TE Vwgh Beschluss 2020/12/9 Ra 2020/12/0066

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Index

L22003 Landesbedienstete Niederösterreich
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
B-VG Art133 Abs4
DPL NÖ 1972 §31 Abs4
DPL NÖ 1972 §44 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision des Ing. J S in D, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 4. September 2020, Zl. LVwG-AV-366/001-2020, betreffend Sonderurlaub gemäß § 44 DPL 1972 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber stand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Mit Ablauf des 30. Juni 2020 wurde er in den dauernden Ruhestand versetzt.

2        Im (hier gegenständlichen) Zeitraum von 4. bis 15. Dezember 2017 war der Revisionswerber vom Dienst abwesend.

3        Mit Bescheid vom 11. Jänner 2018 stellte die Niederösterreichische Landesregierung gemäß § 31 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL 1972) fest, dass der Revisionswerber (u.a.) für den oben genannten Zeitraum den Anspruch auf Bezüge und Nebengebühren verloren habe, weil er in dieser Zeit ungerechtfertigt vom Dienst abwesend gewesen sei.

4        Mit Eingabe vom 22. Jänner 2018 beantragte der Revisionswerber für diesen Zeitraum die Gewährung von Sonderurlaub.

5        Diesen Antrag wies die Dienstbehörde mit Bescheid vom 26. Jänner 2018 zurück.

6        Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 6. Mai 2019, mit dem die gegen den zurückweisenden Bescheid vom 26. Jänner 2018 erhobene Beschwerde des Revisionswerbers abgewiesen wurde, hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2019, Ra 2019/12/0040, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

7        Dazu führte der Gerichtshof begründend u.a. Folgendes aus:

„Somit vermag die rechtliche Begründung des angefochtenen Erkenntnisses die Abweisung der (gegen den Zurückweisungsbescheid gerichteten) Beschwerde des Revisionswerbers nicht zu tragen. Überdies sind - wie die Revision weiters aufzeigt - auch die von der Dienstbehörde angesprochenen Gründe nicht geeignet, die Zurückweisung des vorliegenden Antrags auf Gewährung von Sonderurlaub zu stützen:

Die Bindungswirkung des betreffend die Feststellung des Entfalls der Bezüge und Nebengebühren ergangenen Bescheides vom 11. Jänner 2018 steht einer nachträglichen inhaltlichen Erledigung eines Ansuchens um die Gewährung von Sonderurlaub nicht entgegen; dies auch dann nicht, wenn jener Zeitraum, für den Sonderurlaub beantragt wurde, teilweise mit jenem Zeitraum deckungsgleich ist, für den gemäß § 31 DPL 1972 der Entfall der Bezüge wegen ungerechtfertigter Abwesenheit vom Dienst festgestellt wurde.

Die in dem Bescheid vom 11. Jänner 2018 entschiedene Hauptfrage, nämlich die Feststellung des Entfalls von Bezügen und Nebengebühren, ist von der in einem Verfahren betreffend die rechtsgestaltende Gewährung von Sonderurlaub zu lösenden Hauptfrage zu unterscheiden. Daran ändert auch die besondere Kompetenz des Dienststellenleiters gemäß § 31 Abs. 4 zweiter Satz DPL 1972 nichts. In dem Verfahren betreffend die Feststellung des Entfalls der Bezüge und Nebengebühren war die Frage, ob die Abwesenheit des Revisionswerbers vom Dienst (z.B. infolge einer zu diesem Zeitpunkt bereits erteilten Bewilligung von Sonderurlaub) gerechtfertigt war, von der Behörde lediglich als Vorfrage zu beurteilen (vgl. zur im Verfahren gemäß § 31 Abs. 4 erster Satz DPL 1972 zu klärenden Vorfrage der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst VwGH 4.9.2012, 2012/12/0032; zur Bindungswirkung des Spruchs eines Bescheides siehe VwGH 30.6.2016, 2013/07/0262; zur ausschließlich einer Entscheidung über eine Hauptfrage zukommenden Bindungswirkung, die nur den Inhalt des Spruchs, nicht aber die Entscheidungsgründe umfasst, z. B. VwGH 23.11.2017, Ra 2017/22/0081; 20.12.2006, 2004/12/0201).

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass ein auf die Gewährung von Sonderurlaub abzielender Antrag nicht schon deshalb mangels Zulässigkeit zurückzuweisen wäre, weil die dafür erforderlichen materiell-rechtlichen Voraussetzungen von der Behörde allenfalls als nicht gegeben erachtet werden. Richtigerweise wäre auch in einem solchen Fall der in Rede stehende Antrag inhaltlich zu erledigen (vgl. VwGH 21.4.1999, 98/12/0517; demnach ist von der Verpflichtung zur Abweisung eines Antrags für den - hypothetisch angenommenen, vom Verwaltungsgerichtshof aber nicht bejahten - Fall auszugehen, dass die Behörde in der konkret zu beurteilenden Konstellation zur nachträglichen Genehmigung einer Dienstbefreiung für einen Kuraufenthalt nach § 33 Innsbrucker Gemeindebeamtengesetz 1970 nicht berechtigt wäre; zur Abweisung eines erst nachträglich gestellten Antrages auf Pflegefreistellung während eines Erholungsurlaubes VwGH 27.3.1996, 96/12/0030).“

8        Im fortgesetzten Verfahren hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Erkenntnis vom 28. Oktober 2019 den Bescheid der Dienstbehörde vom 28. Jänner 2018 unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 2019, Ra 2019/12/0040, auf.

9        Mit Bescheid vom 3. Jänner 2020 wies die Dienstbehörde den Antrag des Revisionswerbers vom 22. Jänner 2018 gemäß § 44 DPL 1972 ab.

10       Begründend führte die Behörde aus, dass in der vorliegenden Konstellation eine rückwirkende rechtsgestaltende Gewährung des nachträglich beantragten Sonderurlaubs nicht in Betracht komme. Dazu verwies sie auch auf § 31 Abs. 4 DPL 1972. Aus dieser Bestimmung ergebe sich, dass die nachträgliche Beantragung von Sonderurlaub gesetzlich nicht vorgesehen sei. Des Weiteren legte sie dar, aus welchen Gründen sich nach ihrer Auffassung die vorliegend zu beurteilende Konstellation maßgeblich von dem mit dem hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, 98/12/0517, entschiedenen Ausgangsverfahren sowie von anderen Fällen unterscheide, in denen der Verwaltungsgerichtshof von der Zulässigkeit der rückwirkenden Bewilligung eines Urlaubsantrags ausgegangen sei.

11       Der Revisionswerber erhob Beschwerde.

12       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

13       Das Verwaltungsgericht führte aus, dass weder im Antrag des Revisionswerbers vom 22. Jänner 2018 noch in der Beschwerde „private“ Interessen behauptet würden, die die Behörde verabsäumt habe, mit den dienstlichen Interessen abzuwägen. Das Gericht verneinte das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen „privaten“ Interessen des Revisionswerbers. Es sei ausschließlich das Interesse des Revisionswerbers erkennbar, die Konsequenzen aus höchstgerichtlichen Entscheidungen abzuwenden. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die von der Dienstbehörde (im Zusammenhang mit dem nachträglich gestellten Antrag auf Sonderurlaub) ebenfalls ins Treffen geführte Treuepflichtverletzung allfällige private Interessen des Revisionswerbers aufzuwiegen vermöge.

14       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit verbunden mit dem Antrag geltend gemacht wird, das angefochtene Erkenntnis aus diesem Grund aufzuheben.

15       Zur Begründung ihrer Zulässigkeit führt die Revision aus, die Behörde habe ihre Entscheidung nicht auf Ermessenserwägungen gestützt, sondern darauf, dass es wegen der nachträglichen Antragstellung gesetzlich nicht zulässig gewesen sei, den beantragten Sonderurlaub zu bewilligen. Eine Abweisung der Beschwerde durch das Landesverwaltungsgericht habe nur „auf Basis der Beurteilung der behördlichen Entscheidungsgründe“ erfolgen dürfen.

16       Ausgehend von der Unrichtigkeit der behördlichen Entscheidungsgründe habe das Landesverwaltungsgericht „mit der Maßgabe, dass eine positive Ermessensentscheidung zulässig [sei]“ eine solche nicht anstelle der Behörde treffen dürfen. Zufolge der funktionalen Kompetenzverteilung zwischen Behörde und Gericht hätte das Verwaltungsgericht richtigerweise den Bescheid aufheben und der Behörde vorgeben müssen, in gesetzeskonformer Ermessensübung über den Antrag des Revisionswerbers zu entscheiden. Stattdessen habe das Gericht implizit unterstellt, dass die Behörde eine auf Ermessenserwägungen beruhende Entscheidung getroffen habe. Es habe dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es die behördliche Ansicht, wonach eine positive Ermessensentscheidung „überhaupt“ nicht möglich sei, nicht teile.

17       Der Revisionswerber habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sein „privates“ Interesse betreffend die Gewährung des in Rede stehenden Sonderurlaubes umfassend dargetan. Dieses bestehe darin, dass es um eine für seine Gesundheit wesentliche Therapie in der nach seiner Überzeugung bestmöglichen Form, d.h. nicht bei gleichzeitiger Dienstverrichtung (samt den enorm langen Fahrzeiten) gegangen sei. Das Landesverwaltungsgericht habe verkannt, dass sich aus den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 2019, Ra 2019/12/0040, vom 13. September 2017, Ra 2017/12/0003, sowie vom 17. April 2020, Ra 2019/12/0031, lediglich ergebe, dass das Vertrauen des Revisionswerbers auf die Zulässigkeit eines Krankenstandes im hier gegenständlichen Zeitraum nicht begründet gewesen sei, nicht aber, dass kein berücksichtigungswürdiges, gesundheitliches Interesse an der Gewährung von Sonderurlaub bestanden habe.

Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

18       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

19       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

20       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

21       Die maßgeblichen Bestimmungen der DPL 1972, LGBl. 2200-78, lauten:

„§ 31

Abwesenheit vom Dienst

...

(3) Wenn die Abwesenheit vom Dienst weder durch Krankheit oder andere zwingende Umstände gerechtfertigt, noch als Erholungsurlaub gemäß § 41 oder Sonderurlaub gemäß § 44 bewilligt ist, aber noch nicht länger als einen Tag gedauert hat, hat der Beamte die versäumte Dienstleistung - unvorgreiflich der disziplinären Ahndung - nach Weisung seines Vorgesetzten binnen einer Woche nachzuholen.

(4) Hat eine ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst länger als einen Tag gedauert oder war der Beamte durch Haft, ausgenommen Untersuchungshaft, an der Dienstleistung verhindert, so verliert er für diese Zeit den Anspruch auf seine Bezüge und Nebengebühren. Der Dienststellenleiter kann an Stelle des Geldleistungsentfalles die Anrechnung der versäumten Diensttage auf den noch nicht verbrauchten Erholungsurlaub bewilligen, wenn dies aus sozialen Gründen geboten erscheint. Den schuldlosen Angehörigen eines in Haft befindlichen Beamten gebührt ab dem auf den Geldleistungsentfall folgenden Monatsersten ein Versorgungsgeld sinngemäß nach § 89 Abs. 2 und 11.

...

§ 44

Sonderurlaub

(1) Soferne nicht wesentliche dienstliche Interessen entgegenstehen, kann dem Beamten ein Sonderurlaub unter Entfall der Bezüge gewährt werden. Liegt die Gewährung des Sonderurlaubes überdies im Interesse des Landes oder liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, kann ein Sonderurlaub auch unter Fortzahlung der Bezüge jedoch längstens für die Dauer eines Jahres gewährt werden. Für einen im dienstlichen Interesse gelegenen Sonderurlaub zur Fortbildung oder zum Erwerb einer Zusatzausbildung können die hiefür nachgewiesenen Kosten ganz oder teilweise ersetzt werden.“

22       Im Revisionsfall hat - wie auch die Zulässigkeitsbegründung ausführt - die Dienstbehörde keine Ermessensentscheidung getroffen (zur in rechtlicher Gebundenheit vorzunehmenden Beurteilung und der davon zu unterscheidenden Ermessensentscheidung bei Prüfung eines Antrags auf Bewilligung von Sonderurlaub vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zur insofern vergleichbaren bundesgesetzlichen Rechtslage VwGH 28.1.2013, 2012/12/0029, mwN). Die Dienstbehörde ist u.a. in Anbetracht der Bestimmungen des § 31 Abs. 4 DPL 1972 davon ausgegangen, dass der rückwirkenden Bewilligung des nachträglich beantragten Sonderurlaubs zwingende rechtliche Gründe entgegenstünden.

23       Nachdem der verfahrenseinleitende Antrag des Revisionswerbers im vorliegenden Rechtsgang durch die Dienstbehörde abgewiesen worden war, war gegenständlich durch das Verwaltungsgericht (das im Übrigen bei seiner Entscheidung über die Beschwerde des Revisionswerbers nicht auf eine Überprüfung der rechtlichen Argumentation der Behörde beschränkt war) zu beurteilen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die (hier nachträglich beantragte) Gewährung von Sonderurlaub vorlagen.

24       § 44 Abs. 1 DPL 1972 regelt - so wie auch im dienstbehördlichen Bescheid angesprochen - zwei Möglichkeiten für die Inanspruchnahme von Sonderurlaub, die sich voneinander sowohl hinsichtlich der zu erfüllenden Voraussetzungen als auch in Anbetracht der damit jeweils verbundenen gehaltsrechtlichen Konsequenzen unterscheiden. So kann einerseits gemäß dem ersten Satz des Absatzes 1 der in Rede stehenden Bestimmung dem Beamten - unter Entfall der Bezüge - Sonderurlaub gewährt werden, sofern nicht wesentliche dienstliche Interessen entgegenstehen. Zudem kann entsprechend der zweiten, in § 44 Abs. 1 zweiter Satz DPL 1972 normierten Variante, wenn überdies die Gewährung von Sonderurlaub im Interesse des Landes liegt oder berücksichtigungswürdigende Gründe bestehen, dieser Urlaub unter Fortzahlung der Bezüge, längstens jedoch für die Dauer eines Jahres gewährt werden.

25       Wie sich schon im Hinblick auf die bislang im Zusammenhang mit der betreffenden Dienstabwesenheit des Revisionswerbers ergangenen hg. Entscheidungen ergibt (vgl. VwGH 13.9.2017, Ra 2017/12/0003, sowie vom 17.4.2020, Ra 2019/12/0031), handelte es sich gegenständlich - vorbehaltlich einer nachträglichen (rechtsgestaltenden) Entscheidung, die die Verpflichtung des Revisionswerbers zum Versehen seines Dienstes in dem maßgeblichen Zeitraum rückwirkend entfallen ließe - um eine ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst in der Zeit von 4. bis 15. Dezember 2017.

26       Die gehaltsrechtlichen Folgen einer ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst werden in § 31 Abs. 4 DPL 1972 geregelt. So bestimmt § 31 Abs. 4 DPL 1972 für den Fall einer länger als einen Tag andauernden, ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst, dass der Beamte für diese Zeit den Anspruch auf seine Bezüge und Nebengebühren verliert, jedoch der Dienststellenleiter an Stelle des Geldleistungsentfalles die Anrechnung der versäumten Diensttage auf den noch nicht verbrauchten Erholungsurlaub bewilligen kann, wenn dies aus sozialen Gründen geboten erscheint.

27       Es erschließt sich somit aus der zuletzt wiedergegebenen Vorschrift, dass in der vorliegenden Konstellation einer rückwirkenden Gewährung des nachträglich beantragten Sonderurlaubs unter Fortzahlung der Bezüge die Bestimmung des § 31 Abs. 4 DPL 1972 entgegensteht. Es besteht im Regelungsbereich der DPL 1972 bei einer ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst gegebenenfalls die Möglichkeit, die Folge des Geldleistungsentfalls durch die rückwirkende Bewilligung von Erholungsurlaub abzuwenden (zum allfälligen Interesse des Beamten, eine ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst nachträglich in Erholungsurlaub umgewandelt zu erhalten, dem durch § 31 Abs. 4 DPL 1972 Rechnung getragen wird, VwGH 20.12.2017, Ra 2017/12/0028). Dafür, dass eben diese Rechtsfolge auch durch die rückwirkende Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge gemäß § 44 Abs. 1 zweiter Satz DPL 1972 rechtens herbeigeführt werden könnte, bietet die insofern eindeutige Rechtslage keine Anhaltspunkte.

28       Nur bei Prüfung der „Einstiegsvoraussetzungen“ für die (hier allerdings bereits im Hinblick auf § 31 Abs. 4 DPL 1972 als unzulässig zu qualifizierende) Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge könnte den in der Zulässigkeitsbegründung (unter dem Blickwinkel des Vorliegens berücksichtigungswürdiger Gründe) angeführten gesundheitlichen Interessen des Revisionswerbers aber überhaupt rechtliche Relevanz zukommen (vgl. § 44 Abs. 1 zweiter Satz DPL 1972).

29       In Ansehung der für die Gewährung von Sonderurlaub unter Entfall der Bezüge normierten „Einstiegsvoraussetzungen“ sind allfällige „private“ Interessen des Beamten nicht zu prüfen. Im gebundenen Bereich einer nach § 44 Abs. 1 erster Satz DPL 1972 zu treffenden Entscheidung ist ausschließlich darauf abzustellen, ob der Bewilligung des beantragten Sonderurlaubs wesentliche dienstliche Interessen entgegenstehen.

30       Ob - so wie im dienstbehördlichen Bescheid dargestellt - infolge der Bestimmungen des § 31 Abs. 4 DPL 1972 auch die rückwirkende Gewährung von Sonderurlaub unter Entfall der Bezüge nach § 44 Abs. 1 erster Satz DPL1972 grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. dazu auch § 31 Abs. 3 DPL 1992, der ausdrücklich jene Fallgestaltung erwähnt, in der Sonderurlaub bewilligt „ist“), kann im Revisionsfall schon deshalb dahinstehen, weil sich die Zulässigkeitsbegründung, die sich auf „private“ gesundheitliche Interessen des Revisionswerbers beruft, weder mit dieser Frage noch mit § 31 Abs. 3 und 4 DPL 1972 noch mit der Zulässigkeit einer rückwirkenden Bewilligung eines erst nachträglich beantragten Sonderurlaubs im Anwendungsbereich der DPL 1972 befasst. Zudem wird das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz DPL 1972 in der Revision nicht konkret behauptet. Da die Revision zu § 44 Abs. 1 erster Satz DPL 1972 keinerlei Ausführungen enthält, lässt sie auch nicht einmal erkennen, ob die Gewährung von Sonderurlaub unter Entfall der Bezüge vom Revisionswerber (der den vorliegenden Antrag in Reaktion auf den dienstbehördlichen Bescheid betreffend den Entfall seiner Bezüge stellte) angestrebt wird.

31       Die Dienstbehörde, die unter Hinweis auf die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1999, 98/12/0517, dargelegten Erwägungen von der Unzulässigkeit der rückwirkenden Bewilligung von Sonderurlaub in der vorliegenden Konstellation ausging, verwies auf eine Treuepflichtverletzung durch den Revisionswerber. Diese sei darin zu sehen, dass der Revisionswerber, obwohl ihm die Weisung erteilt worden sei, die betreffenden Behandlungen in der Freizeit zu absolvieren, und obwohl er ausdrücklich mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass er die Gewährung von Sonderurlaub zu beantragen habe, erst sieben Wochen nach Antritt der therapeutischen Behandlungen im N. Center (sowie nach Zustellung des Bescheides betreffend den Entfall seiner Bezüge) den gegenständlichen Antrag auf rückwirkende Gewährung von Sonderurlaub gestellt habe. Auf die dazu im angefochtenen Erkenntnis angestellten Überlegungen hinsichtlich einer (nur im Fall, dass die zwingenden gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Sonderurlaub gegeben wären, durchzuführenden, d.h. hier lediglich „hypothetischen“) Abwägung eines damit angesprochenen dienstlichen Interesses gegenüber „privaten“ Interessen des Revisionswerbers (und den zu diesen Interessen erstatteten Ausführungen der Revision) ist hier nicht näher einzugehen. Unter Zugrundelegung der Zulässigkeitsbegründung ist - wie oben dargestellt - nicht ersichtlich, dass die (im gebundenen Bereich zu beurteilenden) gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Sonderurlaub fallbezogen zu bejahen wären.

32       Aus den dargelegten Erwägungen liegen die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 9. Dezember 2020

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020120066.L00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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