TE Vwgh Beschluss 2020/12/11 Ra 2020/22/0064

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Veröffentlicht am 11.12.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §41
VwGG §45
VwGG §45 Abs1
VwGG §45 Abs1 Z4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des M A A, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16. August 2019, Zl. VGW-151/063/4567/2019-13, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Antrag vom 4. Oktober 2018 begehrte der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger, gestützt auf seine Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin AA als Zusammenführende die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Mit Bescheid vom 13. Februar 2019 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) diesen Antrag gestützt auf § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG ab.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 16. August 2019 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

Nach Darstellung der Aussagen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen (der Ehefrau des Revisionswerbers, deren Schwester sowie des Kommanditisten der D KG und dessen Ehefrau [MD und ND]) traf das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren relevant - folgende Feststellungen: Die über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügende Ehefrau des Revisionswerbers beziehe eine Invaliditätspension in der Höhe von monatlich € 1.042,77. Der Revisionswerber, der über keinerlei Deutschkenntnisse verfüge, habe einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag mit der D KG als Kochgehilfe, abgeschlossen am 19. Jänner 2019, vorgelegt. Es entspreche nicht dem Willen der Vertragsparteien, diesen Vorvertrag tatsächlich zu effektuieren.

In seiner Beweiswürdigung betreffend den Vorvertrag verwies das Verwaltungsgericht insbesondere darauf, dass der Revisionswerber den beiden Verantwortlichen der D KG (MD und ND) nicht persönlich bekannt sei. Der Revisionswerber verfüge über keine Deutschkenntnisse und seine letzte Beschäftigung als Küchenhilfe in Pakistan liege zehn Jahre zurück. Es sei daher nicht ersichtlich, dass der Revisionswerber im Vergleich zu auf dem österreichischen Arbeitsmarkt verfügbaren Arbeitskräften motivierter wäre oder besser arbeiten würde. Zudem verfüge die D KG über einen stabilen Mitarbeiterstand, wodurch die Beschäftigung des Revisionswerbers nur im Fall der Kündigung eines anderen Mitarbeiters in Betracht käme. MD habe auch ausgeführt, er könne den Revisionswerber „nur dann gleich aufnehmen“, wenn dieser vor September nach Österreich komme; ansonsten würde er jemand anderen aufnehmen.

In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht fest, dass sich - ausgehend vom maßgeblichen Richtsatz zuzüglich der Mietkosten und abzüglich des Wertes der freien Station - ein finanzielles Gesamterfordernis im Ausmaß von monatlich € 1.456,30 ergebe. Die Ehefrau des Revisionswerbers beziehe an Invaliditätspension, Pflegegeld und Ausgleichszulage zuzüglich der Sonderzahlungen einen Betrag von monatlich € 1.216,57. Da nicht festgestellt werden habe können, dass der Vorvertrag tatsächlich umgesetzt werden solle, liege das zur Verfügung stehende Einkommen deutlich unter dem erforderlichen Betrag. Die Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG führe - so das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung - zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen gegenüber dem privaten Interesse des Revisionswerbers. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Ehefrau des Revisionswerbers im Fall der Nichterteilung des beantragten Aufenthaltstitels de facto gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        Nach Ansicht des Revisionswerbers widerspreche die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei der Prüfung gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG darauf abzustellen sei, ob der Antragsteller im Fall der Bewilligung seines Antrages über ein Einkommen verfügen würde.

Dem ist entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht nicht die Maßgeblichkeit eines Vorvertrages dem Grunde nach in Abrede gestellt, sondern - gestützt auf seine beweiswürdigenden Überlegungen - eine Prognoseentscheidung getroffen hat, allerdings mit dem Ergebnis, dass eine tatsächliche Umsetzung des konkret vorgelegten Vorvertrages nicht beabsichtigt sei.

6        Der Revisionswerber bringt vor, Vorverträge seien - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes - auch dann anzuerkennen, wenn sich der potentielle Arbeitgeber und der künftige Arbeitnehmer nicht persönlich kennen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG im Zusammenhang mit der Überprüfung der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs, nicht aber um die konkrete Richtigkeit handelt, sowie wenn es darum geht, ob die in diesem Denkvorgang gewürdigten Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/22/0119, Rn. 9, mwN). Eine derartige vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen, zumal sich das Verwaltungsgericht bei seinen (oben in den wesentlichen Zügen dargestellten) Überlegungen nicht nur darauf gestützt hat, dass der potentielle Arbeitgeber den Revisionswerber nicht kenne.

7        Soweit der Revisionswerber vorbringt, es wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der beantragte Aufenthaltstitel mit einem Jahr befristet und eine Verlängerung nur im Fall des Nachweises der erforderlichen Mittel möglich sei, zeigt er nicht auf, dass das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung einen anderen Zeitraum zugrunde gelegt habe.

8        Mit dem nicht näher substantiierten Hinweis, es erscheine „rechtlich unkorrekt“, dass ein mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateter pakistanischer Staatsangehöriger nicht nach Österreich übersiedeln dürfe, wird eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der vom Verwaltungsgericht im Einzelfall durchgeführten Interessenabwägung nicht aufgezeigt (vgl. diesbezüglich auch VwGH 3.6.2020, Ra 2019/22/0193, Rn. 15, mwN).

9        In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

11       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 12. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220064.L01

Im RIS seit

26.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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