RS Vwgh 2020/12/15 Ra 2019/02/0162

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 15.12.2020
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

AVG §56
StVO 1960 §19 Abs7
StVO 1960 §99 Abs2c
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38

Rechtssatz

Das Erfordernis des "unvermittelten Bremsens oder Ablenkens" ist objektiv zu verstehen, d.h., dass der Tatbestand auch dann gegeben sein kann, wenn der Vorrangberechtigte obwohl er, objektiv gesehen, unvermittelt bremsen oder ablenken müsste, in Wirklichkeit aber weder das eine noch das andere getan hat, weshalb es ja in der Regel zum Unfall gekommen sein wird. Dabei ist es ohne rechtliche Bedeutung, ob der Vorrangberechtigte bei leichter Betriebsbremsung sein Fahrzeug hätte anhalten können und ob er sich ebenfalls rechtswidrig (etwa durch Einhalten einer überhöhten Geschwindigkeit) verhalten hat (vgl. VwGH 17.12.1986, 85/03/0014, VwSlg. 12352 A). Der Beschuldigte brachte jedoch vor, die Unfallgegnerin hätte ihre Geschwindigkeit nur leicht herabsetzen müssen, um eine Kollision zu verhindern, oder sie habe vielleicht sogar die Geschwindigkeit erhöht. Es wäre denkbar, dass der Vorrangberechtigte den Verkehrsunfall durch Bremsen oder Ablenken in einer ihm zumutbaren Weise (vgl. OGH 11.3.1980, 2 Ob 18/80, ZVR 1980, 11/335) hätte verhindern können, jedoch auf Grund eines Reaktionsfehlers tatsächlich nicht verhindert hat. Allein die Tatsache, dass es zu einem Verkehrsunfall kam, schließt gedanklich nicht mit ein, dass der Vorrangberechtigte zu einem unvermittelten Bremsen oder Ablenken seines Fahrzeuges genötigt wurde und sohin sein Vorrang verletzt wurde (vgl. VwGH 20.9.1989, 89/03/0150). Nach der Rechtsprechung des OGH kann von einem Verstoß des Wartepflichtigen gegen § 19 Abs. 7 StVO 1960 nicht gesprochen werden, wenn der Vorrangberechtigte durch das in die Vorrangstraße einfahrende Fahrzeug während der ganzen Phase des Einbiegens lediglich zu einer durch bloßes Wegnehmen vom Gas zu erreichenden Mäßigung seiner Geschwindigkeit verhalten wird. Eine Verletzung des im § 19 Abs. 7 StVO 1960 ausgesprochenen Verbotes setzt voraus, dass sich die beteiligten Fahrzeuge im Zeitpunkt der Einleitung des unvermittelten Bremsmanövers (bzw. des Ablenkens des Fahrzeuges) durch den Vorrangberechtigten bereits in einer solchen - geringen - Entfernung voneinander befinden, dass das Bremsen bzw. Ablenken des Fahrzeuges zur Vermeidung eines Unfalles erforderlich ist (vgl. VwGH 22.10.1982, 80/02/2243). Zur Prüfung des oben genannten Vorbringens des Beschuldigten wäre es erforderlich gewesen, die Geschwindigkeiten und Entfernungen der beteiligten Fahrzeuge zu dem Zeitpunkt festzustellen, als die Vorrangberechtigte auf das Einfahren des Beschuldigten durch bloßes Wegnehmen vom Gas hätte reagieren müssen.

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020162.L01

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten