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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des S H in W, vertreten durch die Biedermann & Belihart Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2020, Zlen. I408 2161202-1/11E und I408 2161202-2/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 12. August 2015 (gemeinsam mit seinem Bruder) einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 2. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 2. Mai 2018.
Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde damit begründet, dass auf Grund der derzeit allgemein unsicheren Lage und der wirtschaftlichen Situation im kurdischen Autonomiegebiet des Irak nicht davon auszugehen sei, dass der Revisionswerber dort eine Existenz begründen könne.
3 Nach entsprechendem Antrag des Revisionswerbers verlängerte das BFA mit Bescheid vom 8. Mai 2018 die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 2. Mai 2020.
4 Mit Bescheid des BFA vom 23. Oktober 2019 wurde dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt und ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen. Weiters sprach die Behörde aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt werde, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Zudem legte es die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 25. März 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Bescheide vom 2. Mai 2017 (betreffend die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) und vom 23. Oktober 2019 erhobenen Beschwerden des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das BVwG aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber auf Grund einer persönlichen Bedrohung oder Verfolgung seinen Herkunftsstaat mit seinem Bruder habe verlassen müssen. Das diesbezügliche Vorbringen des Revisionswerbers, sein Dorf sei von Mitgliedern des IS überfallen worden, sein Vater sei seither verschollen und der Revisionswerber und sein Bruder würden von Familienangehörigen verfolgt werden, sei nicht glaubhaft. Hinsichtlich der Aberkennung von subsidiärem Schutz führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt hätten, seither wesentlich geändert hätten. Es sei daher nicht mehr davon auszugehen, dass eine im kurdischen Autonomiegebiet des Irak aufhältige oder zurückkehrende Person automatisch in eine lebensbedrohende oder unmenschliche Lage geriete.
Zur Rückkehrentscheidung hielt das BVwG zusammenfassend fest, dass von einer außergewöhnlichen Integration des Revisionswerbers nicht gesprochen werden könne. Dieser habe sich in den beinahe fünf Jahren seines Aufenthalts in Österreich kaum integriert. Erst seit Mitte 2019 trage er über geringfügig bezahlte Beschäftigungsverhältnisse selbst etwas zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes bei. Aktivitäten in Vereinen oder einer Organisation lägen nicht vor. Sein persönliches Umfeld sei geprägt vom Zusammenleben mit seinem Bruder. Es bestünden nur wenige, kaum ausgeprägte persönliche Kontakte zu Österreichern sowie zum gesellschaftlichen Leben in Österreich.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 21.1.2020, Ra 2019/14/0513, mwN).
9 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter anderem vorgebracht, das BVwG habe seine beweiswürdigenden Ausführungen, wonach der Überfall der Mitglieder des IS auf das Dorf des Revisionswerbers und die Gefahr der Verfolgung unglaubwürdig seien, nicht nachvollziehbar begründet.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung kann unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision nicht schon mit der Behauptung mit Erfolg angegriffen werden, dass auch ein anderes (gegenteiliges) Ergebnis schlüssig begründbar gewesen wäre (vgl. etwa VwGH 9.7.2020, Ra 2020/19/0225, mwN).
11 Im vorliegenden Fall konnte sich das BVwG, das sich in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft hat, bei seinen beweiswürdigenden Erwägungen auf Ungereimtheiten und Widersprüche in den Angaben des Revisionswerbers sowie zu den Angaben seines Bruders stützen.
Die Revision vermag nicht darzutun, dass diese Erwägungen des BVwG an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden groben Mangelhaftigkeit litten.
12 Darüber hinaus wird in der Revision vorgebracht, dass die Feststellung über die zu erwartende Lage des Revisionswerbers faktisch unbegründet geblieben sei. Die Darstellung, wonach sich die Lage im Irak stabilisiert habe, stelle keine ausreichende Begründung dar; dies insbesondere deshalb, weil eine auch nur annähernd rechtsstaatliche Struktur, die eine willkürliche Repression gegenüber den Einwohnern unwahrscheinlich erscheinen ließe, nicht festgestellt worden sei.
13 Werden Verfahrensmängel - wie hier Feststellungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. etwa VwGH 26.11.2019, Ra 2019/01/0442, mwN).
Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht gerecht.
14 Wenn sich die Revision schließlich gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist sie auf ständige Rechtsprechung Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach eine im Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 7.5.2020, Ra 2020/19/0081, mwN).
Angesichts der oben wiedergegebenen Erwägungen des BVwG zur Rückkehrentscheidung zeigt die Revision mit dem bloßen Hinweis, dass auf die konkrete Situation des Revisionswerbers nicht eingegangen worden sei, keine unvertretbare Interessenabwägung auf.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. Dezember 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190146.L00Im RIS seit
02.02.2021Zuletzt aktualisiert am
02.02.2021