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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §60;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. September 1995, Zl. 303.037/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 8. November 1993 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Die Behörde erster Instanz wies den Antrag im zweiten Rechtsgang mit dem Bescheid vom 19. Mai 1995 gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, daß das monatliche Geschäftsführerhonorar von ca. S. 12.000,-- auch im Hinblick auf die Mietzinsbelastung von monatlich ca. S 7.864,-- nicht als ausreichend angesehen werden könne, sodaß der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei.
In der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, daß der Mietzins laut Mietvertrag monatlich S 5.785,-- + S 970,-- betrage (die vorgelegte Rechnung von S 7.864,-- sei eine außerordentliche Rechnung gewesen) und daß aus dem Mietvertrag ersichtlich sei, daß ihr Lebensgefährte Mitunterzeichner des Mietvertrages sei und entsprechend die Hälfte des angeführten Mietzinses übernehme. Er verdiene dasselbe Geschäftsführerhonorar wie sie in der Höhe von monatlich S 12.000,--. Ihre monatliche Mietzinsbelastung betrage tatsächlich S 3.377,50.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid (erneut) gemäß § 5 Abs. 1 AufG ab. Sie begründete ihre Entscheidung folgendermaßen:
"Die Berufungsbehörde hat Ihren Antrag einer genauen Überprüfung unterzogen und dabei festgestellt, daß Sie auch noch für zwei minderjährige Kinder sorgepflichtig sind. Zur Berechnung des Unterhaltes war daher von einer dreiköpfigen Familie auszugehen.
Diese Beurteilung zeigt in Ihrem Fall, daß einem grundsätzlichen Mindestbedarf von öS 14.269,-- für drei Personen gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien, tatsächlich öS 12.000,--, welche von Ihnen aufgebracht werden können, gegenüberstehen. Angesichts dieser Differenz kann eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden."
Des weiteren sei bei einer Abwägung im Sinne des Art. 8 MRK ein Überwiegen der öffentlichen Interessen festzustellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 28. Juni 1988, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.
Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren nicht nur den Bezug von S 12.000,-- an Geschäftsführergehalt angegeben, sondern darüber hinaus Urkunden vorgelegt, daß sie zu 50 % Gesellschafterin der M-Ges.m.b.H. mit einer Gesellschaftereinlage von S 250.000,--, davon bar einbezahlt S 125.000,--, sei und diese Gesellschaft nach der vorläufigen Saldenliste per 31. Dezember 1993 einen vorläufigen Gewinn in Höhe von S 81.583,49 erzielt habe. Der vorläufige Gewinn für die Monate Jänner und Februar 1994 habe laut Saldenliste S 42.667,09 betragen. Des weiteren legte die Beschwerdeführerin die Bilanz der Gesellschaft und die Gewinn- und Verlustrechnung für 1993 vor. Außerdem legte sie eine Verpflichtungserklärung der N vor, nach der sich diese verpflichte, für den Unterhalt und die Unterkunft der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder Milan und Milica für die Dauer eines Besuches von sechs Monaten aufzukommen, wobei ein Einkommen der verpflichteten Person in Höhe von S 19.878,-- netto für den November 1993 bescheinigt wurde. Die belangte Behörde hat sich mit den genannten Umständen nicht auseinandergesetzt und auch eventuell darin enthaltene Unstimmigkeiten nicht aufgezeigt. Die belangte Behörde führt andererseits auch den von der Beschwerdeführerin tatsächlich zu zahlenden Mietzins nicht an, sodaß nicht erkennbar ist, aufgrund welchen Sachverhaltes sie hinsichtlich der der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehenden Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Dauer der angestrebten Bewilligung zu einer Summe von S 12.000,-- gekommen ist.
Darüber hinaus erweist sich der angefochtene Bescheid auch im Hinblick auf den als Maßstab herangezogenen Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien als nicht nachvollziehbar. Denn nach § 1 Abs. 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung, LGBl. für Wien Nr. 68/1994, ergebe sich - ohne Berücksichtigung des Mietaufwandes - für die Beschwerdeführerin als Hauptunterstützte (S 4.652,--) und zwei Kinder als Mitunterstützte (ohne Anspruch auf Familienbeihilfe je S 2.388,--, mit Anspruch auf Familienbeihilfe je S 1.431,--) ein Richtsatz zur Sicherung des Lebensunterhaltes von (insgesamt) S 9.428,-- im ersten, S 7.514,-- im zweiten Falle. Mangels entsprechender Darlegungen der belangten Behörde ist der von ihr angenommene grundsätzliche Mindestbedarf von S 14.269,-- für drei Personen daher nicht nachvollziehbar.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Umfang des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191416.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
09.10.2014