TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/22 W114 2234396-1

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Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
Erzeuger-Rahmenbedingungen-Verordnung §7
MOG 2007 §1
MOG 2007 §7 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W114 2234396-1/2E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch XXXX , XXXX , XXXX , vom 27.02.2020 gegen den Bescheid des Vorstandes für den GB I der Agrarmarkt Austria (AMA), Dresdner Straße 70, 1200 Wien, vom 29.01.2020, AZ 20010/I/1/1/Pf/Br, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 13.09.2019 beantragte die XXXX , XXXX , XXXX (im Folgenden Beschwerdeführerin oder BF) die Anerkennung als Erzeugerorganisation für die Erzeugnisse Äpfel und Birnen sowie die Genehmigung der Auslagerung der Tätigkeiten Lagerung, Sortierung und Aufbereitung. Sie beantragte auch die Genehmigung des vorgelegten operationellen Programms für die Jahre 2020-2024 ab dem Zeitpunkt der Anerkennung als Erzeugerorganisation. Diesen Anträgen wurden verschiedene damit in Zusammenhang stehende Dokumente angefügt.

2. Auf Verlangen der AMA vom 18.11.2019 und 20.12.2019 legte die BF weitere Unterlagen vor.

3. Mit Bescheid vom 29.01.2020, AZ 20010/I/1/1/Pf/Br, wies die AMA den Antrag auf Anerkennung als Erzeugerorganisation ab (Spruchpunkt 1). Das vorgelegte operationelle Programm wurde nicht genehmigt (Spruchpunkt 2).

Die AMA führte begründend aus, dass der Mindestwert nach § 7 Abs. 6 Z 3 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO nicht erreicht werde. Aus den vorgelegten Unterlagen der BF gehe hervor, dass der für das Wirtschaftsjahr 2018/2019 erzielte Umsatz unter den erforderlichen EUR 15 Mio. liege. Weiters führe die BF keine ausreichenden Andienungskontrollen zur Kenntnis der Erzeugung ihrer Mitglieder durch; das vorgelegte Kontrollsystem werde nicht entsprechend umgesetzt. Die BF übe zudem nicht drei der in § 8 Abs. 2 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO aufgezählten Tätigkeiten selbst aus. Die Vermarktung der Erzeugnisse durch die 50 prozentige Tochtergesellschaft der BF ( XXXX ) sei nicht der BF zurechenbar, sondern stelle eine Auslagerung dar, sodass die BF letztlich nur zwei der in § 8 Abs. 2 genannten Tätigkeiten selbst ausübe. Schlussendlich sei auch der Warenfluss zwischen der BF und den „Packhäusern“ aus kaufmännischer Sicht nicht nachvollziehbar. Die BF beauftrage diese Packhäuser (als Dienstleister) mit der Sortierung, Verpackung und Lagerung der Erzeugnisse. In weiterer Folge komme es zum Verkauf der Erzeugnisse an diese Packhäuser. Nach Ansicht der AMA könne man diese allerdings nicht als Abnehmer bzw. Kunden qualifizieren, weil sie die Erzeugnisse erst in Verkehr bringen würden. Somit wären die Packhäuser tatsächlich als Vermarkter zu qualifizieren, wofür es allerdings an einem Dienstleistungsvertrag und einer 25 prozentigen Beteiligung an diesen Unternehmen fehle.

Da somit mehrere Voraussetzungen für die Anerkennung als Erzeugerorganisation nicht vorliegen würden, habe die AMA diesem Antrag nicht stattgeben können. Mangels Anerkennung als Erzeugerorganisation habe auch das vorgelegte operationelle Programm nicht genehmigt werden können.

Der Bescheid wurde der BF am 03.02.2020 zugestellt.

4. Die BF, vertreten durch XXXX , XXXX , XXXX , erhob dagegen mit Schriftsatz vom 27.02.2020 fristgerecht Beschwerde.

Begründend wurde ausgeführt, dass § 7 Abs. 6 der Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO gleichheits- und somit verfassungswidrig sei. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum bei der überwiegenden Vermarktung von Äpfeln in bestimmten Bundesländern erhöhte Anerkennungsvoraussetzungen normiert werden würden. Auf unionsrechtlicher Ebene sei kein konkreter Mindestwert festgesetzt worden, sodass der nationale Verordnungsgeber einen niedrigeren bzw. einheitlichen Wert hätte festlegen können. Bei verfassungskonformer Auslegung hätte die belangte Behörde nach Ansicht der BF zum Ergebnis kommen müssen, dass die Mindestabsatzmenge erreicht und dass damit diese Anerkennungsvoraussetzung erfüllt sei. Vor diesem Hintergrund rege die BF an, das angerufene Verwaltungsgericht möge einen Antrag auf Aufhebung des § 7 Abs. 6 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO beim Verfassungsgerichtshof stellen. Darüber hinaus wären die übrigen Anerkennungsvoraussetzen entgegen der Ansicht der AMA erfüllt. So müsse die BF bei Antragstellung noch keine Kontrollen ihrer Erzeuger durchführen. Vielmehr müsse sie zu diesem Zeitpunkt lediglich über Personal, Infrastruktur und Ausrüstung verfügen, um diese Kontrollen ab Anerkennung als Erzeugerorganisation durchführen zu können. Die BF erfülle daher die Voraussetzung des Art. 7 lit. a der VO (EU) 2017/891. Außerdem vermarkte die BF ihre Erzeugnisse selbst, indem sie diese z.T. an die genannte XXXX verkaufe. Bei dieser Gesellschaft handle es sich nämlich um eine exportorientierte Großhändlerin. Da unter der „Vermarktung“ das In-Verkehr-Bringen der Erzeugnisse zu verstehen ist, liege die Vermarktung u.a. durch den Verkauf an die genannte Gesellschaft (als Großhändlerin) vor. Zuletzt beruhe die rechtliche Würdigung in Bezug auf die „Packhäuser“ auf falschen Feststellungen. Diese würden zwar auf Kosten der BF die Sortierung, Verpackung und Lagerung der Erzeugnisse übernehmen. Allerdings würden die Packhäuser diese Ware nur zu einem Teil selbst kaufen, die anderen Teilen würden an die XXXX bzw. andere Großhändler verkauft werden. Die BF vermarkte ihre Erzeugnisse daher selbst und übe daher drei der in § 8 Abs. 2 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO genannten Tätigkeiten aus.

Die BF beantrage, dass das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchführen und in der Sache selbst erkennen möge. Der angefochtene Bescheid möge dahingehend abgeändert werde, dass dem Antrag auf Anerkennung als Erzeugerorganisation und auf Genehmigung des vorgelegten operationellen Programms stattgegeben werde.

5. Mit Schreiben vom 25.08.2020 legte die AMA dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde und die Unterlagen des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor. Die AMA bemerkte u.a. dazu an, dass § 7 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO aufgrund unterschiedlicher Anbaubedingungen und Erträge in den Bundesländern unterschiedliche Mindestwerte vorsehe. Nach Ansicht der AMA liege daher keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die BF ist eine juristische Person mit Firmensitz in der politischen Gemeinde XXXX im Bundesland Steiermark.

1.2. Sie beantragte am 13.09.2019 die Anerkennung als Erzeugerorganisation für die Erzeugnisse Äpfel und Birnen. Dabei legte sie u.a. folgende Dokumente vor:

?        Errichtungsurkunde und Firmenbuchauszug der BF

?        Produktionsstatistik 2018, aufgeschlüsselt nach Mitgliedern (inkl. Gesamtumsatz)

?        Wert der vermarkteten Erzeugung 2018/2019, aufgeschlüsselt nach Sorten

1.3. Am selben Tag beantragte die BF die Genehmigung des vorgelegten operationellen Programms für die Jahre 2020-2024.

1.4. Der von der BF erwirtschaftete Umsatz (ohne USt.) aus dem Verkauf von Äpfeln und Birnen lag im Wirtschaftsjahr 2018/2019 bei EUR 14.629.254,18. Davon entfielen EUR 14.220.782,55, und damit ca. 97 % des Gesamtumsatzes, auf den Verkauf von Äpfeln.

1.5. Gemessen an der Erntemenge überwiegt der Obst- und Gemüseanbau in Österreich in den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und Wien gegenüber den übrigen Bundesländern. Innerhalb des Sektors Obst überwiegt die Ernte von Äpfeln deutlich.

2.       Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die angeführten Feststellungen zur BF und ihrem Antrag ergeben sich aus den von der AMA vorgelegten Unterlagen des verfahrensgegenständlichen Verwaltungsverfahrens.

Die Feststellung zum Obst- und Gemüseanbau in Österreich beruht auf den folgenden Erhebungen der Statistik Austria:

?        Obsternte 2019 nach Bundesländern

?        Gemüseernte 2016 bis 2019 nach Bundesländern

Diese belegen die Unterschiede in der Ertragsmenge. Ebenso zeigen diese Erhebungen, dass die Ernte von Äpfeln mengenmäßig überwiegt. So entfiel 2019 ca. 82 % des geernteten Obstes auf Äpfel.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zur Zuständigkeit:

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 MOG 2007 ist die Erlassung, Änderung und Aufhebung von Vorschriften zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen Bundessache. Diese Vorschriften können unmittelbar von Bundesbehörden vollzogen werden.

Gemäß § 2 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 1 Z 1 Erzeuger-Rahmenbedingungen-Verordnung ist die AMA für die Vollziehung dieser Verordnung und der VO (EU) 1308/2013 im Bereich der Erzeugerorganisation zuständig.

Somit liegt eine Rechtssache in einer Angelegenheit der Vollziehung des Bundes vor, welche von der AMA als Bundesbehörde besorgt wird. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid unterliegt daher der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts.

Zu Spruchteil A)

3.2.    Anzuwendende Rechtsvorschriften:

Die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671 [im Folgenden VO (EU) 1308/2013], zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2017/2393, lautet auszugsweise:

„Artikel 154

Anerkennung der Erzeugerorganisationen

(1) Um durch einen Mitgliedstaat anerkannt zu werden, muss es sich bei der Erzeugerorganisation, die einen entsprechenden Antrag stellt, um eine juristische Person oder genau definierte Teile einer juristischen Person handeln,

[…]

b) der eine Mindestanzahl von Erzeugern angeschlossen ist und/oder die innerhalb ihres jeweiligen Tätigkeitsbereichs eine von dem jeweiligen Mitgliedstaat festzusetzende Mindestmenge bzw. Mindestwert an vermarktbaren Erzeugnissen abdeckt;

[…].“

Die Delegierte Verordnung (EU) 2017/891 der Kommission vom 13.03.2017 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Sektoren Obst und Gemüse sowie Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse und zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die in diesen Sektoren anzuwendenden Sanktionen und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission, ABl. L 138 vom 25.05.2017, S. 4 [im Folgenden VO (EU) 2017/891], zuletzt geändert durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/743, lautet auszugsweise:

„Artikel 1

Gegenstand und Geltungsbereich

Diese Verordnung ergänzt die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 in Bezug auf die Sektoren Obst und Gemüse […].“

„Artikel 9

Mindestwert der vermarkteten Erzeugung

Für die Zwecke von Artikel 154 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 legen die Mitgliedstaaten zusätzlich zur Mindestanzahl von Mitgliedern für Erzeugerorganisationen, die ein operationelles Programm durchführen, einen Mindestwert der vermarkteten Erzeugung fest.“

„Artikel 33

Entscheidung

(1) Die Mitgliedstaaten

a) genehmigen die Höhe der Betriebsfonds und die operationellen Programme, wenn sie die Voraussetzungen der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 und dieses Kapitels erfüllen;

b) genehmigen die operationellen Programme, sofern die Erzeugerorganisation bestimmte Änderungen akzeptiert, oder

c) lehnen die operationellen Programme oder Teile der Programme ab.

(2) […] Die Mitgliedstaaten teilen den Erzeugerorganisationen die Entscheidungen bis zum 15. Dezember mit. […]“

Das Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 idF BGBl. I Nr. 104/2019, lautet auszugsweise:

„Beihilferegelungen

§ 7. (1) Der Bundesminister oder die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus kann durch Verordnung, soweit die jeweiligen Regelungen des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts eine Durchführung hinsichtlich der technischen Abwicklung bei

[…]

9. Beihilfen an Erzeugerorganisationen im Rahmen der Abwicklung operationeller Programme einschließlich Maßnahmen zur Krisenprävention und zum Krisenmanagement,

[…]

einschließlich der Anerkennung von Erzeugerorganisationen vorsehen und soweit diese in den zugrundeliegenden Regelungen des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts bestimmt, bestimmbar oder begrenzt ist, die näheren Vorschriften erlassen. […]“

Die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit Rahmenbedingungen für Erzeuger zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung und zur Stärkung ihrer Marktstellung (Erzeuger-Rahmenbedingungen-Verordnung), BGBl. II Nr. 326/2015 idF BGBl. II Nr. 373/2018, lautet auszugsweise:

„Anwendungsbereich

§ 1. (1) Diese Verordnung dient der Durchführung

1. der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007, ABl. Nr. L 347 vom 20.12.2013 S. 671 im Bereich der Erzeugerorganisationen, Vereinigungen von Erzeugerorganisationen und Branchenverbände und der diesen Organisationen eingeräumten Möglichkeiten und Aufgaben,

[…]

4. der Delegierten Verordnung (EU) 2017/891 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 in Bezug auf die Sektoren Obst und Gemüse sowie Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse und zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 in Bezug auf die in diesen Sektoren anzuwendenden Sanktionen und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011, ABl. Nr. L 138 vom 25.05.2017 S. 4,

[…]

6. der delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte zur Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 in Bezug auf Erzeugerorganisationen, Vereinigungen von Erzeugerorganisationen und Branchenverbände, Betriebsfonds und operationelle Programme sowie Vertragsverhandlungen und -beziehungen.

(2) Diese Verordnung regelt

1. die Anerkennung von Erzeugerorganisationen, Vereinigungen von Erzeugerorganisationen und Branchenverbänden mit Ausnahme der Anerkennung von Branchenverbänden im Sektor Wein,

2. die von den in Z 1 genannten Organisationen wahrzunehmenden Aufgaben,

3. den Inhalt von Verträgen im Sektor Milch.“

„Zuständigkeit

§ 2. (1) Für die Vollziehung dieser Verordnung und der in § 1 genannten Rechtsakte ist, soweit nicht in Abs. 3 andere Zuständigkeiten festgelegt sind, die „Agrarmarkt Austria“ (AMA) zuständig. […]“

„Allgemeine Anerkennungsvoraussetzungen von Erzeugerorganisationen

§ 7. (1) Erzeugerorganisationen haben bei der AMA einen Antrag auf Anerkennung gemäß Art. 154 bzw. gemäß Art. 161 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 zu stellen. […]

(2) Eine Erzeugerorganisation ist anzuerkennen, wenn

1. es sich bei der Erzeugerorganisation um eine juristische Person handelt,

2. der Erzeugerorganisation mindestens zehn Erzeuger, die im betreffenden Sektor jährlich mindestens 500 kg für Zwecke der Vermarktung produzieren, angehören,

3. die Erzeugerorganisation eine jährliche Mindestmenge der vermarkteten Erzeugung,

a) im Sektor Milch ausgedrückt durch eine jährliche Mindestmenge an gelieferter Rohmilch oder Rohmilchäquivalent von 3 000 t und

b) in den übrigen Sektoren ausgedrückt durch den Wert der vermarkteten Erzeugung, von 1 Million Euro

aufweist, wobei bei Neugründungen von Erzeugerorganisationen, die nicht als Zusammenschluss im Sinne von Art. 15 der Verordnung (EU) 2017/891 geschaffen werden, die Mindestmenge zudem von Erzeugern gebildet werden muss, die in den letzten drei Jahren bei keiner anderen Erzeugerorganisation waren,

4. die Voraussetzungen, die in den in § 1 angeführten Rechtsakten vorgesehen sind, erfüllt sind sowie

5. die zusätzlichen sektorbezogenen speziellen Anerkennungsvoraussetzungen eingehalten werden.

[…]

(6) Für Erzeugerorganisationen im Sektor Obst und Gemüse in den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und Wien gelten abweichend von Abs. 2 Z 2 und Z 3 lit. b folgende sektorbezogene Anerkennungsvoraussetzungen:

1. Der Erzeugerorganisation gehören mindestens 20 Erzeuger, die im Sektor Obst und Gemüse jährlich mindestens 500 kg für Zwecke der Vermarktung produzieren, an.

2. Die Erzeugerorganisation weist eine jährliche Mindestmenge, ausgedrückt durch den Wert der vermarkteten Erzeugung, in Höhe von 4 Millionen Euro auf.

3. Bei einer Erzeugerorganisation, bei der sich der Wert der Erzeugung überwiegend aus der Vermarktung von Äpfeln ergibt, liegt eine jährliche Mindestmenge, ausgedrückt durch den Wert der vermarkteten Erzeugung, in Höhe von 15 Millionen Euro und ab dem Kalenderjahr 2027 in Höhe von 23 Millionen Euro vor.

Zur Bestimmung dieser Schwellenwerte ist eine Erzeugerorganisation jenem Bundesland zuzurechnen, in dem die Mehrheit der Erzeugung stattfindet. Im Zweifelsfall sind die höchsten Schwellenwerte heranzuziehen.“

3.3.    Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 6 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO:

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes setzt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber insofern inhaltliche Schranken, als er unsachliche Differenzierungen sowie unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem verbietet (vgl. jüngst VfGH 10.03.2020, G 163/2019 mwN). Der Gleichheitssatz bindet auch den Verordnungsgeber (vgl. VfSlg 20.257 mwN).

Die differenzierende Regelung des § 7 Abs. 6 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO wurde mit der Novelle BGBl. II Nr. 373/2018 geschaffen. Demnach unterliegen Erzeugerorganisationen im Sektor Obst und Gemüse in den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und Wien erhöhten Anerkennungsvoraussetzungen. Der sachliche Grund für diese Bestimmung zeigt sich bereits mit Blick auf die Erläuterungen zu dieser Novelle: Die österreichische Erzeugerbetriebsstruktur sei inhomogen, sodass idente Anerkennungsvoraussetzungen für alle Erzeugerorganisationen nicht zielführend seien. Demnach seien die Anerkennungskriterien für die „intensiven Regionen“ in den besagten Bundesländern anzuheben, sodass „schlagkräftigere“ Erzeugerorganisationen gebildet werden. Ein solch „intensiverer“ Anbau von Obst und Gemüse in den genannten östlichen Bundesländern ist empirisch belegt, wie sich in den entsprechenden Erhebungen der Statistik Austria für das Jahr 2019 zeigt: Der Obst- und Gemüseanbau hat – gemessen an den Erträgen – eine höhere Bedeutung in diesen Bundesländern. Ebenso zeigt sich in den Statistiken, dass die Ernte von Äpfeln mengenmäßig deutlich im Vordergrund steht. Wenn nun also der Verordnungsgeber aufgrund dieser tatsächlichen Unterschiede eine differenzierende Regelung wie jene des § 7 Abs. 6 einführt, so ist diese sachlich gerechtfertigt.

§ 7 Abs. 6 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO ist zudem aus unionsrechtlicher Sicht unbedenklich. Art. 9 der VO (EU) 2017/891 sieht im Zusammenhang mit der Anerkennung von Erzeugerorganisation in den Sektoren Obst und Gemüse im Gegensatz zur allgemeinen Regelung nach Art. 154 Abs. 1 lit b VO (EU) 1308/2013 verpflichtend einen Mindestwert der vermarkteten Erzeugung vor. Dies solle u.a. die Verhandlungsmacht der Erzeuger von Obst und Gemüse stärken [vgl. den dritten Erwägungsgrund der der VO (EU) 2017/891]. Die Höhe des Mindestwerts wird allerdings den Mitgliedsstaaten überlassen. § 7 Abs. 6 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO ist daher jedenfalls unionsrechtskonform, zumal er gerade auf „schlagkräftigere“ (und damit verhandlungsstärkere) Erzeugerorganisationen abzielt.

§ 7 Abs. 6 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO erweist sich daher als verfassungs- und unionskonform.

3.4.    Zur Anwendbarkeit und Nichterfüllung des § 7 Abs. 6 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO:

Gemäß § 7 Abs. 2 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, um einen Antragssteller als Erzeugerorganisation anzuerkennen. Z 5 dieser Bestimmung normiert, dass zudem „zusätzliche sektorbezogene spezielle Anerkennungsvoraussetzungen“ eingehalten werden müssen. Der soeben erörterte § 7 Abs. 6 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO enthält spezielle und erhöhte Voraussetzungen für die Anerkennung von Erzeugerorganisationen im Sektor Obst und Gemüse in den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und Wien.

Die BF unterliegt dieser besonderen Bestimmung nach § 7 Abs. 6 der Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO: Wie festgestellt hat sie ihren Firmensitz in der Steiermark und beantragt die Anerkennung im Sektor Obst (speziell für die Erzeugnisse Äpfel und Birnen). In der gegenständlichen Angelegenheit ist Z 3 der genannten Bestimmung maßgeblich. Demnach müssen Erzeugerorganisationen, bei denen sich der Wert der Erzeugung überwiegend aus der Vermarktung von Äpfeln ergibt, eine jährliche Mindestmenge iHv EUR 15 Mio. des Wertes der vermarkteten Erzeugung aufweisen. Laut den Erläuterungen zur Novelle BGBl. II Nr. 373/2018 ist „überwiegend“ dann anzunehmen, wenn der Wert der vermarkteten Erzeugung zu mehr als 50 % aus Äpfeln stammt.

Dies trifft auf die BF zu. Wie festgestellt macht der Verkauf von Äpfeln 97 % des Gesamtumsatzes aus. Um als Erzeugerorganisation anerkannt zu werden, muss die BF daher eine jährliche Mindestmenge iHv EUR 15 Mio. des Wertes der vermarkteten Erzeugung aufweisen. Wie sich allerdings aus den eigenen Unterlagen der BF aus dem maßgeblichen Wirtschaftsjahr 2018/2019 ergibt, erreicht sie diesen Wert iHv EUR 15 Mio. nicht.

Da die BF somit die Voraussetzung nach § 7 Abs. 6 Z 3 iVm Abs. 2 Z 5 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO nicht erfüllt, wurde ihr die Anerkennung durch die belangte Behörde bereits deswegen zu Recht versagt. Die Prüfung der übrigen Anerkennungsvoraussetzungen durch das BVwG erübrigt sich daher.

3.5.    Zur Nichtgenehmigung des vorgelegten operationellen Programms:

Aus Art. 33 der VO (EU) 2017/891 geht implizit hervor, dass diese Verordnung die Anerkennung als Erzeugerorganisation voraussetzt, bevor ein operationelles Programm genehmigt werden kann. So spricht Abs. 1 lit. b dieser Bestimmung, dass die Mitgliedsstaaten operationelle Programme genehmigen, „sofern die Erzeugerorganisation bestimmte Änderungen akzeptiert“. Ebenso teilen die Mitgliedsstaaten „den Erzeugerorganisationen“ die Entscheidung (über die Genehmigung des operationellen Programms) bis zum 15. Dezember mit (Abs. 2 der Bestimmung). Die Tätigkeit als Erzeugerorganisation setzt nach Art. 152 und 154 VO (EU) 1308/2013 allerdings zunächst ihre Anerkennung durch den Mitgliedsstaat voraus. Die Genehmigung eines operationellen Programms setzt somit ebenfalls die Anerkennung als Erzeugerorganisation voraus.

Da der Antrag der BF auf Anerkennung als Erzeugerorganisation zu Recht abgewiesen wurde, erfolgte somit auch die Abweisung des Antrags auf Genehmigung des operationellen Programms zu Recht.

3.6.    Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet des Parteiantrages unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde sowie den vorgelegten Unterlagen als für die vorliegende Entscheidung geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nicht vor, wenn die gesetzliche Rechtslage eindeutig ist und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 21.09.2018, Ra 2017/17/0184).

In der gegenständlichen Angelegenheit ist die Rechtslage eindeutig. Das BVwG teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der BF nicht. Die BF erfüllt die klare und unmissverständliche Voraussetzung des § 7 Abs. 6 Z 3 Erzeuger-Rahmenbedingungen-VO nicht. Trotz der fehlenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Verordnung ist daher eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Anerkennungsantrag Erzeugerorganisation Genehmigungsverfahren Gleichbehandlung Gleichheitsgrundsatz Grenzwert Kontrollsystem Mindestanforderung verfassungsrechtliche Bedenken Zurechenbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W114.2234396.1.00

Im RIS seit

19.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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