Entscheidungsdatum
02.10.2020Norm
BVergG 2018 §327Spruch
W131 2235409-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Einzelrichter iZm dem Nachprüfungsverfahren zur Anfechtung der Zuschlagsentscheidung im Vergabeverfahren des Auftraggebers Reinhaltungsverband Mittlere Antiesen (= AG) mit der Bezeichnung "ABA RHV Mittlere Antiesen – Kanalsanierung Teil I – 2020“ aufgrund des Antrags der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (=ASt) XXXX auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV), die Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens bei sonstiger Nichigkeit und Exekution zu untersagen, folgenden Beschluss:
A)
Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wird insoweit stattgegeben, als es dem Reinhaltungsverband Mittlere Antiesen hiermit für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, wie derzeit beim Bundesverwaltungsricht zur Verfahrenszahl W131 2235409-2 protokolliert, untersagt ist, den Zuschlag im Vergabeverfahren "ABA RHV Mittlere Antiesen – Kanalsanierung Teil I – 2020" zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. In dem im Entscheidungskopf ersichtlichen Vergabeverfahren wurde eine Zuschlagsentscheidung versandt, die von der ASt mit Nachprüfungsantrag bekämpft wird.
Zur Absicherung des Nachprüfungsantrags beantragte die ASt mit den entsprechenden Form- und Inhaltserfordernissen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV), nachdem eine Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung nach Zuschlagserteilung nicht mehr in Betracht kommt - § 334 Abs 2 BVergG 2018; und insoweit neben seitens der ASt geltend gemachten drohenden finanziellen Nachteilen die Referenzauftragschance der ASt vor der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag zunichte gemacht wäre.
2. Die ASt brachte die Rechtsschutzeingabe entsprechend den Ausschreibungsunterlagen beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein, welches diese Rechtsschutzeingabe an das BVwG gemäß § 6 AVG weiterleitete.
Insoweit ist es rechtlich vorwegnehmend unstrittig, dass der gegenständlichen Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung rechtzeitig gemäß § 344 Abs 4 BVergG ist.
3. Nach Protokollierung der Rechtsschutzeingabe beim BVwG am 25.09.2020 verständigte das BVwG den AG samt dessen vergebender Stelle vor dem Ablauf der Stillhaltefrist gemäß Zuschlagsentscheidung vom eV - Begehren auf Untersagung der Zuschlagserteilung.
Der AG verneinte das Interesse der ASt an einer eV pauschal ohne substanitiiert dargestellte gegenläufige Interressen; und brachte bislang va Argumente zu der seines Erachtens vorliegenden Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags vor. Die ausdrücklich abgefragte Zuschlagserteilung wurde ausdrücklich verneint und insoweit auch nicht die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags nicht geltend gemacht, so dass die maW partiell als rechtmäßig vorgebrachte "Zuschlagserteilung" - in Vorwegnahme der rechtlichen Wertung - bei der inhaltlichen Entgegnung zum Nachprüfungsantrag als offenkundiges Vergreifen im Ausdruck zu bewerten war [, wie auch seitens des zuständigen Rechtsanwaltsanwärters der Vertretung des Auftraggebers am 02.10.2020 telefonisch gegenüber dem Richter bestätigt].
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Verfahrensgang wird mit den darin festgehaltenen Vergabeverfahrenstatsachen als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt; und ergibt sich dieser aus dem Inhalt der Verfahrensakten W131 2235409-1, -2 und -3.
Dz ist gerichtnotorisch nicht ersichtlich, dass das gegenständliche Nachprüfungsverfahren länger als bis zum Ablauf der sechswöchigen Entscheidungsfrist gemäß § 348 BVergG 2018 dauern sollte.
Die namens der ASt geltend gemachten (drohenden) Schäden in Form eines Entgangs des Gewinns aus dem ausgeschriebenen Auftrag und der drohende Referenzauftragsentgang stellen Interessen der ASt an der eV - Erlassung dar, die glaubhaft sind.
Weder die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin noch der AG haben substantiiert Interessen gegen die eV - vorgebracht, die diese Interessen der ASt überwiegen könnten. Gegen die eV - Erlassung sprechende Interessen iSv § 351 Abs 1 BVergG sind auf tatsachenebene auch sonst nicht bekannt geworden.
Der Zuschlag ist noch nicht erteilt.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt und Verfahrensgang ergeben sich unstrittig aus den Gerichtsakten samt vorgelegten Vergabeunterlagen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zulässigkeit des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:
2.1. Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der Antragstellerin zur Stellung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 (= BVergG) zu prüfen, ob der ASt die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Abschluss des Vertrags befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung – nämlich der Zuschlagsentscheidung – behauptet wurde, dass die Antragstellerin ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG 2018 (= BVergG) unterliegenden Vertrags behauptet hat, sowie dass der ASt durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte. Ein offensichtliches Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG ist somit nicht gegeben.
2.2. Die Rechtsschutzanträge der ASt erfüllen – soweit im Provisorialverfahren ersichtlich – auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen, zumal effektiver Rechtsschutz gemäß der RL 89/665/EWG zu gewährleisten ist.
Die Vergabekontrollzuständigkeit des BVwG ist mittlerweile unbestritten.
3.2. Inhaltlich zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
Gemäß § 350 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß § 351 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Gemäß § 351 Abs 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und des Auftraggebers, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint daher (insb mangels gegenläufig konkretisierter Auftraggeberinteressen) ein Überwiegen der nachteiligen Folgen der einstweiligen Verfügung für die bewilligte Dauer nicht gegeben, da mit der Untersagung der Zuschlagserteilung ein Voranschreiten im Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung im Rahmen des gelindesten zum Ziel führenden Sicherungsmittels verhindert wird, zumal durch die aktuell im Vergabeverfahren anstehende Zuschlagserteilung der Rechtsgestaltungsantrag auf Nichtigerklärung vor der Sachentscheidung über den diesen Rechtsgestaltungsantrag unzulässig würde. Mit der erlassenen eV wird insb die Referenzauftragschance der ASt gewahrt, zumal nach dem Gesetzeskonzept eben grundsätzlich erst im Nachprüfungsverfahren die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu prüfen ist.
Die AG und die dz für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieterin haben gegen diese begehrte Sicherungsmaßnahme nichts Substantiiertes vorgebracht. Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Auftraggeber zumindest ein Nachprüfungsverfahren sowie die damit einhergehende Verzögerung des Vergabeverfahrens einzukalkulieren.
Dementsprehend war die beantragte eV zu erlassen.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision war gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zuzulassen, weil die gegenständliche Entscheidung eine Einzelfallentscheidung vor dem Hintergrund einer tatasachenmäßigen Interessensabwägung in diesem speziellen Einzelfall darstellt, ohne dass insoweit grundsätzliche Rechtsfragen aufgeworfen wurden.
Schlagworte
Ausschreibung Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Zuschlagsverbot für die Dauer des NachprüfungsverfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W131.2235409.1.00Im RIS seit
19.01.2021Zuletzt aktualisiert am
19.01.2021