der letzten Jahre geänderte Rahmenbedingungen anführen:
(A) Rechtliche Änderungen
-
Landesentwicklungsprogramm Burgenland (LEP "94)
Am 19. Juli letzten Jahres wurde für das gesamte Bundesland Burgenland eine Verordnung der Burgenländischen Landesregierung beschlossen, mit der ein Landesentwicklungsprogramm (LEP "94) erlassen wurde. Damit wurde u.a. das alte, überholte regionale Entwicklungsprogramm für das nördliche Burgenland abgelöst. Geänderte und zusätzliche neue Zielformulierungen wie auch zusätzliche neue Regelungen und Grundsätze im Bereich der örtlichen Raumplanung rechtfertigen die Abänderung des Flächenwidmungsplanes. Für die Gemeinde Parndorf betrifft dies vor allem diesbezügliche Aussagen für den Sektor Handel, Gewerbe und Industrie sowie in weiterer Folge die damit im Zusammenhang stehenden standörtlichen Festsetzungen.
-
Novellierung des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes (11/1993)
Mit der Novellierung des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes wurde durch die zusätzliche Feststellung einer Betriebsgebietswidmung die Möglichkeit geschaffen, im Industrie/Gewerbe-Sektor gezielte, nutzungskonforme Widmungsfestlegungen in Anwendung zu bringen.
-
Novellierung des Berggesetzes
...
(B) Politische Veränderungen
- Beitritt Österreichs zur EU
Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union hat vor allem im Zusammenhang mit der Festlegung der Gemeinde Parndorf als Industrie/Gewerbe-Standort - Stufe II zusätzlich an Bedeutung gewonnen.
(C) Reale Veränderungen
- Bau der A4-Autobahnen Wien - Nickelsdorf (Staatsgrenze Ö/H)
Durch den Bau der A4-Autobahn hat sich die Erreichbarkeit der Gemeinde Parndorf in Bezug zur Agglomeration Wien als auch zu Ungarn und der Slowakei und dadurch auch deren standörtliche Bedeutung entscheidend verbessert.
ad (5) Industriegebiet/IZP
Für das Industrieareal "Kälberweide" zwischen Bahngrund und Gemeindegrenze liegen teilweise bereits sehr detaillierte und auch mit dem Land Burgenland abgestimmte Bebauungs- und Nutzerinteressen vor. Das Verfahren zum diesbezüglichen Teilbebauungsplan für das im Süden gelegene Industrie- und Gewerbezentrum Parndorf ist bereits eingeleitet. Aufgrund der neuesten Planungs- und Rahmenbedingungen ergeben sich daraus folgende Änderungen:
Die im bereits rechtskräftigen Teilbebauungsplan fixierte Erschließung für das Industriezentrum wird in den Flächenwidmungsplan übernommen. Für den selbigen Bereich wurde das Aufschließungsgebiet Industriegebiet (AI) mit Verordnung des Gemeinderates von Parndorf (Zahl: 35/7-1993 v. 29.10.1993, Genehmigung der Landesregierung: LAD-RO-3388/98-1993 v. 30.12.1993) zu Bauland Industriegebiet (BI) erklärt.
....
Für einen nördlich an die Autobahn angrenzenden Bereich des IZP wurde von der Betreiberseite der Wunsch geäußert, auf einer Fläche von rund 12 ha, die für eine EKZ-Nutzung vorgesehen ist, eine Umwidmung von "Bauland-Industriegebiet" (BI) in "Bauland-Betriebsgebiet" (BB) vorzunehmen.
Unter Berücksichtigung überörtlicher Planungsfestlegungen ist aus fachlicher Sicht folgendes zu erwägen:
Im Landesentwicklungsprogramm (LEP "94) wurde die Gemeinde Parndorf als Industrie- und Gewerbestandort der Stufe II festgelegt. Somit ist Parndorf ein "Standort für hochwertige Arbeitsplätze der Industrie und des produzierenden Gewerbes von regionaler und überregionaler Bedeutung, die aufgrund ihrer Eignung den diesbezüglich vorrangigen Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen." (vgl. LEP "94, Pkt.2.1.2.)
"Um den Ersatz alter durch neue leistungsfähige Strukturen ohne wirtschaftlichen Substanzverlust zu erleichtern", wird darüberhinaus im LEP "94 (Pkt. 1.4 Handel, Gewerbe und Industrie) gefordert, "eine Intensivierung der standortadäquaten und qualifizierten Ansiedlungs- und Neugründungstätigkeit anzustreben."
Sinn und Zweck ist es also, auf diesem Standort solche Projekte zu entwickeln, die fähig sind, einer künftig qualitativ hochwertigen Arbeitsplatzentwicklung gerecht werden. Aus fachlicher Sicht stellt sich jedoch im vorliegenden Fall die Frage, ob ein Einzelhandelszentrum solchen Ausmaßes in der Lage sein wird, diesen Anforderungen Folge leisten zu können. Derartige hochwertige Industrie- und Gewerbegunstlagen sind im nörlichen Burgenland äußerst dünn gesät und daher dementsprechend wohlüberlegt und in mittelfristiger Perspektive zu entwickeln.
Es wird daher empfohlen, dieses Projekt in einem gesonderten Verfahren zu prüfen und zu beurteilen. Darüberhinaus wird auf die "Vereinbarung zwischen den Ländern Burgenland, Niederösterreich und Wien über eine Raumverträglichkeitsprüfung für Standorte von Einkaufszentren" verwiesen."
Mit Schreiben vom 13. März 1996 erhob der Bürgermeister der Stadtgemeinde Neusiedl/See gegen diese Umwidmung "Einspruch", den er wie folgt begründete:
"1. Ich verweise mit Nachdruck auf den Beschluß des Bgld. Landtages vom 19.06.1989. Aus diesem geht klar hervor, daß der gegenständliche Bereich ausschließlich als Bauland-Industriegebiet gewidmet werden darf.
2. Weiters verweise ich neuerlich auf die Vereinbarung zwischen dem seinerzeitigen Finanzlandesrat Karl Stix, dem ÖVP-Clubobmann Dr. Wolfgang Dax und mir als Landtagspräsident im Büro des damaligen Landeshauptmannstellvertreters Dr. Sauerzopf. Im Rahmen dieser Vereinbarung wurde eindeutig festgehalten, daß ausschließlich ein Industriegebiet gewidmet und eine Pufferzone zur KG Neusiedl am See erhalten bleiben wird.
3. Namens der Wirtschaft von Neusiedl am See verweise ich auf die vorhandene hohe Struktur im Wirtschaftsbereich unserer Stadt und gebe zu bedenken, daß die Realisierung des Projektes in der KG Parndorf eine enorme Strukturzerstörung der Wirtschaft unserer Stadt mit sich bringen würde.
Abschließend möchte ich festhalten, daß sich die Verantwortlichen der Stadtgemeinde Neusiedl am See größten Mühen unterzogen haben, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und zu unterstützen.
Ich hoffe, daß sich die Stadtgemeinde Neusiedl am See auch in Zukunft auf bereits gegebene Zusagen des Landes bezüglich den Aufbau unserer Stadt verlassen kann."
Am 14. März 1996 fand eine Sitzung des Raumplanungsbeirates statt, deren Protokoll hinsichtlich der gegenständlichen Flächenwidmung folgenden Inhalt hat:
3.1. Parndorf (9. Änderung):
DIPL.-ING. SCHATOVICH berichtet ausführlich über die von Gemeinde Parndorf im Zuge der 9. Änderung des Flächenwidmungsplanes vorgenommenen Änderungen. Betreffend die Umwidmung von Grundstücken im Industriegebiet Parndorf-Süd von "Bauland-Industriegebiet" in "Bauland-Betriebsgebiet" weist LANDTAGSPRÄSIDENT DR. DAX auf einen Landtagsbeschluß vom 19.6.1989 hin, wonach der von der Landesregierung mit der Fa. B eingeräumten Kaufoption auf das landeseigene Grundstück Nr. nn/4, KG. Parndorf, die Zustimmung seitens des Landtages nicht erteilt wurde. In diesem Landtagsbeschluß wurde die Landesregierung auch aufgefordert, jede rechtgeschäftliche Verfügung über dieses Grundstück, ausgenommen für Industriezwecke (derzeitige Widmung) bzw. die landwirtschaftliche Nutzung, zu unterlassen. Dr. Dax vertritt daher die Ansicht, daß die von der Gemeinde vorgenommene Umwidmung von "Bauland-Industriegebiet" in "Bauland-Betriebsgebiet" im Ried Kälberweide (Industriegebiet Parndorf-Süd) diesem Landtagsbeschluß widerspricht. Ferner weist Dr. Dax auch auf die seinerzeitige Vereinbarung von Mitgliedern der Landesregierung und Vertretern der Stadtgemeinde Neusiedl am See hin (u.a. Landeshauptmann Stix, Dr. Sauerzopf, Dr. Dax, Dipl.-Ing. Halbritter), wonach zwischen der Ostautobahn A 4 und der Gemeindegrenze von Neusiedl am See eine landwirtschaftliche Fläche als Pufferzone von Bebauung freigehalten werden soll.
LANDESRAT DIPL.-ING. FISTER stellt klar, daß sich der Landtagsbeschluß vom 19.6.1989 auf das Grundstück Nr. 1782/4, KG Parndorf, im Industrie- und Gewerbegebiet Parndorf-Nord bezieht, dagegen die gegenständliche Umwidmung von "Bauland-Industriegebiet" in "Bauland-Betriebsgebiet" im Ried Kälberweide im Industriegebiet Parndorf-Süd erfolgt. Er stellt weiters fest, daß die zwischen der Autobahn A 4 und der Gemeindegrenze Neusiedl am See gelegenen - als "Pufferzone" angesprochenen - landwirtschaftlichen Flächen nicht von der gegenständlichen Flächenwidmungsplan-Änderung betroffen sind. Auch wurde im Zuge der Auflage der 9. Änderung des Flächenwidmungsplanes von der Stadtgemeinde Neusiedl am See keine Erinnerung gegen die 9. Änderung des Flächenwidmungsplanes eingebracht. Er weist darauf hin, daß durch die Umwidmung im Industriegebiet Parndorf-Süd keine zusätzliche Baulanderweiterung vorgenommen wurde, sondern lediglich eine "Rückstufung" der bestehenden Widmung "Bauland-Industriegebiet" in "Bauland-Betriebsgebiet".
2. LANDTAGSPRÄSIDENT SIPÖTZ weist ebenfalls darauf hin, daß die Änderung der Widmungskategorie im Zusammenhang mit der Änderung des Raumplanungsgesetzes im Jahre 1994 zu sehen ist (Einführung der Widmung "Bauland-Betriebsgebiet" für Einkaufszentren).
Im Zuge der weiteren Diskussion weist Dr. ECKHARDT auf die im Zuge des Bewilligungsverfahrens für das Einkaufszentrum abgegebene Stellungnahme der Wirtschaftskammer hin, worin darauf aufmerksam gemacht wird, daß durch die Errichtung des geplanten Einkaufszentrums mit starken negativen Auswirkungen auf die betroffene Branchenstruktur im weiträumigen Einzugsbereich gerechnet werden muß. Auf längere Sicht werden seiner Ansicht nach durch die Schwächung von Betrieben bzw. deren Veränderung mehr Arbeitsplätze zerstört als durch das F.O.C geschaffen werden. Hiezu weist DIPL.-ING. SCHATOVICH auf die positive Beurteilung der WiBAG für das geplante Einkaufszentrum hin.
Nach eingehender Diskussion ersuchen LANDTAGSPRÄSIDENT DR. DAX und LANDESHAUPTMANN-STV. ING. JELLASITZ um Sitzungsunterbrechung betreffend interner Beratungen.
Nach einer Sitzungsunterbrechung von ca. zehn Minuten wird diese fortgesetzt. LANDESHAUPTMANN-STV. ING. JELLASITZ stellt fest, daß seitens seiner Fraktion (Landeshauptmann-Stv., Dr. Dax, LABG. Loos, Dr. Eckhardt, Dr. Brückler) der gegenständlichen Umwidmung unter der Voraussetzung zugestimmt wird, wenn die seinerzeitig getroffene Vereinbarung nicht gebrochen wird.
Danach beschließt der Raumplanungsbeirat einstimmig, der Landesregierung die GENEHMIGUNG der 9. Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Parndorf zu empfehlen."
Anläßlich der Sitzungen der belangten Behörde vom 26. März 1996 und 25. Juni 1996 wurde jeweils der Antrag, die Landesregierung möge beschließen, die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Parndorf vom 29. Februar 1996, mit der der Flächenwidmungsplan geändert wurde, gemäß § 19 Abs. 4 in Verbindung mit § 18 Abs. 9 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes zu genehmigen und einen diesbezüglichen Bescheid zu erlassen, zurückgezogen.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 1996 wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß sie mit Schreiben vom 1. März 1996 ihren Beschluß vom 29. Februar 1996 der Landesregierung zur Genehmigung gemäß § 18 Abs. 5 Raumplanungsgesetz vorgelegt habe. Die Beschwerdeführerin droht in diesem Schreiben die Erhebung einer Säumnisbeschwerde an.
Dem vorliegenden Regierungssitzungsprotokoll vom 29. Oktober 1996 ist zu entnehmen, daß keine Mehrheit für eine positive Erledigung zu erreichen war, weshalb die Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgewartet werde.
Mit einem am 3. Dezember 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht.
Sie verweist auf ihr Schreiben vom 1. März 1996, welches am 5. März 1996 bei der belangten Behörde eingelangt sei und welches die Sechsmonatsfrist zur Fällung einer Sachentscheidung ausgelöst habe. Mit Verfügung vom 9. Dezember 1996 leitete der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren ein und trug der belangten Behörde auf, innerhalb einer Frist von drei Monaten den Bescheid zu erlassen.
Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 17. Februar 1997 die Verwaltungsakten vor. Der Vertreter der Beschwerdeführerin nahm am 25. April 1997 eine Akteneinsicht vor.
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes teilte die belangte Behörde mit Schreiben vom 6. Juni 1997 mit, Ursache der unterbliebenen Entscheidung durch die Burgenländische Landesregierung sei die Widmungsänderung gemäß § 1 lit. e letzter Satz der gegenständlichen Verordnung (Umwidmung der Grundflächen entlang der B 50 und der A 4 bis zur
220 kV-Leitung in Richtung Neusiedl/See von "Bauland-Industriegebiet (BI)" in "Bauland-Betriebsgebiet (BB)"; dieses Schreiben wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Verwaltungsbehörden erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Verletzt die Aufsichtsbehörde ihre Verpflichtung zur Erlassung eines Bescheides (z.B. einer von der Gemeinde beantragten Genehmigung, die sich auf Art. 119a Abs. 8 B-VG stützt), so ist die Gemeinde auch zur Säumnisbeschwerde befugt (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 72).
Unzweifelhaft handelt es sich beim Schreiben der Beschwerdeführerin vom 1. März 1996, mit welchem der Verordnungsbeschluß "zur weiteren Behandlung" übermittelt wurde, um einen Antrag auf Genehmigung der Änderung des Flächenwidmungsplanes. Über diesen Antrag wurde nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden, sodaß die Antragstellerin gemäß § 27 VwGG berechtigt war, Säumnisbeschwerde zu erheben. Die belangte Behörde hat auch nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Bescheid innerhalb von drei Monaten nachzuholen; die formellen Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof sind daher gegeben.
Gemäß § 19 Abs. 2 Burgenländisches Raumplanungsgesetz (in der zuletzt durch die Novelle LGBl. Nr. 12/1994 geänderten Fassung; im folgenden: RPlG) darf die Gemeinde den Flächenwidmungsplan nur abändern, wenn sich die Planungsgrundlagen infolge Auftretens neuer Tatsachen oder Planungsabsichten in der Gemeinde wesentlich geändert haben. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist bei der Änderung des Flächenwidmungsplanes auf die bestehende widmungsgemäße Nutzung der Grundflächen Bedacht zu nehmen; gemäß Abs. 4 ist das Amt der Landesregierung von der beabsichtigten Änderung unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Für das Verfahren ist § 18 Abs. 2 bis 12 sinngemäß anzuwenden.
Die Abs. 2 bis 12 des § 18 RPlG lauten:
"(2) Der Entwurf des Flächenwidmungsplanes ist vor Beschlußfassung durch acht Wochen im Gemeindeamt (Magistrat) zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Die Auflage ist durch ortsübliche Kundmachung bekanntzugeben und dem Amt der Landesregierung unter Anschluß einer Plandarstellung samt den erforderlichen Erläuterungen unverzüglich mitzuteilen.
(3) Jedermann ist berechtigt, innerhalb der Auflagefrist begründete schriftliche Erinnerungen vorzubringen. Auf die Bestimmungen dieses Absatzes ist in der Kundmachung (Abs. 2) ausdrücklich hinzuweisen.
(4) Der Flächenwidmungsplan ist vom Gemeinderat zu beschließen, wobei die rechtzeitig vorgebrachten Erinnerungen in die Beratungen einzubeziehen sind.
(5) Der vom Gemeinderat beschlossene Flächenwidmungsplan und die erforderlichen Erläuterungen sind sodann in dreifacher Ausfertigung samt den vorgebrachten Erinnerungen und der Niederschrift über die Beschlußfassung des Gemeinderates der Landesregierung zur Genehmigung vorzulegen.
(6) Die Landesregierung entscheidet nach Anhörung des Raumplanungsbeirates über die Genehmigung des Flächenwidmungsplanes.
(7) Die Genehmigung ist mit Bescheid zu versagen, wenn der Flächenwidmungsplan
a)
den Bestimmungen dieses Gesetzes (insbesondere den §§ 14 Abs. 1 und 14c), dem Landesraumordnungsplan oder dem Entwicklungsprogramm widerspricht oder sonst rechtswidrig ist,
b)
überörtliche Interessen, insbesondere solche des Umweltschutzes und des Schutzes des Landschafts- oder Ortsbildes verletzt,
c)
eine im überörtlichen Interesse liegende Entwicklung der Gemeinde oder ihrer Nachbargemeinde verhindert oder beeinträchtigt oder einen von der Gemeinde zu bestreitenden finanziellen Aufwand erfordern würde, wodurch die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichtes verhindert oder die ordnungsgemäße Erfüllung der der Gemeinde gesetzmäßig obliegenden Aufgaben oder ihrer privatrechtlichen Verpflichtungen gefährdet würden.
(8) Im Falle der beabsichtigten Versagung der Genehmigung ist der Gemeinde dieser Umstand mitzuteilen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer mit mindestens acht Wochen festzusetzenden Frist zu geben.
(9) Die Genehmigung des Flächenwidmungsplanes erfolgt mit Bescheid der Landesregierung. Die erfolgte Genehmigung ist im Landesamtsblatt für das Burgenland kundzumachen.
(10) Innerhalb von zwei Wochen nach Einlangen des genehmigten Flächenwidmungsplanes hat der Bürgermeister unter Hinweis auf die Verlautbarung der Genehmigung der Landesregierung im Landesamtsblatt diesen nach den Bestimmungen des § 75 der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965, bzw. des § 70 des Eisenstädter Stadtrechtes, LGBl. Nr. 38/1965, bzw. des § 70 des Ruster Stadtrechtes, LGBl. Nr. 39/1965, kundzumachen. Der Flächenwidmungsplan tritt nach Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft.
(11) Der rechtswirksame Flächenwidmungsplan ist im Gemeindeamt (Magistrat) der allgemeinen Einsicht während der Amtsstunden zugänglich zu halten.
(12) Je eine Ausfertigung des genehmigten Flächenwidmungsplanes ist beim Amt der Landesregierung und bei der Bezirksverwaltungsbehörde aufzubewahren."
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich kein Hinweis, daß die Bestimmungen der §§ 19 Abs. 4 bzw. 18 Abs. 3 bis 5 RPlG nicht eingehalten worden wären. Es ist daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 RPlG (daß schon eine widmungsgemäße Nutzung gemäß § 19 Abs. 3 RPlG bestünde, ergibt sich aus den Unterlagen nicht), sowie ob Versagungsgründe im Sinne des § 18 Abs. 7 RPlG vorliegen.
Bestimmungen des RPlG würden dann verletzt werden, wenn sich die Planungsgrundlagen infolge Auftretens neuer Tatsachen oder Planungsabsichten nicht geändert hätten (§ 19 Abs. 2 RPlG).
Diesbezüglich bringt die Beschwerdeführerin vor, daß schon anläßlich der 5. Änderung des Flächenwidmungsplanes die Umwidmung von 35 Grundstücken von "Grünland" in "Aufschließungsgebiet-Industriegebiet" vorgesehen war, wobei die Errichtung eines Einkaufszentrums geplant war. Dieses Planungsziel bestand weiterhin; aufgrund der durch die Novelle zum RPlG LGBl. Nr. 12/1994, die am 15. Februar 1994 in Kraft getreten ist, konnte die Widmungskategorie "Bauland-Industriegebiet" die Errichtung eines Einkaufszentrums nicht mehr widmungsrechtlich abstützen. (Gemäß § 14d Abs. 4 lit. a RPlG ist die Bewilligung für ein Einkaufszentrum mit Bescheid zu erteilen, wenn die für die Errichtung vorgesehenen Flächen als Bauland-Geschäftsgebiet, Bauland-Betriebsgebiet oder Bauland-gemischtes Baugebiet ausgewiesen sind und weitere Voraussetzungen vorliegen.) Als im Jahre 1995 ein Projektwerber mit der Absicht an die Gemeinde herangetreten war, auf den hier gegenständlichen Grundstücken ein Einkaufszentrum zu errichten, sah sich die Gemeinde gezwungen, der durch die Novelle LGBl. Nr. 12/1994 geschaffenen Rechtsänderung durch eine Umwidmung der damals wie heute für ein Einkaufszentrum vorgesehenen Grundstücke auf "Bauland-Betriebsgebiet" Rechnung zu tragen; nur dadurch habe der durch die 5. Änderung geschaffene Widmungsstand beibehalten werden können.
Tatsächlich ergibt sich aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Bescheid der belangten Behörde vom 26. Jänner 1990, mit welchem die 5. Änderung des Flächenwidmungsplanes der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde genehmigt worden ist, daß die Widmung landwirtschaftlicher Flächen im Ausmaß von ca. 30 Hektar im Bereich des Knotenpunktes der geplanten Ostautobahn und der Bundesstraße B 50 als "Aufschließungsgebiet-Industriegebiet" zwecks Errichtung eines Einkaufszentrums vorgesehen war.
Die Beschwerdeführerin verweist hinsichtlich der Zulässigkeit der Flächenwidmungsplanänderung gemäß § 19 Abs. 2 RPlG auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1994, B 105/93, welches eine Änderung des Flächenwidmungsplanes von Bauland-Betriebsgebiet in Bauland-Industriegebiet betraf, die nur deshalb erforderlich war, weil das neue (Nö) Raumordnungsgesetz 1976 Änderungen statuierte, die den ursprünglichen Planungsabsichten zuwiderliefen. Der Verfassungsgerichtshof sah gerade die in Anbetracht des Vertrauensschutzes auf bestehende Flächenwidmungen zielenden gesetzlichen Voraussetzungen einer Änderung des Flächenwidmungsplanes als gegeben an. Wenn der Landesgesetzgeber die ursprünglich intendierte Rechtswirkung der gemeindlichen Widmung verändert hat, sodaß die (aufgrund früherer Bestimmungen) erfolgte Nutzung ausgeschlossen wurde, ist für die Gemeinde die Notwendigkeit entstanden, ihre ursprüngliche Planungsabsicht durch ausdrückliche Umwidmung zu verwirklichen.
Auch wenn der Wortlaut des § 19 Abs. 2 RPlG ("... wenn sich die Planungsgrundlagen infolge Auftretens neuer Tatsachen oder Planungsabsichten in der Gemeinde wesentlich geändert haben") gegenüber § 22 Abs. 1 Z. 2 NöROG ("wegen wesentlicher Änderung der Grundlagen") enger erscheint, so geht es doch darum, daß die Änderung von Flächenwidmungsplänen nicht schon dann zulässig sein soll, wenn der Gemeinderat zur Auffassung gelangt, eine andere als die von ihm seinerzeit festgelegte Widmung wäre die bessere, vernünftigere und zweckmäßigere; derartige oder ähnliche Motive des Verordnungsgebers lägen wohl jeder Änderung einer Verordnung zugrunde und die im § 19 Abs. 2 RPlG auferlegten Beschränkungen wären dann sinnlos (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1987, VfSlg. Nr. 11.374).
Davon kann aber im gegebenen Fall keine Rede sein: Nicht die Gemeinde hat ihre Planungsabsicht geändert, weil sie zur Auffassung gelangte, eine andere Widmung wäre vernünftiger oder zweckmäßiger, sondern der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen für die Errichtung von Einkaufszentren raumordnungsrechtlich (durch die Schaffung des § 14d RPlG) neu geregelt. Gerade weil mit der verbindlichen Festlegung der Widmung durch den Verordnungsgeber jenes Maß an Rechtssicherheit einzutreten hat, welches es den Rechtsunterworfenen ermöglichen soll, im Vertrauen auf die Rechtsgrundlage ihre individuellen Planungsabsichten zu gestalten und mit der Rechtslage zu koordinieren, muß die Änderung der Rechtsgrundlage, die der der bisherigen Widmung zugrundeliegenden Planungsabsicht zuwiderläuft, als neue Planungsgrundlage im Sinne des § 19 Abs. 2 RPlG angesehen werden. Ein Widerspruch zu dieser Bestimmung ist mit der beabsichtigten Änderung somit nicht verbunden.
Daß die geplante Änderung dem Landesraumordnungsplan (LGBl. Nr. 25/1992) widersprechen würde, ist nicht erkennbar.
Schließlich darf die geplante Änderung gemäß § 18 Abs. 7 lit. a RPlG dem Entwicklungsprogramm nicht widersprechen.
Tatsächlich sieht das Landesentwicklungsprogramm, LGBl. Nr. 48/1994, in seinem Punkt 2.1.2.1. die Gemeinde Parndorf als Standort für Gewerbe und Industrie der Stufe 2 vor; nach Punkt 2.1.2. sind Standorte für Gewerbe und Industrie Standorte für hochwertige Arbeitsplätze der Industrie und des produzierenden Gewerbes von regionaler und überregionaler Bedeutung, die aufgrund ihrer Eignung den diesbezüglich vorrangigen Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen.
Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß ein Einkaufszentrum keine Arbeitsplätze der INDUSTRIE UND DES PRODUZIERENDEN GEWERBES anbietet. Allerdings sieht
Punkt 3.1.1.4. des Landesentwicklungsprogrammes für Betriebsgebiete vor, daß diese Widmung in SÄMTLICHEN Gemeinden zulässig ist. Punkt 3.1.1.5. sieht für Industriegebiete vor, daß Neuwidmungen von Bauland-Industriegebiet grundsätzlich nur in Standorten für Gewerbe und Industrie der Stufen 1 und 2 zulässig sind. Dies bedeutet, daß in Parndorf Widmungen von Bauland-Industriegebiet erfolgen DÜRFEN, daß damit aber nicht ein Verbot für die Widmung "Bauland-Betriebsgebiet" ausgesprochen ist. Ein die Versagung der Änderung rechtfertigender Widerspruch zum Landesentwicklungsprogramm ist durch eine Umwidmung in "Bauland-Betriebsgebiet" somit nicht gegeben.
Was die weiteren Untersagungsgründe des § 18 Abs. 7 RPlG betrifft, käme nach den Aktenunterlagen nur jener der lit. c in Betracht: Einen Versagungsgrund bildet die Verhinderung einer im ÜBERÖRTLICHEN Interesse liegenden Entwicklung der Gemeinde oder ihrer Nachbargemeinde. Aus der Stellungnahme der Stadtgemeinde Neusiedl/See vom 13. März 1996 geht nur hervor, daß eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt Neusiedl/See befürchtet wird, nicht aber, daß irgendwelche überörtlichen Interessen betroffen wären. Insbesondere wird nicht behauptet, daß die "Strukturzerstörung" der Wirtschaft der Stadt Neusiedl/See die im überörtlichen Interesse liegende Entwicklung beeinträchtigen würde.
Ausgehend von den von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgelegten Aktenunterlagen, die zur Ermittlung des relevanten Sachverhaltes ausgereicht haben, kann der Verwaltungsgerichtshof somit keinen Grund erkennen, aus dem die begehrte Genehmigung der Änderung des Flächenwidmungsplanes zu versagen wäre. Im Hinblick auf den Umstand, daß die Verordnung einen wesentlich größeren Umfang hat und die belangte Behörde erklärt hat, daß Ursache der unterbliebenen Entscheidung die Widmungsänderung des im Spruch umschriebenen Gebietes gewesen sei, war diesbezüglich mit einer Entscheidung gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG vorzugehen.
Eine Kostenentscheidung entfiel, weil die Beschwerdeführerin Kostenersatz nicht begehrt hat.
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996050289.X00Im RIS seit
07.06.2001